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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187103288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18710328
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18710328
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1871
- Monat1871-03
- Tag1871-03-28
- Monat1871-03
- Jahr1871
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1871
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K 87. Erste örilaae Mi Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Dienstag den 28 März. 1871. Vrffeutliche Verhandlungen der Stadtverordneten vom 15. März 187 1. lRnfGnmd de«Protokolls bearbeitet», veröffentlicht.) (Schluß.) Ein weiter vo rge l ragen es Gutachten deS Ver- fasiungs - Ausschusses lautet: Dem Verfassungs- Ausschuß ist durch Collegialbeschluß vom 18. Jan. d. I. auf Anregung deS Herrn Advocat Schmidt die Frage: ob eS nach §. 276 der Städte - Ordnung zu lässig sei, israelitische Mitglieder deS Stadt verordneten - Collegiums in den Ausschuß für Schulen und Stiftungen zu wählen? zur Begutachtung überwiesen worden, tz. 276 der Städte-Ordnung lautet also: „Diejenigen Mit glieder de- StadtratheS und Stccklverordneten, die einer anderen Confession zugethan sind, als welcher die in der Sache kompetente geistliche Inspektion angehkrt, haben sich jedoch aller Mitwirkung bei den hier in Frage kommenden Angelegenheiten zu enthalten, eS sei denn, daß sie ,n Schul- und Stiftungssachen von den geistlichen Behörden selbst zur Thetlnahme aufgefordert würden." Die gedachte Principfrage ist schon im Jahre 1867 Gegenstand wiederholter Berathungen un Stadtverordneten - Collegium gewesen, und zwar einerseits mit der Ausdehnung auf das Rath s- collegium oder dessen israelitische Mitglieder, andererseits unter ausdrücklicher Einschränkung auf die äußeren Angelegenheiten der Schulen und Stiftungen, welche sich also hauptsächlich nur auf die BermöqcnSverwaltung und Aufbringung der zu ihrem Bestehen erforderuchen Mittel erstrecken. Die erste Veranlassung zu jenen Verhandlungen gab schon mehrere Jahre früher die vedauerliche Thatsache, daß sehr einsichtsvolle und thätige Mit glieder des Sladtverordneten-Collegiums und bez. Raths, welche einer anderen als der evangelisch- lutherischen Confession angehörten, von jeder Mit wirkung bei allen, auch nur äußeren Angelegen heiten der Schulen und Stiftungen längere Zeit hindurch ausgeschlossen geblieben waren, und zwar in Folge davon, daß die geistliche Jnspections- behörde sich geweigert hatte, die gedachten Mitglieder der städtischen Collegien nach tz. 276 der Allgem. Städte-Ordnung zur Theilnahme an jenen Ange legenheiten aufzufordern. Das Stadtverordneten - Collegium richtete des halb an den Rath daS in Rr. 31 deS Tageblatts vom 3. Februar 1864 abgedruckle, durch ausführ liche Gutachten begründete Gesuch: Die Selbst ständigkeit der Gemeinde in den gedachten Ange legenheiten zu wahren und zu dem in tz. l34 des ersten Entwurfs zum Lvealstatut. als für Leipzig feststehend, anerkannten Grundsätze zurückzukehren und ein Hinzntreten einer unberechtigten Mitwir kung Seitens der geistlichen Inspektion abzulehnen. Hierauf ward durch eine Mittheilung des Stadl- rarhö vom 29. März 1865 Folgendes eonstatirt und den Stadtverordneten eröffnet: daß die äußeren Angelegenheiten unserer Schulen und Stiftungen, welche insbesondere die Vermögensverwaltung und Ausbringung der zu ihrem Bestehen erforderlichen Miltelbetreffen, in unserer Stadt umsoweniger als Sache des kirchlichen Bekenntnisses an gesehen werden könnten, weil alle Gemeindemit- alieder ohne Ausnahme mit ihrer Steucrkraft für die zu Schul- und StiftungSzwccken erforder lichen Zuschüsse aufzukommen haben, daß auch von Alters her die Verwaltung dieser Anstalten ebenso, wie die des Stadtvermögens im engern Sinne, erfolgt sei, ferner, daß dieses Herkommen in §. 134 des Entwurfs zum Localstatut seinen erneuerten Ausdruck gefunden, daß jedoch diese Bestimmung alS eine localstat ul arische im Sinne der Städte- Ordnung die Sanction der königl. Staatsregierung nicht erlangt habe, und endlich, daß deshalb vom Rathe im Hin blick auf tz. 267 der Stäbte-Ordnung zur Regelung dieser Frage das Einverständniß der geistlichen Kirchen- und Schulinspecrion (welches er auf den frrüheren Antrag der Stadtverordneten vom 7. März 1861 zu erzielen vergeblich versucht halte) zufolge deS obengedachten Antrags vom 8. Februar 1864 nunmehr auf der Basis des von jeher bei unS factisch Bestandenen erlangt, also die Zustimmung de- Herrn Ephorus dazu erlhellt worden sei, „daß die Mitglieder des Stadtraths und der Stadtverordneten, welche einer anderen christ lichen Confession zugethan sind, als welcher die > in der Sache competente geistliche Inspektion an- «bcrt, in allen äußeren Fragen der Schul- und Slifiungssacken ein Mitberatbungs- und Stimm recht auSüben können", alS womit die in tz. 267 der Städte-Ordnung vorgeschriebenc Aufforderung sfür erfolgt zn betrachten sei. Diese Ratbsmittbeilung nun, so relativ befrie ldigend sie damals auch sein mochte, gab doch dein iLladlverordneten-Collegium am 21. April 1865 l Anlaß dazu, den Verfassungs-AuSschuß zur Erörte- Irung der Frage zu beauftragen: ob nicht auch die iLekeimer nicht christlichen Glaubens, welche ilnrch das Vertrauen ihrer Mitbürger in daS RatbS- loder Ltadtverordnelen-Collegium berufen worden, Inn Mitwirkungsrecht an den äußeren Angelegen- Ibesten unserer Schulen und Stiftungen zu bean- ispnichen hätten? I DaS Ausschußgutachten fiel bejahend auS und ssrnd nebst dem daran geknüpften Anträge: den Rath zu ersuchen, daß Verses vom Herrn EphoruS eine Ausdehnung seiner obigen Erklärung auf die israelitischen Mitglieder deS Stadtverordnelen-Collegiums, resp. deS Raths, und deren Mitberufung nach tz. 276 der Städte-Ordnung zur Theilnahme an den fraglichen Angelegenheiten erbitten, resp. be werkstelligen wolla» am 15. Februar 1867 die einstimmige Annahme deS Collegiums. Begründet war dieser Antrag durch folgende Sätze: 1 > Der Rath selbst habe nicht nur daS Princip als richtig anerkannt, sondern auch die That- sache eonstatirt, daß die äußeren Angelegen heiten unserer Schulen und Stiftungen keines wegs abhängig vom kirchlichen Bekenntnisse seien, sondern von Alters her, wie die Ver waltung des Stadtvermögens im engern Sinne, behandelt worden; 2) nach tz. 16 der durch königl. sächsische Verord nung vom 2. März 1849 publicrrten Grund rechte deS deutschen Volks vom 27. December 1848 sei die Ausübung der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte durch das religiöse Bekenntnis; weder bedingt noch be schränkt, und eS dürfe durch letzteres der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten kein Ab bruch geschehen; 3) diese Bestimmung der Grundrechte sei auch nach Art. I., Punct 9 des Einführungsgesetzes sofort in Kraft getreten, und in H. >1. der behufs Ausführung einiger Bestimmungen der Grundrechte erlassenen königl. sächsischen Ver ordnung vom 20. April 1849 sei die völlige Gleichstellung der sächsischen Juden mit den Christen hinsichtlich deS Genusses bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten aus drücklich ausgesprochen, auch dieAufhebung aller entgegenstehenden früheren Bestim mungen anerkannt; 4) dafern die in tz. 4 des Elementar-Volksschul- gesetzes vorn 6. Juni 1835 enthaltene Vor schrift, daß in den HZ. 2 und 3 ibick. ge dachten Fällen die Bekenner des mosaischen Glaubens an der Verwaltung der Orts- und Bezirköschulen keinen Antheil nehmen sollen, auch auf die äußere Verwaltung auszu dehnen gewesen sei, so würde doch in Betreff derselben diese Ausnahme-Bestimmung zwei fellos durch die vorgedachten gesetzlichen Vor schriften aufgehoben sein; 5) selbst als die Wiederaushebung der zur Ausführung der Grundrechte erlassene Verord nung vom 20. April 1849 durch das Gesetz vom 12. Mai 1852 (traurigen Angedenkens) erfolgte, fei doch jene Bestimmung in tz. VI. der ersteren bei Geltung erhalten worden; so daß mithin ein Unterschied zwischen den Be kennen, dcS jüdischen Glaubens und den Christen der verschiedenen Confessionen in gedachter Beziehung schon damals gesetzlich in Sachsen nicht mehr bestand. Dessenungeachtet hat der Herr Ephorus auf den obigen, durch den Rath an ihn gebrachten Antrag der Stadtverordneten lt. der Rathsmittheilung vom 25. März 1867 sich ablehnend geäußert und ist lediglich bei seiner früheren Erklärung vom Jahre 1865 stehen geblieben, der Rath selbst aber hat darauf hingewiesen, daß er an der nach tz. 276 der Städte-Ordnung ins Ermessen der geistlichen Be hörde gestellten Erklärung Etwas nicht ändern könne. Das Stadtverordneten-Collegium beschloß hierauf im April 1867, es hierbei bewenden zu lasten. Da für diesen, voin Verfassungs-Ausschuß vor geschlagenen Beschluß irgend welche Motive auS den Acten nicht zu ersehen sind, so darf man an nehmen, daß die oben erwähnte Austastung des StadtrathS maßgebend gewesen und für die richtige gehalten worden sei. Dem lasten sich aber nicht unerhebliche Bedenken entgegenhalten, theils von dem Standpuncte der damaligen Gesetzgebung auS, theils auf Grund der seit 1867 in Kraft getretenen sächsischen und nord deutschen, nun deutschen Reichsgesetze und des über haupt seitdem erfolgten Fortschritts auf der Bahn vernunitrechtlicher und naturgeinäßer freiheitlicher Entwickelung in staatlicher und kirchlich religiöser Beziehung. Geht man von der Ansicht aus, daß tz. 276 der Allg. Städte-Ordnung bis 1867 noch gesetzliche Geltung gehabt habe, und hält man sich an die wörtliche Fassung dieser Ausnahmebestimmung, welche als solche nur st riet auszulegen ist, so ge langt man allerdings zu dem Resultate, daß der Herr Ephorus mit Recht sich geweigert habe, auch Israeliten zur Theilnahme (an den äußeren Schul- und StiftungSsachen) aufzufordern. Denn eS kann keinem Zweifel unterliegen, daß die in H. 276 der Städte-Ordnung der geistlichen Jnspectionsbehörde zugesprochene Ermächtigung zur Mitberufung von Personen einer anderen Con fession lediglich auf die christlichen Confessionen sich beziehe, auch wenn man den Begriff „Con fession" im weitesten Sinne ausfaßt. Bei Erlaß der Städte-Ordnung im März 1832 war ja nach ß. 33 der Verfassungs-Urkunde vom 4. Sept. 1831 nur den Mitgliedern der im Königreich Lachsen aufgenommenen christlichen Kirche nge- sellschaften der Genuß gleicher bürgerlicher und volitischer Rechte gestattet, alle andern Glau bensgenossen aber waren ausdrücklich davon aus geschloffen, soweit nicht vermöge besonderer Gesetze ihnen etwa ein thcilwester Genuß und Recht zustand. Ein besondere- Gesetz aber, welche« den Ntchtchristen, namentlich den Juden in irgend welcher Weise eine derartige Berechtigung verliehen hätte, existirte nicht, und die Gesetzgever m Sachsen dachten damals nock, gar nicht daran, daß auch JSraeliten zu städtischen Ehrenrechten und Aemlern elangen könnten. AlsdaSElementar-Volksschulengesetz vom 6. Juni 835 den in Sachsen sich (mit höchster Genehmi- ung) aufhaltenden Juden die Errichtung von Schulen für ihre Kinder unter Ministerialge- nehmiaung gestattete und letztere außerdem zum Mitbesuche der Ortsschulen verpflichtete, bestimmte eS zugleich in tz. 4 ausdrücklich, daß ihnen kein Recht der Theilnahme an der Verwaltung der Orts- oder Bezirksschulen zustehen solle, selbst das Gesetz vom 16. Aug. 1838 verlieh in tztz. 1—4 den Israeliten nicht mehr, als daS Recht, mit resonderer Ministerialgenehmigung in Dresden oder Leipzig, wenn diese Stadtge meinden zustimmten, bleibenden Aufenthalt zu nehmen und behufs des Gewerbebetriebs das Bürgerrecht zu erlangen, jedoch ohne Anspruch auf oie in H. 65 der Städte-Ordnung gedachten Reckte (bürgerliche Ehrenreckte). Es kann sonach die Vorschrift in tz. 276 der Städte-Ordnung in alle Wege nicht auf andere alS christliche Confessionen bezogen werden, und auck unter diesen streng genommen nur aufsolct-e, welche damals zu den in Sachsen aufgenommenen Kirchengesellschaflen gehörten. AuS der weit späteren gesetzlichen Gleichstellung ver Juden mit den Christen folgt aber keineswegs, daß die nur bezügl. der (verschiedenen) christlicken Konfessionen gegebene Vorschrift, rbelche es in die Willkür der geistlichen Jnspeclion stellt, zur Mit wirkung zu berufen oder nicht, nun auch auf die Bekenner mosaiscken Glaubens auszudehncn sei. Letzteres würde vielmehr nicht nur dem klaren Inhalte und Sinne der Städte-Ordnung, sondern auch der Vorschrift in 8- 24 des Bürgerlichen Ge- etzbuchs, wornack gesetzliche Bestimmungen, die als Folgen ausdrücklich angegebener Voraussetzungen getroffen sind, auf diese beschränkt bleiben müssen, widersprechen. Demzufolge stand und steht also dem Herrn Lphorus gar nicht das Recht zu, Richtchristen zur Theilnahme an äußern Schul- und StiftungSsachen auf Grund von tz. 276 der Städte-Ordnung auf zufordern. Ist nun diese Anschauung richtig, so führt sie doch in richtiger Consequenz nur zu dem Resultate, daß die 1867 an den Herren Ephorus gerichtete Aufforderung zur Mitberufung von Israeliten ein Fehlgriff war, und daß vielmehr feit der gesetz lichen Gleichstellung der Nichtckristen mit den Christen hinsichtlich der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten die Ersteren, auch wenn man eine fortdauernde Gültigkeit deS tz. 276 der Städte- Ordnung annimmt, nickt ferner ausgeschlossen, sondern gesetzlich berechtigt waren und sind, an den äußeren Schul- und Stiftungs-Angelegen heiten als Mitglieder des Raths- oder Sladtver- ordneten-Collegs sich zu betheiligen. Denn der frühere Behinderungsgruud lag nicht in der fraglichen Ausnahmebestimmung der Städte-Ordnung, — welche, wie gezeigt, vom Gesetzgeber nicht im entferntesten auf Nichk- christen bezogen woroen und erstreckt werden sollte, — sondern lediglich in denjenigen Gesetzen, welche den Richtchristen alle staatsbürgerlichen und bürger lichen Rechte vorenthielten. Mit der Aufhebung dieser veralteten, inhumanen, unchristlichen und volkSwirthschafts- wibrigen Gesetze, also schon mit dein Inkrafttreten der eben unter 2 und 3 erwähnten Vorschrift der deutschen Grundrechte, fiel also ohne weiteres jeder Grund weg, den nichtchristlichen Mit gliedern gedachter städtischer Körperschaften die Mitwirkung an den fraglichen Angelegenheiten ferner zu versagen. Die Anomalie, welche daraus für Diejenigen, welche dem H. 276 der Städte-Ordnung noch fortdauernde Geltung zuerkennen wollten, entstehen müßte, daß nämlich Nlchtchristen nun besser gestellt ersclzeinen, als die Christen einer von der Confession der competenten geistlichen Jnspection verschiedenen konfessionellen Richtung, diese Anomalie giebt keiner lei Necbtsgrund, die den Nicbtchristen günstigere Situation vom Boden des Rechts und der Gesetz anwendung aus zu bestreiten oder zu verkümmern. Giebt es ia doch bei dem meist sehr langsam und bruchstücksweise vollzogenen Fortschritte der Gesetz gebung Beispiele genug von ähnlichen, durch die Praxis erst ans Licht gestellten Inkonsequenzen und vorübergehenden Widersprüchen derselben. Tritt man aber näher an die Rechtsfrage heran, so läßt es sich unschwer Nachweisen, dag tz. 276 der Allgem. Städte-Ordnung, wenn auch nicht durch speciell darauf gerichtete Gesetzesworte für ungültig erklärt, doch gesetzlich nicht mehr Geltung haben könne, sondern für aufge hoben zu achten ist. Es kann jetzt dahin gestellt bleiben, ob diese Ungültigkeit schon durch die gesetzliche Sanclioni- rung der obengedachten Vorschrift der deutschen Grundrechte, welche nicht wieder durch Gesetz anf- geboben worden, eingetreten sei, sicher aber ist sie erfolgt durch die neuere Gesetzgebung seit 1867. Auf Grund der Verfassung deS Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 ward in Sachsen durch Gesetz vom 3. December 1868, Absckn. tl, dem tz. 33 der sächsischen Verfassun Urkunde vom 4. September 1831 folgende Fas sung gegeben: „Der Genuß der bürgerlichen und staatsbür gerlichen Rechte ist unabhängig vom religiösen Glaubensbekenntniß. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf daS religiöse Bekenntniß keinen Abbruch thun." Das fernere norddeutsche Bundeögesetz, be treffend die Gleichberechtigung der Confes sionen in bürgerlichen und staatsbürgerlichen Beziehungen vom 3. Juli 1869, — welches, wie daS im gleichen Sinne gehaltene FreizügigkeilS- gesetz vom 1. Nov. 1867, feit dem 1. Januar l. I. nack Art. 80 der Verfassung des Deutschen Bundes im ganzen Deutschen R eiche gilt,— setzt fest: „Alle noch bestehenden, auS der Ver schiedenheit deS religiösen Bekenntnisses herge- leueten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte werden hier durch aufgehoben. Insbesondere soll die Befähigung zur Theilnahme an der Gemeinde- und Landesverirelung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter vom religiösen Bekenntnisse unabhängig sein." Diese Gesetzesbestimmungen sind so präcis, daß eigentlich ein besondrer Nachweis der Behauptung, es sei dadurch auch die Vorschrift »n tz. 276 der Städte - Orduung getrosten, also aufgehoben, nicht erst nöthig wäre. Denn eS ist unleugbar der deutlich erkennbare Zweck der ciiirten Gesetze, die Verschiedenheit und Ungleichheit, welche die frühere Gesetzgebung für den Genuß der bürger lichen und staatsbürgerlichen Rechte je nach der Verschiedenheit des Glaubenbekcnntnisses feststellte, aufzu heben und völlige Gleichheit der dies- fall>igen Rechte und Pflichten herzustellen. Indem die neue Fassung von H. 33 der sächsischen Verfassungs-Urkunde den Genuß jener Reckte ganz allgemein und ausnahmelos für unab hängig vom religiösen Glaubensbekenntniß erklärt, so führt dies mit logischer Consequenz nolhwendig dahin, daß