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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-06
- Tag1878-06-02
- Monat1878-06
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1878
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l».m 1 Erschedtt rigtich früh «V. Uhr. W» «qikbltt», I»h«mSgafie »S. --«chßmibe» tn «-r»A»gS 10—ir Uhr. Nachmittag« 4—4 Uhr. dH die »tchst- Nummer »«stimmt«, „ V«ch«nf,ß»»» dts I Uhr RochmMaoS, « Lmt»- «« Fr*t«^»lfr-hdtS '/^llhr. d» 8»MM» st« vu, u»imr-tLtOstr.». S—W Ststhe.LMHarEstr-1».». >mr Uhr. Anzeiger. Orzan für Politik, Localgcschichte, Handels- md GcschSMnkehr. ! i, 1>. « L , 6 » ». ll. r. . m.vpl/ ^ «.o.pl/l'tl 6. Ü. v 0. ü. 6 6. 6. Lr. U 6. « 6. L r 6 S. ! L. 6 8 L 8 8. k. 5 k L o r 8. « 6. L L «8 L p r. av av' L 78 L 8 kl a. 6. r A»sl«ge Ld»,««,»t„rr1» vtermlt. <V»DN, mel. «rmaerloh» 8 WL, durch dir Post bezog«» » Mt. J«d« einzeln« Nummer 28 Pf- Belegexemplar 10 M. Gebühren für Extrabeilage» »h»e Postbefdrdeinm, »0 «t. «tt Postbrfbrdermlg «8 Mt Jaseral« Lgesp. Petttzeile 20 Pt Größen Schniten laut imsneni PreiSver^ichuiß — Lad«kl„1chrr Satz »ach höherem Tarif »ecia««» »»t« de« »e»«N-«stri» die Spaltzeile 40 Vf. Inserate find stä< an d. GrxtXrio, pi senden. — Rabatt vmd nicht gegeben, ^adlul^praaan»» »«aav<t« »3. Sonntag den 2. Juni 1878. 72. Jahrgang. OeffmÜiche Sitzung der Stadtverordneten «ittmoch »m ». Juni ». e. »de,»» '/,? Uhr im «aale der I. «ürgerschrrle. Lage-ordnuna: i. Gutachten de- Bau-, Oekonomie- und Finanzausschusses über ». den Ankauf deS der Vereins bank „ehörigen vormaligen Leckerlein'schen HauseS am Markte, d. den Antrag hinsichtlich der Veränderung städtischen Areals im Wege öffentlicher Licitation. ll. Gutachten deS Bau- und OekonomieauSschuffeS über ». die Feststellung der Deftgrenze für den Platz zur Errichtung eine- EtaarSgymnasiumS an der Pfaffendorfer- und Parthenstraße, d. der Verkauf de- an der östlichen Sette der Gerberstraße und der Uferstraße gelegenen Platze-, e. Ankauf der Myliu-'schen Feldparzellen in Thonberger Flur, ä. da- Abkommen mit dem Besitzer der Gohliser Mühle wegen Herstellung der Straße vor diesem Grundstücke, sowie Areal abtretung an die Gemeinde GohliS zur Straßenanlage, e. die Bestimmungen über Bebauung der BiSmarckstraße. w. Gutachten de- Finanzausschusses über ». die Erklärung de- RatheS auf verschiedene vom Eollegium in Betreff der Regulirung der Tarife beim Lagerhofe rc. gestellte Anträge, sowie in Verbindung hiermit die Verpachtung eines TheileS des LagerhofarealS an die Magdeburg- Halberftädter Eisenbahnaesellschaft, d. die Abführung der TagewLffer aus dem Grundstück des LagerhofeS, e. die Lagerhofrechnung pro 1878. l>'. Gutachten des SchulauSschusses über di« Bermiethung von Parterre-Räumen in der Realschule U. Ordnung an die König!. Baugewerkenschule. V. Gutachten deS Stistungsausschustes über die Entnahme von Mitteln zu Straßenanlagen in der Südvorstadt aus dem Stammvermögen deS JohannishoSpitaleS. Bekanntmachung. Der Kammerjäger Herr Ernst JuliuS Röser ist von uns mit Anweisung versehen worden, die in den städtischen Schleusten befindlichen Ratten mittelst Strychnin zu vertilgen. Kir bringen die- zur öffentlichen Kenntniß und fordern alle hiesigen Grundstücksbesitzer