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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187805227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780522
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780522
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-05
- Tag1878-05-22
- Monat1878-05
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1878
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Erfcheiut tiglich früh 6»/. Uhr. >«d«r««» «Mdttto, IohaaaiSgaffe S». v-rmMag« 1«—ir Uhr. Nachmittags 4—« Uhr. »e der für die «ächft- Nummer bestimmt» an »ocheata-eu bis Nachmittags, au Sonn- Ä, bis'/.VUHr. B» de» FUbüe, fit, Z,s Laaahmr: Olt» Kl,««. UmversttLlSstr. 22, ^ 1 Lösche, Katharinenstr. 18,p. n»r »iS >/H Uhr. UtWigcrLagkblaN Anzeiger. Organ für Politik, Localgkschichte, Handels- Mld Geschäftsverkehr. IS,»««. L»»«m»t,e§,rri« vterteff. 4»/, Mt, iml. Bnugcrlvha b Mt. durch die Post bezog» 6 Mt Jede einzeln« Stummer 2b Pf. Belegexemplar lu Pf. Gebühre» sür Extrabeilage» »HNk Postbesürderung Zs Mt Mit Pofidrfvrderung 4b Ml. ZnferMe Saesp. Petitzeile 2V Pf »richere Schrift» laut unserem PreiSverzeichniß-Tabellarischer S«tz Lach höherem Tarif »eil««» »trr dn» Ardacstiassirt- dir Svaltzeilr 40 Pf. Inserat« sind stä- au d. «epedttiea zu senden. — Rabatt wird undt gegeben Zahlung pr»«namor»u- a oder durch Postvorfchuft. 142. Mittwoch den 22. Mai 1878. 72. Jahrgang. Tagesgeschichtliche lleberficht. Letstzt,. 21. Mai. Der Gesetzentwurf „zur Abwehr social, demokratischer Ausschreitungen" hat den Bundesrath passirt und ging dem Reichstage un mittelbar zu. Eine Verbesserung hat er im Bun- de-rathe msofern erfahren, als tz. 6, lautend: „Wer öffentlich durch Rede oder Schrift eS unter nimmt, in Verfolgung der im tz. l bezeichnet» Ziele die bestehende rechtliche oder sittliche Ordnung zu untergraben, wird mit Gesängniß nicbt unter drei Monaten bestraft" gestrichen worden ist. ES bleibt indeß noch genug übrig, um den Entwurf in seiner gegenwärtigen Gestalt unannehmbar zu macben. Die Tendenz der Vorlage ist, Alle- zu unterdrücken, was „die Ziele der Socialdemokratie" verfolgt. Ein weniger haltbarer Ausdruck ist in einem Gesetze wohl kaum jemals gebraucht worden. Ein bloßer Namenwechsel der Svcialdemokratie würde das Gesetz, wenn es streng nach seinem Wortlaute gehandhabt werden sollte, illusorisch machen. Zudem stehen die Grenzen des Begriff- „Socialdemokratie" durchaus nicht fest. Und noch weit unbestimmter ist, was Alle- sich unter den „Zielen der Socialdemokratie" verstehen läßt. Äst nicht der zehnstündige Normalarbeitstag nnS der am eifrigsten erstrebten Ziele der Social demokratie? Nun wohl, der Bundesrath würde nach dem vorliegenden Gesetzentwürfe jede die Ein führung des Normalarbeitstags empfehlende Schrift, und wäre sie noch so streng wissenschaftlich ge halten, ohne Weiteres verbieten können. Za, es ließen sich die wunderlichsten Consequenzen ziehen. Bekanntlich wird der zehnstündige Normalarbeits- lag für jugendliche Arbeiter in gewissen industriellen Kreisen alS die thalsächliche Einführung deS Normal- arbntStages überhaupt angefochten. Nun haben aber die Regierungsvertreter in den neulich» Gewerbeordnungsdebatten an den Bestimmungen über die Arbeit-Zeit der jugendlich» Arbeiter mit Entschiedenheit sestgehalten, obwohl sie Schulter »u Schulter mit den Socialdemokratm kämpften. Die nun, wenn der Bundesrath eineS Tages sich selbst als einen „die Ziele der Socialdemokratie" erfolgenden Verein erkennen würde? Wir wissen, man nennt das absurde Wortklauberei; man ver langt, daß dem Vundesrathe volles Vertrauen hinsichtlich einer verständigen und maßvollen Aus übung der ihm zu übertragenden discretionären Befugnisse »tgegengebracht werbe. Aber hat denn der BundeSralh irgend welche Verantwortlichkeit gegenüber dem Reichstage, welche doch die Voraus setzung einer so weitgehenden Vertrauensforderung sem würde? Der Reichstag würde sich offenbar nur nach seinem Vertrauen zu den einzeln» Re gierungen entscheiden könne». Und nun findet sich, daß gerade in diesem Augenblicke die Regierung desjenigen Staates, der fast Zweibrittel deS Reiches umfaßt, eine der bedenklichsten Krisen durchschreitet. Niemand hat die Sicherheit, ob in dem Augen blicke, da das ReichSgesetz gegen die Socialdemokratie in Kraft träte, überhaupt noch eins der gegen wärtigen Mitglieder des preußisch» Ministeriums aus seinem Platze sein würde. Daß inmitten einer solchen Situation eine Volksvertretung so exor bitante Vollmachten nicht billigen kann, versteht sich von selbst; unverständlich ist nur, wie sie Über haupt verlangt werden mögen. Im Bunde-rathe haben, wie man hört, bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf Heg» die Socialdemokratie Hamburg und Bremen gegen denselben gestimmt. Die Nachrichten über da- EntlassungSge- such deS CultuSministers vr. Falk laut» beute nicht ganz übereinstimmend. Während die neiconscrvative „Post" das Verbleiben deS Mini ster- in seinem Amte als „höchst wahrscheinlich" bezeichnet, meldet die „Norddeutsche Allgem. Ztg." »scheinend officiö-, daß in dieser Angelegenheit eine entscheidende Wendung nicht eingetreten und demnächst auch kaum zu erwart» sei. Wenn daS letztere Blatt hinzufügt, daß die Angelegenheit nach Hrnn augenblicklich» Stande zu Andeutungen über »eitere daraus mögliche Eonsequmzen nicht die geringste berechtigte Veranlassung brete, so steht damit im Widerspruch die anS guter Quelle stam mende Mittheiluna, daß daS ganze Ministe, num sich mit Herrn Falk siolidarifch ge nacht habe. Die Annahme deS EntlassungsgesüchS «n höchster Stelle würde also eine vollständige RmisterkrisiS zur Folge haben. Nach der „Magd. Ztg." verlautet, daß der EeichSkanzler von dem Rücktrittsgesuch Falk'» ?bm so überrascht worden ist, wie dessen übrige Tvllegen, und daß er gesonnen ist, Alles zu ver lach», um den CultuSminister zu beweg», im ilate zu verbleiben, da der letztere bei dem gegen- »artig» Stande der kirchenpolitischen Streitig, lnlnr, besonder» gegenüber der römisch» Curie, durchaus unersetzlich und unentbehrlich sei. ES »irv daS aber auch sür den Fürste» BiSmarck. wie I»oa allgemein annimmt, ein schwere« Stück Arbeit Isein, denn Kalk ist ein Eharakter, der kein» Schritt au» Uebereilung und ohne alle Folg» abzuwägen unternimmt, und ohne ganz bestimmte und klare Garantien dafür, daß er in Zukunft seine Inten tion» zur Ausführung bringen kann, wird sich der CultuSminister kaum zum Verbleib» in seiner verantwortung-reichen Stellung überreden lassen. Der „Elbers. Ztg." wird m Bezug auf den Rücktritt Falk's geschrieben: „Hoffentlich gelingt eS dem Reichskanzler, der sich biSher noch immer solidarisch mit ihm erklärt und verhallen hat, die Ausführung der Absicht zu verhüten. Er wird am Ende doch wohl noch mehr Einfluß beim Kaiser besitzen als die anonyme „Katholiken-Adresse der