Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187905272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18790527
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18790527
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1879
- Monat1879-05
- Tag1879-05-27
- Monat1879-05
- Jahr1879
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1879
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Grichttirl tSgltch früh 6'/, Uhr. »«b«ä- «a ««oe»«»» Johamü»-ast« »». «Pachßmlt«, »rr »rb««-,, »orvnttags 10—12 Uhr. «uchmittag» 4—« Uhr. », »ÜS^lte rtu«k1»»tlrr ««M. t ft» di, «rdacrcu nicht deidtndlich der für die nächst- Rnmmrr bestimmt« »u «ochentagn, dis r Rcuhmittaas, an Sonn- s»ftta-r« früh dtS'/.S Uhr. W »e, FUtntr» für Z»s. Lmnch«: M» Rlenn». UchvrrMttstr. 22, 1 Lösche, Katharnrenstr. 18,p. «r bis '/^ Uhr. tMgcr Lagkktatt Anzeiger. vWN für Politik, Localgeschichte, Handel-- und GrschiistSvnkchr. Rüstige 15,900. viertelt. 4»/.«r., tuel. Vringcrlohn b M, durch ich P»st bezogen « Att. Jed« einzelne Nummer 24 Ps. Beltgqemplar 10 M Gedtchren für Extradeuagen ohne PofidefVrderung re Ml. mit Postdesvrdernng 4» Ml. Z astrale Sgesp Petitzeüe 20 Pf Größere Schriften laot unserem PreiNverzeichmß — Tadellantchn Sah nach höherem Tarif Leclamn, »»»er de» »rdarttei^rich die Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stets an d. GrprdMe» zu senden. — Rabatt wird mcht gegeben Zahlung prasnnmamnäo oder durch Postvorschuß. ^ 147. Dienstag den 27. Mai 187V. 73. Jahrgang- Bekanntmachung. Wir beabsichtigen, in nächster Zeit die fortgesetzte Nordstraß« von der Partbenstraße ab bis zur Uork- straße neu pflastern zu lasten und ergeht deshalb an die Besitzer der angrenzenden Grundstücke und de», an die Anwohner hierdurch Aufforderung, etwa beabsichtigt«, den bezeichnet«!» Etraßentract berührende Arbeiten an den Privat-GaS- und Wasserleitungen und Beiscdleußen ungesäumt und jedenfalls vor der Reupflafterung auSzusühren, da mit Rücksicht auf die Erhaltung eine- guten StraßenpflasterS dergleichen Arbeiten während emeS Zeitraumes von 5 Jahren nach beendeter Neupflasterung in der Regel nicht zuge- lasten werden. Gleichzeitig verweisen wir auf unsere Bekanntmachung vom 8«. Mär» d. I., Inhalt- deren vor Reu- Pflasterung von Etraßentracten die Dachtraufen mittelst besonderer Fallroyrschleußen unter den Fußwegen Dadurch ,n die städtischen Hauptschleußen zu führen sind. Leipzig, am 15. Mai 1879. »er »attz der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wangemann. Bekanntmachung. Mit Bezug auf unsere Bekanntmachung vom 3. Män d. I. wird da» Abwerfen von Bauschutt, Asche «ud ander« »draum auf und an den im Bau befindlichen neuen Straßen »m Stadtbezirke hier- durch wiederholt verboten. Diese» verbot wird auf alle der Etadtgemeinde gehörigen Grundstücke, welche nicht zur Schuttablagerung ausdrücklich angewiesen sind, hiermit erstreckt. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe diS zu «0 Mark »der Hast diS zu 14 Tagen geahndet welchen Schutt und anderer Abraum kann bi- auf Weitere- in der ehemaligen Sandgrube an der Eutritzsch«! Straße gegenüber der Gasanstalt abgeworfen werden. Leipzig, am 31. Mai 1879. Der «attz der Stadt Leipzig. vr. Seorgi. Brcnnholz-Auction. Freitag. den 6 Juni u. e., sollen von BormntagS 9 Uhr an im Forstreviere Connewitz auf dem Mittelwaldschlage in Abtheilung 40, ca. 2V0 «aummeter eichene vrennschette unter den im Termin öffentlich autgehangenen Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meist bietenden verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem Holzschlage in der Nonne, unweit de- Scbleußiger Wege». Leipzig, am 81. Mai 1879. De» »attz» Forstdepntatiau. Bekanntmachung. Wir wollen nicht unterlassen, auf die bierort» bestehende Bestimmung aufmerksam zu machen, wonach, wenn eine Familie mehr al» drei Kinder zu gleicher Z«U zur Volksschule schickt, auf Ansuchen der Eltern oder deren Stellvertreter nur für die drei längsten Kinder Schulgeld erhoben werden soll. Diese Bestimmung kann selbstverständlich dann nicht Anwendung finden, wenn schon einem oder mehreren Kindern einer Familte frerer Schulunterricht gewährt wird. Leipzig, am LS. Mai 1879. »er »attz »er Stadt Leipzig. vr. Seorgi. Lehnert. Rußland nach dem Lrie-e. --- St. Petersburg, 22. Mai. Diejenigen, welch« der russischen Regierung von dem letzten Kriege abrathen wollten, indem sie im Vorhinein von seinen unheilvollen Folgen sprachen, haben keine Prophetengabe bewiesen. DaS vollbrachte Werk ist gewiß ein sehr große- und eS wird von immerwährendem Bestände sein, während die für dasselbe aufgewendeten Opfer und die Uebel, welche es im Gefolge hat, in einigen zwanzig Jahren ver- schwinden werden, ohne auch nur eine Erinnerung zu hinterlasten. Und doch sind die Verhältnisse für den Augenblick recht traurig! Nicht genug, daß die russische Nation die Befreiung und Unab- hängigmachung ihrer slavi scheu Brüder mit Hunderttausend«! von Opfern, mit Milliarden von Rubeln und mit dem Verluste von zwanzig Jahren ihre» eigenen materiellen, industriellen und handelspolitischen Fortschritte- bezahlte, so muß zu diesen unersetzlichen Verlusten noch daS Unheil einer bisher »ngekannten verbrecherischen Bewegung hinzutreten, die zweifellos ihr Ende noch nicht er reicht hat. Mit dieser Bewegung geht eine von denselben Verbrechern, von welchen die Mord- thaten auSgehev, vorbedachte und heraufbefchworene Geißel einher, die Geißel der Brandstif tung, durch welche bereit» drei Städte, Oren- burg, Jrbit und UralSk, ganz oder zum Theil in Asche gelegt sind. Die wüthenden Srctirer, welche ihrem eigenen Vaterlande den Ruin ge schworen, haben e» in ihren Proklamationen er klärt, daß sie die von ihnen geträumte Nivrlliruug mit Feuer und Schwert erreichen wollen, und sie halten Wort. In der Thal ist heute nicht mehr daran zu zweifeln, daß der viermal erneuerte Brand Jrbit» angelegt wurde. Da da» ZerstörungS- werk mit Dolch und Revolver für den Augenblick durch die in den großen Eentren, al»: Peters burg, MoSkau, Kiew und Odessa, getrof fenen Maßnahmen «ufgehalten ist, so werfe» sich die Verbrecher in die entfernten Lheile deS Reiche« «ud greifen zur Brandfackel. Und al- ob die» Alle» »och nicht genug wäre, al« ob die verbreche rische Hand der Menschen noch nicht genug Opfer in Rußland fordern würde, mengt sich da» Schick- sal in» Spiel und ist die ganze südliche Zone de» Reiche», deren Ertrag an Cerealien seinen Reich thum bildet »nd zur Versorgung der übrigen von der Natur minder bedachten Gegenden desselben dient, vonHenschreckenschWärmen heimgesucht, welche da- kaum aufgegangene Getreide auf un- glaubliche Distanzen hin biS zum letzten Halme vernich ten. Die Folge dieser neuen Landplage war die plötz- liche Bertheuerung der Feldfrüchte, de» Brovge« treide» und die Ankunft von Fruchtauskäufern, »selche die Preise im ganzen Reiche m die Höhe trieb«. Die» rief eine allmälige »nd ziemlich starke Baisse aller unserer Werthe, sowie de» ohne dies ziemlich ni^ri«n Course« hervor. ES ist oie» eine Reihe von Unglücksfäll«, wie sie weder daS russische Boik, «och sein Herrscher verdienen. Wenn eS wahr ist, daß die Größe der Werke