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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806064
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780606
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780606
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Paginierfehler: S. 3003 statt S. 3030
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-06
- Tag1878-06-06
- Monat1878-06
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1878
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lk 1/1 7« Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ne»«tt», »n» G«»e»Üt«, JohamrisHaffe S5. >Mrchst»»tr, »n »«»«11«,: Vormittag» 10-12 Uhr. Nachmittag« 4—« Uhr. »r der für die nächst- Normer bestimmten «» Wochentage« dis Lnch mittags, an Loun- »d Festtngen frii-bis'/.» M»r. H, »«, Bttat«, flk >,s. Lmmtz««: Otto Kirmm. UntverfitLtSstr. 22, SontS Läschr.-atharmeustr. 18,p. «er dt« '/^ Uhr. UchMtr TaMM Anzeiger. .i° in. OiM für Politik, Localzcschichte, Handels- und GcschästSvcrkchr. Donnerstag den 6. Juni 1878. «»fl,ge IS.SVV. Xt>»„r»k,«»orA, viertelt. 4V, M. incl. Prinaerlob« b Ml., durch dir Pvfi bezog«» « Ml. Jede einzctu« Nummer 25 Pf. Belege,emplar 10 Pt- Gebühren für Epradeilagrn ohne Postbrsvrdrrung oü Ml. mit PostbesVrderung 45 Mt Zvfrratr 5gesp Petitzeile 2V Pf trübere Schriften laut nuferem PreiSverzochniß. — Tadrllavlcher Satz «ach höherem Darss Rrct«»,« »vier »nn Rr»«tt»»»ßrtch dir tzvaltzril« 40 Pf. Inserate find stets au d. »ivetttio« zu smden. — Rabatt wird nicht gegeben Aahlunapr»«mu»i»e»v<1«. oder durch Postvoffchutz. 72. Jahrgang Bekanntmachung. « u. 0. L w O.pl/1 78 m.O.pl/477 w O.Pl/l 78 im.Ooef fp.1774 w.(7.pl/I7» im.6a»s!, ^ jp.l/175 Im Anschluß an unsere Bekanntmachung vom 13. März Ifd. IS., neue Saler-Tl»set-*nlagen bctr., idnngrn wir zur öffentlichen Kenntniß, daß wir bis auf Weiteres neben den Svstemen »,Tüdern" und I »riedrtch" auch daS unS von Herrn Lodert Kutscher bier vorgelegte Svftem einer DesmfectionS- und IßmungSanIage für ElosetS und Truden zuzulaffen beschloffen haben. Leipzig, den 38. Mai 1878. Der L-ttz der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Kretschmer. Erst als der Prinz von Preußen unter dem Namen Prinz-Regent die Regierung übernahm, wurden die Kammern einberufen. Zn vereinigter Sitzung gaben beide Häuser deS Landtage- der bezüglichen Gesetzesvorlage ihre Zustimmung und der Prinz von Preußen leistete vor den Mitgliedern beider Häuser den Eid auf die Verfassung. Wir schließen hieran folgende ossiciöse Notiz des „Fremdenblattes": ,Der Kaifer hat wiederholt geäußert, daß eS in feinem Wunsche liege, die Geschäfte keinen Augen blick stocken zu lasten, weshalb man stündlich dem Zusammentritt de- Ministeriums und der Ueber- nahme der vorläufigen Regentschaft seitens des Kronprinzen entgegen sieht. Erft dann werden zeitgemäße Maßregeln zur Ausführung kommen." In Betreff der Untersuchung Über daS Attentat dringt der „Reichs-4lnz." folgende Millheilungen: „Der Verbrecher vr. Nobiling be findet sich seit Sonntag Abend noch immer in bewußtlosem Zustande, so daß eine weitere Ver nehmung nicht hat stattfinden können. Sein Zu stand giebt heute der Möglichkeit Raum, daß er feinem irdischen Richter nicht durch den Tod werde entzogen werden." Nach einer der „Post" zuge gangenen Notiz ist heute Nachmittq gegen 2'/« Uhr von dem Geheimen Medicinalrath Prof. 1)r. Lunan, dem Medicinalrath I)r. Wolfs, dem Geheimen Medicinalrath I)r. WilmS und dem