Germania". Falk's Rücktritt würde den lieber- gang der national-liberalen Fraction im Ab geordnetenhaus- zur Opposition, befürchte ich, fast unvermeidlich nach sich ziehen. Auf wen sollte sich denn auch ihr Vertrau» in Bezug auf die innere Politik noch stützen? Bismarck ist größtentheils fern, Friedenthal verwaltet kein eigentlich politisches Reffort und hat daS ent scheidende Ministerium des Innern wiederum ab aeben müssen. Dazu kommt, daß die National- Liberalen wußten, Falk werde einen gegen sie und ihre höchsten politischen Grundsätze gerichteten Feld zug niemals mitmachen. Sein Bleiben war sür sie daher schon seit dem jüngsten theilweisen Minister- wechsel die letzte Bürgschaft, daß sie sortsahren könnten, die Regierung im Innern zu unterstützen. Sein Gehen würde nothwenoia eine unheilvolle Kluft aufreißen." Ganz unsere Meinung. Wie au- Posen gemeldet wird, hat das Dom kapitel beschlossen, anläßlich der glücklichen Er rettung deS Kaisers, am nächst» Sonntag ein feierliches Tedeum abzuhalt». DaS genannte Blatt fordert alle Kirchen der Diöcese auf, diesem Beispiele zu folg». Der bisher noch dunkle Punct, woher Hödel die größere Geldsumme, in deren Besitz er sich in letzter Zeit noch befunden, gehabt habe, hat seine Lösung erfah-en. Man schreibt darüber der „Köln. Zeitung" aus Leipzig: Der wackere Sohn hat seine Eltern bestohlen. Dieselben verwahrten in einer Lade ihren Sparpfennig, eine Summe von 168 Mark; jetzt mußt» sie die Entdeckung machen, daß dieselbe auf Nimmerwiedersehen verschwunden sei. Mit dieser Thatsache fällt nun auch die große Deklamation deS socialistischen Amtsblattes „Vor wärts" in sich zusammen, daß Noth und Elend den Geist Hödel's umnachtet und zu der Thal ge trieben haben. Hödel wußte sich, wie man sieht, gegen Noth und Elend zu helfen, und so wird eS denn trotz alles Winden» und Drehen- der Social demokratie dabei sein Bewenden haben, daß Hödel der Ihre bleibt, daß sie es gewesen, welche mit ihren Lehren den Sinn diese- Menschen verwirrt und auf die Bahn der Verworfenheit und deS Ver brechens gebracht hat. AuS Weimar, 20. Mai, berichtet man: In der heutigen ersten Sitzung des wieder zusammeu- getretmen Landtags gedachte der Landtags präsident mit warmen Wort» der glücklichen Er rettung des Kaisers bei dem gegen denselben verübt» Attentat; der Landtag beschloß, den Kaiser durch den Vorstand des Landtags beglückwünschen zu lass». Die „Defense" bringt aus Rom vom 18. Mai folgendes Telegramm: „Die Glückwünsche des Papste- in Veranlassung de« Attentat- haben in Berlin den besten Eindruck gemacht. Der Papst erhielt Danksagung» von großer Herzlichkeit." — Unter den zahllos» Glückwünschen, welche Kaiser Wilhelm au- Anlaß seiner Errettung von dem mörderisch» Attentat am 11. d. dargevracht wor den sind, befindet sich auch, wie die „Post" hört, ein solcher der Kaiserin Euaenie. Derselbe soll Bezug darauf nehmen, wie seiner Zeit der Prinz von Preußen aus Anlaß des Orfini'sch» Alten- täte- auf den Kaiser Napoleon demselben seine Theilnahme bezeugt habe. AuS Berlin, 20. Mai, wird geschrieben: Die außerordentliche marokkanische Gesandtschaft ist heute Morgm ?»