Suche löschen...
02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 25.11.1916
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19161125026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1916112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1916112502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1916
- Monat1916-11
- Tag1916-11-25
- Monat1916-11
- Jahr1916
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
rrerdaer Nachrichten Nr.M siLigo <Fsfsv am Freit«, ab«,». Mehrere Angriffe ^drr Engländer erreichten nirgends unsere Stellung; meist brachen sie verlustreich vor dem Sperrfeuer zusammen. In der walach Ischen Eben« nähern sich die Truppen des Generals der Infanterie v. Falkenhaq» dem All. Im 36 e st z i p j e l Rumäniens ist der kindliche Widerstand gebrochen; Orsova und Turnu - Severin sind genommen. Die rumänische Regierung dehnte die Alters grenze für die Landfturmpflicht auf di« fünfzigjährigen aus: in uirh.errn LandcSteikn herrscht aufrührerische Stimmung. Kaiser Karl hat «inen Armee- und Flottenbefehl erlassen. Kaiser Franz Joseph hat in seinem Testament Ab- ichiedSivvrte an feine Völker und an die Armee und Flotte liinte Nasse >i. Graf Botho Wedel, bisher abtciiung im Auswärtigen Amte. Tichir'chkys als deutscher Botschafter Tic Großherzogin - Mutter von eitag früh gestorben. F Chef der Pcrsonal- isr zum Nachfolger in Wien anSeriehen. Luxemburg ist nicht lebenswichtigen Betrieben tätig sind und durch deren Stillegung bzw. Einschränkung für wichtigere freigemacht werden. Auch ihr Tätigkeitsivcchscl solle sich zunächst frei willig vollziehen und nur im äußersten Falte erzwungen werden. Endlich kämen als dritte Gruppe noch die ArbeitS- irafic in Industrien und Betrieben hinzu, dir zwar an sich für die Kriegführung und BolkSversorgung wichtig sind und nicht vollständig entbehrt iverden können, bei denen aber doch im Interesse des Ganzen die Zahl der beschäf tigten Arbeitskräfte eingeschränkt werden könne. Bei dieser Einschränkung werde so vvrgcgangcn werden müssen, daß rationellste Ausnutzung der Kräfte gesichert bleibt. Ver mutlich werde es sich in der Regel empfehlen, einzelne leistungsfähige Betriebe voll arbeite» zu lassen, andere da gegen stillzulegen, bzw. guf andere, wichtigere Arbeiten umzuichalten. Im Gegensatz zu der militärischen Aus hebung, für die ein Urteil über die Eignung der einzelnen Personen der Auszuhebenden die alleinige Grundlage bilde, werde bei der Durchführung der Kriegsdienstpflicht zunächst ein Urteil darüber zu fällen sein, ob einzelne Be triebe als kriegswirtschaftlich notwendig zu gelten haben. Ist Sic Unentbehrlichkeit eines Betriebes verneint, und da mit seine Stillegung zugunsten als Hilfsdienst anerkannter Beschäftigungen ausgesprochen, so werden die Angehörigen dieses Betriebes ausgesordcrt werden, sich andere, als Hilfs dienst anerkannte Arbeit zu suchen; dabei werden ihnen von der zu schassenden neuen Organisation in Lierbin- dung mit dem bestehenden Arbeitsnachweis neue Arbcits- möglichkcitcn im Bereich dcS vaterländischen Hilfsdienstes nachgewiescn und angcboten werden. Erst wenn sie nach einer gewissen Zeit eine als Hilfsdienst anerkannte Be schäftigung nicht gesucht oder nicht erlangt haben, solle Ueberivcisung zu einer solchen erfolgen. Bei der Ucücr- wciiung von Arbeitskräften an bestimmte Betriebe werde entsprechend den