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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187903071
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18790307
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18790307
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 1296-1299 fehlen; S. 1292-1293 doppelt vorhanden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1879
- Monat1879-03
- Tag1879-03-07
- Monat1879-03
- Jahr1879
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1879
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1278 ES vergeht beinah« kein Tag ohne einen Einfall der «rna Uten. Die türkischen Grenzbehörden ermuntern dir Räuber zu neuen Einfällen, indem sie Ke beloben und ihnen Waffen und Munition verabfolgen, wobei sie ihnen nur die Borsicht empfehlen, sich fern vom serbischen Militair zu halten. Lus die serbischen Vorstellungen in Kon ft an« tiuovel hat man dort versprochen, daß man nach der Grenze reguläres Militair verlegen werde, welche» dem Üebel steuern wird. Wer da weiß, was solche türkische «ersprechungen bedeuten, der wird davon nicht viel erwarten. Sollten aber die Einfälle der Lrnauten nicht bald aushören, so wird Serbien »u Repressalien greifen müssen. . * . Ienfeit der Leitha Tag au» Tag eiu end lose unerquickliche Budget-Debatten, ohne den Willen einer loyalen Verständigung zwischen „EiS" und „Tran-", zwischen Regierung und Delegatio- «e», zwischen den Parteien untereinander. Neuer dings hat aber — ein leiser Schritt zur Verstän digung — der Ausschuß der österreichischen Delegation mit alle« Stimmen gegen zwei den Antrag de- Aba. Sturm, nach welchem da» Heere-ersorderniß für die occupirten Pro vinzen pro 187» mit 30 Millionen Gulden fest- gestellt wird (anstatt mit circa 34*/, Millionen Gulden, wie die Regierung verlangt hatte), an genommen. Sodann wurde ein weiterer Antrag Sturm », durch welchen die Regierung aufgefordert wird, die Occupation-truppen noch unter die von ihr für da» 4. Quartal m Aussicht genommene Anzahl zu vermindern und aus den Fneden-stand zurückzufkhren, mit 11 gegen 8 Stimmen ange nommen. Bei der Berathung eine» ferneren An träge» Sturm'», betreffend die Nichtverwendung der bewilligten Gelder für Administration»^»- läge«, gab der Minister Hof mann ein ausführliche» Expose über die Verhältnisse Bosnien« und der Herzegowina. Die weitere Berathung diese» Anträge» wurde schließlich vertagt. » » * Da» von der radikalen Strömung so stark ge fährdete Gebäude der konservativen Republrk, u dessen „ThierS" Grevy auSersehe« war, ist r deu Augenblick de« drohenden Einstürze ent risse« worden. Da» französische Eabinet hat zunächst eiuen ReconstructionSversuch in gemäßigtem Sinne gemacht. Der Handelsminister Lep^re ist zum Minister de» Innern ernannt worden, die Neubesetzung des Handelsministerium» erfolgte durch Tirard, Deputirten von Pari». Die Nach richt von einer bereit» erfolgten Demission de» Finanzminister» LSon Say wird als unrichtig bezeichnet Inzwischen ist da» zum Verhängniß für Frank reich angethane Amnestie-Gesetz officiell publi- cirt worden. Die Folgen desselben für Paris sind ganz unberechenbar. Zunächst wird die Er- neuuung Andrieux' zum Polizeipräfecten einen beruhigenden Eindruck machen, da derselbe al» Re ferent für die Amnestie sich energisch gegen die Commune ausgesprochen hat, wodurch er sich den Haß der Ultra» zugezoaen. Diese sind jetzt oben auf. Gambetta ist bereit» durch den „Bürger" ElSmenceau, den Ausbund