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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187802083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-02
- Tag1878-02-08
- Monat1878-02
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1878
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Erscheint tätlich früh 6'/, Uhr. >e»«t1»u »ad Srpc-tttoa JohanniSgassr 33. Sprrchstimtk» »er »cdactto«: Pormtttags 10—12 Uhr. Nachmittags 4—k Uhr. «nnakme der für die nächst 'olgenve Nummer bestimmt«» Inserate an Wochnitagen bis ä Uhr Nachmiktastü. an Loiiu- and Festtagen früh bis '/,d Uhr. Z» »kv FUiiilt« für Ins. Änaahmr: Ott» Klemm. Univerfltätsfir. 22, LvuiS Lösche, Katharinenstr. 18, p. uur bis '/«8 Uhr. «»stäke 15»SL«. ^>onvrmkvt«prttr viertelt. 4'/,Mk^ iacl. Bringerlohu 5 Lstk.. durch die Post bezogen K Mk. ^«de einzelne stummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Pf. (Acbüdren für Exttabeilagcn ohne Postbrlvrderung 3« Nk. mit Postbcsörderung 45 Ak. Instrate ägesp. Petitzeile 20 Größere Lchriflen laut unserrin Preisverzeichniß. — Tabeüaniche« Satz nach höherem Tarif. Ueclamr» »iitcr »cm Urdacttonsllttch die Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stets an d. ErpeLItlea zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung s>r.'»eo>imer»i,t1o oder durch Postvorschuß. Freitag den 8. Februar 1878. 72. Jahrgang. Bekanntmachung, die «»Meldung schulpflichtiger Kinder betreffend. Nach 8- 4 des Gesetzes vom 3«. April 1873 hat jedes Kind die Volksschule seines Aufenthaltsortes acht Jahre lang, vom vollendeten sechsten bis znm vollendeten vierzehnten Lebensjahre, ununterbrochen zu besuchen. Es sind daher diejenigen Kinder, welche bis znm 1. April d. I. das sechste Lebensjahr «lenden, zu Ostern dieses Jahres der Schule zuzuführen und vom 4. bis K. Februar d. ,V Vormittags 10 bis 12 Uhr und Nachmittags 3 bis 4 Uhr bei dem Director der Bürger- oder Bezirksschule, welche die Kinder besuchen sollen, anzumelden. Dabei ist für jedes anzumeldende Kind ein Taus- oder Geburtszeugniß, sowie ein Impfschein und von Seiten der keiner Religionsgcsellschaft angehörenden Dissi denten eine schriftliche Erklärung darüber vorzulegen, in welcher Religionslehre die Kinder unterrichtet werden sollen. Wer für sein Kind die Befreiung vom Besuche einer städtischen Volksschule in Anspruch nehmen und dasselbe einer höheren Unterrichtsanstalt, einer concessionirten Privatschule überweisen oder von einem ge prüften Privatlehrer unterrichten lassen will, hat solches dem Schulausscbusse anzuzeigcn. Sollen gebrechliche, kränkliche oder geistig unreife Kinder vom Besuche der Schule über das gesetzliche Eintrittsalter hinaus zurückgchalten werden, so ist die Genehmigung dazu bei dem Scbulausschuste unter Beibringung ärztlichen Zeugnisses nachzusucben. Wer diesen Vorschriften zuwiderhandelt, hat sich der gesetzlichen Maßnahmen zu gewärtigen. Leipzig, den 3. Februar 1878. Ter Lchulausschns; der Ltadt Leipzig. 1>r. Panitz. Lehnert. Schule zu Reudnitz. Die Anmeldung der schulpflichtigen Kinder erfolgt vom II. bis lo. Februar, Vormittags 10—12 und Nachmittags 3—4 Ubr in der Sckml-Erpedirioii, unter Vorzeigung des Tauf- und Impfscheins. Anzumelden sind alle hier wohnhaften Kinder, welche bis Ostern das sechste Lebensjahr erfüllt haben. vr. Wittstock, Director. Schule zu Gohlis. Alle diejenigen Kinder, welche bis zum 38. April d. I. das tt. Lebensjahr vollenden, sind nächste Ostern der Schule zuzuführen; auch können aus Wunsch der Eltern, Pfleger rc. solche Kinder ausgenommen werden, ivelcbc bis zum 30. Juni d. I. das sechste Lebensjahr erfüllen. Die Anmeldung sämmtlicher Kinder bat vom 11.