mit der früheren Vorschrift diese- Paragraphen welche nur den in Sachsen aufgenom menen Kirchengesellschaflen gleiche bürgerliche und politische Reckte zuerkannte) auch die hieraus ab geleitete Beschränkung in tz. 276 der Städte-Ord- nung ungültig geworden sein muß, weil diese Be schränkung eben das Tbleilnahmerecht an äußeren Sckul- und Cliftungs-Angelegenheiten von der Verschiedenheit der Confessionen und resp. der Willkür der geistlichen JnspeclionSbehörde abhängig mackt. Es hieße also einen offenbaren Widerspruch in das Gesetz vom 3. December 1868 (in den letzigen 8- 33 der Verfassungs-Urkunde) hinein interpretiren und daS Gesetz theilweise illusorisch macken, wenn man vce fernere Gültigkeit von 8- 276 der Städte-Ordnung behaupten wollte. Auch die in 8- 5 des Bürgerlichen Gesetz-Buchs enthaltene, schon nach dem Pandectenrcckte gültige Vorschrift für Gesetzauslegung spricht keineswegs gegen, sondern vielmehr für das Ebengesagle. Sie lautet: „Hebt ein Gesetz eine Regel auf, so werden damit auch die Folgesätze, nicht aber die Aus nahmen der Regel, aufgehoben, wenn sich nickt aus dem Zusammenhänge auch die Auf hebung der Ausnahme ergiebt." Wollte man nun sagen: die alle Vorschrift, wornach blos- die in Sachsen aufgenommenen Kirchengesellschaflen gleiche bürgerliche und politische Rechte besagen, sei die Regel gewesen und als solche aufgehoben, dagegen die in 8- 276 der Städte-Ordnung festgestellle Beschränkung dieser Regel sei als Ausnahme trotzdem bei Kräften ge blieben, — so würde das ein Trugschluß sein. Denn es ist nicht jene als Regel hingestcllte Gleich berechtigung der aufgenommenen christlichen Con- fessioncn durch das neue Gesetz aufgehoben, sondern es ist vielmehr die Gleichberechtigung aller Reli gionobekenner zum auSnahmlosen allgemei nen Gesetz erhoben oder als neue Regel einge führt, damit also selbstverständlich jene ausnahme- weise Beschränkung der ehemaligen Gleichberechti gung mit aufgehoben. Die Motive zu tz. 5 deS Bürgerlichen Gesetz buchs lassen darüber keinen Zweifel übrig, denn sie sagen: „In der Aufhebung der Regel würde auch die Aufhebung der Ausnahme dieser Regel z. B. dann liegen, wenn eine neue Regel als ausnahm- loie oder nur durch gewisse Ausnahmen be schränke hingcstellt würde." Wollte man trotzdem noch Zweifel erheben, so müßten solche verstummen vor der obencitirten Bestimmung deS Bundesgesetzes vom 3. Juli 1869, welche ausdrücklich alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Be kenntnisses hergcleiteten Beschränkun gen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte für „hierdurch aufgehoben" und „die Befähigung zur Theilnahme an der Gemeinde- unv Landesvertretung und zur Bekleidung öffent licher Ämter als unabhängig vom religiösen Bekenntnisse" erklärt. Da nach Artikel 1. der norddeutschen Bundes verfassung der Bund das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe deS Inhalts dieser Verfassung inner halb des Bundesgebiets mit der Wirkung ausübt, „daß die Bundesaesetze den Landesgcfetzen Vorgehen und ihre verbindliche Kraft durch die Verkündigung von BundeSwegen, welche mittelst des Bundesge setzblattes geschieht, erhalten^ so ist durch daS BundeSgeietz über Gleichberechtigung der Con- scssionen die sächsische Vorschrift in 8. 276 der Städte-Ordnung ganz ausdrücklich außer Kraft gesetzt, auch wenn sie oei einer — wie gezeigt un zulässigen — beschränkenden Auslegung von §. 33 der Verfassungs-Urkunde seit dem 5. Jar nar 1869
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