dem Gesetzentwürfe beigcgcbenen Richt linie» auf die körperlichen und geistigen Eigenschaften, die Familienrerhältiiisse und die bisherige Tätigkeit des Hilfs- dienstpslichtigen weitestgehende Rücksicht zu nehmen fein. Dies erfordere nicht nur die Billigkeit, sondern auch die Notwendigkeit möglichst rationeller Ausnutzung der Arbeitskräfte selbst. Der Staatssekretär wies dann daraus hin, dag cs notwendig sein werde, Muanlagen für die Kriegsmaterialherstellung und die übrigen Zweige des Hilfsdienstes in großer Anzahl zu errichten. Um allzu häufigen Ausenthaltsivechscl und eine Zusammendrängu»g der Arbeiterschaft au einzelnen Orten, die Wohn- und Er nLhrnngsschwierigkeften im Gefolge haben könnte, möglichst zu vermeiden, werde man versuchen, di« stillzulegenden Be triebe auf die Produktion für die Kriegführung umzu- itellen, so daß die Arbeiter an Ort und Stelle verbleiben können. Der Staatssekretär schloß mit einer Besprechung der Sicherheiten, die für die Hilfsdienstpflichtigen durch die Einsetzung von Entschcidungs- und Betchwerdeairsschüssen mit paritätischer Vertretung der Arbeitgeber und Arbeit nehmer geschaffen werden sollen. Auch der Ehef des Kriegs« in tes General leutnant Groener erklärte sich wiederholt bereit, auf alle Einzelsragen soweit cinzugchcn, wie das gegenwärtig überhaupt möglich sei, bitter aber, die allgemeine Aus sprache nicht mit einer Debatte über Speziaifragen zu be lasten. Er weist auf die ganz außergewöhnlichen Verhält nisse und Begleiterscheinungen dieses Krieges hin, die in der Vergangenheit nicht hätten übersehen werden können und die sür die künftige Entwicklung in ihren Einzelheiten zu übersehen auch heute noch nicht vollkommen möglich sei. Notwendig sei, sür jetzt und für die Zukunst, aus allein Neuen, das dieser Krieg bringe, unverzüglich zu lernen und ohne Zögern die Folgerungen zu ziehen. Aus der Er kenntnis dieser Notwendigkeit sei der vorliegende Gesetz entwurf entstanden. sW. T. B.) Zu« Wiederbeginn de» Reichstages wirb uns au» Berlin geschrieben: Der Reichstag wird bet seinem bevorstehenden Wieder »nsammentritt sich ebenfalls mit der Verkündigung des Königreichs Polen befassen, da er am Vorabend dieses weltgeschichtliche» Ereignisses vertagt worden und daher seine Meinung nicht äußern konnte. Wir wer- den dabei wahrscheinlich ein Gegenspiel zu den Ber Handlungen dcS Preußischen Landtages erleben, wie wir das schon öfter» gehabt haben in Frag«», ln denen ein Gegensatz zwischen den Anschauungen -c- Reichstages und Landtages besteht.. Im Reichstag besitze» Freisinnige. Zen trum, Sozialdemokraten und Polen eine ansehnliche Mehr heit, was bekanntlich t»i preußischen Abgeordnetenhaus«: nicht der Fall ist. Vielleicht werden sich die Polen im Reichstage etivaS staatsmännischer benehmen, al» ftn Ab geordnetenhause, denn darüber herrschte bei allen bürge, ltchcn Parteien im Abacordnetenhause keine MeinungS Verschiedenheit, -aß die Erklärung, die von den Polen ab gegeben worden ist, dem Wohlwollen und Vertrauen, das ihnen von allen amtlichen Stellen und einflußreichen ande rcn politischen Kreisen entgegengebracht wird, in keiner Weise entsprochen hat. Aber auch wenn diese Erwartung täuschen sollte — aus die preußischen Polen kommt öS nicht viel an —, diesseits und jenseits der polnischen Grenze wird die wettere Entwicklung von anderen Faktoren ab hängen. Seine