sich nach der Bedeutung der Opfer dem ißt, welche sie kosten, ko muß dasjenige, welche» Rußland auf der Balkan-Halbinsel vollbracht hat, wirklich die größt« und wohlthätigsten Resultate Hab«. Bekanntmachung. Ein Theil der Schleuß« der Emilirnstraße soll in «ine Schleuß« lll. Elaste umgrbaut und diese Arbeit an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in unserem Bauamt, Nathhau» 2. Etage. Zimmer Nr. 18, au» und können daselbst eingesehen refp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: Schleuß»»»«» i« »er Smiltenftratze versehen ebendaselbst und zwar »iS zu« 6. Iuut tz. I., Nachmittag» 5 Utzr einzureichen. Leipzig, den 24. Mai 1879. Ler «attz tzer Stadt Leipzig. vr. Georqi. Wangemann. Bekanntmachung. Wir beabsichtigen, in nächster Zeit in der Emilienstraße hier Schleußenneubauten vorzunehmen und fordern wir daher unter Verweisung auf unsere Bekanntmachung vom 2«. März d. I. die Besitzer bez. Administratoren der an genannte Straße angrenzenden Grundstücke auf, bei Vermeidung einer Geldstrafe bi» zu 60 oder der sonst in gedachter Bekanntmachung angedrohten Nachtheile die Unterführung der Dachtraufen mittelst besonderer Fallrohrschleußen, sowie die etwa nöthig werdende Einführung der Privat- beischleußen gleichzeitig mit au-führen zu lassen, und deshalb rechtzeitig und spätestens bi» ,»» 15. Juni tz. I. die erforderlich« Baugenehmigung bei un» nachzusuchen. Leipzig, am 24. Mai 1879. Der «attz der Stadt Leipzig. vr. Seorgi. Wangemann. Zum Mindesten ist die bulgarische Frage für den Augenblick beigrlegt und zwar in weil ein facherer Weise, al- die zahlreich« Schwierigkeiten erwart« ließen, welchen man von Seit« der Türkei wie der Bulgarien» entgegensah. ES ist heute b^w.efm, daß die neue Abmachung sich Dank einem direct« Einvernehmen zwischen den Cabi- net« von London und St. Petersburg vollzieh« konnte, welche übereinkamen, daS Eine ans die Türkei, daS Andere ans die Bnlgar«, in diesem Sinne einznwirkm. Die Morte hat in der Form Zugeständnisse gemacht, welche ihre Rechte in nicht» im Voran- beeinträchtig«, aber d« Vulgär« Ost- rumelienS jeden Vorwand zu einer Jnfurrection benehmen; und diese haben hinwiederum ihr« Einheit-traum bei Seite gefetzt, namentlich in Folge der Mission de» General- Obrutsches f, welcher beauftragt war, den beiden Proclamationen de- Kaiser- an die Ostrnmelioten und an die Bnlgar« der Provinz mündlich die entsprechende Begründung und positive Bekräftigung zu geben. In Konstantinopel hat diese Mission de- Ge neral- Obrntscheff dm besten Effect hervorgebracht, da sie den fest« Entschluß de- Kaiser- »nv seiner Regierung bezeugt, sich streng an die Bestimmun gen de- Berliner Vertrage- zu halten. In Bul garien »nd Rumelien hat diese Mission eine Stär kung der einsichtsvollen «nd gemäßigten Partei zu Wege gebracht. Letztere Partei, welche die in den beiden kaiserlichen Proclamationen, wiewohl unter verschiedenen Formen, so gut beleuchtete Wichtig keit der Rechte anerkennt, die die beidm sich selbst wiedergegebenen bukgarifchen Parteien bereit» er rungen haben, ist gegen jedm unbedachten Streich, der nur die Opposition und die Feindseligkeit aller Mächte herauSsordern könnte, ohne die Möglichleit eine» Erfolge- darzubieten. Die bulgarische ActionSpartei, welche sich bis jetzt mit der geheimen Hoffnung auf rus sische Unterstützung getragen, weiß heute ohne Zweifel, woran sie in dieser Beziehung ist. ES ist da» zweite Ziel der Mission Obrutschrff'», Namen» de- Kaiser» dieser letzter« Partei die Ueberzeugung beizudringm, daß, wenn sie, einem Abmteuer nach jagend, die v»n