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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187801244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 404/405 doppelt vorhanden; Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-01
- Tag1878-01-24
- Monat1878-01
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1878
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Lrdorltoi »öS LkpcLItü», JohanuiSgasie 33. LpreHstuusca srr tlrdattton: B»rmiitag« 10—12 U1>r. Rachinittrgs 4—6 Udr. Tnuusme der sür dir nächst, '»iucndc Nummer bestimmten Amerutc an Wochentagen bis 8 Uhr Nachmittags, an Tonn- «ud Festtagen früh bis V,9 Uhr. H« »«, Filtalra für Z,s. Hmiahmr: Otto KUmm. Universttälsstr. 22, Louis Lische, Katbariucnstr. 18, p. unr bis '/.3 Uhr. 24. UtWigcr TagclilaN Anzeiger. Organ für Politik, Lvcalgeschichtt, Handels- und Geschäftsverkehr. Donnerstag den 24. Januar 1878. Anfioge 15,25». A>o,»r«r,t»prkl§ viertelt. tV-Mk-, rucl. Brinarrlohn 6 Mk.. durch di« Pest bezogen 6 Mt. Jede einzelne Numuerr 25 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Aedührrn für Lxtrabcelagrn ohne Postbefdrderung 36 Ml. mit PostdefVrderung 45 Mt. Znseratr 5gesp. Petitzeile 2ü Pf. ckrsßer« Schriften laut unserem PreiSverzeichniß. — Tabellarischer Satz nach HIHerem Tarif. Urelanmi »nter dem Uedaetianajirtch dir Spaltzeile 40 Pf. Inserate find stets an d. «rpedttina zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prasoumsnwäo oder durch Postvorschub. 72. Leipzig. LS. Januar. Wunderbar find die Wege der Weltgeschichte. Große glänzende Mittelpunkte drückt sie bis zur Unscheinbarkeit zusammen, zerschlägt sie, schleudert sie in die Tiefe der Vergessenheit, und kleine, ent legene Orte bebt sie aus ihrem Verstecke hervor urw trägt sie hinauf in die Regionen allgemeiner geschichtlicher Bedeutung. Den Bewohnern der kleinen BaUanstadt Kesanlyk am Ausgange desSchipka- vasses ist es nicht an der Wiege vörgesungen worden, daß ihr Ort berufen sei, der Sitz eines so einschneiden den und weittragenden Ereignisses zu werden, wie cs die gegenwärtigen Waffenstillstands- und Frieden-Verhandlungen sind, daß dort ein mal, wie dies jetzt der Fall ist, gewürfelt werden würde über Sein oder Nichtsein der europäischen Türkei, Uber die Zukunft des Orients. Aller Augen sind nach jenem Orte gerichtet, und mit Spannung horcht ganz Europa den ersten Nach richten über die russischen Friedensbedingungen entgegen, über die noch immer nichts Sicheres be kannt ist. Diese Spannung ist sehr natürlich; denn die allererste Vorbedingung sür ein baldiges Zustandekommen des Friedens ist ja die Verstän digung zwischen den beiden Kriegführenden, und zu nächst hängt Alles davon ab. ob sich die Morte hinlänglich von dem Bewußtsein ihrer Geschtagen- heit, „von ihres Nichts durchbohrendem Gefühle" durchdrungen hat, und ob andererseits der Sieger Selbstüberwindung genug besitzen wird, nicht allzu hart und herrisch auszutreten, den Bogen nicht allzu straff zu spannen. In der Beantwortung dieser Fragen sind wir nur auf Vermuthungen angewiesen, die wir der kriegerischen und diploma tischen Lage entnehmen, und da glauben wir kenn, daß die eiserne Logik der T Hatsachen einer raschen Verständigung das Wort redet. Die Türkei liegt am Boden. Die Spitzen des russischen Heeres haben in diesem Augenblicke wohl schon über Wdrianopet hinan« den Vormarsch aus Kon» stantinopel ««getreten. Und mögen nun die Russen die Hauptstadt de- oSmanischen Reiche- vorüber gehend besetzen oder nicht, mögen sie von der Erlaub- niß Oesterreichs Gebrauch machen oder dem stillen und halben Widerspruche Englands Gehör schenken, mögen Suleiman's versprengte