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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806040
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780604
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780604
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-06
- Tag1878-06-04
- Monat1878-06
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1878
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Üh:87s MnLiiz r gelb ü ^ sngtt Erfthebtt täglich früh 6'/, Uhr. »»««— »ad «wedttto, JodanuiSgasie »S. Aw»A->»de» »er »rdacltoa: vormittag« ,0—12 Uhr. «-»»Mag« 4—« Uhr. der für die nächft- Nummer bestimmte» a» Vochnttage» bis Wr «achmittaaS. an Sonn- «» »eftta^n früh bi«'/.» Uhr. »u »e, FttUUr, st» Ott» Me««. UmverfitLt«-r. »2, rE Sbfche.lkatharmenstr. l-.P- «r ch« U»r. UchMr.Sägeblatt Anzeiger. Organ für Politik, Lvcalgcfchichtc, HaadelS- und GkschästSvnkehr. A«fl«ße 15»LOG. Ldo>»rin,»»»»rri« viertelt- mct. Brmaerloh» b Mt, durch die Post bezog«» « VN. Jede einzeln« Nummer 2» Pf. Belegexemplar 10 M. Gebühren sür Extrabeilagen »hne Postbejürdernu- SS VN «tt Postbefvrdernng 4b Lik Iaserate Lgesp. Petitzeil« 20 Pi Größer« Schrift«, laut nuferem PreiSverzeichniß — LadeLariswer Satz nach höhere» Tarif Lecl«ne» m»ter de» RebarNaaagrNt di« Spallzeil« 40 Pf. Juferat« find stet« a» d. L«u«»iit»o zu senden. — Rabatt wird mcht gegeben. Aahlsng pr»a»n»«aauch, oder durch Postvorfchrch. iesiqe >,« 1241 ) —174^ be». u.! >«-15^ l. Br^ !8-14ü^ ) Qual« 14—M, »4—1«0^ ez. u. Vi^ i'/. ohne Junl-Zb l.bOXll , niedrig eh! -ir. l 1 27 l, Roqar»! -iband, ttl den drei »qau unij irtal,87 Die von kann - 13 Pr f De Stal >rco »l Ns I1.K« Y mit lg, Laduox Ladun» irden duft düngen Närz. De oar Leipii, l und,3» > Ladungegl öugau ok« >rt; fern«! on Zwickul enbach i.LI Glau- Altcheam rau 124! ide . b°t »! , Erlanar Lichten'klll Älttndurgl 20, Zackau 2, Scbwnw hmölln 827, ^ ^ ,55. Dienstag den 4. Juni 1878. 72. Jahrgang. Bekanntmachung. Am Anschluß an unsere Bekanntmachung vom 12. März Ifd. I«., neue KSater-Ll»ftt-A«la«en betr., ^ dringen wir zur öffentlichen Kenntniß, daß wir bi- auf Weiteres neben den Systemen ^Tüdern" und »riebrtch" auch daS unS von Herrn Uoberl Kutscher hier vorgelegte System einer DeSrnfectiouS- und MrungSanlage für Elosets und Gruben zu»ulasfen beschlossen haben. Leidig, den 28. Mai 1878. Ter «att ber Stabt Letpjt,. vr. Georgi. Kretschmer. Kirschvervachtung. gegen sofornge baar« Zahlung m«t Vorbehalt der Auswahl unler den Llcttanten verpachtet werden. ES haben sich darauf Rrflectirende Krettag be» 7. b. KK.» vormittags IS Uhr, in der Marstall-Expedition einzusinden, ihre Gebot« zu thun und sodann weiterer Nachricht sich zu gewärtigen. .«lbr. > Hamburg b Hambuq uni. b Dessau. « Magdebur»! > deS Sind nR.Auigk, mahme da Antwerpen Pt. .Hungari»'! Ue Morgm itischen Lol pitain Lcß, weite- » Ma, von wn 12 Uhr „Eelüc" ist rossen: i» >il-Dampfer nstown d« New--)»rk; liikuwedltp: bia (3v./b.) nipser,F)al- llar zweite Attentat ms de« Kaiser. Da- Unglaubliche ist geschehen. Daß Maß der Schande schien bereits voll zu sein, als jener Hödel, dar aller Achtung vor der Majestät und dem Gesetze, aller Scheu vor dem Alter ledig, alle Religion und Sitte und alle- menschliche Gefühl mit Füßen tretend, die Mordwaffe erhob gegen da« erwählte, in aller Welt aeebrte, von seinem Bolle geliebte Oberhaupt de« Reiche«. Aber nein! noch ein zweiter Elender hat sich gefunden, der, sich einen Deutschen nennend, dem Bater deS Bolle- auflauert, ihn meuchlings anfällt, ihn, den Enumdachzigjährigen, dessen