wüstesten Radicali» mus, Übertrumpft. Eine treffende Silhouette dieses Löwen de» Tage» liefert die „N. Z ": Bereits tauchen neueNamen auf, deren Träger sich al» die Führer der republikanischen Majorität geriren, weil es ihren Parteigruppen durch eine abenteuerliche Eoalition mit den Fraktionen der Rechten gelungen ist, die gemäßigten Republikaner auS dem Felde zu schlagen. Insbesondere ist eS der Führer der äußersten Linken, ClSmenceau, der sich beflissen zeigt, einen dominirenden Ein fluß in der Kammer zu erlangen. Ehe CKmenceau sei den lüngften Debatten über die Amnestie- Vorlage den Standpunkt der Radicalen durch das Herlangen einer uneingeschränkten Amnestie verthe'diate, hatte er nur im Municipalwesen der Stadt Paris eine hervorragende Rolle ge spielt. Nach dem 4. September 1870 wurde Clü- menceau, damals ein kau« 89/ähriger Arzt, zum Maire de» 18. Arrondissements (Montmartre) ge wählt. In dieser Eigenschaft zeichnete er sich wäh rend der Belagerung der Hauptstadt durch umsich tiges Verhalten au». Am 18. März 1871 bemühte sich Clemenceau vergeblich, die Ermordung der Generale Clement Thomas und Lecomte zu ver hüten; nicht minder machte er mit den übrigen Maires und Deputirten von Paris — ClSmenceau wurde am 8. Februar 1871 auch zum Deputirten des Seine-DepartementS gewählt — fruchtlose Anstrengungen, den Commune-Ausstand im Keime zu beseitigen. Nachdem er damals seine Demission alS Abgeordneter und Maire genom men hatte, wurde er noch im Jahre 1871,um Mitglied deS MunicipalratheS gewählt und im Jabre 1878 zum Präsidenten desselben ernannt. Am 80. Februar 187» wurde Clemenceau wieder in die Kammer gewählt, in der er, wie auch heute, der äußersten Linke« angebütte. Der „Moniteur" stellt einen Vergleich »wischen Gambetta und Clemenceau an und führt hierbei auS- „Welcher Unterschied zwischen dem ehemaligen Chef der Linken und dem neuen? Jener (Gambetta) gelangte trotz seiner mächtigen Stimme, trotz der Ausschreitungen seiner Rede uicht dahin, sein Ungestüm ernsthaft nehmen zu lassen. Dieser (Clemenceau) hat sich sofort und vor aller Welt ernsthaft nehmen lassen. Seine Manier ist trocken, rasch wie diejenige eine» Chi rurgen. Er spricht nicht, er operirt. Und welche Streuge, welche Logik, welche Härte!" * » « Nach London gelangte Depeschen au» Teheran melden, daß e» den von Jakub Khan nach Herat abgeschickten Truppen gelungen ist, den in dieser Stabt ausgebrochenen Ausstand zu unter drücken, woraus dort ein Enkel Schir Lli'S, Sasier Khan, als Statthalter eingesetzt wurde. Die indische Regierung knüpft an die Thron besteigung Jakub Khan'« Hoffnungen aus Bei legung des kriegerischen ConflictS, wobei sie von der an und für sich gewiß nicht unzutreffenden Erwägung auSgeht, daß der Nachfolger Schir Ali'S durch die Politik seine» Vater», die er nicht veranlaßt habe, auch »icht gebunden, sondern freier Herr semer Entschlüße fei. Dem Vernehmen nach trifft der vicekönia von Indien am 1b. d. M. in Lahore ein, am daselbst eine» großen Kriegsrathe ia Betreff Afghanistan» zu präsioirea. Deutscher Reichstag. Berlin, 5. März. Da» verbiet de« deutschen Parlament» über da» Strafgesetz gegen ferne Mitglieder ist in der heutigen Sitzung bereit« gefallen. Nicht die gewaltigen OpposmouSreden der Abgg. vr Häuel, von Stauffenberg >. A. bildeten da» Gcabgeläute der Vorlage, sondern die vom Präsidenten zum Schluffe der ersten Lesung gestellte Frage, ob der Gesetzentwurf an eine Commission von 21 Mit- gliedern verwiesen oder