Heerestrümmer sich von der Hafenstadt Kavala aus zu Schisse übers Aegäische Meer nach Gallipoli retten oder fern von der bedrängten Hauptstadt stecken bleiben — alles Das kann die Lage der Türkei weder erheblich bessern, noch erheblich verschlimmern: sie ist und bleibt militairisch vernichtet. Sie wird also mit vollen Händen geben müssen, mag sie auch nickt m der Gcbelaune sein. Andererseits aber ist da für gesorgt, daß die Bäume Rußlands nickt in den Himmel wackscn. Dieses ist nickt allein in Europa, und die orientaliscke Frage ist nicht blos eine russisch-türkische, sondern eine europäiscke Frage. Der Pariser Friede, der nack dem Krimkriege unter ver Aegide Napoleon's III. Rußland in unnatürliche Fesseln schlug und in den letzteres schon 1871 einen tüchtigen Riß machte, wird durch den jetzigen Krieg gänzlich hinfällig werden. Vorläufig besteht er aber noch, und er kann nur unter der Zustimmung i'ämmtlicher Vertragsmächte beseitigt werden. Dies gilt namentlich von der Ocfsnung der Dar danellen und der freien Ausfahrt ins Mittel meer, die Rußland als eine Haupttrophäe aus dem jetzigen Kampfe davontragen will. Die Regelung Vieser Frage, sowie die Neugestaltung der Verhält nisse in den Donau- und Balkanländern sann Zdißland, wie eS sehr wohl weiß, mit der Türkei nur vorläufig abmacken. Sie bedürfen der Zustimmung ver übrigen bethciligten Mächte, die das Billige gewäh ren werden, mit denen Rußland aber in schwere Con- sticte kommen könnte, wenn es Ungebührliches fordern würde. Mit Rücksicht auf diese anderen Mächte wird es also seine Forderungen schon jetzt so ein- zurichten haben, daß sie die Billigung derselben, namentlich Englands und Oesterreichs, finden. Denn kriegerische Verwickelungen mit diesen Staaten könnten es leicht um die sichere Beute bringen, die es jetzt in Güte und unter ausdrücklicher Besiege lung Europa- erreichen kann. Man nimmt gern mit Weniger vorlieb, wenn das Mehr unsicher ist, und auch Rußland wird den Sperling in der Hand zu schützen wissen, statt nach zehn anderen zu jagen, die noch auf dem Dache sitzen. Der „Mitteldeutsche", der schon früher in der „Post" gegen die geplante Fortentwickelung der preußischen Ministerien zuReichsministerie'n pro- testirt hatte, schießt soeben in demselben Blatt einen neuen Artikel gegen die beabsichtigte Verschmelzung los, die er nur auf dem Gebiete der Finanzen und des Handels gelten lassen will, dagegen auf dem der Justiz entschieden zurückweist. Die „Post" leitet den Abdruck mit folgenden Worten ein: „Obschon der Artikel, theilweise von irrigen Voraussetzungen ausgebend, gegen Absichten polemisirt, welche unseres Erachten- zur Zeit nicht bestehen und dadurch eine gewisse Schärfe gewonnen hat, so gewähren wir demselben doch gern Aufnahme, weil er von reich freundlicher Seite kommt und weil wir es für richtig halten, auch abweichende Ansichten in solchen Fragen zu Worte kommen zu lassen. Was in den, Artikel in Bezug auf Ordnung der Finanz-, Zoll- und Handelsfragen zugestanden wird, genügt viel leicht zunächst als eine Grundlage der Verstän digung sür die verbündeten Regierungen." — Unser „Mitteldeutscher" constatirt in der Ein leitung nicht ohne Selbstgefälligkeit, daß seine früheren Betrachtungen üoer dieses Thema den Nutzen gehabt, die nebelhaften Umrisse, in rvelche bis dahin die angeblich zwischen dem Reichs kanzler und Herrn v. Bennigsen verabredeten Grundzüge einer Reorganisation ver Reichsverwal tung gehüllt waren, einigermaßen aufzuklären z?). Verschiedene, anscheinend von dem Inhalte jener Verabredungen unterrichtete Blätter hätten die Voraussetzungen, von denen bei obigen Betrach tungen ausgegangen wurde, dahin