vornehmlichstc Aufgabe wird der Reichstag zu erblicken haben in der Erledigung der Vorlage, bc treffend die vaterländische Arbeitspflicht. Auf den AuSgang dieser Angelegenheit braucht man nicht ge spannt zu sein, eine schnelle Vereinbarung zwischen Bundes rat und Reichstag ist zu erwarten. Dagegen wird der Reichstag neugierig sein, zu erfahren, was aus den von ihm beschlossenen Gesetzentwürfen über die Einschränkung der Zensur und die Milderung der Schutzhaft ge morden ist. Wenn hier nicht bald eine Aendcrung etntrttt, so ist überhaupt darauf nicht mehr zu hassen, was sehr be bäuerlich sein würde. Indes ist die Erwartung noch nicht ausgegeben, in parlamentarischen Kreisen wird die Reise des Reichskanzlers ins Hauptquartier auch mit der Zensur und Schutzhaft in Verbindung gebracht. Der Reichstag wird auch crstrhren wollen, waö aus seinen Anträgen, bc treffend die Erhöhung der Famtlienunterstittzungcn unse rer Krieger und ähnlicher Forderungen, geworden ist. An den E r n ä l, r u n g S f r a g e n wird man auch nicht acht los vorübergchen, namentlich nachdem Hindenbnrg selbst auf ihre Bedeutung so mannhaft htngcwiesc» hat. Die diesmalige Tagung wird nicht von langer Dauer sein, aber sic wird vielleicht des Interessanten mehr bringen, als die letzte Tagung. Zum Persouenwrchfel im Anowärtigen Amt macht die „Deutsche Tageszeitung" im Anschluß an die ab- sprechendc Beurteilung, die der bisherige Leiter des Aus wärtigen Amtes v. Iagow in dem offiziösen „Berliner Lokal-Anzeiger" gefunden hat, Ausführungen, denen wir folgendes entnehmen: Herr v. Iagow war Anhänger und Verfechter der „Verständigung" mit Großbritannien, vor dem Kriege wie wäh rend der ganzen Dauer des Krieges, ein Be kämpfe,' und Gegner des Flottcngedankens. Dadurch war auch die Richtlinie sür sein politisches und diplomatisches Verhalten den Bereinigte» Staaten gegenüber gegeben. Herr v. Iagow war, lapidar gesprochen, ein Charakter, welcher allem Gewaltsamen, jedem „Bruche" usw. zuwider war; „internationale Bereinbaruirgen" lagen ihm mehr. Starke, verantwortungsvolle Entschlüsse waren nicht seine Sache, wie cs bei skeptischen Naturen mit subtilem, aber mehr nach der negativen Seite gerichteten Verstände meist der Fall ist. Das alles waren aber Dinge, welche auch die Gewährsmänner des „Berliner Lokal-Anzeigers" seit min destens einem halben Jahrzehnt genau gekannt haben müssen. Deshalb verstehen wir nicht ganz die „Neuheit" der Entdeckung des offiziösen Blattes, daß Herr v. Iagow nicht der tüchtige Mann gewesen sei; und noch dazu als Anhang au die halbamtliche Mitteilung, der Staatssekretär sei aus Gesundheitsrücksichten zurückgetreten. Der Krieg dauert doch schon über zwei Jahre. Außerdem wirb dem „Berliner Lokal-Anzeiger" vielleicht bekannt sein, daß nach der deutschen Reichsvcrfassung ein Staatssekretär, und im besonderen der des Auswärtigen Amtes, weder sür die auswärtige Politik des Deutschen Reiches verantwortlich, noch in der Lage ist. sie zu machen. Alles in allem sind also die Bemerkungen des Blattes, so ablehnend wir den Zielen, den politischen Grundsätzen und der Arbeit des Herrn v. Iagow gegenübergestanden haben, weder sym pathisch, noch sachlich ganz gerechtfertigt. Uebcrdies kann cs nicht im Interesse der Sache liegen, daß der „Lokal-An- zeigcr" unter den gegebenen Verhältnissen Herrn v. Iagow als Sündenbocl designiert. Dem neuen