Ostrumelim und Bulgarien er langt« groß« Resultate riSkirm will, um eine heute unmögliche Einheit anzustreben, sie absolut auf jede Unterstützung »nd selbst auf jede weitere Sympathie feit«» Rußland- verzichten muffe. Wie e» scheint, ist General Obrutfcheff bereit- auf eine gewisse Opposition »nd auf aufständische Gesin- nungen bei den militairischen Turnverein« ge- stoßen, die übrig«- schließlich auf seine Aufforde, rung hin sich gelöst Hab«. Die Aufgabe de» General» ist ab« noch nicht abgeschlossen; in Elivno, wohin er sich begeben hat, erwartet er, wie e» scheint, auj die mästen Schwierigkeit« zu stoß«. Allein dre Entschließung der kaiser lichen Regierung ist gefaßt; sie wird nicht gestat ten, daß Elemmte der Unordnung sich unter der Kahne ihrer Armee znm Kampfe bereit machen, »nd sie wird die Anwesenheit der letzteren noch daz» benützen, um dieselben zu zerstreu«. Dies« Arbeit der Beschwichtigung wrrd jetzt leichter von Statt« gehen alS zur Zeit der Uebernahme der Regierung durch d« nenen Kürst« von Bulgarien »nd durch den nenen General - Gouverneur von Ostrumellen, d. i. nach dem «blichen Abmarsche der russischen Truppen. Die» hindert übrigen» nicht, voranSzusehcn, daß Fürst Alexander I. noch Schwierigkeit« zu überwinden haben werde. Die Ränmung seit«- der rnssticyen Trupp« yat mittlerweile bereits begonnen und wird zum ver einbarten Termine, vielleicht noch früher, be endigt sein. Die beiden großen Fragen, welche jetzt, wo die auswärtige Frage nunmehr endlich m ein fried liche» Geleise gebracht zu sein scheint, die Ge- müther hier fortwährend beschäftigen, sind die finanzielle und die Frage de- öffentlichen Unterrichte-. Jene wird früher oder später mit der Aufnahme einer auswärtigen Anleihe ihren Abschluß finden, für welche man jedenfalls den günstigsten Moment abwarten wird. Diese wird zu einer vollständigen Umwandlung unsen- öffentlich« UnterrichtSsystemS führen, da-, seit dem Ministerium Tolstoi in Kraft, nicht nur die öffent liche Meinung, sondern auch die Mehrheit der Regie- rungS-Mitglieder gegen sich hat. Diese- System lervet an dem Nachtheile der Uebertreibung, indem eS, ohne Rücksicht auf den Grad der Entwickelung, der In telligenz und der Gesundheit der Jugend, au- dieser lauter Gelehrte machen will, anstatt vor Allem Menschen zu machen. Kurz, bei diesem Systeme hat sich Gras Tolstoi insofern getäuscht, als er beim Ende angesangen oder vielmehr den Anfang zu Gunsten de- Ende- vernachlässigt hat. Er hat den Unterricht mit der Erziehung verwechselt. Die Hauptpflicht de- Staate- ist, gut erzogene Men schen zu erzielen; diese müssen die Masse der Bürger bilden. Die Unterrichteten können stets nur die Minderheit auSmacheu. Politische Nebersicht. Leipzig, 36. Mai. Zur Lage wird un- au- Berlin vom 25. Mai geschrieben: „In liberalen Abgeordnetenkreisen ist die Idee angeregt Word«, an den Reichs kanzler eine Interpellation über den Stand der kirchenpolittschen Verhandlungen zwischen der Regierung »nd der römischen Curre zu richten. Fürst BiSmarck soll gefragt werben, ob der neue Papst den Bischöfen geboten habe, dm bisherig« Aspirationen der katholischen Hierarchie zu entsag«, ob der KleruS in Preußen sich d« Staat-gesetzen rückhaltlos unterworfen habe und welcher Act in dieser Beziehung vorliege, um der Volksvertretung im Reiche, wie jener der Particularstaaten genügende Garanti« dafür zu gebm, daß die staatsfeindliche Hai- tuug der Ultramontanen in Sachen der Kirchmgesetzgebung einer versöhnlichen Po litik gewichen ist. Die Interpellation würde darauf hinzuweifen Hab«, daß eine der ersten