ia zweiter Lesung vom Plenum berathen werden soll. Für den Antrag auf CommissionSberalhung erhob sich auf der rechten Seite de» Hause» eine so dürftige Anzahl von Mitgliedern, daß damit da» Schick sal der Vorlage besiegelt wurde. Der Reichs tag wird demnach in seiner morgigen Sitzung in die Specialdebatte eintreten und den tz. 1 mit großer Majorität verwerfen. Damit ist da» Ge setz gefallen, und der Regierung wird nur noch die Erklärung übrig bleiben, daß sie unter so bewandten Umständen auf die Berathung der restirenden Pa ragraphen verzichtet. Dies und mehr ist nach Lage der Dinge im Reichstage und auch innerhalb der Reichsregierung schon seit Wochen erwartet worden. ES konnte sich jetzt nur noch um die taktische Position handeln, welche Fürst Bi» marck dem MajoritätSverdict de» Reichstages gegenüber einzunehmen gesonnen ist. Alles, was heute die Abaa. vr. Hänel, v. Staufsen der g und selvst der Präsident v. Forckenbeck auf die gestrige Rede de» Reichskanzler- erwiderten, legt Zeugniß dafür ab, daß man sich der eigent lichen Ansichten de- Reichskanzler» bewußt ist. Abg. v Stauffenberg deutete ziemlich unver- bohlen darauf hin, daß da» Strafgesetz für bessere Zeiten aufgespart, d. h. zur Vorlage an einen ge fügigen Reichstag bestimmt sei. Der Kanzler machte in seiner gestrigen Rede wahrlich kein Hehl au» diesem Vorhaben und um Die» dem Lande klar zu machen, bringt die „Prov.-Corresp." an der Spitze ihrer heute auSgegebeuen Nummer diese Rede in einer sehr veachtenSwerthen Form. Von der vorherigen und nachherigen Verhandlung ist Nicht» zu lesen. Die Rede ist nach der Gewohnheit de- halb amtlichen, in Hunderttausenden von Exemplaren den amtlichen Kreisblättern beigegebenen Blattes voll ständig losgelöst auS den parlamentarischen De batten und nur der Zusatz „Nach einer Rede LeS Abg. LaSker" unter der Aufschrift deutet noth- dürftig den Zusammenhang an. Wer die Rede de- KunzlerS gestern gehört hat, der hat sie viel leicht nicht für gerade offensiv gegen die ander- entscheidende Mehrheit de- Reichstage» gehalten, aber in dem Gewände, welches ihr die „Prov.- Corr." giebt, indem sie mit bedachter Auswahl bald hier bald da Worte und ganze Sätze gesperrt oder fett druckt, gewinnt sie einen entschieden drohen den Charakter. » * » Berlin, 5. März. Dem Reichstage liegen gegenwärtig auch die Ueberfichten der Ausgaben und Einnahmen deS deutschen Reichs für daS EtatSjahr 1877/78 vor, em stattlicher Band von 445 Seiten mit theilweise recht interessantem Ma terial, daS aber, wie alljährlich, bei der drängenden Aufgabe der Prüfung des neuen Etats nicht recht gewürdigt wird. Da ist z. B. alS Anlage VI eine Rachweisung der aus den Dispositionsfonds de» Reichskanzlers angewiesenen Ausgaben. ES figuriren darunter eine ganze Reihe von Posten alS Ausgaben für Commissionen, die sich mit der Erörterung von allen möglichen Projekten beschäftigt haben, theilweise. ohne einen nennenSwerthen Erfolg zu erreichen. So hat die Commission zur Erörterung über die Einführung einer Reichsstempelsteuer 11,485 gekostet, auS Anlaß der Begutachtung der Frage einer Reform der Bier besteuerung sind Ausraben im Betrage von 4484 ^4l> enlstanden, für die Commission zur Reform der Sta tistik deS WaarenverkchrS sind 3793 verausgabt u. s. w. AlS Anlage Vll schließt sich an: eine Nach- Weisung über die 181.884 welche vom Auswär tigen Amte während deS Rechnungsjahres außcretats- mäßig verbraucht worden sind. Den größten Betrag machen die Kosten der