Notenformen und Nachtragsstimmen 209 form erwarten dürften; vielleicht hat dann die Note der 1. Oboe da caccia die der 2. Oboe „mitgerissen". 22 Auf jeden Fall bieten weder die restlichen 160 Notenseiten der Partitur noch der nicht unbeträchtliche autographe Anteil der Aufführungsstimmen einen weiteren entsprechenden Beleg. 25 Aus dieser Stelle auf eine Datierung der beiden Kantatenstimmen in die nachösterliche Zeit von 1736 zu schließen, erschiene mithin - auch nicht zuletzt, wenn man den Zeitraum von gut sechs Wochen mitbedenkt, die zwischen Karfreitag und Pfingsten liegen - kaum begründet. Bekanntlich fand wenige Jahre später eine Entwicklung von Bachs Noten schrift statt, die sich nicht zuletzt durch die erneute Verwendung der lang gestreckten weißen Noten der vor-Leipziger Zeit auszeichnet. 24 Sowohl in den autographen Stimmen von BWV 210 als auch in zwei Niederschriften größeren Umfangs - dem Londoner Autograph des Wohltemperierten Claviers II BWV 870-893 (GB-Lbl. Add. MS 35021) und den Orgelchorälen BWV 651-663 im 2. Teil des Sammelbands P 271 - erscheinen die Ganzenoten sowie die Notenköpfe der Halben vorwiegend in der gleichen Form wie in Ein analoges Beispiel bietet der verworfene Entwurf zur Kantate „Mache dich, mein Geist, bereit" BWV 115 (GB-Cfm. Mus. ms. 631). Vgl. die Abbildung bei R. L. Marshall, The Compositional Process o/J. S. Bach. A Study ofthe Autograph Scores ofthe Vocal Works, Princeton 1972 (Princeton Studies in Music. 4.). Bd. 2, Tafel 111 (zu Nr. 84); NBA 1/26 Krit. Bericht (A. Glöckner. 1995). S. 138; oder P. Wollny, On Johann Sebastian Bach’s Creative Process: Observations front Itis Drafts and Sketches, in: The Century of Bach and Mozart. Perspectives on Historio- graphy, Composition. Theory. and Performance, hrsg. von S. Gallagher und T. F. Kelley, Cambridge. Mass., 2008 (Isham Library Papers. 7; Harvard Publications in Music. 22.). S. 217-238. hier S. 220. 23 Ein ähnlicher Fall findet sich in den Originalstimmen der zum 28. September 1737 komponierten weltlichen Kantate BWV 30a (St 31). die in zwei Sätzen abwärts kaudierte Halbenoten mit Halsansatz in der Mitte aufweisen: Vgl. Hautbois 1. Satz 11, T. 18 (durch Korrektur ausgefüllt) und 36; Violino 1. Satz 11. T. 16. und Satz 12. T. 9f.: Violino I (Dublette). Satz 12. T. 9f„ dazu die Abbildungen in NBA 1/29 (F. Rempp. 1982), S. XII. und NBA 1/39 (W. Neumann. 1977), S. IX. Kobayshi Chr. S. 40. nimmt diese Stellen nicht zur Kenntnis; auch bei Rifkin (wie oben. Fußnote 21) bleiben sie größtenteils unberücksichtigt. Die betreffenden Noten stehen neben den üblichen rechtsgehalsten Halben fast so isoliert da wie die halbmondförmigen Noten im Autograph der Matthäus-Passion. 24 Vgl. hierzu grundlegend Kobayashi Chr. S. 17 f. und 20 f„ sowie NBA IX/2. S. 20 f. und 170-172. Peter Wollny deutet das Wiederaufgreifen älterer Schriftformen einleuchtend als „Anzeichen einer inneren Hinwendung zu früheren Lebensab schnitten“; vgl. Johann Sebastian Bach. Die Achtzehn Großen Orgelchoräle BWV 651-668 und Canonische Veränderungen über „Vom Himmel hoch" BWV 769. Faksimile der Originalhandschrift mit einem Vorwort hrsg. von P. Wollny, Laaber 1999 (Meisterwerke der Musik in Faksimile. 5.), S. VII.