—15. Februar, Vormittags von IO—12 und Nachmit tags von V,2—Ubr bei dem Unterzeichneten zu erfolgen und es sind dabei die nöthigen Nachweise über Geburt, Impfung und Konfession bez. Religion der Kinder vorzulegen. Gohlis, den 5. Februar 1878. I. Lotze, Scbuldirector. Leipzig, 7. Februar. Der Reichstag ist zusammengetreten, und was darüber berichtet wird, bestärkt uns nur in der Stimmung, mit der wir seine bevor stehende Eröffnung begrüßten. Die Art, wie der Act vorgenommen wurde, der Inhalt der Er öffnungsrede und die Ausnahme, die sie ge sunden —, Alles trägt den Stempel der Halbheit, der Verlegenheit, um nicht zu sagen des Gedrückten. Sonst ließ der Kaiser, wenn sein Gesundheitszu stand es nur irgend erlaubte, eö sich nickst gern neh men, die Reichsboten um sich zu scbaaren, ihnen die Hand znm Willkommen zu dnückcn und sie per sönlich in ihre Arbeiten einzuweisen. DieSmal blieb der Thron im Weißen Saale des kaiser lichen Schlosses verhüllt, und an seinen Stufen stand als Thronredner nicht der Reichskanzler, der noch immer auf seiner Einsiedelei in Varzm weilt, auch nicht der Präsident deS Reichskanzleranites, der sonst in solchen Bchinderungssällen die Er öffnung vorzunehmen hatte, sondern, gewissermaßen als Vertreter des Vertreters, der Vizepräsident im preußischen Staatsministerium, Finanzminister Camphausen. Und die Rede, die er verlas, klang nüchtern und kalt durch den weiten Raum; sic gab nicht jene Andeutungen und Aufschlüsse, die man nach so vielem Hangen und Bangen von ihr er wartet hatte; sie steckte der Nation, die im Dunkeln uinbcrtappt über die Zukunft des Reiches und die Gestaltung seiner Regierung kein Licht aus. Nur ein ganz matter Strahl fiel auf die Kanzlerkrisis, die nun fast seit Jahresfrist die Gemüther in Deutschland bewegt, und streifte den Gesetzentwurf über die Stellvertretung des Reichskanzlers, der mit einem flüchtigen Wort als „Ausfüllung einer Lücke im Wortlaute der Verfassung" angckündigt wurde. ES handelt sich um eineLebcnsfrage der Nation, um den Beginn einer neuen Organisation, die den Bestand des nationalen Staates festigen und ru- gleich seine Leitung mit frischen, volkSthümlichen Elementen erfüllen, sic in regere Verbindung mit der Volksvertretung bringen soll. Die Thronrede aber scheint davon Nichts zu wissen' sic spricht von dieser tiefgreifenden Veränderung so trocken, als ivenn von der Erledigung irgend eines laufenden Geschäftes die Rede wäre. Wir haben hierfür nur die eine Erklärung, daß man absichtlich schweigt, daß man aus wohlerwogenen diplomati schen Gründen die Sache so einfach und harmlos wie möglich hinstellt, um nicht vor ver Zeit den Widerspruch derjenigen Elemente zu reizen, auf deren Kosten die Stärkung der ReicbSgewalt er folge» muß. Wir meinen aber, daß die Fernsicht, welche die Stellverlretungövorlage für die Ent wickelung des Reiches und für die Zurückdrängung der particularen Gewalten eröffnet, schließlich doch »icht verdeckt bleiben kann, und daß es bester ge wesen wäre, der Nation