/« Uhr auf der Potsdamer Bahn hier eingetroffen und hat cm Hotel de Rome eine Reihe Zimmer der ersten Etage bezog». Auf der Fahrt vom Bahnhofe nach dem Hotel saß Major von Rosenberg, der mit dem Hauptmann von Bevernsörde der Gesandtschaft seitens des deutsch» Reiches beigegeben ist, neben dem Bot schaster Sid Tibi Ben-Hima im erst» Wag». Im zweiten Wagen folgt» al-dann die beiden Srcretaire, im dritten die Osficiere u. s. w. Die Mitglieder der Gesandtschaft Hab» sämmt- lich scharf ausgeprägte orientalische Züge, die Hautfarbe der ober» Beamt» ist nahezu hell gelb, die der Diener fast schwarz. Der Bot schafter trug ein» mächtig» weißen Turban und einen weit» Mantel von derselben Farbe, der die anze Gestalt einhüllte und nur die gelbseid»» Strümpfe, sowie die gleichfarbigen, reich gestickt» Pantoffeln sehen ließ. Die Srcretaire, sowie die Osficiere batten eine ähnliche Kleidung, nur daß die Pantoffeln bei ihn» von rother Farbe war». Die Diener trug» weiße Turban», blaue Mäntel und rothe Pantoffeln, ihre Beine warm unbedeckt. Der Dolmetscher »blich war nach europäischer Art gekleidet, sein Haupt bedeckte ein rother Fez. Die Gesandtschaft führt eine eigene Küche mit sich. Aus Paris, 20. Mai, meldet man der „Post": Die marokkanische Gesandtschaft, welche sich nach Berlin begiebt, ist gestern hier eingetrof- fen. — Die Meldung von der Vorlegung eineS Gesetzes gegen Ausschreitungen der Social demokratie seitens der preußischen Regierung hat die republikanischen Blätter zu ungünstig» Com- mentaren veranlaßt. Die „Rep. franyaise" meint, ein Druck sei kein Heilmittel, sondern verschlim mere und steigere das Nebel nur. DaS Blatt weist auf Frankreich hin, welches Ausnahmegesetze durchgemacht habe, und wo jetzt der SocialismuS alle Gefahr verlor», da die politische Freiheit daS beste Gegenmittel gewesen. Aus London wird berichtet: Der heutigen Sitzung im Ober Hause wohnten der Kronprinz und die Kronprinzessin des deutschen Reiches bei. — Lord Selbvrne lenkt die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Dersassungswidrigkeit, welche sich dadurch bekunde, daß indische Truppen in Friedenszeiten außerhalb Indiens ohne Zustimmung des Parlaments verwendet werden; der Redner unterstützt seine Ausführung» durch Heranziehung mehrerer Beispiele auS der Geschichte. — Im Unterhause antwortete der Schatzkanzler North- cote aus eine Anfrage Ashley's, die Regierung habe ihre guten Dienste aufqewanbt, um einen Waffen stillstand zwischen den Türken und den Insurgenten aus Kreta herzustell». Derselbe erwidert aus eine Anfrage Mac Arthem's, das von dem englisch» Gesandt» in China, Wade, mit der chinesischen Regierung getroffene Abkommen sei von der eng lischen Regierung noch nicht formell gebilligt; einige Bestimmungen desselben bedürften auch der Zu stimmung der übrigen Vertrags»,ächte. Der Mar. quiS von Hartington beantragt unter dem Beifall der Liberalen seine »„gekündigte Resolution in Betreff der indisch» Trupp». Dem zu Ehren de- Geburtstages der Königin Victorra bei Lord Beaconssield am 25. ds. stattfindend» Galadiner wird der Prinz von Wales beiwohnen. — Dem „Standard" zufolge tritt der „Alert" unter Capltain Nares demnächst eine Erforschung-reife nach dem Südpol an. — Nach einem Telegramm der „TimeS" auS Calcutta ist dort die unverweilte Errichtung von Küsten- bcfestigungen anbefohlen worden. Die Transportschiffe „Madura", „HoSpodar", „Camara", „Baron Colonsay" und „Brambletyre" sind mit indischen Truppen in Port Said eingetroff» und haben dann die Reise nach Malta fortgesetzt. Wie den „H. N." auS London, 17. Mai, ge schrieben wird, ist zwischen der englischen und französischen Regierung ein Abkommen ge troffen worden, wonach Frankreich nicht- dagegen einzuwend» hat, daß England ein indische« Contingent im Falle de« Ausbruches eines Kriege« in Egypten statroitirt. Selbstverständlich würde England gern Egypten zur Operations- Bas,« machen, da Malta zu klem ist, um viele Truppen zu fassen und jetzt bereit- überfüllt sein soll. England hätte zwar eine starke Truppenmacht auf einer der türkisch» Inseln «„quartieren können. ES zieht jedoch Egypten vor. weil eS schneller Truppen von Bombay dorthin bring» und sie wieder von Alexandrien schnell nach dem Kriegs schauplätze befördern könnte. Die Hauptsache für England aber war, die französische Empfindlichkeit in dieser Hinsicht zu beruhig», und es scheint ihm gelungen zu sem. Nachricht» anS Petersburg zufolge soll die Friedenspartei jetzt geneigt sein, in der bulaa- rischen Frage Zugeständnisse zu mach». Man spricht sogar davon, daß der Tributärstaat Bul garien sich nur bis gegen die Südseite des Balkan- auSdehnen solle, während der andere Theil Refor men, die unter europäische Controle gestellt würden, erhalt», im Nebriaen aber bei der Pforte bleiben solle. Rußland wurde also aus diesem Puncte dm englisch» Forderungen entsprechen. Die Geltend machung der von Oesterreich erhoben» Einwen- düngen gegen die im Vertrage von San Stefano enthaltenen Bestimmung» wegen Serbien und des Hasens für Montenegro im Adriatischen Meere würde, wie schon früher bemerkt, Oesterreich- Sache sein. Es verlautet indessen von Gegen forderung» Rußlands, welche Schuwaloff nach London überbring» werde und über deren Rich tung noch nicht- bekannt ist. Die Verhandlung» werden also jedenfalls noch einige Zeit beanspruchen. In Moskau hat am Sonntag in der evange lischen Kirche anläßlich der glücklichen Errettung de< Kaisers Wilhelm ein Dankgottesdienst statt gefunden. Zahlreiche Mitglieder der deutsch» Colonie wohnt» demselb» vei. Im Rhodope-Gebirge Hab» neuerdings Kämpfe stattgesund». Die Russen sollen bei KhaS- kioej gegen 200 Mann verloren haben. Der russische Botschafter in Konstantinoprl Fürst ? obanoff empfing am Sonntag Deputirte der russischen Colonie. Der Fürst gab fein» Friedens- Wünschen und Hoffnungen Ausdruck. Da- Auftre ten desselben wird von den der Pforte nahestehen den Kreis», bei denen der Fürst zum Theil noch auS früherer Zeit beliebt und angesehen ist, als versöhnlich geschildert. Gymnasium und Realschule. Der Streit zwischen Gymnasium und Realschule ist vor Kurzem, wenn auch in Beschränkung auf ein ganz specielleS Gebiet, in der PetitionScomis- fton des Reichstags zur Verhandlung gekommen, und es liegt jetzt darüber der bereits kurz er wähnte, vom Abg. vr. Stephani erstattete Be richt vor. Eine zahlreich unterstützte Petition bittet, daß den Abiturimt» der Realschulen I. Ord nung die Berechtigung zum Studium der Medicin gewährt werde. Daß da» Reich für die Regelung dieser Frage zuständig ist, unterliegt keinem Zweifel; denn die Vorschrift» sür den Nachweis der Be fähigung der Aerzte erläßt der BundeSrath, und die demgemäß unter dem 25. September 1869 er gangene Prüfungsordnung macht die Beibringung des Gymnasialzeugnisses der Reife zur Vorbedin gung für die Zulassung zur ärztlichen Prüfung. WaS nun die Frage seiest betrifft, so glaubte der Referent die Behauptung der Petenten sür richtig anerkennen zu müssen und auö seiner Erfahrung bestätigen zu können, daß häufig von mediciniscbcn Universitätslehrern Klage erhoben wird Uber die mangelhafte Vorbildung der jungen Mediciner