Staatssekretär, bisherigen langjährigen Untcrstaatssekretär im Auswärti gen Amt Herrn Zimmcrmann tut sich, wie die „Deutsche Tageszeitung" schreibt, ein vielleicht schwieriges, aber unter Umständen höchst dankbares und ergiebiges Arbeits feld ans. Wir möchten glauben — jedenfalls hoffen zu dürfen —, daß Herr Zimmcrmann ein Mann von posi tiven Zielen und politisch wie diplomatisch starkem «iegrSwtllen sei, ein Moment. »a» in unserer au», wärtigrn Politik nicht minder fehlen darf als im General, stabe und an den Fronten. Der bisherige Unterstaats, iekrctär Zimmermann hat sich während dieses Kriege» zum mindesten ein hoch zu veranschlagendes Verdienst erworben, das bei dieser Gelegenheit heruorgehoben werden muß: er hat seit Eintritt der Türkei in den Krieg, jedenfalls noch vor Schluß des IahVes 1914, energisch und unermüdlich auf die. Notwendigkeit hingewiese». durch den Durchbruch durch Serbien die Verbindung nach Konstantinopel frei zu machen und Bulgarien an die Seite der Mittelmächte zu bringe». Gras Botho Wedel deutscher Botschafter tu Wie«, b. Wie «. T. B. zuverlässig hört, ist Graf Vvth» Wedel, bisher Ehef der Personalabteilung im Auswärti gen Amte, zum Nachfolger des verstorbenen Herrn von Tschirschkn als Botschafter des Deutschen Reiches in Liften ansersehen. Präs Botho Wedel war niHt nur früher Botschaftsrat In Wien, sondern auch mehrere Jahre lang Generalkonsul in Audu- pesi, kennt also beide Hülste» der habSburgischen Monarchie au- dienstlicher Erfahrung. Er ist ein Nesse des Fürsten Wedel, det ehemaligen Ltatthalter» der Reichst,inbe. ber länacre Zeit MUliär- aitachn und spater Botschafter in Wien war und dort das Veste denken Hinterlagen hat Gras Botho Wedel, geboren am LI. Sep tember >802 aut dem väterlichen Schlosse Evenburg ln Ostlrtec-Iand al» Sohn eines hannöverschen Major» und Flügelaüintanien, sicht also nahe vor der Vollendung de« 84. Lebensjahre». Aus dem Bttzthumscheu Gymnasium in Dresden vorgcbildet, besuchte er die Universitäten Bonn. Güttingen und Berlin, erwarb den Doktor- grad der Rechte, bestand die Prüfung als Referendar und wurde ,888 Leutnant im 1. Gardedragoner-Regiment, aber bereit» zwei Jahre später zur Botschaft nach Paris kommandiert und 181)0, nach Ablegung der diplomatischen Prüfung, als LegationSsckreiär ln den diplomatischen Dienst übernommen. Als 0. Sekretär ber Bot schaft kehrte er nach Paris zurück. Wir finden ihn dann 18W an der Botschaft i» Madrid, 1808 als 1. Sekretär an der Gesandtschaft in Tokio, 1800 zum LcgationSrat befördert und l»Nl als Botschaft», rat in Wien. Von dort kam er 1004 als Generalkonsul nach Vuda- pest, und einige Jahre später erfolgte seine Berufung an die Ber liner Zentrale, nach dem Auswärtige» Amt, wo er das wichtige Dezernat ber Personalien de» diplomatischen Dienstes mit ebenso viel Takt als Geschicklichkeit verwaltet hat. Gras Botho Wedel ist seit 1808 mit einer Eousine verheiratet, der Gräsin Jlsa Wedel, und Vater von zwei Töchtern tm Alter von 20 und 14 Jahren. Mit der Armee steht er dadurch noch in Verbindung, daß er den hell- blauen Wassenrock der Gardedragoner mit dem Abzeichen eine» Major» trägt. Im Bundesrat gelangten zur Annahme eine Abänderung der Ver ordnung übd'r den Verkehr mit Stroh und Häcksel vom 5. November UNS. der Entwurf einer Bekanntmachung bctr. die Prägung von Einpfennig st ücken aus Alu minium, der Entwurf