J. S. Bach und die Universität Leipzig - Neue Quellen 179 verlangen, verrichtet habe, gar wol hätte hören laßen", 67 zum Musikdirektor der Universität ernannt. Wie aus einer Mitteilung des Chronisten Christoph Emst Sicul vom 3. April 1723 hervorgeht, waren Gömers Pflichten von Anfang an eindeutig geregelt: dieser hat die Music nur bey dem neuen Gottesdienst, d. i. bey denen ordentlichen Sonn- und Festtags-Predigten aufzuführen; die alte Music hingegen i. e. die bey denen Orationibus Festhalibus und quadrimestribus ist dem Stadt-Cantori verblieben. 68 Nachdem die Figuralaufführungen in den „Neuen Gottesdiensten" über lange Zeit unter ungeklärten Bedingungen stattgefunden hatten, wollten die Uni versitätsbehörden nun endlich stabile Verhältnisse schaffen. Und dies lag letztlich auch im Interesse des Rates, der aufgrund bisheriger Erfahrungen in Bachs Anstellungsrevers vorsorglich den Passus einfügen ließ, daß dieser „bey der Universität kein officium, ohne E. E. Hochweisen Rats Consens annehmen solle und wolle.“ 69 Bach hatte somit von Anfang an keinerlei Chancen, diese Entwicklung noch einmal umzukehren. Seine an Kurfürst Friedrich August I. gerichteten Petitionen, 70 die „Neuen Gottesdienste" fortan wieder bestellen zu dürfen oder wenigstens die Johann Gottlieb Gömer gewährte Besoldung von 12 Gulden für sich beanspruchen zu können, mußten daher aussichtslos bleiben. Möglicherweise war Bach über die zurücklie genden Vorgänge auch nur unzureichend informiert worden. Selbst den Uni versitätsbehörden waren die Zusammenhänge etwas unklar, glaubte doch der Rektor Christian Ludovici zunächst, Bach mit einer Ausgleichszahlung von sechs Talern für die entgangenen „Neuen Gottesdienste“ entschädigen zu können. 71 Obwohl Bach deren musikalische Leitung nicht zurückgewinnen konnte, hat er die „Alten Gottesdienste“ sowie die Musik zu den „Quartaisorationen“ bis zu seinem Lebensende ohne Unterbrechung bestellt und dafür jährlich ein Honorar von 13 Talern und 10 Groschen empfangen. In rund 27 Amtsjahren dürfte er in der Paulinerkirche somit über 100 Figuralmusiken aufgeführt haben. Außer den Kirchenmusiken im „Alten Gottesdienst" hat Bach auch Werke zu außergewöhnlichen offiziellen Anlässen der Universität komponiert. Nach weislich waren dies zunächst (zwei?) lateinische Oden (BWV 2 Anh. I 20), 67 UAL. Rep. l\XVl\l 27, fol. 82v-83r. 68 Christoph Ernst Siculs ANNALIUM LIPSIENSIUM ... Des Leipziger Jahr-Buchs zu dessen Dritten Bande Erste Fortsetzung, Leipzig 1723, S. 241 f. 69 Siehe Dok I, Nr. 92. Siehe Bachs Gesuche vom 14. September 1725 (Dok I. Nr. 10) und 31. Dezember 1725 (Dok I, Nr. 12). 71 Protokoll des Konzils vom 19. April 1725 (Dok II, Nr. 189).