durch die Gymnasien, eine Klage, die sehr natürlich erscheine, wenn man erwäge, daß bei dem erwei terten Umfang der Naturwissenschaften das Gym nasium eine genügende Vorbildung dafür kaum ander-, alS unter Beschränkung des philosophisch historisch» jUnterrichtS werde gewähren können, da Angesichts der berechtigt» Klagen wegen Urbcrfüuung der Schüler mit Lehrstoff und Arbeiten von einer noch weiteren Vermehrung der Unterrichtsstund» wohl ernstlich nicht die Rede sein könne. AlS selbstverständlich sei davon auSzugehen, daß dem künftigen Mediciner keine geringere wissenschaftliche Bildung und Vor bildung zu geben sei, als Den», die andere wissenschaftliche Bcrussart» wählten. Die Frage sei nur, ob die beste Vorbildung hierfür auch heule noch ausschließlich im Gymnasium gesunden werten könne. Und in dieser Hinsicht werde man sich docü sür eine Theilung der Arbeit entscheid» müssen, so daß die Vorbildung für die einen Berufsarten, die historisch-philologischen dem Gymnasium, für die anderen, die mathematisch-naturwissenschaftlich» der Realschule übertragen würde. Denn die Unaussührbarkeit de- vielbesprochenen Gedankent, durch theilweise Reform deS Gymnasiums sowohl wie der Realschule aus beiden eine Einheitsschule zu schaffen, der allein, um einen angeblichen Riß in der Bildung der Nation zu vermeiden, alle wissenschaftliche Vorbildung übertrag» werden solle, habe sich doch wohl zur Genüge herausgestellt, da es nicht mehr möglich erscheint, die gesammte Vor bildung für alle wissenschaftlichen Berufsarten völlig gleichartigen Anstalten zu übertragen. Nack» wie vor werde eS die Aufgabe der Vorbildungs- anstalt» bleib», den Geist zu wissenschaftlicher Thätigkeit zu wecken und anzuleit», daS frische Streben nach immer neuer Erkenntniß im Schüler lebendig zu erhalt» und ihm den recht» Weg dahin zu zeigen. Für die naturwissenschaftlichen und medicmisch» Studien aber könne bei dem aesteigerten Umfang derselben die Anstalt, welche für die historisch-philosophischen Fächer die beste Vorbildung gewähre und für sie vorzugsweise be rechnet sei, nicht mehr für die Mehrzahl der Schülerindividualität» die geeignetste Vorbildung gewähr». Vor Allem sei die Klage über mangelnde mathematische Vorbildung und über die mangelnde Fähigkeit, körperliche Erscheinungen richtig zu beobacht», für den Mediciner so unentbehrlich, eine von den mediciniscb» Universitätslehrern jetzt oft ausgesprochene. In dm „Akademischen Gutachten über die Zulassung von Realschul- Abiturientm zu FacultätSstudi», amtlicher Ab druck Berlin 1870", welche auf Grund eines preußisch» MinisterralrefcrrptS vom 9. No vember 1869 von den 9 preußisch» Universität» über das bezeichnet« Thema damals erstattet Word» seien, hätten sich, waS die medicinisch» Studien betrifft, 4 Facnltäten (Greifsmalde, Göt- ting», Kiel und Königsberg) für die Zulassung der Realsckul-Abiturienten zum mevicinisch» Stu dium ausgesprochen, 4 dagegen (Berlin. BreSlan, Halle und Marburg), während eine (Bonn) eine vermittelnde Stellung einnahm. Außerdem aber habe sich eincStheilS die Zahl der Medicin Studi- renden bedeutend vermindert und daS Lerhältmß de» ärztlichen Heilpersonals zur Bevölkerungsziffer sei gegen frühere Jahre ungünstiger geworden, so daß eine ernste Nothwcudigkeit »erliege, aus eine Vermehrung der Aspirant» des ärztlichen Beruf- Bedacht zu nehmen, ein Umstand, der für die
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