einer Bekanntmachung bctr. die Verwendung von Lhlorzin» zur Erschwerung von Seiden- waren und eine Aeuderung dcS 8 1-1 des Beschlusses vom 26. März 1914 betr. Aufwandsentschädigungen an Familien ür im Rcichshcere, in der Marine oder in der Schutztruppe eingestellte Söhne. iW. T. B.i Jahrestag der Stiftung der preußifchen Kriegsflagg«. Heute ist der Jahrestag der «Stiftung der preußi« chcn K r i c g s f l a g g c. Am 2t. November 1816 stiftete König Friedrich Wilhelm III. von Preußen die preußische Kriegsflagge. die weiße Flagge mit dem schwarzen preußi- chcn Adler und dem Eisernen Kreuze. iW. T. B.i Die neuesten Meldungen lauten: Der Thronwechsel in Oesterreich-Ungarn. Ick. Wien, 21. Nov. (Eig. Drasttmekd.i In diplomati- chcn Kreisen glaubt man, daß auch der K ö n i g v o n Sv a - nie» persönlich zum Leichenbegängnis erscheinen werde. Die persönliche Teilnahme des Königs Ferdinand von Bulgarien ist fast gewiß. Der Sultan wird sich durch einen kaiserlichen Prinzen vertreten lassen. Ki. Wien, 24. Nov. iEig. Drahtmeld.) Bon einer der ungarischen Regierung nahestehenden Seite wird mitge- teilt, daß der Kaiser die Absicht habe, künftig während eines Teiles des Jahres seine Residenz in Budapest aufzuschlagcn. Kk. Budapest, 24. Nov. lEi^ Drahtmeld.) Der Korrc- vondcnt des „Az Est" meldet: Bon maßgebender Seite er- ahre ich, daß die Krönung bereits am 6. Dezember in der Ofener Hofkrönungskirche stattfindcn wird. Kk. Wien, 24. Nov. iEig. Drahtmeld.) Der gewesene Minister dcS Aeußercn Gras Leopold Berchtold wird Oberst-Hofmeister deS neuen Kaisers werden. K. Wien, 23. Nov. (Eig. Drahtmeld.) Unter den ersten Depeschen, die der Kaiser erhielt,-befand sich folgendes Telegramm von den Kindern des ermordeten Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand aus Konopischt: „Lieber Kaiser! Tieferschüttert über unseren und ganz Oesterreichs großen Verlust eilen unsere Gedanken und Gebete in inniger Liebe und Treue zu Eurer Majestät. Unsere geliebten Eltern werben im Himmel Gnade und Segen für Eure Majestät erflehen. Joseph, Mar, Ernst." Ick. Budapest, 24. Nov. iEig. Drahtmeld.) In den Kreisen der ungarischen Gesellschaft ist eine Bewegung im Zuge, dem verstorbenen Kaiser F r a n z I o s e p h in Buda pest ein großes Denkmal zu errichten, das aus er beuteten russischen Kanonen gegossen und vor dem Parla mentspalast aufgestellt werden soll. „«Saig Lear." Neueinstudierung im Üönigl. Schauspielhaus am 23. November 1916. Wenn wir schon eine vergleichende Geschichte der Schau spielkunst hätten soder sie überhaupt haben könnten), so würde die Geschichte der Darstellung von Shakespeares König Lear ein reiches Kapitel füllen. Es würde wie wenige andere lehren, daß die Angemessenheit der körper lichen und geistigen Mittel für diese Rolle unerläßlich ist, das; ihr Grundriß zwar von der Einfachheit genialer Archi- tcklurcn ist. ihr Aufbau aber in mannigfaltigen Stilarten der Darstellung ausgeführt worden ist, und schließlich, daß die Rolle zu denen gehört, deren Gestaltung niemals den riesigen Umriß erreicht, den sic auf der „inneren Bühne" der nachschaffcnden Phantasie hat. Das Ungeheure des Innenbildes, das der Dichter erzeugt, wird von keiner Verkörperung erreicht. Jeder Darsteller kann nur einen Teil, einen Ansatz des Ganzen geben, das entstehen müßte. „So schreiten keine irdischen Leiber." Heute, d. h. in den