so klar und so fest wie möglich Au sagen, wo hinaus man mit ihr wolle. Bleibt die Fahne verhüllt, so hält man zwar den Feind in bequemer Ferne, reißt aber auch den Freund nicht mit fort; darum entrolle man die Fahne, damit wir sie sehen und uns mit klar erkanntem Wollen, mit entschlossener Begeisterung ihr anschließen können, wie wir uns Allem anfchließen, wessen daS Reich bedarf, um zu leben und sich kräftig zu entfalten. Hoffentlich wird im Laufe der Session recht bald nachgeholt werden, was in ihrem Beginne versäumt worden- — Weit freundlicher als die Aussprache Uber die innere Politik muthct unS derjenige Theil der Thronrede an, der von der auswärtigen handelt, und dieser war denn auch der einzige, den die Ver sammlung >« Weißen Saale mit Beifall ausnahni. Da wird bestätigt, daß cs Deutschlands Aufgabe gewesen und geblieben ist, den Orientkrieg zu be grenzen, den Weltkrieg zu vermeiden, zwischen den streitenden Interessen der von der Oricnt- fragc näher berührten Mächte zu vermitteln und die Herstellung eines dauernden Friedens anzubahnen, besten Nähe mit freudiger Zuver sicht verkündet wird. Wenn die Thronrede im klebrigen die sichere Hand Bismarck'ö ver missen lässt, so erinnert unS wenigstens diese Schlußstelle daran, daß die deutsche Politik noch immer wirksam und glücklich von dem Manne in Varzin geleitet wird. Gerade die Mißstimmung, mit der wir in die Session cintrclen, die Nothlage, in der wir uns jetzt herumdrücken müssen, all die Verlegenheiten und Unannehmlichkeiten, die daS jetzige Provisorium uns bringt —, sie befestigen in uns die Ueberzeugung, dafl es so länger nicht bleiben kann, und flößen uns die Hoffnung ein, daß der gute Stern Deutschlands jenen Mann recht bald wieder an die Seite seines Kaisers, in die Mitte seines Volkes zurücksühren werde. Tagesgeschichtliche Ueberjicht. Leipzig, 7. Februar. Eine Münchener Eorrespondcnz in einem belgi schen Blatte kündigt eine Opposition der süd deutschen Staaten gegen den Stellver- tretüngs-Entwurf an und erinnert an das Veto der 11 Stimmen, daS auch eine Verbindung preußischer Ministerien mit RcickSämtern verhin dern werbe. Dies wird wohl übertriebe» sein. Anträge aus Abänderung oder Ergänzung von Lücken ini Bundesratk oder im Reichstage wurden von vorn herein vorgesehen. Aber eine grundsätz lich gegnerische Stellung der Bundesregierungen, wie sie jene Eorrespondcnz voraussetzt, wurde nicht befürchtet, wird auch wohl nicht eintrctcn. Im preußischen Abgeordnetenhaus«: gab die Regierung endlich ihre Entschließung über die Frage des SessionSschlusscs kund. Die Entscheidung ist dem Wunsche der großen Majorität des Hauses entsprechend ausgefallen: die Session wird nickt geschlossen, sondern das Aussührungsgesetz zum GerichtSverfastungsgesetz erst in beiden Häusern er ledigt. Man giebt die Hoffnung nickt aus, die Vorlage bis Ende der Woche im Abgeordnetenhaus«: auch durch die dritte Lesung zu bringe». DaS österreichische Ministerium ist voll zählig wieder in die Geschäfte cingctreten und die Ausglcichsarbeit wird wieder von Neuem beginnen. Der Weg, welcher nunmehr eingeschlaaen werden soll, ist in der Erklärung deS Minister präsidenten angcdcutet. DaS Haus möge, so schloß derselbe seine Ansprache, nun mit thunlichster Beschleuni gung an die Fortsetzung der Verhandlungen über die Ausgleichsvorlagen gehen. Wie