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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187901147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18790114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18790114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1879
- Monat1879-01
- Tag1879-01-14
- Monat1879-01
- Jahr1879
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1879
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mellen Beschlnß «faßt. Sambetta schlug vor, da« Programm den Bureaux der Deputrrteukammer za Überweise», welche eine Commission zu . . tteu, die ein vertrauen-, oder ernennen ißtrauenSvotum da« Ministerium vorzuschlagen habe. Gam- ett« deutete dabei auf die Schritte hin, die von Seiten seiner Freunde geschehen seien, damit er selbst i» da« Ministerium eintrete, und sprach keinen bestimmten Entschluß au-, einen Ministerposten nicht anznnehmen (d. h sich die Präsidentschaft um so sicherer zuretytzulegen DR) — Eine von den Mitgliedern der gemäßigten Linken abgebaltene Versammlung aab da« Der langen kund, da- gegenwärtige Ministerium zu er. halten, fand indeß da« Programm desselben nickt befriedigend und behielt sich biS zur Verlesung de« ProgrammS in der Kammer weitereEntschließung vor. Die Slrafgnvalt -es Reichstages. Dem ersten aufregenden Eindrücke, welchen die in Rede stehende Vorlage de- Reichskanzler« her- vorgerusen, ist eine ruhigere Erwägung gefolgt. Eine Reihe besonnener Preßorgane weiß sehr wohl da- Materielle de- Entwürfe« von seinen scharfen Formen zu trennen, wenn auch die Ansichten ü die Annehmbarkeit in der vorliegenden Gestalt weit au- einander gehen. Ueber die augenblicklich in politischen Kreisen Berlin« herrschende Stirn mung schreibt un« unser »*,.Eorrespondent: „Kür den Augenblick ist da« Intereste an den von dem neulich proelamirten ArntSgehennniß geschützten Arbeiten der ZolltarlsScom. Mission ganz in den Hintergrund gedrängt worden. Die öffentliche DiScnssron — und wie e« scheint auch die private — wird vollständig beherrscht von dem neuesten Gesetzentwürfe de« Reichskanzler-, den er— man möchte fast glauben, um sich zu decken — „im Austrage Sr. Majestät de- deutschen Kaiser-u. s. w.' dem Bunde-rathe vorgelegt hat. Daß der Ent wurs in der Form, wie er eingebracht ist, Gesetz werden könnte, daran glaubt nun freilich Niemand, selbst nicht auf den Bänken der äußer- sten Rechten in unserem Herrenhause. Auch versichert man mit aller Bestimmtheit, daß eine nochmalige Auslösung de« Reich-tag- und nne Neuwahl kein andere« Resultat ergeben Er " würde. Eine Bestimmung de- Entwurf-, die eben unter allen Umständen fallen muß, möge die Volksvertretung zusammengesetzt sein, wie sie wolle, ist die Berufung de« Strafrichter« sür Aeußerungen. die i« Parlament gefallen sind. Mit den drakonischen Mitteln, meint man, die der Gesetzentwurf in seinen übrigen Paragraphen au die Hand gebe, könne man recht wohl eine ge nügend straffe DiSciplin im Reichstage aufrecht er halte«. Damit soll nun freilich nicht gesagt sein, daß sich für diese Paragraphen eine Mehrheit staden werde; im Gegentherl steht die Sache heute so, daß die Zurückweisung de« Anträge« de- Reick« kaurler- die meisten Stimmen für sich hat." Die der Regierung nahestehende Presse verhält sich auffallend füll über die da- Inland wie da« Au-land gleich intensiv beschäftigende Frage E« liegt bi« jetzt nur eine Aeußerung de- officröserr literarischen Bureau vor, dahin lautend: «Daß der Gesetzentwurf über die Strafgewalt de« Reichstage« ein