berichtigt, daß keine Realunion der obersten Reichsämter mit den preußischen Ressortministerien, sondern nur eine Personalunion derselben beabsichtigt werde. Hier nächst solle aber auch vorläufig von der Ernennung eines selbstverantwortlichen PicekanzlerS abgesehen werden. Die „National-Zeitung" spreche in einem Leitartikel vom 15. Januar offen aus, daß man befürchte, die Zustimmung der verbündeten Regie rungen zu einer Aenderung der Reichsverfassung, welche in diesem Falle unumgänglich sei, nicht zu erlangen und empfehle deshalb, zunächst ohne Rück sicht auf die Ansichten der übrigen Regierungen eine vollendete Thatsachc durch Ernennung preußi scher Staatsminister zu Vorständen der obersten Reichsämter zu schaffen. Dagegen bemerkt nun die „Mitteldeutsche": „Wir denken in der That zu hoch vom Fürsten Bismarck, als daß er auch nur vorübergehend den Gedanken gehegt haben könnte, dem deutschen Kaiser eine Maßregel vorzuschlagen, deren Ausführung ohne vorgängige Verständigung mit den übrigen deutschen Realerungen dieselben aus das Tiefste verstehen und alle» Vertrauen auf Einhaltung der Bundestreue auf lange Zeit untergraben müßte." — Werthvoll wäre es gewiß, wenn die beabsich tigte Reorganisation unter dem Beifall aller Bun desregierungen möglichst gründlich durckgeführt würde. Doch da da- nickt kann sein, da zu be fürchten steht, daß die Mittelstaaten von ihrem Veto Gebrauch machen «erden, so werden wir uns mit den allerdringendsten Aenderungen be gnügen und einem etwa doch noch zu gewärtigen den Widerspruch der Mittelstaaten .dadurch die Spitze abbrechen muffen, daß wir denselben gar nicht herausfordern. Da- ist, wenn wir recht ver standen haben, der Kern der Ausführungen in der „Nat.-Ztg.", namentlich auch des (dem Abg. Lasker zugeschriebenen) Artikels „Gegenzeichnung und Verantwortlichkeit", der darthut, daß es zu der beabsichtigten Reorganisation nicht der Ver fassungsänderung, sondern nur einer einfacheil Etatsbewilligung bedürfe. — Erfreulich ist es wenigstens, daß selbst der „Mitteldeutsche" nicht umhin kann, sich damit einverstanden zu erklären, daß die Leitung der Reichsfinanzen dem preußischen Finanzminister Übertragen werde, indem er sagt: Vergegenwärtigen wir uns den Kreis der Ge schäfte, welche dem preußischen Finanzminister als solchem und als Vorstand des Reichs - Finanzamtes obliegen würden, so ergiebt sich ungefähr folgendes Bild: Es würde ihm zufallen: die Oberleitung des Etat-Cafsen- und Schuldenwesens im Reiche, wie in aut dem Gebiete der in Artikel 35 der Reichsver fassung bezeichneten gemeinsamen Abgaben und deren Ausführung, soweit sie nicht dem Bundesrathe Vorbe halten ist, mgleichen die dem Kaiser nach Artikel 17 halten ist, mglelchen tue dem Kaller nach »rmei i? der Reichsverfassung zusallende Ueberwacbung der Ausführung der Reichsgesetze im Bereiche des Finanz wesens. Als preußischem Finanzminister würde ihm die Verwaltung der gemeinsamen Abgaben innerhalb Preußens für Rechnung des Reiche-, sowie ferner die Verwaltung der Landessteuern obliegen. Ob die Verwaltung der preußischen Forsten und Domänen einem anderen Ministerium überwiesen wird, wie hier und da angedeutet wurde, ist für die nicht preußi schen Staaten nur insoweU von Interesse, als da durch der Vorstand des Reicbssinanzamtes in seiner Geschäftslast etwa- erleichtert werden würde und kann daher sür unS außer Betracht bleiben. Faßt man nun die obbezeichneten Geschäftszweige darauf in das Auge, ob dabei ein« Collision der specifisch »reußischen Interessen mit denen der übrigen Äundes- taaten oder einzelner derselben sich ergeben könnte, o leuchtet zunächst ein, daß an der strengen Durch- -hrung emes