außerordentlichen Gesandtschaft an den Hof deS Sultans von Marokko auS, welche bekanntlich diesem afrikanischen Herrscher kostbare Ge schenke überbringen sollte. Die Expedition hat 33.323 ^ und « gekostet. Für eine goldene Portraitdose mit Brillanten, welche General Lialoini im vorigen Jahre für die Notification der Thronbesteigung deS König- Humbert von Italien vom Kaiser erhielt, sind 9000 berechnet. An die sämmtlichen Beamten bei den Con- sularämtern in Bukarest, Salatz. Jassy und Seraj wo und an die Bureau- und Unterbeamten bei den Con- sularämtern in Belgrad und Odessa ist auS Anlaß der durch den russisch-türkischen Krieg verursachten Theuerung eine Zulage von 85 Procent ihre- Dienst- emkommenS gezahlt worden, waS rm Ganzen 85,801 auSmacht. Nicht überall bekannt dürfte eS sein, daß vom Auswärtigen Amte auch die Gebäudesteuer für die hiesige fianzösische und russische Botschaft (Pa riser Platz Nr. 5 und Unter den Linden Nr. 7) ge zahlt wird. Einen sehr breiten Raum nehmen bei den außer etat-mäßigen Ausgaben de- Rechnungsjahres 1877/78 die durch die Rinderpest verursachten Kosten ein. Dieselben belaufen sich auf nicht weniger al- 1,180,054'/, ^l. ES haben unter der Rinderpest im Jahre 1877 gelitten: die Landdrostei Aurich, die Regierungsbezirke BreSlau, Bromberg, Eöln, Düssel dorf, die Landdrostei Hannover, die RegierungSbezi.k« Königsberg, Marienwerder, Merseburg, Oppeln, Posen, Potsdam (mit Einschluß der Stadt Be»lm), Schleswig, ferner Bayern, Sachsen, Hessen und Ham bürg. Bei weitem die meisten EntschädigungSkofler haben in Oppeln (beinahe 500,000 .4) gezahlt werden müssen, demnächst im Königreich Sachsen und im Regierungsbezirk Schleswig. Bei den etat-mäßigen Ausgaben de» Auswär tigen Amte- >ft u. ». bei der Besoldung de» Ge- landschastSpersonalS in Konstantinopel «in« Heber- schrntung von 50,000 ^tz vorgeko«men, da aus Anlaß der anderweitigen Besetzung des votschafterpoSen» das Diensteinkommen der Stell« für ein Vierteljahr doppelt (an de« Prinzen Neuß und den Grafen Hatz- seldt) hat gezahlt werden müssen. Die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn über den Abschluß eines neuen Zoll- und Handelsvertrages, die bekanntlich in dem Berichtsjahre noch zu gar keinem Resultate geführt haben, kosteten allein an Diäten und Reise kosten für die dieffeitigen.Commissarien rund 40,00) Die größte Etat-Überschreitung weist naturgemäß die Verwaltung de- RrichSheereS auf, und zwar »fl allein schon bei der preußischen Arme« die vrod- und Fourageveipflegung um 3^49,510 theurer gewesen, al» veranschlagt worden war. Die Ueberschreitung ist entstanden durch die höheren Beschaffungspreise der Fourage, namentlich von Hafer und Stroh, die dem mangelhaften Ergebnisse der Ernte im Jahre 1878, auS welcher der größere Theil de» Naturalien bedarfs der Militairmagazinr für 1877/78 hat gedeckt werden müssen, beizumessen find. Die EtatSansätze, welche sich auf den Durchschnitt der Naturalienpreise in den Jahren 1886/74 gründen, betragen für den Eentner Hafer 7,85 >l, für Heu 3,85 für Stroh 8,85 ^t, dagegen betrugen die DurchschnittSbe- schaffunaSkosten 8,45, resp. 3,63, resp 3,31 Für Weizen beträgt der EtatSprei»l2,34>i sürdenCentner, der DurchschnittSdeschaffungSpreiS stellte sich auf 11,70, also um 0,S4 >4l geringer. Der Bedarf an Weizen bat sich indeß auf die Brodverpfleguna für zwei ArmeecorpS und eine Zutbat von zum Roggenmehl beschränkt. Die Ersparmß bei der Beschaffung deS WeizenS ist daher eine nicht