letzten paar Jahrtausenden, nicht mehr. Der Vorstellungs- arbcit der Phantasie bleibt es aber unbenommen, sich eine Diluvialzeit des Menschenhcrzcns zu bilden, in der kein Mittelmaß vorhanden war, wo sich zwischen Herr und Knecht nichts Bürgerliches drängte und alle Leidenschaften ohne Hülle und Hemmung waren. Eine umdäminerte Zeitcnscrne, wo Mythus und geschichtliches Sein sich be rühren, gibt den inneren und äußeren Ort für König Lear. Die großen Darsteller haben sich nach Kräften mit der schier unerfüllbaren Aufgabe abgefundcn. Selbst ein körperlich unansehnlicher und .zarter Schauspieler wie der Amerikaner Edwin Rooth wagte ihn darzustcllen und spielte Lear „als den schlotternden, hinfälligen Greis, der mit dem Köpft wackelt und bei jedem Anstoß in Tränen ausbricht". Sendelmonn und Ludwig Devrient werden unter den früheren Darstellern besonders gepriesen, ber kürzlich ver storbene Kahle wird hoch gerühmt; di« Italiener Rosst und Novelli sind in irischer Erinnerung. Novelli mit seiner iolistischen Wahnsinnsstubie noch vor zehn Jahren alö Gast bei uns bewundert. An einen, der bas Maß gehabt hätte, kam die große Aufgabe nicht mehr heran: Matkowsky. Zu letzt haben Schilbkraut und Bassermann zwei Könige von aanz verschiedener Herkunft und Atmosphäre hingestellt und jeder in seiner Art eine große Lösung gegeben. In Dres den sahen wir genau vor zehn Jahren als letzten Lear Lothar Mehnert, der Kraft und Schwäche gleicher maßen darzustcllen vermochte und wenn nicht „jeder Zoll". so doch im Gesamtmaß ein König, ein Shakespcarescher Mythenkönig war. In der gestrigen Neueinstudierung der großen Tra gödie hat Hans Wahlberg den König Lear gespielt. Als den Grundzug seiner schauspielerischen Natur kann man männliche Milde ansehcn, wie sic in seinem Tell deutschbicdcr in größerem Format hcrauskommt, wie sie vor allem aber in so manchem Rürgerkönig neuerer Dramen, mehr noch in modernen Stücken als gesetzte Kraft und ruhige Willensstärke ost erfreut hat. Ein Schau spieler, der seinen bevorzugten Platz im Gesamtspiel noch immer mit breitschultriger Kraft und Sicherheit ausgefüllt hat. Als König Lear kann er nichts Außergewöhnliches geben. Dazu hat er zu viel gewichtiges Bürgertum und Gesundheit. Das Aufblitzenbe und der nachhallende Donnerschlag, das Genialische und Wilde sind bei ihm nicht Naturereignisse, sondern gute Kunst. Dafür hat er viel Weichheit und Schmerzlichkeit, nur daß seine etwas schwer blütige Rhetorik ihm den letzten, schmelzenden Ton, das echte Rührende, das ganz schlicht menschlich Klingende auch ein wenig versagt. In diesen Begrenzungen löst er die Aufgabe achtunggebietend und tüchtig. In der MaSke wirkt sein Lear wie ein monumentaler Tolstoi-Kopf, ein Baucrnkönig voll scholliger Breite auch in Gestalt und Haltung. Dock, schon am Anfang nicht jäh und wild und sinnlos genug, nicht das seltsame Urtier von achtzig Jahren, in dessen brausender Seele ein Fünkchen leidenschaftlicher Erregung alle Vernunft in Brand setzt. Im Verhalten zu den undankbaren Töchtern blieben die wechselnden Regun gen zu sehr im Worte stecken, waren zu gleichmäßig gefärbt. Anders muß er zu Regan als zu Goneril sprechen; nach dem grausigen Fluche mutz die kindliche Zuversicht zur selbstverständlichen Güte ber anderen Tochter natver auf- leuchten, um dann greller zu verlodern. Der Reichtum an Lichtern und Farben, Schatten und