zweckmäbig geordneten Lassen - und ktaatsrechnungswesens und an einer solid-n und sparsamen Finanzwirthschaft sämmtliche Glieder des gleichmäßig mteressirt sind. Die Muster st der preußischen Einrichtungen und Ber !Ngsgrundsätze aus diesem Gebiete ist allgemein nnt, nach preußischem Muster ist bereits das Rechnungswesen im Reiche geordnet und Anzahl von anderen Staaten Deutschlands »br Staatsrechnungswesen mehr und mehr im Anschluß an die EtatSprincipien des Reiches aus Die verbündeten Staaten können daher in dieser Be Ziehung mit vollem Vertrauen die Leitung der be zeichneten Angelegenheiten einem preußischen Finanz minister überlassen. Daß die Regelung des Geldverkehrs im Reiche, die eigentliche Finanzpolitik, nur von Einem Mittelpunkte aus zweckmäbig erfolgen kann, daß dieser Eentral- lunct nach Lage der Verhältnisse Berlin blecken muß, ist unbestreitbar. Es mögen unter diesem Verhältnisse die Interessen einzelner Geldinstitute und wohl auch einzelner Industrieller und Handeltreibender in wie außerhalb Preußens leiden; nachdem jedoch das Münz- und Bankwesen im ganzen Reiche ein- leitlich geordnet, die Münzreform nahezu been det und über die Vertheilung der Münz - Aus prägungen unter die einzelnen Münzstätten feste Grundsätze aufgestellt worden sind, so hat Preußen Sonderintereffen auf diesem Gebiete nickt mebr zu verfolgen. Eben so wenig aber ist die preußische Regierung in der Lage, bei der Gesetzgebung hin- ichtlick der Zölle und Verbrauchssteuern eigenartige Interessen geltend zu machen und sind namentlich die süddeutschen Staaten durch die Bündniß-Berträge wie die Reichsverfassung dagegen geschützt, daß ihnen wider ihren Willen die Branntweinsteuer nicht auf gedrängt, die für eigene Rechnung erhobene Biersteucr nicht entzogen werden kann. Es sind daher nur Vor- «chtsmaßregeln dagegen zu treffen, daß bei der Verwal tung der gemeinsamen Abgaben und bei der nach Art. 36 dem Kaiser zustehcnden Ueberwacbung des gesetzlichen Verfahrens allenthalben mit gleichem Maße gemessen werde. Bleiben, wie wir voraussetzen, die direkten Steuern der Einzelstaaten für Staats-, Provinzial- und Communalzwecke ausschließlich Vorbehalten, so ist auf diesem Felde die Möglichkeit eines ConflictS zwischen dein Reiche und den Einzelstaaten überhaupt ausgeschlossen. Entschließt man sich im Reiche zur Einführung des Tabaksmonopols, so wird zwar die Beaufsichtigung des Tabaksbaues wie seither Landcs- beamten überlassen werden können, die Tabaksfabri kation dagegen wird behufs der Durchführung der unentbehrlichen Einheit im Betriebe nicht blos von einer Eentralstelle geleitet, sondern auch unmittelbaren Reichsbeamten Vorbehalten werden müssen. Es können bei deren Anstellung durch den preuß. Finanzminister vielleicht Bevorzugungen preußischer Lemdeskinder Vorkommen' hiervon abgesehen aber ist es kaum denkbar, daß Preußen zum Nachtheil anderer Bundes- "aaten materiell bevorzugt werde, zumal da dem sundesrathe die Entscheidung bei der localen Ver- tbeilung der großen Fabrikationsanftalten verbleiben würde. Daß auch ein preußischer Handelsminister als Vor land des Reichs-Handelsamtes nicht füglich eine pecisisch preußische Handels- und Gewerbepolitik ver folgen kann, haben wir schon früher dargelegt. Differenzen zwischen ihm und der Regierung eines Einzelstaates über die Ausführung und die Hand- 'sttbuna von Reichsgesetzen, welche auf seinen Gc- chästsrreis fick beziehen, würden nach wie vor vom vundesrathe zu entscheiden sein. Was der „Mitteldeutsche" schließlich noch gegen eine Stärkung des Reichseisenbahn- und Reichs- justizamteS sagt, enthält nichts NeueS und weist die wichtigen Fragen lediglich vom