erhebliche. Beim Roggen ist gegen den Etatspreis von 9,03 X für den Eentner bei einem DurchschnittSbelchassungSpreise von 9,02 nur v,01 ^ erspart, so daß auch hier eine bedeutende MinderauSgabe nicht erzielt werden konnte. Um so bedeutender wird dieselbe aller Wahrscheinlichkeit nach in dem Rechnungsjahre 1878/79 und (in Folge der guten Ernte von 1878) in 1879/80 sich bemerklich machen, so daß bei Position Brod- und Fourage- verpflrgung der Trup^n jedenfalls keine ElatSüber- schreltung zu befürchten ist. Die Buda etcom Mission deS Reichstags berieth heute den Marine-Etat. Im Ordinarium wurde zunächst die zur Verstärkung deS SeebataillonS ge forderte Summe abgesetzt. Desgleichen wurden bei dem Capitel „Jndiensthaltung der Seeschiffe" 500,000 geftllchen und infolge davon bei der Naturaloerpflegung 150,000 Endlich kam noch der zum Ersatz deS Panzerschiffs „Adalbert" alS erste Rate geforderte Betrag von 950,000 in Wegfall. Im Extraordinarium wurde abgesetzt die Forderung zum Bau der Panzercolvette k. erste Rate 876,000.4t. Die Verhandlung über die Forderungen für den Bau deS Gebäudes der Seewarle in Hamburg und für den Bau eines Proviantmagazins in Kiel wurde auSgesetzt. * * » Zur Ergänzung unsere» gestrigen telegraphischen Sitzungsberichte» geb.'n wir nachstehend noch die Rede de» fortschrittlichen Abgeordneten Hänel dem Wortlaute nach: Abg. Hänel: Der Tonart, welche der deutsche Herr Juftizminister bei etwas delikaten Fragen immer anzuschlagen liebt, verdankte die gestrige Debatte ihre große Kühle und Ruhe, zuweilen sogar einen ge wissen gemüthlichen Thvn. Nur durch Herrn v. Klerst- Retzow'S Rede zitterie «in frischerer Muth, und er bat dazu daS volle Recht, denn die Vorlage ist der Ausdruck seiner Grundsätze, und eS befriedigt ihn -anz besonders, sich wieder Arm in Arm, Hand rn fand mit dem Reichskanzler zu wissen, der in diesem Punkt nicht gewechselt hat, wie in ferner Zollpolitik. Die Berufung aus daS Socialistengesetz und die socialiftische Gefahr »st geradezu null und nichtig, sie beweist geradezu daS Gegentheil. Die Rechte und die Grenzen der Rechte dieses HauleS dürfen doch nicht von 9 Socialiften unter 397 Mitgliedern und dcm möglichen Mißbrauch der Rechte durch eine aus nahmsweise Minderheit sabhängen. Die Verfassung mußte die Redefreiheit garantiren, nicht obgleich, son dern »eil der Eintritt extremer politischer Parteien in die Bertretung vorauSzusehen war. Denn eS muß einen Ort geben, wo oppositionelle so verbreitete Mei nungen, daß sie eS zu einer gewählten Vertretung bringen, ihren vollen Ausdruck finden. Selbst die Excesse, die sie hier etwa verüben, würde ich mich nicht scheuen, in daS volle Licht der Oeffentlicdkeit zu stellen. Die Vorgänge bei den Wahlen in BreSlau und Döbeln beweisen doch nur, daß mit polizeilichen Maßregeln eine große Bewegung - icht ohne Weitere- todt zu machen ist. Der Reichskanzler hat für seine Bor läge den Standpunkt deS gemeinen Recht- ge wählt, und eme witzige, aber nicht zutreffende Antithese gemacht zwilchen der miser, pleb, der BundeSräthe und der privilegirten Classe der Ab- aeordneten. Aber die BundeSräthe haben ja das Privilegium deS diplomatischen Schutzes, und einzelne von ihnen, die im Kleide deS OfftcrerS zu erscheinen pflegen, wissen von dem Privilegium deS besonderen Gerichtsstandes für sich Gebrauch zu machen. (Sehr richtig!) Wie kann man aber eine Gleichstellung deS BundeSrathS mit unS und eine Exceptio« desselben von dem gemeinen Recht verlangen, so