184 Andreas Glöckner Stadtpfeifer“ vom Rat verboten sei. 90 Daran hatte sich wohl auch im Jahre 1729 noch nichts geändert. Vielleicht wurden die colla parte geführten Instrumentalstimmen nur deshalb angefertigt, weil unter den Studenten nur wenige Sänger zur Verfügung stan den und die Vokalstimmen daher - abweichend von der üblichen Praxis - verstärkt werden mußten. Der Umstand, daß das originale Aufführungs material 91 von Johann Sebastian Bach, seiner Frau Anna Magdalena, dem Zweitältesten Sohn Carl Philipp Emanuel und seinem Schüler Johann Ludwig Krebs - also in „Familienarbeit“ - angefertigt wurde, 92 spricht für eine außer gewöhnliche und „außerdienstliche“ Aufführung. Die Motette wurde bei der Begräbnisfeier am 23. Oktober 1729 in der Paulinerkirche mit Instrumental begleitung aufgeführt, während der abschließende Choral „Du heilige Brunst“ offenbar bei der Beisetzung des Sarges in der Gruft der Paulinerkirche (a capella) gesungen wurde. In allen Instrumentalstimmen 93 folgt nach der Fuge „Der aber die Fierzen forschet“ bezeichnenderweise der Vermerk „Fine“. Die Mitwirkung der Instrumente im Choral war mithin nicht vorgesehen. Nach dem Ableben des Rektors (16. Oktober 1729) verblieb Bach somit eine Woche Zeit zur Komposition der Begräbnismotette. Deren Text hatte der Verstorbene selbst ausgewählt. 94 Da die Aufführung nicht mit den sonst verfügbaren Kräften (Alumnen) erfolgte, war eine längere Vorbereitungszeit wohl auch erforderlich. Vermutlich hat Bach ein Ensemble eigens für diesen Anlaß zusammenstellen müssen. Die Notwendigkeit der Beschränkung bei der vokalen und instrumentalen Besetzung erklärt vielleicht auch die außergewöhnliche Konzeption von Bachs Pfingstkantate „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten" (BWV 59). Deren autographe Partitur 95 ist zweifelsfrei im Frühjahr 1723 geschrieben worden, die Aufführungsstimmen 96 wurden aber seltsamerweise erst im dar auffolgenden Jahr - also zu Pfingsten 1724 - angefertigt. Von der siebensät- zigen Dichtung Erdmann Neumeisters hat Bach nur die Sätze 1 bis 4 vertont. War diese auffallend kurze Musik mit der bescheidenen Instrumentalbesetzung von zwei Trompeten, Pauken, Streichern und Basso continuo etwa zunächst ausschließlich auf die Aufführungsbedingungen in der Paulinerkirche zu- 90 Dok I, Nr. 12 (S. 44). 91 D-B. St 121. 92 Ein fünfter (anonymer) Schreiber ist auch in den Schulheften von Wilhelm Friede mann Bach nachzuweisen; siehe BC C 2 (Bd. 1/3. S. 949). 93 Chor 1: Violino 1, Violino 2, Viola. Violoncello; Chor II: Oboe 1. Oboe 2. Taille. Bassono; Basso continuo. 94 Siehe Bolin (wie Fußnote 81). S. 314. 95 D-B. P 161. 96 D-B. St 102.