particularistischen Standpuncte aus ab, anstatt sie von dem des Reiches aus zu fördern. Officiös wird geschrieben: In ihrer Sonntags nummer entwickelt die „Nationalzeitung" in einem leitenden Artikel: „Gegenzeichnung und Ver antwortlichkeit" den Gedanken der Uebertragung eines Theils der bisher allein dem Kanzler zuge wiesenen Verantwortung auf die Spitzen mehrerer der großen Reichsämter. Es würde damit eine weitere Entwickelung in doppelter Beziehung ein- treten: einerseits würde dem Kanzler ohne Schwächung seiner leitenden Stellung die Möglich keit einer Erleichterung und volle geschäftliche Vertretung gewährt, andererseits würde einem vom Reichstage wiederholt ausgesprochenen Wunsche aus iveitere Ausbildung deS Systems der Verantwort lichkeit im Reiche entgegengekommen. Gutem Ver nehmen nach ist nicht anzunehmen, daß eine solche Veränderung an den entscheidenden Stellen auf grundsätzlichen Widerspruch stoßen würde. selben Lichte erscheinen. Wir geben diese Stimmen zur Information unserer Leser wieder. Sie werden daraus, wie wir glauben, die Ansicht gewinnen, daß der Versuch zu einer BeHtändigung der in allen Hauptpuncten gleichartigen Elemente auf einem guten Wege ist. Die Presse beider liberalen Parteien darf diesmal wohl behaupten, daß sie diesen Weg vorgebahnt hat. Aufgabe der parlamen tarischen Führer wird es jetzt sein, ihn zu oeschreiten und weiter zu führen. Ohne Zweifel wird diese Be wegung von der Presse gefördert werden können und da es die „Kieler Zt«." gewesen, welche den Anlaß zu der ganzen Erörterung der Frage gegeben, gestatten wir uns den Vorschlag, daß die Organe der nationalliberalen und der Fortschrittspartei sich zunächst eine Art von Waffenruhe gegenseitig vergönnen möchten, weicheren Tagesgeschichtliche tteberjicht. Leipzig. 23. Januar. Zum Frieden zwischen den beiden libe ralen Parteien mahnt die „Kieler Ztg." (der Abg. Häncl'?) mit folgenden sehr verständigen Worten: Der Geist, in welchem diese DiScussion in hervor ragenden nationalliberalen und fortschrittlichen Or ganen geführt wird, berechtigt zu der Hoffnung, daß taktische Fragen die liberalen Parteien nicht mehr veruneinigen werden, wo es sich um eine kluge und vorsichtige Verfolgung der gemeinsamen Ziele handelt. Es ist schon hervorgehoben, daß, wenn man nur das Interesse der liberalen Sache, welche diejenige de- deutschen Bürgertbums in seiner Gesammtyeit ist, in daS Auge faßt, sich aus der gegebenen Situation die Nothwendigkeit einer Wiederherstellung der früheren freundschaftlichen Beziehungen der beiden liberalen Fractionen ergiebt, eine Nothwendigkeit, die genau so dringend ist für den Fall des Gelingens der Un terhandlungen zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Herrn von Bennigsen, als sie evident ist für den unerwünschten Fall des Scheitern- dieser Verhandlungen. Die Sprache der maßgebenden nationalliberale l Blätter läßt erkennen, daß die einfachen Eoniequenzen der politischen Lage den nationalliberalen Kreisen im Wesentlichen in dem Friedensschluß sehr wesentlich erleichtern würde. Wir denken natürlich nicht daran, eine Beschränkung der Polemik zu wünschen, wir wünschen nur, daß sie in Zukunft frei von Gereiztheit und gegenseitigen An klagen bleibe, und in jenem Tone der Höflichkeit und Rücksicht geführt werde, welchen sich alte Freunde schulden. Geschieht das, so werden auch die taktischen Differenzen nicht mehr von so großer explodirender Gefahr sein. Sckon der neulich besprochene Vortrag Düh- ring's über Marx bewies, daß der Mann, welcher eine Zeit lang ohne Widerspruch von der Berliner Socialdemokratie auf den Schild er hoben wurde, doch über sociale Fragen erheblich anders