gewisse« Befremden und Wider sprüche Hervorrufen würde, hatte der Reichskanzler gewiß voraus«,sehen. Wenn er trotzdem d»e parla mentarische Initiative in dieser Angelegenheit nicht länger zu erwarten vorgezogen bat, sondern selbst mit der Bewegung vorgeganäen ist, so war dabe» un- rweifelhaft die Dringlichkeit angesichts der voraus sichtlichen Ausbeutung der parlamentarischen Rede freiheit seitens der Eocialdemokratie maßgebend. Ein längeres Warten auf die parlamentarische Ini tiativ« hätte vermutblich in der bevorstehenden Session ein ganz freie- den socialdemokratischen Abgeordneten Feld gegeben. Man darf wohl darauf rechnen, daß die Eifersucht auf die Initiative in einer ja allerdings den Reichstag in ersterLinie betreffenden Angelegenheit das Uribeil über den Gegenstand selbst nicht dauernd ver dunkln wird. Sind doch die nationalliberalen Organe gerecht genug. ein»ua«steh«n, daß die Regelung der Frag« selbst «ine Nothwendigkeit geworden ist, und daß Deutschland in dem Schutz der Würde der Par lamente hinter den Einrichtungen anderer großen Länder zurückgeblieben ist. AIS einen Eingriff in daS Lau-recht deS Reichstage« den Entwurf zu bezeichnen, wie gewisse Blätter thun, ist daher einfach sinnlos, denn die Hebung deS Hau-recht- soll ja nach dem Entwurf lediglich von dem Reichstag, bezüglich einer Lommisston desselben, au-gehen. E» handelt sich nicht um die Hebung, sondern um die Schaffung de- HauSrechtS, sofern nämlich die Mittel zum Schutz sich nicht au die Würde deS Reichstage- be schränken. Zur Herstellung solcher Mittel ist aber Reichstag allein mcht im Stande, sondern nur Zusammenwirken mit den Bundesregierungen." Di«,.KölnifcheZeitung" schließt ihrevetrach lnng de- Entwurf« mit den Worten: „Unsere« Erachten« läßt sich von den Vorschlägen de« Entwurfs mit einsaer Aussicht auf An nahme nur derjenige Tveil zur parlamentarischen Verhandlung stellen» welcher einleuchtend« Eonse- qutnzen deSSocialdemokratengesetzeS, di« auf besten Wirkungskreis beschränkt sind, zieht und namentlich „zum Fenster hinaus gehaltene" Brand- reden zu verhindern geeignet ist. Hierbei würde ,«dvch die Ueberweisung an die ordentliche» Gericht« auSzuschließrn sein und die Bestrafung innerhalb de« Hause« biS zur Entziehung de« Mandat» für die jeweilige Legislatur periode genügen müssen. Sie würde auch ihrem der im Zweck« vollständig genügen können Der Weg, der am besten »u dem gewünschten Ziele führen würde, wäre di« Einsetzung einer parlamentarischen DiSciplinarcommisston, die wir mehrfach schon au« anderen Gründen, namentlich zur Abwehr von Verleumdungen, befürwortet haben. Die Anregung zu einer zweckentsprechenden Aenderung der Ge schäftsordnung kann vvn dem vorliegenden Ge setzentwurf heraenommen werden: der Entwurf selbst wird, Da« läßt sich mit Sicherheit behaupten, in seiner jetzigen Gestalt nimmer Gesetz werden, weder in dem gegenwärtigen noch in einem etwa au« Neuwahlen hervorgehenden Reichstage. Da- genannte rheinische Blatt läßt sich ferner au- Berlin schreiben: »Rein, Durchlaucht!" überschreibt die «Posenrr jeitnng" ihre »Uik de- »äsetzentwun- über di« »trnsgewakt de- Reichstage». In der Thal >ird der Reichskanzler Wasser zu seinem Werne gießen müssen; denn der Widerspruch gegen die Vor lage ist allgemein. Wenigsten- kann man die Zurück- baltung, ja da- SchweiLe» der konservativen Blätter über jene- Strafgesetz schwerlich ander- auSiegen denn als Mißbilligung. (?) Man ist gespannt darauf, ob der BundeSrath den Gesetz entwurf in dieser Gestalt annehmen wrrd. Hoffentlich werden die Mitglieder deS ÄundeSratheS die Gelegenheit benutzen, um für ihre Körperschaft, die man nachgerade nur für einen Schatten de- ReichSkanzlerö anfieht, einige- Ansehen zu gewinnen. Sie werden dem Kanzler selbst einen Dienst erweisen, wenn sieau» demEntwurse wenigsten« den Strafrichter ganz auSscheiden; denn eS ist ge wiß, daß kein Reichstag eine solche Bestimmung ge nehmigen wird. Die gemäßigte fortschrittlicke „Breslauer Zeitung" äußert sich zur Sach« u.A wie folgt: ,LLir glauben kaum, daß Fürst BiSmarck mit seinem Plane, die DiScipiinargewalt de« Reichs tage- über die eigenen M,Glieder bi- zur Aus schließung und gerichtlichen Verfolgung zu erweitern, durchdringen wird. Zunächst meinen wir, daß ein derartiger Gesetzentwurf auSderJnitiative de« Reichstages, beziehungsweise de- Prä sidium- allein, heroorgehen kann; der Prä sident deS Reichstage- hat bisher allein die DrS ciplinargrwalt auSgeübt. und kein Mitglied hat des halb Klage zu führen Veranlassung genommen. Er allein hat da- Recht, die Redner zur Ordnung zu rufen oder ihnen das Wort zu entziehen; DaS hat bisher genügt. Soll der Präsident die ihm durch dm Gesetzentwurf beizulegenden weiteren Befugnisse au»- üben und Die- nur nach Berathung mit einer ihm zur Seite gesetzten Commission und unter Zustimmung der Letzteren thun, so wird seine Amtsgewalt be schränkt und seine Amtsführung selbst unsicher. Dann aber geht der Entwurf auch viel zu weit. Man soll nach demselben nicht nur einen Abgeordneten gänzlich aus dem Reichstage auS- schlreßen, sondern ihm auch die Wählbarkeit für alle Zukunft entziehen können. DaS beißt denn doch gerade, so zu sagen, daS Kind mit dem Bade auSschütten. Da ist denn von der Redefreiheit, nicht nur der Eocialdemokraten, sondern überhaupt der Redner der Oppositionspartei nicht mehr die Rede. Käme einmal dre hochconservative Partei zur Majorität, — waS allerdings ziemlich unmöglich isi —, so könnte sie allmälig die ganze Opposition mund- todt machen und zugleich auSschließen. ES giebt allerdings Leute, welche DaS wünschen." Die Berliner „National-Zeituna", welche die Vorlage «blchnt, schreibt über den Entwurf: „Die osficiöse Auslassung würde in ihrer Be gründung wohl dahin leiten können, denEntwurf tmBundeSrathe zu belassen und dem Reichs tage zunächst die Sorge und Initiative sür die Aufrechterhaltung der Ordnung in seizzen Räumen anheimzustellen. Wir wagen es m patriotischem Interesse diesen Rath zu geben, selbstverständlich ohne unS über besten Gewicht irgend Täuschungen hinzugebe,,." Wir lassen schließlich die Ausführungen deS Heu tigen national!,beraten „Hannoverschen Courier-", de» Organ- Bennigjsen'S, um so lieber folgen, als wir unS von vorn herein, waS un« anbetrifft, auf denselben Standpunkt gestellt haben. Da- genannte Blatt schreibt »,In einigen vorläufigen Bemerkungen über den Gesetzentwurf, betreffeno die Strafgewalt deS Reichs tages, hoben wir hervor, daß in dieser Vorlage ein berechtigter Kern enthalten ist, daß sie ein Bedürfniß zu befriedigen unternimmt, welche- seit langer Zeit in der Presse aller Parteien, vielfach auch von unS, betont worden. Von anderer Seite hat man zunächst mehr die unannehmbaren Einzelheiten deS Entwürfe« krittfirt; wir kommen auf einige derselben gleich eben falls zurück, glauben aber, daß die Gründe, auS denen die Vorlage de» Reichekanzlers in der Thal nicht dazu angethan erscheint, Gesetz zu werden, nur verstärkt werden, wenn man, waS daran be gründet ist, anerkennt, wenn man da« vedürs- nlß einer Verschärfung der DiScipiinargewalt unserer Parlamente über ihre Mitglieder nicht in Abrede zu stellen versucht Ist die Vorlage deS Reichs kanzler- doch auch durch verschiedene Einzelheiten, durch die Plötzlichkeit deS Entschlüsse-, durch di« be unruhigenden politischen Umstände, unter denen sie erscheint, nur zu sehr geeignet, die düsteren Prophe- zeiungen zu unterstützen, welche al-bald daran ge knüpft wurden, keine liberale und, wie wir glauben, selbst keine konservative Mehrheit, sie müßte denn etwa auS lauter abhängigen Beamten bestehen, wird jemals ». B. die Bestimmung genehmigen, wonach ein Abgeordneter wegen seiner parlamen tarischen Aeußerungen vom Reichstage dem Straf richter könnte übergeben werden; äußerlich ist zwar auch hier die ausschließliche Jurisdiction de- Parlament- über die innerhalb seiner Mauern gefallenen Worte gewahrt, indem da« Gericht nur auf Anregung durch den Reich-tag einzuschreiten hätte; aber der Letzter« würde thatsächlich durch eine solche Requisition pruch« freien Lauf taff andere minder bedenklich« Mittel »ur Verhütung oder Ahndung von Ausschreitungen ausreichend wären. Durch Vorschläge wie dieser compromittirt man an- dwce, welche sich durchaus rechtfertigen kaffen, und ruft man den — bereit« laut gewordenen — ver dacht hervor, daß eS auf ein« Herabsetzung der Volks vertretung in der Meinung der Ration abgesehen sei. Eine maßvolle, von unzulässiaen, daS Wahlrecht der Bevölkerung oder tzzeWürbe de« Parlament« beeinträchtigenden Vor beugung»- und Strafmitteln absehrnde Verstärkung der DiScipiinargewalt de« Präsidenten und d«S H«use» könnte im Gegentheil das Anseden der Volksvertre tung nur heben. Die Motivirung de« Entwurfes AuS- aber nimmt besonder« Bezug aus einmlue rednerisch, schreitungen von Socialdemokraten. ES ist auch in ganz anderer Art in den letzten Jahren auf der parlamentarischen Tribüne gesündigt worden, ». v. durch Ehrverletzungen argen außerhalb de« Hause« stehende Personen, welche meisten« jede« I Mittel« beraubt waren, sich an der Stell«, an welcher I sie angegriffen worden, und mit der aleichen OeffenUiö I reit zu vertheidigen. Seltsamer Weise berücksichtigt d Vorlage de« Reichskanzlers diesen Punct speciell gar nicht; «S wäre sonst erforderlich gewesen, zu be stimmen, daß Nichtmitgliede, irgendwie »ei der pro- erlitten DiScipknar-Eornmiffion Beschwerde zu führen !>esugt, resp. daß solche Beschwerden zu prüfen seien. Doch auch die Nothwendigkeit, gegen den Mißbrauch der Tribüne im Kampfe der parlamentarischen Varteien unter einander und zu agitatorischen Zwecken bester als bisher Vorsorge zu treffen, ist nicht zu be streiten; sie ist nicht bloS durch socialdemokratische Redner erwiesen worden, auch Wortführer anderer Parteien haben im Laufe der Jahre zuweilen gezeigt, daß sie unter Umständen den Ordnungsruf oder selbst die schließlich« Entziehung deS Worte- sich gern gefallen lassen, wenn sie um diesen Preis Gegnern im Par lament oder der Regierung eine starke Beleidiaung an den Kops werfen können. Man hat mit Recht >ei der Kritik der Vorschläge de- Reichskanzler- ge- agt, daß die Verwirklichung einzelner derselben weil ie geeignet wäre, die Würde deS Präsidium- herab zudrücken, eS schwer machen würde, künftig Männer von Selbstgefühl für diese- Amt zu finden; eben so sicher ist aber andererseits, daß eS bei dem gegenwärtigen RechtSzustanbe den Präsi denten unserer parlamentarischen Ber- ammlungen zuweilen an den ausreichen den Mitteln zur Wahrung ihrer Autorität und derjenigen der Volksvertretung an- esichtS vorbedachter Angriffe darauf fehlt, indere große Parlamente haben sich in dieser Be setzung längst bester vorgesehen; will man da- ver tue! Frankreich« nicht gelten lassen, weil die dortigen Vorschriften »um The»! au« der Periode de« ELsa- riSmuS stammen, so wird man die Berufung auf England doch nicht zurückweisen können Wie die Urberweisung eine« Abgeordneten an den Strafrichter wegen parlamentariicher Aeußerungen die Würde der Volksvertretung, so könnte die Annahme de- Vorschlags, wonach eine Ausschließung auS dem Reichstage, sogar für eine ganze Legislaturperiode, erfolgen darf, daS Wahlrecht de- Volkes schwer be einträchtigen: und zöge — der Entwurf ist in diesem kuncte dunkel — die Ausschließung eine sofortig« Neuwahl nach sich, so könnte sich sehr leicht der eng lische Fall WilkeS auS dem v»rigen Jahrhundert wiederholen, welcher die Juni uS-Br lese ver anlaßt-: daß der betreffende Wahlkreis daS aus geschlossene Mitglied immer wiederwühlte und dadurch den Spruch de- Reichstage- umstieße. Doch eS ist vor der ' and nicht unsere Absicht, eine eingehende Kritik deS ntwurfe« zu unternehmen, denn derselbe ist unsere« Er achten- mit einem Mangel behaftet, welcher auch von unserem, die Nothwendigkeit einer Verschärfung der DiSclPiinarmitlei anerkennenden Standpunkte auS die Ablehnung ohne Eingehen auf die Einzel- beiten rechtfertigen wird. Die Rücksicht auf die Würde deS Reich-tageS, die Achtung vor diesem hätte davon abhalten muffen, die Initiative zu irgend einem solchen Vorschläge seiten» der Regierung zu ergreifen, vielleicht war die Bestimmung der ReichSverfaffung (Art. 27), wonach der Reich-tag seinen Geschäftsgang und seine DiSciplin durch eine Geschäftsordnung, also «inseitig, regelt, kein un bedingte« formale- Hmderniß für da- Vorgehen de- Kanzler», denn im Rnche hat man die—von unS stet-für bedenklich erachtete — Praxi« angenommen, e» at« eine gültige Abänderung der Verfassung zu betrachten, wennmitderdafürerforderlichenBundeSrathS Mehrheit eineAuSnahme von der Verfassung beschlossen wird; so kann der Reichskanzler vielleicht sagen, er schlage eben eine solche Abänderung de« Art. 87 vor, indem er seinen Entwurf einbringe. Aber wie eS auch um diese formelle Frage stehen mag — sachlich be deutet diese Jniatlve eine sehr geringe Rücksicht nahme gegen den Reichstag; eS ist in Preußen und wohl in ganz Deutschland immer Sitte ge wesen, Abänderungen de- parlamentarischen Ver fahrens den parlamentarischen Versammlungen zu überlassen; und wenn Fürst BiSmarck auf die eigene Initiative einer der ReichStagS-Parteien nicht warten wollte, so wären ohne Zweifel manche Mit- qtieder der conservativen Fractionen bereit gewesen, ihre Namen unter eineil in der Reichskanzlei ange- fertigten Entwurf zu setzen. Der Reichstag würde durchaus in seinem Rechte sein, wenn er mit Rücksicht auf di« ihm gegen- über begangene Verletzung der üblichen Formen den Entwurf ablehnte; er wird rndeß diese« Motiv, wenn er will, mit Stillschweigen über gehen und dre Vorlage dennoch ohneSpecialberathung zurückweisen können, indem er nämlich erklärt, daß er aus keine Abänderung de- Art. 27 der Ver fassung eingeben, daß er das Recht behalten wolle, seine DiSciplin einseitig durch die Ge schäftsordnung, Nicht auf dem Wege deS Gesetzes, zu regeln; der Letzter«, die Mitwirkung de» BundeSrathS, widerspricht offenbar der Gleich berechtig»»,« der beiden Körperschaften. Allerdings — dieser formale Standpunct läßt sich nach un- erer Ansicht mit Erfolg nur festhatten, wenn zugleich acblich daS Nothwendrge geschieht, wenn an die Ber chärfung der parlamentarischen DiSciplin auS eige ner Initiative des Reich-tageS gegangen wird, so weit ein Bedürfniß dafür wirklich vorhanden ist. Wenn ein solch«-, da« nicht schlechthin geleugnet werden kann, in irgend einer Beziehung erst einmal officiell, wie eS jetzt geschehen, conftatirt worden, so kann man nicht au dio» äußerlichen Gründen die Beseitigung de« UebelstandeS verweigern; man kann sie auS solchen Motiven in der vorgekchla- genen Form ablehnen, aber «an muß dann ,n anderer Weise dafür sorgen. Reue Iurmugeu. wegen Verfall uiß nach, da» einer der thätigsten Mitarbeiter an der Reich-gewerbeordnuug, Herr Vr. Miqnel, wiederholt, und noch vor etwa zwei Monaten im Bremer Reich-vereiw beklagt hat. Man hat nämlich zwar die Innungen nicht allein nicht aufgehoben, sondern für ihre Neubildung vorgesorgt durch jene- NnchSgesetz, aber damit hat man sich eben auch begnügt. Ins besondere haben die Behörde» so gut wie ganz Unterlassen, diese« wichtigen verjünguugSproceß in einigermaßen flotten Gang bringe« zu helfen. Ie mebr «an aber überzeugt war, daß da- alte Zunftwesen herabstrmmead und entnervend auf den ihm unterworfenen deutschen Handwerkerstand aewirkt Hab«, best» weniger dnrft« «an sich der Pflicht entziehe», neben ver Hinwegräumuug der Trümmer ve« eingerrffeneu alten Gebäude« auch eine hülfreiche Hand für de» Neubau z« leisten, der au die Stelle treten «nßte. Bei der Stellung, welche in Deutschland da» Beamten- thu« noch immer hat, dursten Staat»- nutz Gemeindebehörden nicht glanbe», s»rt«r Alle- der eigenen selbstständigen Initiative eiaeß biS dahin politisch so wenig geförderten Staude« anheim stellen zu dürfen. Daß darin nicht n»th- wendig eine verwerfliche Bevormundung zu lieg» braucht, ergiebt der vom preußische» HauaelSmrmstrr als Muster ausgestellte Vorgang in O-n «brück. Einzelne öffentliche Stimmen freilich, darunter solche, denen nicht leicht ein socialistischer Te dankenflug zu phantastisch ist, belächeln diese» versuch, neue lebensfähige Innungen zu schaffen als eine au-sichtSlose reactionaire Romantik Da- Zusammenstehen der Meister deffelhen Te Werk- oder nahverwandter GewerbSzweig« — z> denen die Gehülfen mit der Zeit hostmMch hm- zutreten — hat nicht bloS die alte Errunerum au« den Zunftzeiten für sich, sondern höchst reale Motive. Wir können un« deshalb um freuen, daß der preußische Handel-minister die Anregung so bereitwillig ausgenommen, ihr bei den Behörden Preußen- seine Autorität gelieba hat, und möchten unsererseits alle Parteigenosse» einladen, sür die Wiederbelebung zeitgemäßer In nungen sich ebenfalls tbätig zu bemühe«. Reder amerikanische Arbeiter. lI Englische Zeitungen haben sich vor Kurze» in eingehender Werse mit der Leistungsfähigkeit ve« amerikanischen Arbeiter- beschästPt und sind dabei zu dem Schluß gelangt, den Letzteren üb« alle seme Genoffen in Europa, insonderheit auch über die eigenen Landsleute, die englischen Arbeiter, u stellen. Vor Allem wird die Behendigkeit de! ümerikaner« anerkannt. Gestatten Sie mir, gegm Uber diesen Bemerkungen, welche auch in da deutschen Presse Beachtung gefunden haben, meine eigenen Erfahrungen als früherer Ar beiter in den Bereinigten Staaten darzu legen. Die Thatsache einer weit größere» Durchschnittsleistung deS Amerikaner», wie wir dieselbe bei unseren Leuten kennen, have auch ich bei meinem Aufenthalt jenseits de» OceanS (1872) überall beobachtet. Diese Guperiorität möchte ich aber