Tage ohnehin gezählt sind und der noch Keinem wissentlich wehe gethan, grausam verwundet und, indem er den deutschen Boden mit edlem Blute röthet, den Namen Deutsch land- mit Schande bedeckt. Ist e- nicht eine Schande, daß unser Kaiser, der selbst den Feinden Achtung abrang und in Frankreich, mitten in der Kuth eine- verzweifelten Nationalkrieges, Überall ruhig sein Haupt hinlegen durfte, in Deutschland selbst nicht mehr seine- Leben- sicher ist, in Deutsch- ümd, da- ihm so theuer ist, das er emporaericbtet hat mit allen seinen Kräften, für das er fein Leb tag gearbeitet und gestritten hat, dem er voran gezogen ist in Leid und Freud'? Schon daS Hödel'sche Attentat deckte die Herzlosigkeit und ftmtchcit, die verbrecherische Tollheit auf, der gewisie Schichten unseres Volke- verfallen sind; «merhin konnte man sich noch mit dem Gedanken lrüfteu, daß je« Thal ans der untersten Heft der Kation hervorgegangen, daß sie der Bubenstreich ei«- verlumpten Bummler- gewesen war. Ander- die Lhat diese- neuen „Attentäter» Sr. Maj. de- Kaiser»"; sie beweist, daß Entartung und Ver lotterung» rohe Zügellosigkeit und jene- widerliche Gemisch von Wahnsinn und Berbrecherthum, welche« die nihilistischen und kommunistischen Be strebungen kennzeichnet, auch schon die besseren (Hassen unsere- Bolle- anzustecken beginnt. Da drängt sich denn allerdings stärker noch alS ba nste «al die Krage hervor: ist ein Volk, da von den Freiheiten, die ihm geworden, einen so auSschweisenden und thörichten Gebrauch macht, da- kurz nach einander zwei solcher Prachtexemplare anszeigt, ist daS wohl reif zur Freiheit ? ist es ihrer Werth? Heute, unter dem Eindrücke deS schrecklich« Ereianiffe«, wollen wir an unS halten, diese Frage zu beantworten; leicht könnte sonst die Antwort verneinend auSsallen. Heute wollen wir nur, dem Drange unseres HerzenS folgend, der gütigen Vorsehung danken, daß sie unS das Schlimmste erspart, daß sie das theure Leben be greifen Führer- uns erhalten, und wir wollen ge loben, daß diese schwere Prüfung nicht ohne tief eingreifende Lehre an unS vorübergchen soll. Dem Kaiser aber wünschen wir aus innerster Seele, daß er recht bald mit erneuter Kraft in die Mitte seine- Volke- und zu seiner Arbeit zurückkchren möge, die allezeit dem Wohle seines Volke» ge furcht war und nun von Bubenhand so schnöde belohnt werden sollte. Unser Kaiser Wilhelm Iche hoch! Nach dem Bericht eine» Augenzeugen meldet die ,Post": Seine Majestät fuhr, vom Palais kommend, die Südseite der Linden langsam entlang, »kein,' im Wagen sitzend. Au- dem Hause Nummer 18, wo sich früher da- Landvogt'sche Restaurant (jetzt Bnsch'sche») besand, wurden auS dem zweiten Stock a»s Ge. Majestät 2 Schüsse abgefeuert, von denen du erste Se. Majestät an der Backe traf, so daß dieselbe sofort heftig blutete. Der Zäger sprang »o« Bock in den Wagen und umfaßte den Kaiser. Der Wagen drehte sofort um nach der anderen Seite der Linden und fuhr im Schritt nach dem Palai» znrvck Unmittelbar nach dem ersten Schufte wurde an zweiter aus den Kaiser abgefeuert, welcher am Bein entlang ging. Mit einem dritten Schufte sill sich der Attentäter selbst verwundet haben md im Sterben liegen. — Um >/,3 Uhr trat Graf Perponcher ans die Rampe de- Kaiserlichen Palat in,» theilte den dort versammelten Ofsicieren und Tadelten mit, daß Seine Majestät 3 Wunden er halten; einen Streifschuß an der linken Schläft über dem Auge, von Schrotkörnern herrührend, emen zweiten Schuß an der Wange und einen dritten an der Hand. Er gab der fieberhaft er regten