von ministe rieller Seite angedeutet wird, geht die Anschauung dahin, daß bei der ferneren Berathung von dem Mittel der CabinetSfraqe fürder kein Gebrauch gemacht, sondern objectw die Ausgleichsvorlagen durchberathcn, nach den für und wider sprechenden rein sachlich erörterten Gründen die Beschlüsse ge faßt und die nach diesem Proteste sich ergebenden Niederschläge an Differenzen in eben jenem Geiste der „gegenseitigen Billigkeit und versöhnlichen Ge sinnung" zwischen der diesseitigen und jenseitigen Neichsbälste gelöst werden sollen. Es steht zu er warten, daß der ReichSrath dieser Einladung ent sprechen und rasch an die durch die Demission des Ministeriums unterbrochene Berathung der Aus- gleichsvvrlagen gehen werde. Der Budgetaus schuß des österreichischen Abgeordnetenhauses genehmigte den Dispositions fonds mit 15 gegen 7 Stimmen, nachdem der Ministerpräsident die Nothwendigkeit desselben wiederholt dargeleczt hatte. Die Anträge auf Ver werfung und Einstellung nur deS vierten TheilcS für das erste O.uartal wurden abgelehnt. In Frankreich wollen die Gerüchte hinsichtlich des Ausbruches einer neuen inneren Kris is noch immer nicht verstummen. Die republikanische Kammermchrheit ist mit dem Ministerium Dufaure übercingekommcn, die Budgetdebatte zu beschleu nigen, sobald der Senat nur den Willen kundgicbt, die von der Deputirtenkammer beschlossene Amnestie vorlage zu votiren. Die „Rep. fran^aisc" ist be züglich der republikanischen Anwandlungen der konstitutionellen Senatoren sehr skeptisch und be fürchtet die Abweisung oder Hinziehung dieser Sache. Wie aus Rom gemeldet wird, mehren sich die Anzeichen dafür, daß eine Auswanderung des Con- clave und die Vornahme der Papstwahl außerhalb Roms beschlossene Sache sei. Simconi soll auf den Befehl des Papstes alle Anstalten getroffen haben, um für diesen Fall allen Beamten der Curie und deren Wittwen die Pensionen zu sichern. Die hierfür zu verwendenden Geldmittel sollen in London uutcrgebracht worden sein. Aus der Orientdcbattc des englischen Unter hauses vom 5. Februar ist noch Folgendes mit- zutheilen: Cartwright kündigte an, daß er dem nächst beantragen werde, eine Adresse an die Königin ru richten, in welcher die Regierung ersticht werden soll, die griechischen Bestrebungen aus der Eonscrenz zu befürworten. — Der Schatzkanzler Nortbcote erwiderte dem Dcputirtcn Holt, die englische Regierung werde Alles anfbieten, sowohl den protestantischen als auch den anderen Einwohnern der Türkei volle Religionsfreiheit zu sichern. — Hieraus wurde die Debatte über den Antrag Förster zu der Ereditforderung fortgesetzt. Stan ley glaubt ungeachtet der gcgenthciligcn Be hauptung, daß das Vertrauen des Landes zu der Regierung noch täglich wachse. Wenn der Credit im Jahre 1870 nöthig gewesen sei, so lei er cS jetzt um so mehr. Damals sei die Armee rcducirt gewesen, jetzt seien Reserven vorhanden, deren Aus rüstung nothwcndig sei. Stanley behauptete, die Politik der Regierung habe der Mainote vollkom men entsprochen. Wenn der Krieg vermieden worden wäre, so hätten die von der Pforte ge machten Concessionen und Reformen vielleicht den Bedürfnissen Europas entsprochen, ohne daß dadurch die Türkei zu Grunde gerichtet und die Interessen anderer Mächte berührt worden wären. Er glaube sicher, daß der gesunde Verstand des Landes der Ereditforderung der Regierung zustimmcn werde. Die Negierung sympathistre nicht mit der türkischen Mißwirthschcftt, sie könne aber nicht bei der gegen wärtigen kritischen Lage der Dinge unvorbereitet und ohne des Vertrauens deS Landes gewiß zu sein, in dem europäischen Ratbc erscheinen. — Harcourt griff aus das Heftigste die Rede des Staatssecretairs des Krieges, Hardy, an und schloß : „Was ist die gegenwärtige Politik der Regierung? Auf welcher Basis will sic auf der Eonscrenz ver handeln? Will sie die Türkei beleben oder die durch den Krieg hcrbcigeführte Unabhängigkeit der Christen stützen? Geht die Regierung zur Eonsc renz im Geiste Eaftlereagb's oder Eanning's? Die bisher für den Credit vorgcbrachten Gründe ermög lichen nicht dessen Annahme. Ick kann denselben nicht votiren, obne die Politik der Regierung zu kennen. Wenn die Regierung vor dem Schluise der Debatte erklärte, daß sic eine Politik des Friedens befolge, würde das Votum 'einstimmig für sie ein." (Beifall.) Der Solicitor-General Giffard sprach sein Erstaunen über die veränderte Sprache der Opposition und deren Mäßigung nach der früheren heftigen Agitation im Lande aus. Unstreitig sei die augenblickliche Lage Europas kritisch »nv vielleicht beispiellos in der Geschichte. Die Regierung svmpathisire nickt mit der türkischen Mißwirthscbaft, aber sie protestire dagegen, gezwungen ru werden, Rußlands Forderungen anzunchmen. Welche Ga rantie sei dafür vorhanden, daß Rußland, falls England sich ihm anschließe, die ihm so verliehene Macht nach den, Wunsche Englands gebrauche? Das Parlament gebe keine Gesetze für Bosnien oder Bulgarien, sondern gehe darüber Au Ratbe. ob eS die Regierung zu der Eonscrenz stärken solle, zu einer Zeit, wo viel Unheil in Europa Vorbau- den rmd der Einfluß Englands inS Schwanken gerathen sei. Der „Pol. Eorresp." wird aus Petersburg ge meldet, die formelle Zustimmung Rußlands zum österreichischen Confer enzv orschlage sei er folgt. Rußland nehme Lausanne als Ort der Consercnzverbandlungen in Aussicht. Auch das Wiener „ Telegraphen-Correspondenz- Burcau" meldet, daß die formelle zustimmende Ant wort der russischen Regierung auf den Eonfe- renzvorschlag in Wien eingctrosfen sei. Ruß land 'solle einen anderen Ort als Wien für die Conf'erenzverhandlungen wünschen —. ein Ver langen, dessen Erfüllung dort keinerlei Hinderniß begegnen dürfte. Die osficiöse „Agcnce Russe" bezeichnet die Nach richt von der bereits erfolgten Wahl eines Ortes für die Eonscrenz als verfrüht und sagt: diese Wahl, sowie die Zusammcnsetznng der Eonscrenz werden einen Schluß für die Anschauungen der einzelnen Mächte zulasten. Wenn die Mächte ernsthaft beabsichtigen, ein dauerhaftes Werk her zustellen, so werden sie eine Stadt in einem Staate zweiten Ranges wählen, welche fern von dem Lärm und dem Einfluß der großen Hauptstädte ist. Die Eonscrenz aber wird sich in diesem Falle zusammen- sctzen aus den Ministern der auswärtigen An gelegenheiten, welche eine zu der Größe der Frage und der Wichtigkeit der vorliegenden Interessen in richtigem Verhältniß stehend«: Autorität besitzen. Wenn indessen andere Entschließungen hier vor walten, so wird das beweisen, daß die Conferenz in Wirklichkeit ein Kampfplatz für Rivalitäten und Eifersüchteleien sein soll. Nichts desto weniger wird sich Rußland auch dann so zeigen, wie cs sich in