nicht nur — wre Da» in de» englischen Blättern geschieht — au- der dort drüben do» Haufe auS mitgebrachten größeren Anstelligkeit für den Berus erklären. ES spielt noch lein andern sehr wichtiger Umstand mit. Die- ist die tress liche DiSciplin, welche in Werkstatt und Fabrik, kurz an jeder Arbeitsstätte, herrscht. Der ameri kanische Arbeiter ist fast überall nur zehn, hier und dort gar nur acht Stunden, täglich befch-sttgt- aber eS find die- zehn bezw. acht Stunden der außerordentlichsten, der ununterbrochenen An strengung. Der Arbeitgeber duldet wahrhaftig kerne Pferfe, keine Cigarre, «och minder eine Unter haltung oder gar eme ZeitmrgSlectüre, wie Dat bei unS vielfach (namentlich anch in öffentliche» Bureaux!) gute Sitte ist. Selten werdar die fünf Vormittags- und fünf Nachmittagsstunden durch Frühstück«- und BeSperpausen getherlt. Der Arbeiter nimmt Morgens, Mittag« »nd Abend- eine Mahlzeit zu sich, welche da- Bedürfniß zur weiteren leiblichen Nahrung nicht anflommen läßt. Von Wichtigkeit ist, daß eine Ubtheilung Arbeiter, welche unter einem Meister oder Aufseher steht, keinen ru großen Umfang hat, so daß Dieser, der nur die Beaufsichtigung führt, jeden Einzelnen in jedem Augenblicke überwachen kann. Und «an sei versichert, daß der Bormann seine Pflicht durch ein entschiedene- ,.buri7 up" ». s. w. nicht versäumen wird, sobald der eine oder andere Neuling sich gewisse Freiheiten herau-nimmt. Ich sage Neuling — darunter ist namentlich der Fremde zu verstehen, welcher sich in ein solche« Regiment, im freien Amerika, nicht hineinznfinden weiß. Der eigentliche Yankee bedarf selten einer derartig» Ermahnung und Zurechtweisung. Ihm ist die straffe Arbeitsordnung ein Thcil feiue« Wesen« Bei dem ArbeitSquantum, welche- der amerikanische Workingman verrichtet, genügt die zehnstündige Arbeitszeit vollauf. DaS ist eine Leistung, welche daS Werk seine- europäischen Genoffen von 15 Stunden hinter sich läßt. Dasselbe bürste in der That kaum von irgend einem ander« Arbeiter in der ersten Zeit der Einwanderung erreicht werden. AuS Deutschland, a»S Norwegen, Schweden. Irland :c. habe ich Arbeiter kennen gelernt, welcbe in der Heimath al» «»«gezeichnete Kräfte «gölte» hatten «nd gelten mußten — aber wie drückte» jene zehn Stunden auf ihrem Rücken, wenn eS bei Bauten, Erbanlagen :c. mit inkeeS um di« Wette ging! Und dabei handelte e« sich fast überall u» feste TageSsütze, nicht um Stücklohn. Die Arbeitslust und Arbeitskraft de- Ameri kaner- und da« Zusamwengreisen der einzelne« Räder in dem gewaltigen Betriebe der Inüchrir Werkstatt «nd Fabrik ein kleine» den ersten Schätze» u Eiaeukchaiten bat jedoch änch da- Volk viel voraus, welches i» Uebrrgen von der Natur nicht so gesegnet ist wie Amerrka. Wir haben alle Ursache, ign» jiu dieser Hinsicht zu entwickeln. Ich spazierte uuläagst in der Umgeaend der alt«, spanischen Stadt Borgo« — vurgo-, ein Name, dessen Klang so v ele Erinnerungen an ein« -Uiu zende v«gauäenheit hervorrnst, eia Oct jedoch der zum großen Theüe ein Trümmerhanfeu ist Plötzlich erblickte ich eine Schaar Aegearbeiter. mit der AuSbessernng einer Ehauffee beschäftigt, vor mir. Als ich die Langsamkeit und Schläfrig keit der Bewegungen, da- »»praktische Tebahrci bei der Arbeit wahrnah«, al- ich den Lrueu eine Cigarette wickeln, de» Andern plandern, die Mehrzahl mich, den Fremdling, augaffeu sah — (wovon fast jede Werkstatt »nd s Muster bietet) gehören mit zu de de- reichen Lande«. Mit solchen <
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