aus, auch in ehren Gebäuden, Privatschleußen rc. für Beseitigung derselben besorgt zu sein und sich zu diesem Behuf entweder direct an rc. Röser oder unsere Marstall-Expedilion, Hospitalstrabe 2 b parterre, wo Bestellungen ntgeaen genommen werden, zu wenden. Leipzig, den 25. Mai 1878. Der Rath de, Stadt Lechzt». vi. Tröndlin. CrcboriuS. An die Gewerbetreibenden Leipzigs und der Umgegend. Wie auS den hiesigen Lokalblättern ersichtlich, ist für nächste- Jahr eine kunftgemerdliche «uSsteiuug, die daS Königreich und die preußische Provinz Sachsen, sowie die thüringischen Lande umfaffen und in Lechrttz abgehalten werden soll, hebpetirt. Indem wir bezüglich der Ytdeutmig und de- Zwecke» dieser Ausstellung, auf den vom Comttö erlassenen Aufruf verweisen, wollen wir nicht unterlassen, die Ge»erdetretde«de« unsere- Bezirkes aufzufordern, die Gelegenheit, sich an diesem Wettkampfe de- Können- zu betheiligen, nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen, sich vielmehr schon jetzt »Krtzch auf denselben vorzubereiten. Außerdem richten wir an Einzelne wie an Jnnnnae«, Genohenfchaften und sonstige gewerbliche Vereine, unter Hinweis auf dir im Aufruf enthaltenen näheren Bestimmungen, da- Ersuchen, dnrch Zeichnung z« de« uSthtgen Earautte-Lapttale daS Unternehmen ermöglichen zu helfen und den Beweis zu liefern, daß die Hebung unsere- KunsigewerbcS den Gewerbetreibenden wirklich a« Herze« liegt. In unserem Bureau (Reukirchhof Nr. lö) werden Zeichnungen gern entgegengenommen. Leipzig, den 2. Juni 1878. Die Äewerdekamwer. Otto Klemm, Herzog, ftellvenr. Vorsitzender. Secr. Bekanntmachung. Die vön unS zur Submission ausgeschriebene Pflasterung verschiedener FußwegüHergänge ist vergeben und werden daher die unberücksichtigt gebliebenen Herren Submittenten hiermtt ihrer Offerten entlasten. Leipzig, am 28. Mai 1678. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georg». Wangemann. Kuschverpachtung. Die die-iährige Kirschnutzung auf der Mockauer Straffe, vom Magdeburg-Leipziger Bahnübergänge bis zur Flurgrenre der Pehscher Mark, sowie auf der Ltndenaucr ikhauffee soll an den Meistbietend,,, gegen sofortige baare Zahlung mit Vorbehalt der Auswabl unter de» Luttanten verpachtet werden. Es haben sich darauf Reflectirende Freitag den 7. -. M., Vormittags lv Uhr. in der Marslall-Expedition einzufinden, ihre Gebote zu thun und sodann weiterer Nachricht sich zu gewärtigen. Leipzig, den 1. Juni 1878. Des Raths Etratzenbau-Deputation. Leipzig, 1. Juni. Die Strammheit und Wachsamkeit, mit der jetzt überall in Deutschland von den Behörden gegen die Ausschreitungen der Socialdemokratie vergegangen wird, giebt Denjenigen Recht, die mit unS den Erlaß eine« Ausnahmegesetze- be kämpften, da die bestehende reguläre Gesetzgebung hinlängliche Handhaben zur Abwehr solcher Aus schreitungen darbiete, die nur ausgiebiger ange- wendet zu werden brauchen, alS bisher. Wir sind mit diesem Vorgehen vollkommen einverstanden, in sofern dasselbe sich streng auf dem Boden de- Ge setze- hält, warnen aber auS denselben Gründen, a»< denen wir jenes Ausnahmegesetz verwarfen, vor polizeilichen Ausschreitungen und Willküruiaß- regeln. Wer daS Gesetz und seine Träger zu ver höhnen wagt, den treffe unnachsichtig die strafende Hand