denkt, als die Herren Most und Consorten. Neuerdings hat nun Herr Dühring den Socialis mus nach einer andern Richtung beleuchtet. In einem jüngst gehaltenen öffentlichen Vor trage be sprach er den „Professoren-SocialiSmuS", unter welchen, er die in neuerer Zeit sich geltend machenden Reste oder Ausläufer des sogenannten Katheder-SocialismuS versteht. ES geschah dies zwar nicht * ^ selten Uber verdient Vortragende in diesem Fall« die so nahe liegende Bezugnahme auf seine persönlichen Gegner vermied, wodurch der Vortrag an strenger Sachlichkeit nur gewann. Als Hauptvertreter, als Typus des „Prosessoren-Socialismus" gilt ihmS chäffl e.derEx- profefsor und Exn, nister conservativ-reactionairer Richtung. Schäffle'S Buch über den Socialismus hat im Grunde eine antisocialistische Tendenz, kokettirt aber dabei mit der Socialdemokratie, indem es sich mit dem Scheine einer Sympathie sür dieselbe um- giebt. Schasste giebt eine Darstellung des Socia- lisinus, dessen Quintessenz er in der Marr'scheu Entcignuilgstbcvrie findet. Er citirt die Marx'schen Sätze niit einem Schein von Billigung und ent wickelt — was Marx und seine Leute wohlweislich unterlassen — die Consequenzen des Systems: kein Zins, keine Mietbe, keine Pacht, also Wegfall alles Dessen, was man Einkünftearten nennt, kein Handel, keine Börse; Alles bleibt der Universalvorsehuna des Marx'schen Staates überlassen; schließlich Wegfall aller welthistorischen und natürlichen Unterschiede in der Organisation der Gesell schaft. Das Wunderbarste aber ist, daß dabei alle „idealen Güter" gewahrt bleiben ; man braucht nickt einmal zu fürchten, daß das allgemeine Wahlrecht eingeführt wird, die Kirche wird die Herzen be herrschen, kurz, es gestaltet sich Alles, wie Schäffle sagt, „höchst konservativ". Ob dieses Zeugniß den Socialdemokraten genehm sein mag, ,st fraglich; jedenfalls aber ist diese Verquickung mit der poli tischen und kirchlichen Rcaction höchst charakteristisch für den wahren Geist der socialdemokratischen Doctrin. Schäffle hält in seiner Schrift dem Marxistischen Socialiömus einen Spiegel vor, der ihm sein Antlitz so zeigt, daß er selbst davor er schrecken muß. Gleichwohl hat daS Buch in der Socialdemokratie großen Anklang gefunden und das bis zur höchsten Vollkommenheit auSaebildcte Colportagegeschäft dieser Partei ist ihm sehr zu Statten gekommen; ob übrigens der Verfasser, wie Dühring will, lediglich in Speculation auf diese Eolportagc sich den Schein der Sympathie für die Socialdemokratie gegeben, kann man füglich dahingestellt sein lassen. Schäffle ist noch werter gegangen, er hat dem neu begründeten Or gane „der Staatssocialist", gleich mehreren anderen Professoren, seine Mitarbeiterschaft rugesagt. des gleichen einem Züricher socialistischen Blatte. Dieser ganze „Staatssocialismus", wie ihn Scbäffle ver tritt, ist weder Fisch noch Fleisch, er liebäugelt mit der Socialdemokratie, hat ihr aber immer wieder ein „wenn" und ein „aber" entgegenzusetzen. Er zeigt reckt deutlich die heillose Begriffsverwir rung, welche in den socialistischen Kreisen herrscht, und kann nur dazu dienen, aus die socialdemo kratische Agitation zersetzend zu wirken. Immer dreister tritt dieser StaatSsocralismuS mit seiner reactionairen und pictistischen Tendenz hervor und kann dadurch nur erreichen, daß einem Jeden über die wahren Ziele und Consequenzen der social demokratischen Doctrin die Augen ausgehen. Be- acktenswerth waren die Bemerkungen über daS Wesen eines wahren SocialismuS. m,t welchen der Vortragende seine Ausführungen schloß. Der eckte SocialiSmus ist nickt die Sache einer Bevölkerung--
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