lange er sich weigert, sich unier unsere DiSciplin zu stellen? So bald Dres geschieht, sind wir gern bereit, ihn an unserem Privilegium der straffreien Redefreiheit theil- nehmen zu lassen. Dieser Gesetzentwurf ist der etwas schwächliche Sohn erneS stärkeren VaterS, nämlich jene- ersten Gesetzentwurfs, der um Neujahr wie ein Blitz auS heiterem Himmel unter unS fuhr. Mit einer wahren Kunstfertigkeit werden di« prittlexi, sevorobili» de- Hauses in Privileg, oäic>„ umgekehrt. Als ich diesen Entwurf l»S. bade ich vorausgesetzt, daß der erste deutsche Juftizminister mit ihm Nicht» zu thun hätte, ich wüide sehr bedauert haben, wenn eS der Fall wäre. Ich bade vielmehr vorausgesetzt, daß D>eS lediglich ein Act der Politik sei. Aber wenn ich ihn auch so auffasse, kommt mir wieder die alte Erfahrung in den Sinn, daß, je rei barer und gereizter ein Temperament ist, e» um s mehr auf die starken Nerven der Anderen rechnet, und aus sie war in der That, noch dazu bei der oftenstblen Publicirung diese» Gesetzentwurfs, gerechnet. Die Publikation jene» Entwurf» hat in den weitesten Kreisen daS G-fühl der Demüthigung de» deutschen Reichstages hervorgerufen. (Sehr wahr! link».) Auch der zweite bebt trotz starrer Abschwächungen zwe» Artikel der Verfassung auf: den über dir Autonomie der Verfassung und den über di« Berösfentlichbarknt der wahrheitsgetreuen Berichte. Von unserer Ver fassung find in gewisser veziehuna nur dr« Bestim mungen über den Kaiser und den ReichStar populär und gerade diese will man ändern. Der kühl« und rrfigmrte Ton der gestrigen Debatte kann darüber nicht täuschen, daß der Herr Reichskanzler hier eine kleine Mine angelegt hat, di« bei irgend welcher unvorhergesehener Gelegenheit wohl springen sante und ich bin nicht sicher, ob Die* nicht gerade die Absicht war. (Eebr richtig! link».) Man sagt unS freilich, daß e» sich um eine Erweiterung der flechte de» Reichstages handelt, aber dann hat d« wutsche Juftizminister dem Reichskanzler ei«, chlechten Dienst geleistet und sein« Intention«, geradezu in ihr Seaentdeil gekehrt. D»e Tende« deS Gesetzentwurfs ist nicht, die Disciplinargewalt deS Präsidenten zu verstärken, die gegenwärtige Grenze der Redefreiheit ausrecht zu erhallen und ste nur durch stärkere Mittel zu unterstützen, sondern st» aeht dahin, gerade an der Hand verschäifier Mitt^ )ie Redefreiheit einzuengen. BewerS dafür ist di« in den Motiven au-aesprochene Voraussetzung, daß nach dem neuen Reglement nicht einmal socialdemo.' kratische Doktrinen und Lehrsätze hier vorgettagen werden dürfen. ES handelt sich Nicht darum, bei unseren Privilegien daS gemeine Recht außer Kraft zu setzen: die Rechte, d»e wir hier in Ansprmß »ehmen, sind nicht Rechte der ein»elnen Mitglieder »er Versammlung, sondern gehen auS der öffent- ichen Stellung der Vertreter deS Volk» hervor. U fl unter Umständen ihre Pflicht, die Mißständ« und Mißbräuche im Staatswesen mit der äußersten Schürst zu verfolgen. Wer will die Reden eineS Tweste, gegen das Ober-Tribunal, die Rede deS Abg. Laiker gegen die Eisenbahngründungen auS der Geschichte unserer parlamentarischen Beredtsamkeit streichen? Gerade sie beweisen haarscharf, daß die volle Wichr- eifüllung und die volle Gewissenhaftigkeit eine» Abgeordneten vor unS liegen kann kund doch sin Maß der Redefreiheit, welches die Grenzen Dessen weit überschreitet, waS daS gemeine Recht nm ich bringt. ^Wahr ist, daß auch diese Pflicht und diese- Recht nothwendige Grenzen hat. aber Ion