de- Gesetze-; aber man begegne nicht der Ausschreitung von unten mit Ausschreitung von oben, der Gesetzwidrigkeit nicht mit Gesetzwidrig keit. Man führe den Kampf auf Grund des Ge setzes und bis an die Grenze deS gesetzlich Zu lässigen — wie Herr v. Bennigsen rieth, nicht ober bis zur Grenze des Möglichen — wie Herr von Eulenburg mit einem kühnen Sprunge den BollmachtSbries de- liberalen Sprechers übersetzte. Denn wie sehr müßte die Autorität der Behörden und daS Rechtsbewußtsein des Volkes leiden, wenn hier so, dort anders, heute stärkste, in drei Mo naten schon schwächer vorgegangen würde, wenn die Entscheidungen der angerufenen Gerichte oder der oberen Behörden etwaige Uebereilungen der unteren immer und immer wieder corrigiren over cassiren würden! Darum eile man mit Weile und wahre ohne Leidenschaft, mit nüchterner Festigkeit, mit ruhiger Energie, mit Stetigkeit und Eonseqnenz die Majestät deS Ge setze«. Consequenz, Nachhaltigkeit, zähe Ausdauer swd die Hauptsache. Von der Heftigkeit einer stoß weisen Aclion, die freilich bequemer ist, erwarten wir kein Heil. Ein kranke- Glied läßt sich wohl mit einem Ruck beseitigen, eine Krankheit aber, die tief im BolkSkörper sitzt, verlangt einen längeren HeilungSproceß, eine gründliche, geduldige, unver drossene Wartung. Auch vergesse man über den äußeren Maßregeln nicht deren innerer. Sinn und nzeMchen Zweck, der darin besteht, durch Be sntigung der demagogischen Wühlereien und Auf wiegeleien ernstgemeinten Bestrebungen für das Wohl der arbeitenden Elasten, der positiven Neformarbeit Raum zu «schaffen. Der Repression »che ein vorbeugende« Schaffen, der Abwehr von Ausschreitungen ein redliche- Bemühen der Gesetz gebung und de« Bürgerthun,« zur Seite, weiteren Ausschreitungen den Boden zu entziehen. Man hat gesagt, daß man an die unteren Elasten nicht heran könne, da die Hetzblätter und Hetzprediger, die allein da- Ohr des Volke- hätten, hindernd Zwischen stünden. Jetzt wird diesen Stören meden hoffentlich das Handwerk gelegt werden, MeS Hinderniß wird wegfallen, und es gilt nun. °ie emtretende Ruhe auszunuhen, mit Kraft und Milde einzugreifen, die verwirrten und verirrten -emüther zurecht zu leiten, die Fürsorge für da« Bohl der unteren Schichten nach allen Richtungen h» in die Hand zu nehmen und den socialen Mieden wiederherzuskllen. Der Mittel, hierzu zu belangen, sind vielerlei; aber da- allererste Er- sorderniß ist der gute Wille , hoffen wir, daß es »«nm nicht fehlen werde. Nur so werden Staat »0 Bürgerthum der Socialdemol atie dauernd Hm werden könne«. Zur inneren Lage bringt die „Norddeutsche Allgem. Zeitung" die überraschende Mittheilung, daß in ministeriellen Kreisen die Frage angeregt worden sei, ob die Mehrheitsbeschlüsse de- Reichs tag- bezüglich der Vorbereitungen für eine Steuer reform »md insbesondere die Haltung der Reichs- tagSmehrheit in der socialistifchen Frage es ange- eigt erscheinen lassen, daß das preußische Nlnisteri um seine Entlassung und die Bildung eines neuen EabinetS au- den Elementen der ReichStag-majorität beantrage. Von irgend wel cher anderen Seite hat bi-her Derartiges au- , ministeriellen Kreisen" nicht verlautet; die Be stätigung der Nachricht muß also dahingestellt blei ben. Die ^Nordd. Allg. Zeitung" legt von ihrem „conservati»»" Standpunkte aus Verwahrung da gegen ein, daß man die gegenwärtige Situation zu constitutionellen Experimenten benutze, deren Kosten daS Land auf politischem und wohl auch auf wirth- schaftlichem Gebiete zu tragen haben würde, ganz abgesehen von der Frage, ob die in dieser Hinsicht noch unerprobte Maschinerie de- neuen deutschen Reiches stark genug ist, um ohne Bruch die Span nung solcher Experimente zu tragen." Wie be dächtig — so erwidert die „N.