Sanitätörath I)r. Lewin an dem Attentäter die Operation voll zogen worden." — Die N Pr. Ztg " schreibt: „Wie man hört, ist die Sicherhettsbehörde außerordent lich thätig, um etwaigen Mitvcrschworenen deS Verbrechers auf die Spur zu kommen. So war bekannt geworden, daß Nobeling mit einer öffent lichen Dirne Beziehungen unterhielt, und bei dieser fanden, alS sie gestern von ihrer Wohnung ab wesend war, Nachsuchungen statt, die möglichenfalls nicht ergebnißloS gewesen sind. Aus einer mit Be schlag belegten Photographie ist vielleicht einer Persönlichkeit nahe zu kommen, auf welcher der Verdacht intimeren Verkehrs mit Nobiling ruht. Daß ein förmliches Complot bestanden hat oder noch besteht, scheint zweifellos zu sein. Man forscht bezüglich etwaiger Complicen deS vr. No- dillng auch nach telegraphischen Correspondcnzen desselben." lieber den Zustand deS Attentäters theilt man der „Nat.-Ztg." unterm DienSlag Folgende- mit: Der Attentäter lebt noch; doch liegt er nach AuSspruch der Aerzte in vollständiger Lethargie da. Die ihn beobachtenden Criminalbeamten wollen bemerken, daß er einzelne lichte Momente hat, Antworten aus an ihn gerichtete Fragen giebt er aber nicht. — Geradezu erfunden ist die Nachricht, daß Nobiling am Sonntag Nachmittag mit seinen Ettern und seiner Schwester, welche Pflegerin im Das Mental. Unseren Lesern geht eS gewiß ebenso wie uns selbst. Die Gedanken an daS schreckliche und fluch würdige Ereigniß vom 2. Juni wollen uns nicht «iß dem Sinne; sie verdrängen jedes andere Interesse, und indem wir mit brennender Ungeduld >Üe Nachrichten durchfliegen, die unS von dem Be- !ü»den unsere- geliebten Kaiser«, von dem Verlaufe, * 6. Ittn Ursachen und Folgen des elenden Mordversuches stände geben, steigt unsere Aufregung, unser Schmerz md Zorn, und wir finden noch nicht die Ruhe a restlicher Prüfung und Erwägung der Schritte. wir nun zu thun haben, um — wie sich unsere entrüsteten Brüder in Alexandrien in ihrem Bei- jltidS-Telegramm ausdrücken — die Brut zu ersticken, solche Ausgeburten hervorbringt! Auch beute wollen wir daher noch mit unserem Unheil zuriickhalten, vielmehr im Studium der Acten, in ' einfachen Berichterstattung, die an sich laut ergreifend genug spricht, fortsahren. Heber daS Befinden de- Kaisers geht der M.-Ztg." die Mittheilung zu, daß der ja immer- srhr ernste KrankhcitSrustand der Befürchtung Lebensgefahr keinen Raum giebt, da die Aerzte ielmehr nach wie vor hoffnungsvoll dem günstigen »gange entgegensetzen. Am Dienstag Vormittag l Uhr erfolgte (wie bereit- mitgetheilt) die Um- ckUng de- Kaisers. Um die vorgedachle Stunde ud auch eine Erneuerung de- Verbandes statt. Aerzte waren von dem Zustand der Wunden rechten Unterarm durchaus befriedigt. Die seitigung der Geschwulst und die Vermeidung Umstandes, daß die Achselgegend iu Mitleiden- st gezogen werde, ist jetzt ihre Hauptsorge. : Krästezustand de- Kaiser- ist eifreulicher ise gehoben. Wie von Seiten der Aerzte der mgebung de- Kaisers mitgetheilt worden, würde ch nach 8 oder 10 Tagen erst überhaupt waS Bestimmtere- über den Verlauf der ankheit seststellen lasten. Bemerkt sei übrigens, ß sich nachträglich auch herausgestellt hat, daß Büch-flinte/ mit welcher der Attentäter schoß, mit Rehposten geladen war, welche in den >lm einschlugen. — Der „N. Pr. Z." ist folgende ittheiluna zugegangen: „Das Befinden Sr. Ma- ät de- Kaisers ist auch heute fortschreitend ein pichst günstige«. Da mit dem heutigen Vor tlage der für solche Fälle kritische dritte Tag der Verwundung beginnt, so wird einem igen Eintreten von Wundfieber mit natür- c Sorge entgeaengesehen. Se. Majestät liegt uernd sehr snll und genießt der absolutesten he. Selbst von den Mitgliedern deS königlichen uses hat der Monarch nur die Kaiserin und die au Großherzogin von Baden gestern und den onprinzen und dessen Gemahlin heute Vormittag ige Minuten gesehen." S Berlin, 5. Juni, Morgen- 6 Uhr 50 Min. :d gemeldet: „Der Kaiser hatte die Nacht t geschlafen. Das Allgemeinbefinden ist be- iedigend." von maßgebender Seite erhält da- „gremdenbl." ^ende verlässige Nachrichten: DaS Befinden des fers ist Gott sei Dank ein über Erwarten e«, wenngleich der Monarch durch da« Liegen wenig angegriffen ist. Besorgniß ist nur der »wunde allein wegen da. Alle Mittheilungen, weiter gehen, gar jene, die da behaupten, man iliche dem Publicum die wahre Sachlage «d M» f»be ärztlicherseits den Kronprinzen dahin »gt", daß schlimmsten Falle- die Amputation Arme- nothwendig fein werde, sind ver- 6. Mrslich« Erfindungen. Die Stimmung de- Kaisers ewe anhaltend gute. 'ie Meinuna, daß auf persönlichen Wunsch de- k Mer« der Kronprinz die provisorische hrung der Staat-geschäste bi< zur ugenesung de- Kaisers übernehmen werde, nt an Bestand. ES ist erklärlich, daß die tzlaat-ministerium in Vorschlag zu bringenden eaeln bei dem jetzigen Zustande des Kaiser« vanction nicht unterbreitet werden können, dürste der Kronprinz in Stellvertretung Kaiser- diesen Act der vom StaatSministe- voraeschlagenen Maßregeln zuvörderst voll- Eine Einberufung de- Landtag- ist einer bloßen Stellvertretung nicht durch die , v. W^uug geboten, sondern erst bei Uebernahme ^ M Negrntscdast für den Monarchen. Al« der Kaffer in seiner Eigenschaft als Prinz von m die Stellvertretung für den kranken Friedrich Wilhelm IV. übernahm, wurde e ohne die vorherige Zustimmung de- Land- bvn Vierteljahr zu Vierteljahr verlängert. Quittung und Dank. Bon Frau Lina verw. Lustig geb. Schlesinger, als Erbin ihres am 23. April d. I. verftorbenrn Ehegatten, deS Herrn Israel Wilhelm Lustig hier, ist unS beute ein Geschenk in Höh« von Dreitausend Wark zugegangen, über welches wir mit dem Ausdruck wärmsten Dankes quittiren. Leipzig, den b. Juni 1878. Lte «rmeu-Anftalt. Theodor Wagner, d. Z. Lasfirer. Elisabeth-Krankenhause ist, auf dem Polizei-Bureau in der MMelstraße confrontirt wurde. Der Atten täter ist direct nach der Stadtvoiatei geführt wor den, da man bei seiner schweren Verwundung eine Unterbrechung deS Transportes für nicht thunlich sielt. Die Eltern, die aus ihrer Wohnung Hinder- mstraße 4 nach dem Polizeibureau in der Mittel- lraße sistirt wurden, sind dort vernommen worben und fuhren Beide alsdann nach dem Criminalgericht, wo die Mutter bereit- den Sohn unzurechnungs fähig vorfand. Eine von anderer Seite milge- therlle Unterredung der Mutter mit dem Sohne, in die Staatsanwalt Tessenvors mit einer Frage bezüglich d«S „LoosenS" zur Ausführung deS Atten tat- emgriff, muß alS auf Erfindung beruhend be zeichnet werden. Ueber da- Vorleben Nobiling'S während seine- Aufenthalt- in Berlin, besonder- über die Zeit seine- ersten Aufenthalt- in Berlin im Jahre 1870 gehen der „Nat.-Ztg." folgende als genau bezeichnete Millheilungen zu, welche ergeben, baß Nobiling zu jener Zeit keine revolutionären Be strebungen, geschweige denn Attentatsgedanken ge habt hat: In der zweiten Hälfte de- Juni 1876 wandte sich Nobiling von Leipzig auS brirslich an den Geheimen Ober-RegierungSrach vr. Engel, Direktor des königl. preußischen statistischen Bureau, mit der Anfraae, »b er in diesem Bureau Verwendung finden könne. Auf die Veranlassung des Geh. Rath- Engel sandte er sodann seine Universitäts-Zeugnisse, die Zeugnisse über seine praktisch« Thätigkeit alS WirtlsichastS-Jnspector und ein cueneulum viise ein. In letzterem hob er dasselbe hervor, wa- in dem seine Doctordrffertation begleitenden Lebenslauf" erwähnt ist, außerdem aber auch, daß snne Doctor-Arbeit von den censrrenden Prosefloren Roscher und Blomeyer günstig beurtheilt worden sei. Da sämwtlich« Zeugnisse des Nobiling, also auch di« über seine praktische Thätigkeit, durch weg günstig lauteten, so wurde Nobiling vom Geh. Rath Engel am 11. Juli 187« aufgefordert, zunächst al- Bolontair in daS statistische Bureau im August ein zutreten. Nobiling kam etwa am 35. Juli 1878 hier an und bezog am 38. Juli bei der Dittw« Köhler, Kochstraße 41, ein möblirtes Zimmer, nicht weit also vom Tienstgebäude deS statistischen Bureau in der Lindenstraße. Als N. dem Direktor Engel sich persönlich vorstellte, erzählte er, daß er sein Doctor- Examen gemacht habe, daß aber daS Diplom chm nicht eher auSgehändigt werde, bis er d,e Disser tation entweder im Buchhandel veröffentlicht oder in einer größeren Anzahl von gedruckten Exemplaren der Facultät in Leipzig zugeschickt habe; er bäte des halb den Gebeimerath, die Dissertation in seinen „Statistischen Jahrbüchern" zu veröffentlichen, da ihm die Mittel zur Zahlung der Truckkosten fehlten. Engel sah daS Manuskript an und gab eS nach einigen Tagen dem N. zurück, weil eS sich nicht für die „Jahrbücher" eignete; nach seinem Erachten war es e»ne fleißige, aber wenig werthvolle Arbeit. Am 3. August 187« trat Nobiling als Volontair in daS statistische Bureau ein und einige Tage darauf wurde ihm vom Director eine größere Arbeit übertragen, welche er jedoch so mangelhaft erledigte, daß Geheimer Rath Engel den unmittelbaren Vor gesetzten deS N. aufforderte, demselben einen Wink zu geben, wieder auS dem Bureau zu treten, da schon die erste Arbeit die Unzulänglichkeit der wissenschaft lichen Befähigung des N. für die Arbeiten des sta tistischen Bureau evident ergab. N. forderte auch seinen Abschied, der ihm vom Director sofort be willigt wurde und am 31. August 187« erfolgte. Der Geheime Rath Enael schildert Nobilnlg nach den E »drücken, welche sein Auftreten und Verkehr wäh rend jener Zeit -emacht haoen, alS einen einfachen, ruhiqen, energielosen Menschen, von dem man weder politische Verbrechen noch überhaupt Bestrebungen, die üoer daS Niveau deS Alltäglichen oesonderS hinaus- gingen, erwarten konnte. Er schien ein Mensch zu sein, wie hunderttausend andere, welche sich nach der Absolvirung ihrer Studien bemühten, eine ruhige Lebensstellung zu erlangen. — N. privatisirte sodann und bemühte sich, seine Dissertation in einer Zeit schrift unterzubrinaen, was ihm auch bei den von Nathusius und Thiel herausgegebenen „Lanüwirth- schaftlicben Jahrbüchern" gelang. Am 13. Septbr. 187« zog N. von Frau Köhler auS und bezocj ein möblirteS Zimmer bei dem Schuhmachermeister Wob- schall in der Schützenstraße 88, 8 Treppen, mit der Erklärung, daß er mitten im Monat von seiner früheren Wirtlnn habe auSziehen muffen, unter Zah lung der vollen Monatsmiethe, da er in Erfahrung gebracht habe, daß dieselbe gemeine Frauenspersonen bei sich aufnäbme und er länger nicht in solcher Ge meinschaft wohnen wolle. Die bereits gestern ver nommene Frau Wobschall gietzt dem N. daS Zeugniß, daß er während deS etwa 7 wöchentlichen Aufenthalte- bei ihr sich sehr solide und ruhig ausgeführt habe. Besuche habe er fast gar nicht erhalten, nur emmal sei sem Bruder, ein Lieutenant, während einiger Tage besuchsweise bet ihm gewesen; er selbst sei fast immer frühzeitig am Abend nach Hause gekommen. Die Miethe habe er ihr stets pünktlich bezahlt; im Ucbngen aber spaisam geletzt. Von den TageSblättern habe er den „Staats anzeiger" und die damals erscheinende „Ehezritung" gehalten, und es scheint nach seinen Aeußerungen, daß er gern eine reiche Partie machen wollte. Weder wurden bei ihm Mordwaffen noch sonstige verdächtige Sachen gesehen. Im Oktober 187« erhielt er auS Leipzig sein Doctordiplom, nachdem er einige Exem plare von seinem inzwischen gedruckten Aussatze an die philosophische Facultät in Leipzig geschickt hatte. Gegen Ende Oktober 1878 theilte Nobtlma seiner Wirldin mit. daß er in Dresden, im königlich sächsisch statistischen Bureau, eine Anstellung er halten habe, und reiste am 36. October 187« nach Dresden, woselbst er bis zum October 1877 blieb. Nach Berlin zurückgekehrt, bezog er am S. October 1877 «in möblirtes Zimmer in der Leivzigerstraße und am 3. Januar 1878 ein Zimmer Unter den Linden. Etwa 8 Wochen vor dem Attentat besuchte Nobiling wiederum den Geh. Rath Engel, mit der Anfrage, ob er bei den gegenwärtigen landwirthschaft- l,ch>ftatist»schen Arbeiten vorübergehend beschäftigt werden könnte. AlS Engel dies wegen Uebcrfluß an Arbeitskräften ablehnte, brach N. die Unterredung ab, verbeugte sich und ging ab. Die Unterredung dauerte etwa I'/, Minute, sie wurde stehend abgemacht und N. zeigte dabei ein entschiedenere- Benehmen alS vor Jahr und Tag. Seitdem hat Geh. Rath Engel von N. nichts wieder erfahren. Ueber die Familien-Berhältnisse de« Ro tz il in g schreibt die in Neustettin erscheinende „Norddeutsche Presse": „Wie wir aus Privalquelle erfahren, war Nobiling'S Vater königlicher Amlö- rath, zwei seiner Schwestern find an Gutsbesitzer verheiralhet, zwei seiner Brüder noch jetzt Osficiere in der preußischen Armee. Einer derselben war Lehrer am Tabellen Hause und der Centralturn anstalt uud wurde zum Generalstab commanbirt. Ein dritter Bruder war Osficier nn 49 Regiment, mußte aber au- finanziellen Gründen seinen Ab schied nehmen, lernte dann in Berlin den Prinzen Hassan von Aegypten kennen und begleitete den Letzteren nach dessen Heimath, wo er auch die Be kanntschaft des Khedive machte." Die „N. Pr. Z.' ergänzt diese Mittheilung dahin, daß die beiden ersterwähnten Brüder des vr. Karl Nobiling de« 4. posenschen Infanterie - Regiments Nr. 49, bez. dem 3. hannoverschen Infanterie-Regimente Nr. 7S angehören; ersterer Bruder ist bereits Premier- Lieutenant und mit dem Eisernen Kreuze ausge zeichnet." Nach dem Hödel'schen Attentat hat Nobiling aus die Aeußerung de-Dienstmädchen-: „Ja, Herr Doctor, wenn der Kaiser erschossen wird, so kommt ja der Kronprinz an die Reche," geantwortet: „Nun, so schießt man immer zu — so Zehne nach einander — dann haben wir die Republik." Das Mädchen dachte damals, da» sei bloS im Scherz gesagt und gemeint. Die Wirthin, Frau L-, fragte vor Kurzem daS Mädchen, wie eS komme, daß der im Zimmer Nobiling'S befindliche Wasierkübel stets so unsauber schwarz auSsehe. DaS Mädchen er klärte die- damit, daß der Herr Doctor jede«, selbst daS kleinste beschriebene Papier und aucd jeden Brief sofort anzünde und im brennenden Zustande in den Wasierkübel rverfe. Von zuverlässiger Seite erhält die „Magdeb Ztg." aus Berlin folgende Mittheiluna: Der Attentäter Nobiling hat nur im allerersten Anfang des Verhör- vernünftig und deutlich geantwortet. Zuerst aus Tessendorff'S Fragen (noch an Ort und Stelle der Verhaftung in seinem Zimmer), dann aus Luck'S Fragen (auf der Criminal- polizei am Molkenmarkt). Hier waren zunächst beim Verhör anwesend Tcssendorff, Luck, ». Bülow (der für- auswärtige Amt sich Notizen n,achte) und später auch Gras Eulenburg. Erst später kam der Untersuchungsrichter Johl. AlS dieser kam, begannen schon die verworrenen Antworten des Attentäter- und da- Schwinde« seiner ver standSkräfte. Auch alS seine Mutter anlangte, war es schon mit dem klaren Bewußtsein vorbei. Die Aerzte drängten gleich in die anwesenden Staats anwälte, mit dem verhör sofort zu beginnen und sich zu beeilen, wenn sie etwas heraüsbekommen wollten, denn der Kerl könne wohl in einer Stnnde schon sterben. Demgemäß wurden die vorge- schriebenen Formalitäten auch nicht peinlich beachtet, und man begann, wie gesagt, sofort den Atten täter auSzusragen, der sich, so lange er Verstand hatte, höflich und sein benahm. Er hat nun Nar auSgesagt nur, daß er zur Socialdemokratie ge höre und den Kaiser au» politischen Gründen — alS Monarchen — habe erschießen wollen und die längst geplant habe. Al« die Verhandlung auf daS Thema der Mitschuldigen kam, wnrden die Antworten schon verworren. Nobiling sagte ein paar mal: nein (ich habe keine), dann wieder: ja. aber er wolle sie nicht nennen. Dann wieder: er brauche sie auch nicht zu schonen, . . . kurz, man ist Uber das Resultat de- Verhörs in dieser Rich tung durchaus nicht im Klaren. Im Ganzen gehen die Anzeichen dahin, daß Nobiling zu den internationalen Anarchisten gehört, von ihnen Geld bekam, mit Pari-, Gens.' London Verbindungen hatte unv in Uebereinstimmung mit dortigen Führern den Mordversuch vollbracht hat. FQ eine Verschwörung, wonach Andere nach ihm weitere Attentate zu machen sich förmlich vervfllchtet hätten, fehlen, wie e- scheint, die Beweisstücke. Ueber die Scene, die sich beim Eintreffen der Nachricht von dein Attentat in der Familie deS Verbrechers entwickelte, wird dem Berline-- Tageblatt" Folgende« berichtet: Die in der Hin- derftnstraße wohnhaften Eltern Nobiling'S, seine Mutter und ver Stiefvater, saßen am Sonntag Nachmittag beim Kaffee in höchster Seelenruhe und unterhielten sich von gleichgültigen Dingen, alS ein königlicher Wagen mit zwei Herren in Civil und zwei Officieren vorüberjagte und dann in der Roonstraße 3 anhielt. Wenige Minuten später fuhren die Herren init dem Geheimrath Lanaenbeck, der in jenem Hause wohnt, wieder zurück. Herr v. G, Major a. D, der Sties- vater de- Nobiling, der vom Fenster au- die Eilfertigkeit mit angesehen hatte, sagte zu seiner Frau: „Da muß wohl eine hohe Person plötzlich schwer erkrankt sein. Sie haben- mit Geheimrath sehr eilig." Eine halbe Stunde später kam eine Droschke vor da» Hau- gefahren und eine schwarz gekleidete Dame mit todtenbleichem Antlitz stieg au« „Barmherziger Gott, wa« fehlt meiner Tochter!" rief die Mc>j»rin und stürzte der Kom menden schon auf der Treppe entgegen. (Die Tochter ist eine pflegende Schwester in einem hiesigen Hospital.) Sie bat im Flüsterton die Mutter, zu schweigen und erst in die Wohnung zu kommen. Hier ließ sie sich erschöpft in «neu
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