kann dieselben klar präcifirenV Der Gesetzentwurf hat nicht einmal den Versuch gemacht, eine klare Grenzbestimmung zu finden. Der Ges tzentwurf bringt ein neue- Strafsyftem. Die schwerste zulässige Strafe soll Ausschließung auö dem Reichstag auf eine bestimmte Zeitdauer event. bis zum Ende der Leaii- laturPeriode sein. Ich muß auch hier dem deutschen Juftizminister den Vorwurf machen, daß diese vr- timmung offenbar nicht genügend überleat und durch- »acht ist, denn eS liegen hier zwei vollkommen der- chicdene Dinge in einem ganz trüben Gemenge, nämlich die bloße Entfernung auS der Sitzung auf Zeit, und die Ausschließung. Letztere führte ,n prak tischer und logischer Folge nothwendig zur »berkm- nung der Wählbarkeit in einem gegebenen Zeitraum, der Wahlfähiakeit. Nach englischem und sran»»- »öfischem Rechte kann auch nach einem Richtn- ipruck» ein Mitglied erst mit Genehmigung str betreffenden gesetzgebenden Körperschaft seinen ßi« verlieren. Dieses Privileg baden wir nicht. IL werde nicht sagen, daß eine Verschärfung »n DiSciplinarmittel, wie ». B. Rüge, Abbitte, unverein bar »st mit der Redefreiheit. Der deutsche Justiz minister Hütte gerade hier die Tendenz unserer modernen Strafgesetzgebung zur Geltung b-ingrn müssen, daß die Härte der Strafmittel nicht in directn» Verhältniß steht zur beabsichtigten Wirkung. Lire Ehrenstrafen setzen aber immer ein gesteigerte- Ehr gefühl bei dem Betroffenen voraus und ferner, daß sie Verdikte deS Präsidenten die moralische Billigung der Nation finden. In dem Moment aber, wo sie neue Censuren über den Ordnungsruf setze», finkt die Bedeutung deS letzteren herab. Ich erkenne also absolut kein Bedürfmß zur Lenderung unserer Ge schäftsordnung an. Ein Fall der UnbotinLßigkelt gegen unfern Präsidenten »st meines Wissens noch nicht vorgekommen, und eS ist nicht nöthig, einen solchen zu vräsumiren. Deshalb bin ich gegen jede Resolution und gegen jeden Antrag aus «bänderuna unserer Geschäftsordnung, weil eS den Anschein hätte, alS wenn wir unter dem Drucke diese- Gesetze» ständen. (Sehr richtig! links.) An dem Punkte der Beschränkung der Oeffentlichkeit unserer Verhandlungen bin ich vielleicht der allergrößte Ketzer und kann mir die vorgebrachten Gründe nicht ali- eignen. Glaubt man wirklich, daß die Unterdrückung der censirten Stellen und der censicten Rede möglich ist? DaS glaube ich nicht. Die PublicitLt ist un möglich überall absolut auSzuschließen. Bei allen meinen Deduktionen bin ich allerdings oon der Voraussetzung au-gegangen, daß die Maiorität unsere- Volkes seine gesunden sittlichen Instinkte sich bewahrt hat und deshalb im Stande ist, zur Bildung semer Ansicht die hier frei voraetragenen Gründe für und gegen abzuwägen. Täuscht mich dieses Vertrauen, so täuscht mich du- Bettrauen aus die Zukunst unsere- Vaterlandes, denn nur unter dieser Voraus setzung kann e» frei und stark sich gestalten. At habe aber daS Vertrauen und deshalb lehne ich diese Vorlage und jeden gleichbedeutenden Vorschlag ab. (Lebhafter Beifall links.) in einfacher und hochfeiner Ausstattung empsiehlt billigst 6. mutlos 8»wmler. kölM K UN«I st«IIvck in reicher Auswahl bei v. VI». Aklnelllor, Ritterstrqße Nr 44, „Zum Tintenfaß", Plauen'sche Str. 17. VLV« ckv kruws, ksjedLrtrLRv 5, Heute Kenn: «eis - «»PP,. Stolzer Heturtch. Rindfleisch «tt Kartoffel« s 1» «»itr», »«lds- sriconde-ur. «,»pot. Salat, vutter nud »tsr. Frische «ufteru Pr. Lutz. »» -H. 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