-L E." — ist doch daS deutschconservativ-gouvernementale Organ über Nacht geworden! Kaum eine Woche ist darüber vergangen, daß es das „konstitutionelle Experiment" der Auslösung de- Reichstags für eine selbstver- stündliche Folge der Ablehnung der Golialistenvor« läge hielt. Damals schien also die Maschinerie des Reiche« stark genug zu fein! Freilich, die Mei- nung von dem eventuellen Ausfall gerade diefes Erperiments hat sich bei der „N. A. Z." inzwischen gewaltig geändert. -» der voriaen Woche noch sollte der Sturmwind de« BouTunwillens die „nationalliberalen Pygmäen" hinwegfegen, so daß ihre Spur nicht mehr zu erkennen wäre. Heute olaubt die „N. A. Z ", daß eine Auflösung des Reichstags im gegenwärtigen Momente die „conser- vativen" Elemente zwar stärken, ihnen aber nicht die Majorität verschaffen würde. Statt der prahleri schen Zuversicht auf eine unbedingt gouvernementale Mehrheit, welche das Blatt in den letzten Mona ten zur Schau getragen, hören wir heute die kleinmüthige und ängstliche Beweisführung, daß die nationalliberale Partei ihrerseits im Falle der Auflösung e« wohl schwerltch bi- zur absoluten Majorität bringen und deshalb auch in Zukunft noch auf die Coalition mit anderen Parteien an- gewiesen sein würde. Die „Pygmäen" sind also nach wie vor doch immer noch ein Factor, mit welchem gar sehr gerechnet werden muß. Nach den „zahlreichen Kundgebungen", von denen die „N. A. Z." noch vor vier Tagen zu erzählen wußte, hätte man daS freilich nicht erwarten sollen. — Der ganze Artikel de« aouvernementalen BlatteS muthet un« an wie ein Spiegelbild der schlimmen Verlegenheit, in welche sich die Regierung nach dem wenig trostreichen Verlaufe der parlamentarischen Saison versetzt sieht. Freude wird kein patriotisch gesinnter Mann an diesem Bilde haben; aber der nationalliberalen Partei kann es Niemand ver argen, wenn sie nach den Vorgängen de- letzten WinterS den Dingen heute „kühl bi- an- Herz hinan" gegenüber steht. Ihre Loosung kann eoen nur sein: abwarten! Nur muß da- gegen protestirt werden, wenn jetzt in der aouvernementalen Presse die Beschuldigung er hoben wird, daß da« frühere ersprießliche Verhält« niß zwischen der Regierung und der national liberalen Partei durch die Schuld der letzteren gelöst worden sei. Schon seit Jahren haben die parlamentarischen Redner der Partei darauf auf merksam gemacht, daß ohne vorherige Verstän digung über die Grundlagen de- gesetzgeberischen Vorgehens ein fruchtbares Zusammenwirken auf die Dauer unmöglich sein werde. Diese Mahnung hat man indeß nicht hören «ollen; in der letzten Session wurde ihre Mißachtung förmlich zum System erhoben. Damit rst Alles gesagt. Tazesgeschichtliche Übersicht. Leipzig, I. Juni Die Gerüchte von einem Rücktritt de- Fürsten Bismarck, welche