seinen diplomatischen Acten und in seinem mili- tairischen Auftreten gezeigt hat: in dem vollen Bewußtsein des ihm obliegenden großen Werkes und der ihm nothwendigen europäischen Sanktion, gleichzeitig aber auch in dem Bewußtsein der Kost barkeit des Blutes, welches cs für die beiden durch aus unabweiSlichen Ziele — für die Befreiung der Christen und für die Consolidirung eines langen Friedens — vergossen hat. Nach einer Meldung aus Bukarest hat die Regierung in geheimer Sitzung der Dcputirten- kammer die aus die bessara bische Frage bezüg lichen Documente vorgelegt. Aus Belgrad wird berichtet, die serbische Re gierung habe Rußland ersucht, einen Vertreter Serbiens mit berathender Stimme zur Conferenz zuzulasten. Protics ist in besonderer Sendung nach Petersburg abgcreisi. Minister Rifties beabsichtigt, sich nach Wien zu begeben. General Jgnatieff, der bis zum 3. Februar in Bukarest verweilte und den neuesten Berichten zufolge dazu ausersehen ist, die Verhandlungen mit der Türkei über den definitiven Frieden zu führen, hat dem Berichterstatter der „Bost. Ztg." Rede und Antwort gestanden über die dermalige politische Lage. In dem Bericht, dessen Vertretung wir dem genannten Blatte überlasten müssen, heißt es: Bekanntlich ist der russische Diplomat, der Pater des jetzigen Krieges, nicht wortkarg, und seine politischen Plaudereien haben jedenfalls den Vorzug, amüsant zu sein; auf manche Verhältnisse werfen sic auch ohne Frage ein richtiges Licht. Die Auf gabe des diplomatischen Feldzuges, meinte der General, sei vor Allem, England zu isoliren resp. isolirt zu erhalten, denn ohne Allianz werde Eng land schwerlich Krieg erklären, Um aber den Frieden zu erhalten, resp. um England nicht unnöthig zu reizen, sei man wohl bereit, in unter geordneten Dingen nachzugcben. So werde man Gallivoli nicht angreifen. England, erörterte der General, sei der schlimmste Bundesgenosse und größte Feind der Türkei gewesen, es habe sie immer zum Kriege gehetzt und sie doch nicht ordentlich unterstützt. Nach den Aeußerungen JgnatieffS scheinen die Rüsten darauf zu bestehen, den im Pariser Frieden abgetretenen Theil Best- arabienS wieder an sich zu nehmen, und sind erbost, daß Rumänien Schwierigkeiten macht. Die Be dingungen des Krimkriegctz, bemerkte der General, sei ein Scbimps von 80 Millionen und der Kaiser setzt seine Ehre darein, diese Bedingungen unge schehen zu machen. Die Abtretung Bestarabicus an Rumänien sei das letzte Stück napolconischcr Willkür und müsse rückgängig gemacht werden. Auf die Bemerkung, daß Deutschland und be sonders Oesterreich eine Gefährdung ihrer In teressen in einer Besitzergreifung oder in einem Protcctorat über Bulgarien oder selbst nur Theile der Donau erblicken würde, erklärte Jgnatieff feierlichst: „Nicht einen Zoll Landes wollen wir in Europa erobern, es kann sich nur um eine zeitweise Besetzung handeln, bis unsere Truppen zurückmarschirt und die Bedingungen er ledigt sind, welche der Friedensvertrag der Türkei auserlegt. Wir müssen die Bevölkerung vor der Unordnung und dem Räuberwesen der Baschibozuks zur Zeit des Interregnums schützen. Auch wollen wir nicht Einfluß auf die Donau gewinnen und selbst redend keine der Donaufestungen behalten; das sind müßige Erfindungen der Journale." In Bezug auf dir
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