Menge die beruhigende Versicherung, daß der Zustand de- Kaiser» nicht leben-aesährlich sei Die ersten ärztlichen Autoritäten Berlin-, Langen- deck und Wilm» an der Spitze, sind sofort an da- Bett Sr. Majestät geeilt. Sämmtlicbe Botschafter und Gesandten begaben sich» die «eisten zu Fuß, andere in Droschken, die sie aus der Straße aus- gegriffen, nach dem Palais, um daselbst Erkundi- zungen einzuzuziehen. — Eine ungeheure Menschen menge durchwogt in grenzenloser Aufregung und Erbitterung die Linden. Än allen Mienen spiegelt ich Abscheu und Wuth Uder die entsetzliche Un- that. Man sieht überall thränende Augen, verweinte Gesichter. Ueberall hört man bange fragen, unheilvolle Gerüchte durchschwirren die ?uft, aber die Versicherung de- Grafen Per- poncber Uberhebt un« vorläufig der scbwer- sten Besorgniß. — Am höchsten ist die Wuth der Bevölkerung gestiegen dort, wo die Masse sich in dichtem Knäuel vor dem Hause de- Frevel-, unter den Linden 18, angestauet hat. Berittene Schutzleute halten den Eingang besetzt und haben Mühe den Ansturm der Menge zu wehren, welche unter Wuthgeschrei den Frevler fordert, der oben gefesselt liegt. Man erfährt, daß Derselbe sich bei seinem Wirthe, Namen« Levi, alS ein vr. Nobiling auSgeaeben hat. — Nach einem anderen sonderbaren Gerücht, da- von dem am PalaiS des Kaisers dicnfttbuenden Wachtmeister stammt, sollte Derselbe ein höherer Beamter, Ge heimer Rath, sein (vgl. jedoch unten). Der Frevler feuerte au- einem Fenster der zweiten Etage auS einem doppelläufigen Gewehr und Revolver — beide Waffen wurden in dem Zimmer ausgefunden — vier SchUfte auf den kaiserlichen Wagen ab, von denen drei den Kaiser und der vierte einen Passanten trafen. — Criminalcommiftar Wollschina war einer der ersten in dem Hause, welches den Schauplatz dieser ungeheuerlichen That bildete. Eine große Anzahl höherer Ossiciere, weist von der Artillerie, warm da» Hau- gedrungen, um den Frevler fest zu nehmen. Nach einer Viertelstunde erschien Einer am Fenster, von welchen, aus die Mordge- schofle auf daS theuere Haupt de- Kaisers ge flogen, theilte der Menge mit, daß die Verletzungen d«S Kaisers nur leichte seien, und brachte ein Hoch auf Se. Majestät auS, in welch«- die Menge viel tausendstimmig einsiel. Kurze Zeit daraus erschien ein zweiter Ossicier, welcher der Menge ein Dop pelgewehr und einen Revolver zeigte, die in dem Zimmer de- Verbrechers gefunden waren. — Vor dem PalaiS de- Kaiser- Herrschte eine bange, dumpfe Stille. Wie eine Mauer harrte dat Publicum in lautloser Rübe weiterer Nachrichten. — SanitälSrath vr. Kränket hat Unter den Linden im Wagen den ersten Verband angelegt. Der vierte Schuß traf den Pächter des früheren Landvogl'scben LocalS, Herrn Busch, in daS Gesicht. — Um 3'/, Uhr kam ein Oberst der berittenen Schutz Mannschaft. Dann wurde unter starker EScorle, die den Verbrecher kaum vor der Wuth der Menge schützen konnte, Derselbe in einem grünen Wagen nach der Mittelstraße tranSportirt. — vr. Nobi ling kam vor etwa 4 Wochen auS Halle nach Ber lin und bewarb sich um eine Staatsstellung ,m landwirthschaftlichen Ministerium, welches Gesuch jedoch abgeschlagen wurde. DaS „Deutsche Mtg-bl." giebt folgenden Bericht Ein zweites Attentat auf den Kaiser ist heute Nachmittag zwei Uhr zehn Minuten auSgeübt worden, als Derselbe seine Spazierfahrt nach vem Thiergarten unternahm. Die That geschah Unter den Linden. Au- dem Hause Nr. 18 dortselbs (Restaurant Busch) feuerte vom zweiten Stoc heran» vom Fenster über den Balcon ein junger elegant gekleideter Mann zwei Schüsse ab, dieselben haben den Kaiser in die linke Wange und die linke Schulter getroffen. Der Kaiser wurde leichenblaß und lehnte sich zurück; der Diener sprang hinzu stützte den Kaiser und hielt demselben das Taschen tuch an die stark blutende Wange Die kaiserliche Equipage kehrte sofort inS Palais zurück. Der Thäter machte nach dem Abfcuern der Schafte einen Selbstmordversuch und soll auch auf den Restau rateur Busch einen Schuß abgefeuert haben Dieser war am Hal» - und Rockkragen von Blut überströmt, al» er von einem Polizei lieutenant im Hause Nr. l8 vernommen wurde. — Der Tbäter ist ein vr. Nobiling vom land wirthscbaftlichen Institute in Halle, der kürzlic eine Anstellung im lanvwirthschaftlichen Ministerium hier nachgesucht hat, aber abschläaig beschieden wurde. — Nach Mittheilung de- Kammerherin v. Senden hat der Kaiser an dreißig Schrotkvrner in Haupt und Scbultern sitzen. Vis jetzt sind dem Kaiser fünf Schrotkörner au- dem Gesich und drei Schrotkörner au« der linken Schulter gezogen worden. Der Kaiser nahm nach einer Viertelstunde auf Verordnung des Arzte- eine Tafte starken Thee». E« sind die Aerzte vr. Lauer Wilm», Langenbeck rc. beim Kaiser. Sofort nac; Leipzig, den 1. Juni 1878. dem Attentat erschienen im Palai-: General AlvenSleben v., Herr v. Oubril, General Reutern, der Chef der Admiralität v. Stosch, inanzminister Hobrecht, der türkische Botschafter, Iustizminister Leonhardt. Hundcrttausende um- agern da« Palai-in tiefem, bedrücktem Schweigen, j« wurde sogar der verständige Wunsch laut: „Laßt unS auseinander gehen, denn unser Kaiser bedarf der Ruhe." Eine unbeschreibliche Aufregung und Wuth »emächtigte sich de- Volke-, al- der schwerverwundete Mörder um 2 Uhr 20 Minuten im Polizeiwagen auS dem Hotel Busch nach der Charit- gebracht wurde. Die Polizei mußte vorsichtshalber den Wagen in den Flur de« Hause« Unter den Linden Nr. 18 einfahren lassen. Bei der Abfahrt wollte man den Wagen Umstürzen und den Attentäter ieinigen; fast wäre dieser Act der Bolksjustiz ge angen, wenn nicht die Schutzmannschaft zu Pferde mit eigener Lebensgefahr die Andränaenden zurück geworfen und den Wagen eScortirt hätte. — Nach trag. Unmittelbar nach dem Attentat stürzten einige Ossiciere und der Hotelbesitzer Holtftuer vom finden Hotel in da« im »weiten Stockwerk belegene Zimmer, welches vr. Nobiling schon seit vier Wochen inne hatte. Sie erbrachen die festver- rammelte Thür und wurden mit einem Revolver- chuß empfangen, der den Hotelbesitzer Holtfeuer ins Kinn traf, so daß er blutend zusammensank. E»n Ulanenofficier entwaffnet« aber sofort den At- ent äter. Bei dem Ringen um die Waffe entlud sich der Revolver noch einmal und traf Nobiling—nach dieser Version — mit einem Streifschuß. Dtab-arzt Vr. Krüger wnrd« sofort gerufen, um dem Verwun deten die erste Hülfe zu leisten. Der Schaß auf den Kaiser erfolgte nicht mit dem Revolver, sondern mit einer Flinte, deren Tragriemen von einigen Vorübergehenden, wie sie nachträglich versichern, schon kurze Zeit vor dem Attentat am Fenster bemerkt worden sein soll. Der Schuß er folgte auS dem sechsten Fenster de» zweiten Stocks. Eine schlecht gekleidete Kran, welche sich unten befand, soll anscheinend ein Signal nach oben gegeben haben, als der Kaiser sich näherte, kurz darauf erfolgte der Schuß; die Frau soll, wie eS heißt, verhaftet worden sein. — Der Attentäter heißt Karl E. Nobiling, will Schriftsteller sein und will al« solcher längere Zeit in DreSden gewohnt haben, wo er publicistisch lhätig gewesen sein soll. DaS Zimmer, da« er be wohnt, war einfach möblirt. Nobiling ist ein kleiner, untersetzter Mann mit einem rothen vollen Backen bart, der sehr struppig auSsah. Er schien unge fähr 30 Jahre alt zu sein. Er gehört weder dc« landwirthschasilichen Ministerium, noch dem Statisti schen Bureau an, wie man anfänglich annahm. Justiz-Rath vr. Horwitz, welcher dem ersten Ver hör anwohnte, fragte den Mörder, ob er wirklich die Absicht gehabt, Se. Majestät zu tödten. Nobiling bejahte einfach diese Frage und gab späterhin auf alle Fragen nur ausweichende Antworten, welche aus den Frager den Eindruck machten, alS ob ber Gefragte die Situation insoweit überschaue, um mit seiner Antwort zurückhaltend zu sein. Die Frage, ob er heute »u Mittag ge geften, verneinte er, antwortete aber auch nicht aus die weitere Frage, wann er überhaupt zuletzt gegessen. In einem Schubfach seiner Eommoke fand sich ein nur zu einem Drittel angeschnittene« Brod, eine Quantität Butter und vier rohe Eier. In einem andern Schubfack besand sich eine an sehnliche Menge Wäsche in sauberem Zustande, aber mit fremden Initialen gezeichnet. In einem verschlossenen Bücherreposilörium befindet sich eine stattliche Sammlung gutaebundener schön- wiftenschastlicher und technologischer Werke. Die einzige Zeitung, welche der Attentäter gehalten hal, ist d,e „Germania", welche in einem ansehn lichen Stoße wohlgeordnet bi- auf die neueste Zeit aus dem Bücverrepositorium lag. Desgleichen eine aus die EentrumSpartei bezügliche Broschüre und das erste Hest dc- Jahrgang- 1877 der „Land- wirthschafllichen Jahrbücher", herau-geaeben von NalhusiuS und Thiel, enthaltend einen Beitrag deS Attentäters: „Beiträge »ur Geschichte der Land- wirthschast de- Saattreise- der Provinz Sachsen von Karl E Nobiling." DaS Hau- Unter den Linden Nr. 18 bot unmittelbar nach dem Attentat einen seltsamen Anblick dar. Dichtgedrängt standen die Mafien vor der Thür und eben so nn Hause und auf den Treppen, welche mit vielfachen Blut spuren bedeckt waren, her,Ührend von dem ver wundeten HauSwirth. Noch unheimlicher war der Anblick, den das Zimmer selbst gewährte. Dasselbe war an vielen Stellen mit Blut b. fleckt. Unmittelbar vor dem rechten Fenster, Ke« «aths Gtraheuhau-Deputatt»». wo Nobiling die Schußwaffe auf sich abge drückt hatte, war eine große Blutlache mit zum Theil bereit- geronnenem Blute. Nobiling stand in der linken, nach der Thür zu gelegenen Ecke de- Zimmer-, die Hände auf dem Rücken mit Stricken zusammen gebunden, der Kopf mit Blut überströmt, namentlich war die rechte Seite und zumeist in der Schläfengegend, die eine starke Ge- chwulst zeigte, mit zum Theil schon geronnenem Blute bedeckt. Der Crnninalcommiftair Schuchardt eitete unter Assistenz einiger Ossiciere und anderer Personen, welche unmittelbar nach der That zugegen gewesen waren, da-Verfahren in soweit, alS es bei dr, augenblicklich herrschenden Verwirrung der Au-sagen möglich war. Eine silberne Cylinderuhr Nobiling'«, die ihm gleich abgenommen wurde, lag auf dem Tisch. Die Wasfensammlung. welche Nobiling zur Zeit der Ausführung der That besaß und sich in einem Spinde de» Zimmer- befunden hatte, war geradezu erstaunlich: zwei Revolver, eine Dreyse'sche hoch elegante Revolverbüchse und ein scharfgeschlissenes dolchartige- Messer, sowie ausreichende Munition. Nach und nach hatten sich Staatsanwalt Teften- dorff, dem sich vom königl. PalaiS aus Iustizrath vr. Horwitz langeschloften hatte, Geheimratb v. Hertzberg, PollzeiratH Pick und Minister Graf Botho Eutenburg eingefunden. Mitten in dcr liefen Bestürzung, von welcher die Anwesenden er griffen waren, brachte die Nachricht des Kammer herrn v. Prillwitz, daß der Zustand Sr. Majestät zu keinen ernsten Besorgnissen Veranlassung gebe, tieft und freudigste Bewegung hervor. Der Doctordlfsertation de-Attentäter- ist folgen der Lebenslauf zu entnehmen: Am 10. April deS vielbewegtrn Jahre- 1848 er blickte ich an der königlichen Domaine Kollno bei Birnbaum in der Provinz Posen, deren Pächter mein Bater war, daS Licht der Welt. Den ersten Unter richt erhielt ich von einigen Hauslehrern, von denen ich mich namentlich dem letzten, dem damaligen Ean- didaten der Philologie, Herrn Fiiedrich Liepe, dessen Grundsatz bei der Erziehung eS war, seine Zöglinge nicht nur möglichst vielseitig in wissenschaftlicher Be ziehung auszubilden, sondern sie eben so sehr auch für das spätere praktische Leben vorzubereitcn, zu besonderem Danke verpflichtet fühle. Dasselbe Princip, „non ,e<t vil»e^ war da« leitende auf dem königlichen Pädagogium zu Kül- lichau, welches ich darauf besuchte und dessen fünf oberste Claften: Ober-Tertia, Unter- und Ober- Secunda, Unter- und Ober-Prima in 4'/, Jahren, von Ostern 1883 bis Michaelis 1887 durchmachte. Nach rurückgelegter Schule widmete ich mich zunächst drei Jahre der praktischen Landwirthschaft, studirte darauf während drei Semester von Michaeli- 1870 bis Ostern 1872 Etaatswissenschasten und Landwirth- schaft in Halle a. S , ging nochmals zwei Jabre »n die Praxis zurück, theilS auch auf mehr monatliche Reisen, um eine größere Anzahl Wtrth- schäften, industrielle Etablissement- verschiedener Art rc. kennen zu lernen. Von Ostern 1874 bis Ostern 187b studirte ich alsdann nochmals dieselben vorberge- nannten Fächer in Halle a. S. und von da ab da- 8., 7. und gegenwärtige 8. Semester an hiesiger Leipziger Universität. Leipzig, im Mai 187«. Karl E. Nobiling. Nachdem er da- Doctor-Examen gemacht, kam Nobilrng vor etwa zwei Jahren nach Berlin. Er hat sich seitdem vergeblich bemüht, Stellung zu finden, hat auch kurze Zeit beim Geheimrath Engel im Statistischen Bureau gearbeitet und sich, wie er Herrn Lankcs-Oekonomierath Thiel erklärte, seit etwa acht Wochen aus die Schriststellcrei ge worfen. Nach den Aussagen desselben Herrn machte er den Eindruck eine- in seinem Fache bewan derten, sonst aber geistig nicht hervorragenden Menschen. Da- königliche Polizeipräsidium hat folgende Bekanntmachung erlassen: Als Se. Majestät der Kaiser heute gegen 3 Uhr die Straße Unter den Linden vassirten, sielen anl der nveiten Etage deS Hause- Unter den Linden 18 zwei Schüfte, durch welche Ge. Majestät mehrfach getroffen wurden. Der Thäter ist der vr. l>!>il. und Landwirth Karl Eduard Nobiling, am 10. April 1848 Kolno bei Birnbaum geboren, seit zwei Jahren in Berlin und seit Januar d. I. Unter den Linden 18 wohn haft. Derselbe wurde unmittelbar nach der That er griffen und befindet sich in Haft. Die zwei Schöffe auf Se. Majestät sind von ihm auS dem Fenster de rweilen Stock- auS einem mit Schrot geladenen Doppelgewehr abgeaeben worden Be» seiner Ver haftung brachte er sich, nachdem er mit einem bereit liegenden Revolver auf die in sein Zimmer ein dringenden Personen geschossen und davei eine der selben verwundet hatte, durch einen zweiten Schuß eine schwer« Verwundung am Kopfe be». — Robilmg ist der That geständig, schweigt aber hartnäckig über die Motive, die ihn zu derselben veranlaßt haben. — Se. Majestät der Kaiser ist nach dem auSgegebenen Bulletin im Gesicht, am Kopf, an beiden Armen und
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