unmittelbar nach der entschei denden Abstimmung im Reichstage hier und da aus tauchten, sind wieder verstummt, weil Jedermann die Ueberzeugung hegt, daß im gegenwärtigen Augenblicke, wo die Aussicht aus eine friedliche Lösung der englisch-russischen Verwickelungen näher gerückt erscheint, der Kanzler für Deutschland nicht zu entbehren ist. Nichts desto weniger bleibt eö Lhatsache, daß die Familie des Fürsten ihn nach wie vor bestürmt, auS Rücksichten auf seine Ge sundheit den aufreibenden AmtSgeschäften Valet zu sagen, und mit Unterstützung der Aerzte hofft ,,e ihn zu bewegen, daß er wenigsten- nach Be endigung deS Congreffe« einen unbestimmten Urlaub nimmt. Die „Post" beantwortet in ihrem Leitartikel die Frage: „Warum Fürst BiSmarck den Cultur- kampf begann und beginnen mußte?" dahin, PiuS IX. habe, seitdem er sich den Jesuiten ergeben, aus der k»rchl«ch-rcligiösen Frage eine politiscye ge schaffen. DaS Blatt kommt dann namentlich auf die Zustände in der Provinz Posen zu sprechen, wo 1848 die Bevölkerung zum politischen Zweck in die Kirche gerufen und an einem Sonntage in den Kirchen die Revolution gepredigt wurde. Go sind die von der Geistlichkett am Rhein und in Westfalen in Gerne gesetzten Wallfahrten, so sind Marpingen unh die Mutter-Gotte- Elscheimmgen, wie letztere im gegenwärtigen Moment i« der Provinz Posen wieder auftauchen, nur dir Mhler, um zu sehen, wie weit sich die Masse« noch der Autorität der Geistlichkeit in.Gehorsam fügen; eine Berechnung, die wohl i» der Provinz Posen, wo sie durch die nationale Frage mit getragen, ihr Resultat haben,aber unter der intelligenteren deutschen Bevölkerung am Rhein weniger Anklang finden konnte. Diese Zustände in der Provinz Posen waren der Regierung seit Jahren bekannt. Sie kehrten periodisch, namentlich alS Nachzittern jede» revolutionären Gebühren» im AuSlande, wieder, wurden unterdrückt, blieben aus ihren Herd einge schränkt und wurden fast »ls eme provinzielle An- gelegenheit behandelt, die da- andere große Ganze nicht erheblich berührte. Ein ganz anderes Mo ment aber trat ein, als der Erzbischof LedochowSki unter der MaSke eine- glauben-vollen, sich von der Politik fern haltenden Katholiken die Agitation in die angrenzenden Provinzen — Schlesien und Preußen — tragen wollte. Dieses war der Augenblick, der dem Scharfblick de- Reichskanzlers nicht entging, und. sem ganzes Gewicht dieser drohenden Gefahr gegenüber in die Wagschale werfend und den Kamps auf der ganzen Linie ausnehmend, gelang eS ihm, wie er vor berge- sagt, den Gegner in eine fruchtlose Offensive der ruhigen Defensiv« der Regierung gegenüber zu bringen. Au» dem Borhergesaaten wolle man entnehmen, daß der ganze Kampf der Ultromon tanen gegen den Staat noch mit vollster Kraft ge führt wird, daß die Polen in ihm einzig und allein die W ederherstellung de» jKönigreich-, die Ultra montanen aller Länder die Demüthigung de» pro lestantischen Deutschlands erhoffen. Ekel erregend sind dem gegenüber die Aeußerungen orthodoxer Protestanten; man lege dem Culturkamps eine viel zu große Wichtigkeit bei; man solle ihn fallen lasten und sich versöhnen. AlS ein nationale- Unglück würde eS anzusehen sein, wenn in diesem Kampfe der hockbesähigte, muthvoll erstarkte, allgemein ver ehrte