Garanti«, welche Leo Xlll. dem deutsch« Kaiser für di« Aufrechterhaltung de« confessionell« iried«- zu geben hätte, in der Auflösung de- fentrumS im deutsch« Reichstage wie im preußisch« Abgeordnetenhaus« besteh« müßte. Denn so lange inmitten deutscher Volksvertretungen eine politisch organisirte Partei besteht, die im Nam« de» BaticavS dem Kanzler de- deutschen Reich- die Bedingung« vorschreibt, unter welchen ein moclns rivenäi zwischen Staat und Kirche zu Stande kommen soll, so lange wird nicht nur der innere Friede, sondern auch die Beziehungen Deutschland« zum AuSlande gefährdet erscheinen. Deshalb soll auch die Interpellation speciell hervorheben, daß e- der Würde de» dcutsch« Reiche- nicht ange messen sei, wenn der aufgehobene diplomatische Dienst zwischen Berlin und Rom durch ultramon tane Abgeordnete versetz« wird, oder wmn sich gar der Reichskanzler in einem außeramtlich« Briefwechsel mit dem StaatSsecretair de« römisch« Bischof- einläßt Entschließen sich die liberal« Parteien, diese Interpellation zu stell«, so würden sie mindesten» den Uebermuth dämpfen, mit welchem die Klerikal« dcS Reichs tage» ihren jüngst« parlamentarischen Erfolg feiern. Rust doch da« hiesige leitende Je suitenorgan in dithyrambischem Tone, daß der gestrige Tag einen Sieg für die CentrumSpartei in Deutschland bezeichne, aus den sie mit Freude und Genugthuung sehe. Endlich sei ihrer Ver tretung im Reichstage da» Recht geworden, da» ihr eine thörichte Verblendung nnd fortgesetzte Ver- gewaltigung bisher vorenthalt« habe. Namentlich ist die lesuitische „Germania" hocherfreut darüber, daß die Vertrauensmänner de» Reichskanzler», „die Confer vativ«, thatsächlich die Fabel von der Reich-feindlichkei t de- Centrums ausgegeben haben." So lange die Minister Falk und Friedenthal in den Reih« der Frei- conservativ« sitzen, wird die ReichSseindlichkeit de» CentrumS nicht als eine bloße Fabel betrachtet wer den können. Nach den Auffassungen der StaatS- katholiken innerhalb der freiconservativen Partei macht Dr. Falk die Beibehaltung seine- Portefeuille von dem AuSsall der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus- abhängig. Hinzugesügt wird, daß sich in der Umgebung de« Reichskanzler« Niemand darüber täuscht, wie unbehaglich seine Stimmung Uber die Mitarbeiter- schast de« CentrumS an den WirthschaftSgesetzen sei. Er würde sich der Ultramontanen lieber heute al» morgen wieder «täußern, wenn ihm die Durchführung deS finanziellen Theil- seine» Reformprogramm» nicht schwer am Herz« läge. Deshalb sec er auch entschloss«, sein« längst ge hegten Plan unter der gegenwärtigen günstigen Stimmung dr- Volke- ourchzuführ«, nämlich mittelst Neuwahlen zur Bildung einer ministe riellen Partei nach torystischem Muster zu ge lang«. Wird dieser Entschluß durchgesührt, fügt unser konservativer Gewährsmann hinzu, so dürfen die Ultramontanen darauf rechnen, daß sie ebenso kalt gestellt werdm, wie ihre Vorgänger in der Gunst unsere- genial«, aber um Bundes genossen niemal- verlegenen Staatsmannes." Die politische Temperatur, wie jene, die nach CelsiuS oder Reaumur gemessen wird, ist — so schreibt man un» au« Berlin vom Sonntag — der gestrigen parlamentarischen SoirLe de- Fürsten BiSmarck nicht günstig gewesen. „Die schwüle und nahezu erdrückende Atmosphäre ft» den Salon- de» Reichskanzler» ln gen den Mitgliedern der liberalen Partei« räthtich erschein«, fern von der Wilhelmstraße d« schön« Maiabend zu aenieß«. Selbst die Ultramontanen ließ« sich nur de- Anstand- halber von einig« unter-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite