180 Andreas Glöckner die am 9. September 1723 in Anwesenheit des Rektors Johann Burkhard Mencke im Hörsaal der Universität auf der Ritterstraße zum Geburtstag Her zog Friedrichs II. von Sachsen-Gotha-Altenburg musiziert wurden. 72 3. Vorbehalte gegenüber der figuralen Passionsmusik? Gegenüber der 1717 in Leipzig eingeführten Tradition, im Karfreitagsvesper gottesdienst hgurale Passionsmusiken aufzuführen, 73 war man im Templum Paulinum offenbar zurückhaltend. Als der Universitätsprofessor Johann Florens Rivinus dort am Karfreitag (26. März) 1728 mit ausdrücklicher „Con- cession“ des Kurfürsten eine Passionspredigt im Vespergottesdienst stiftete, 74 wurde angeordnet, „daß vor der Predigt 2. Sterbe oder Passions-Lieder, und 2. dergl. nach der Predigt, unter doucer Music, ohne alles figurirzn“ abge sungen werden sollten, „damit die ganze Gemeinde zugleich mit singen könnte“. 73 Dem Akademischen Musikdirektor Johann Gottlieb Gömer wurden dafür 2 Taler zugebilligt. Die ausdrückliche Anweisung, im Karfreitagsvespergottesdienst auf „alles figuriren“ zu verzichten, läßt indes vermuten, daß die figurale Passionsmusik in Leipzig noch nicht durchweg angenommen war. Bezogen auf Bachs Pas sionsaufführungen wäre zumindest zu fragen, ob seine doppelchörige Matthä us-Passion unter den damaligen Zuhörern nur ungeteilte Bewunderung aus löste oder ob das monumentale Opus nicht doch den Widerspruch einiger Vorgesetzter bei Kirche, Stadt und Schule erregte. Wurde eine gut dreistündige Passions-Aufführung im Rahmen des Vespergottesdienstes tatsächlich hin genommen? Vielleicht als Reaktion auf kritische Stimmen gegenüber der im Vorjahr musizierten Passion erklang 1730 die ungleich bescheidenere Lukas-Passion (BWV 2 Anh. II 246) eines unbekannten Verfassers. Vermutlich wurde die Gemeinde bei der Aufführung sogar mit einbezogen, indem sie zumindest den Schlußchoral mitsingen konnte. In Bachs Aufführungspartitur 76 sind fünf Strophen des Chorals 77 in simplem Kantionalsatz notiert. Immer hin enthält das Werk 23 Choral- und 9 Litaneisätze, während die madrigali- 72 Siehe Dok II, Nr. 156, und Dok V, Nr. B 156a. 73 Diese wurde in der Neukirche bereits 1717 und in den Hauptkirchen 1721 eingeführt (zunächst in St. Thomas, später in St. Nikolai). 74 Das von Rivinus gestiftete Kapital betrug 120 Taler. 75 Stadtarchiv Leipzig, Tit. VII C (F) 24 (Acta die hiesige Paulinerkirche hetr.), fol. 204r-205r. 76 D-B. P 1017. 77 Der Strophe „Nun ruh Erlöser in der Gruft“ folgen noch vier weitere Strophen. Die Herkunft des Liedtextes ist noch ungeklärt.