Minister Falk beseitigt und die Entscheidung in dieser hochpolitischen Frage in die Hände gewiß hochachtbarer, aber in politischen Dingen erfahrungtz- und urtheilSloser Aanzelredner oder zopftrockner Theologen gelegt würde. AuS GoSlar, 28. Mai, wird berichtet: Sobald die Nachricht bekannt wurde, daß gegen 4 Uhr der CultuSminister vr. Falk hier eintreffen würde, drängte sofort die ganze Stadt in reichem Flaggen- schmuck. Auf dem Bahnhose nahmen den Herrn Minister, welcher von seiner Gattin begleitet wurde, der Bürgermeister, der Vertreter der Bürgerschaft, Lar.ddrvjl v. Pilgrim, Geheimrath Mittelvach und Schulrath Hcckcrmann in Empfang. Se. Ercellcnz stieg im Hotel „Kaiser Worth" ad und besichtigte in, Laufe de- Nachmittags die Alterthümer und Kirchen der Stadt. Allgemein war die Freude, den verehrten Mann in unserer Stadt zu wiffen, und allseitig wurde der Wunsch ausgesprochen, dem Herrn CultuSminister durch eine Ovation die Ver ehrung und Dankbarkeit zu bekunden, welche ihm von weiten Kreisen gewidmet wird. Trotzdem vie Zeit bi« zum Abend nur noch kurz war, gelang eS doch verschiedenen Herren, unter denen der Ober förster Rcuß durch besonderen Eifer sich auS- zeichnete, die Vorbereitung zu einem Fackelzuge zu Stande zu bringen. Derselbe fand denn 9 Uhr Abend« statt und war so glänzend, wie er wohl niemals in Goslar gesehen ist. Es war eine Be theiligung au- allen Schichten der Bevölkerung; augenscheinlich hatte nur die Hingebung für den verehrten Mann die Einwohner zu dieser Kund gebung veranlaßt. Die Deputation, welche von Veiten der Bürger an den Herrn CultuSminister abgrsandt wurde, ist von demselben höchst freund lich empfangen worden. Derselbe hat seine herzliche Freude über den unerwarteten Empfang in GoSlar wiederholt ausgedrückt. Nachdem dem Herrn Mi nister ein begeistertes dreifache- Hoch, welche- er dankend mit einem Hoch aus die Stadt GoSlar er widerte, ausgebracht war, ging die versammelte Menge auseinander. Zur großen Freude und all gemeinen Ueberraschung erschien der Minister noch am späten Abend im Rathskeller, wo sich ein großer Theil der Bürgerschaft versammelt hat. Ueber die Anwendung der Gesetze gegen die Socialdemokratie schreibt die LaSker'sche „Ber liner Autographirte Corresponvenz": In der Debatte über den „Gesetzentwurf zur Abwehr socialdemo- kratischer Ausschreitungen" ist an die Regierungen von verschiedenen Seiten die Aufforderung gerichtet worden, zunächst die bestehenden Gesetze gegen diese Ausschreitungen in ganzer Strenge anzuwenden. ES braucht nicht erst eine Verwahrung dagegen eingelegt zu werden, daß durch diese Aufforderung in keiner Weise Gleichgültigkeit gegen etwaige Ueberschrci- tungen der gesetzucben Befugnisse von Seiten der Behörden bekundet oder wohl gar eine Aufmunte rung zu solchen ertheilt werden sollte. Eine solche Unterstellung würde geradezu eine Beleidigung ein« schließen sowohl derjenigen Abgeordneten, von welchen jene Aufforderung auSging, wie anderer- seit« der Regierungen, denen dadurch die Neigung zu einem Zuwiderhandeln gegen die Gesetze zuge- traut würde. Die Gesetze gegen den Mißbrauch des Verein-- und Versammlung-recht- und de« Rechte- der Freien Meinungsäußerung sind er-
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