Blitzen macht erst die Gewitterseele Sears zum Phänomen. Auf ber Seide hat wohl noch kein Lear - Darsteller das denkbare Höchstmaß der Raserei geben können; aber mehr Donner und Schrei muß doch aus der Brust deS Greises tosen: er vertobt die letzte Kraft in dieser Stunde, um von da ab schwach zu werden. Diesen zweiten Teil der Rolle vermochte Wahlberg voller zu erfassen und tiefer auszuschöpfen. Nun kann er ergreifende Töne des Wahn» bringen, weiche Moll töne ber geistigen Auflösung, und al» Wahnsinniger, ohne pathologische Studicneffekte, gelang ihm eine rührende Gestalt, deren getrübter Glanz bi» in die lyrische Klage an Cordelia» Leiche bineinstrablte. Um WahlbcrgS Leistung ganz gerecht zu würdigen, muß man sich bewußt bleiben, daß in dem ganzen Darstellungs stil unserer Aufführung ein wesentlich andersgearteter Lear gar keinen Platz haben würde. Das Historicngemäldc, das Lcmingers Regie neu geschaffen hat, duldet kein Hodlersches Alfrcsko. denn es ist mit den edclschöncn Farben und den gemessenen Umrissen klassischer Vorbilder ausgcsührt und macht keinen Versuch, die ideale Urwelt Sears irgendwio szenisch aufzuerbaucn. Es ist ein nachchristliches Altenglanb, nicht jene vorstellbare, aber schwer zu verbildlichende mnthi- sche Vorzeit. Bekanntlich hat Reinhardt diese vor- oder außerzeitliche Szene zu schassen versucht; aber die rein orna mentalen Gebilde seines Malers Ezeschka blieben doch auch mehr modernes Kunstgewerbe als neue Raumschöpfung. Der Rahmen, den wir bei uns sehen, hat jedenfalls große malerische Wirkung, und besonders das Landschaftliche ist schön gelöst. Man darf auch btlligerweise zurzeit keine un erfüllbaren Forderungen stellen. Doch der Rahmen be» stimmt das Gemälde mit, bas mit seiner höfischen Ab tönung ber Szenen und Gestalten das Vorherrschen des Blutrotes nicht duldet. Aber Blutrot und Blauschwarz wären die richtigen Lear-Farben. Denn unerhörte Greuel geschehen wie Natürlichkeiten, und sie sind cs auch bei Shake speares Menschen. Die Blendung Glosters mag heute nicht darstellbar sein, wie der Dichter sie gibt; wie sie auf unserer Bühne gemacht wird, bleibt sie Konvention. Gegen früher ist indessen, wenn die Erinnerung nicht täuscht, viel bloßes Theater und OpernmäßigeS in Ausstattung und Darstellung verschwunden <so die früher unvermeidlichen Pagen in Trikot); überhaupt wirkt die Aufführung in allem Aeußer- ltchen als Fortschritt. In ihrer gemäßigten und gebändig ten Bcrstttltchung ist sie freilich weniger Shakespeare, als allgemeiner Klassiker. Das bestimmt die Haltung aller Darsteller, die au» den besten Kräften bestehen. Melitta Letth- ner, eine schöne „goldene Schlange", klug und sicher in der Verfolgung ihrer Ziele, daneben schwarz und kalt Nelly Dahlmann als Regan: blond und zart Alice Dagny al» Lordelia, noch ohne Versuch, den eigenartigen Charakter ber trotzig-keuschen Königstochter, von der schließ lich da» Unheil selnen Ursprung hat, tiefer zu erschließen als durch einfache Mädchenanmut. Am meiste), Shakespeare farbe hat Paul WieckeS Narr, freilich ganz der „bittere Narr", von lauter Melancholie überschüttet, ohne jedes Bfttz. licht humoristischer Ueberlegenhett über baS Leid; der selbst, leidende und mitleidende „tragische Fool", der seine bitteren Lehren nicht al» scharfe Epigramme verschießt, sondern
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder