Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-06
- Tag1878-06-21
- Monat1878-06
- Jahr1878
-
-
-
3312
-
3313
-
3314
-
3315
-
3316
-
3317
-
3318
-
3319
-
3320
-
3321
-
3322
-
3323
-
3324
-
3325
-
3326
-
3327
-
3328
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1878
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ne»««,, «» tt»»M»» J»ha>un»gafie U. p»erq-»«dni ttr L^artt«»: v»»üULg« >0—ir Uhr. N»ch«Mag« 4—« Uhr. her für die «Lchff- *»»»er hefttmmte» «, »»chntta-n» tt« «»ch»ttt-G«. « So». rstt««e»fAhls'/.VUHr. WpMer und aaclilall H» kr» FiU^e, fik I^Z»»«tzme: Ött» Me»«. UatverfitLttstr. 22, H«t« Lösche. Lathari»«-r. 18.P. mn bi» '/^ UM. Anzeiger. Organ für Politik, Localgrschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anfluge IL.LVO. LK»»»r»t,t»rrN vtertckj. 4V.VS, mct. Bnnaertoha s AL. durch di« Post b«-»ßM « VN. Jede emzeln« Rümmer 2» Vf. Belegexemplar 1» Vf Sebüdreu für Extrabeilage» »h«r PostbefVrdenmg SS VN. «tt Postbefvrderuug tb VN Zastratr Saesp. Pctitzeil« 20 Vf. Vr-tzrrr Schriften laut unsere« PreiSverzrichnitz. — Tadelt arffch« Satz nach HSderrm Tarif NectmaeR »Mer de« »edaettaneßNt dt« Spaltzrile 40 Pf. Inserate find stet« au d. Eamdttt»» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben Zahüma^raanummanä, r dnrch Po' »der hostvarschuß. I7L. Kreitag den 2l. Juni 1878. 72. Jahrgang. Im Anschluß an die von dem betreffenden Somit« veröffentlichte Bitte am Beiträge für hie Hin- terBttebenen her ans he» Panzerschiff „«ratzer »«rsörft" vernnglücklen erklären w»r und gern be reit. Beiträge in unserer -ttst«a,Sbuchtz«tterei (»attztzauS 1. «tage) entgegenzunehmen Leipzig, den 1L. Juni 1878. »er «ath her Stahl Leipzig. vr. Tröndlin. Bekanntmachung. Wegen nothwendiger Ufer« und Brückenbauten an der Harkortstraße und an Lurgenstein'S Garten wird der Blerkknmühlgraben dicht unterhalb de- Kirsch wehre- allhier von Mitte August d. I. ab auf ca. 6 Wochen abgeschlagen werden. Indem wir diese- zur öffentlichen Kenntniß bringen, fordern wir die Adjacenten hierdurch auf, daß sie innerhalb der obigen Zeit, so weit ihre Grundstücke reichen, da- Flußbett biS zu besten Mitte gehörig räumen und die etwa nöthigen, ihnen obliegenden Bauten und Reparaturen an Ufern, Brücken und dergl. auS- führen lasten, widngenfallS die Räumung und bez. die Bauten und Reparaturen auf ihre Kosten von Obng- keit-wegen ausgeführt werden würden. Leipzig, am 17. Juni 1678. Der «ath her Stahl Leipzig. vr. Tröndlin. Wangemann. Bekanntmachung. Di« AuSmufteruagS- und Srsatzreservescheiue II. «lasse der in diesem Jahre hier gemusterten Mannschaften find eingegangen und liegen auf unserm Quartreramte, RathhanS 2. Etage, zum Abholen bereit, was hiermit zur Kenntnißnahme der Betheiligten gebracht wird. Leipzig, am 13. Juni 1878. Der «ath der Stahl Leipzig. vr. Tröndlin. Lamprecbt. Bekanntmachung. Die im Laufe de- Jahres 184S mit Leichen Erwachsener, sowie die im Jahr« 1848 mit Laichen von Sinhern besetzten Gräber auf den hiesigen Friedhöfen kommen im gegenwärtigen Jahre zum Verfall. Ser »ath »er Statzt Leipzig. vr Tröndlin. Wangemann. Leipzig, am 18. Juni 1878. Bekanntmachung. die liebenen Die von un- zur Submission au-geschriebene Reu- de». Umpflafterung der Berliner Straße, sowie Lieferung der Granitschwellen für dieselbe ist vergeben und werden daher die unberücksichtigt geblieb« Herren Submittenten hiermit ihrer Offerten entlasten. Leipzig, am 18. Juni 1878. Der «ath her Stahl Leipzig. ^ " ngemann. »zig. vr. Tröndlin. War Bekanntmachung. Wasteranlagen In Gemäßheit von 8.1 der Instruction für die Au-führungen von Wasserleitungen und B in Privatgrundftücken vom 7. Juli 1865 bringen wir hierdurch zur öffentlichen Kenntniß, daß der Klempner Herr F. L. Paul, Geschäft-local: Promenadenstraße 8, Wohnung: Dorotheenftraße «—8, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei unS sich angemeldet und den Besitz der erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 18. Juni 1878. Der «ath tzer St«tzt Leipzig. n. Harrt vr. Tröndlii rrrwitz. ZU den Wahlen. Kürzlich bemerkte eine nationalliberale Stimme, die Parole: „Wiederwahl der liber alen Ab» geordneten! könne man nicht auSgeben; ein solches Verlangen wüste sich au- der Menge der Wahlkreise heran- hören lasten. So weit die Nachrichten bis jetzt vorliegen, kann man sagen, daß ziemlich einstimmig von den verschiedensten Gegenden der Ruf erklingt. Vereinzelte Kreise sind wohl vorhanden, in denen ein Theit der Liberalen auS wirthschastlichen Gründen auf andere Candidaten viailirt. So berichtet man au- dem westfälischen Hagen, daß die Schutzzöllner alle Minen springen lasten wollen, um den Frei händler Eugen Richter zu Falle zu bringen. Dem Kreise Bochum ist angeblich sog« h» bekannt« schützzöllnerische früher fortschrittliche Löwe (Calbe) noch zu sreihändlerisch und man wünscht ihn durch einen prononcirteren Wirthscbafllich Reactiouairen zu ersetzen; man nennt den Commerzienrath Baare in Bochum. In Lennep-Mettmann wünscht man den kirchlich entschieden freisinnigen nationalliberalen vr. Techow durch einen kirchlichen Mann zu ver treiben. Solche Fälle sind aber ganz vereinzelt. Die Alt-»Neu- und Freiconservalivcn haben sich noch kaum vernehmen tasten Über ihrerseits den bisher von Nationalliberalen besetzten Wahlkreisen vorzuschla gende Candidaten. Dem Fortschritte gegenüber „nd sie hier und da hervorgetreten. Diese letztere Partei zeigt bisher nirgends die Absicht, den Natio nalliberalen in ihren Kreisen Schwierigkeiten zu bereiten, und umgekehrt ist dasselbe der Fall. So verlautet auS Berlin, daß folgende 6 Candidaten aufgestellt werden sollen: Klotz, Virchow, Zelle, Straßmann, Hertz, Saucken-Julienselde. In den drei bisber stark socialistischen Kreisen der Haupt stadt wollen die Christlich-Socialen ihnen Männer ihrer Farbe gegenüberstellen: Stöcker im 6., Pastor Engel in, 4., Maler Bernsdorf im 3. Ob die zur Trennung von Fortschritt und Na tionalliberalen bestimmte Candidatur Falk'- in Berlin aufrecht erhalten wird, steht noch dahin. Da- Centrum wird im Großen und Ganzen die bt-herigen Männer durchzubringen versuchen. Be- merkenSwerth ist, daß vr. Jörg und Ratzinger aus cine Wiederwahl verzichten. Die Socialisten wollen überall, wo sie Anhänger zählen, ihre Leute auf stellen; ihre Kraft wollen sie aber für die Kreise con- ceutriren, wo sieAussichtcn auf Erfolg haben. Natür lich will man überall auch in bisher socialistischen Krei fen Candidaten der Ordnung-Partei ausstellen; außer den schon erwähnten Berliner streifen hört man noch aus folgenden von Männern der letzteren: Reichen bach-Neurode gegen Kapell Era- von den Liberalen, Perponcher-Sevlnitzky von den Conservativen und vr. Franz von den Ultramontanen; Dre-den link- d E. gegen Bebel Schaffrath von den Liberalen, v. Friesen von den Conservativen; Glauchau- Meerane gegen Bracke allerseits Prof. Birnbaum; Solingen gegen Rfttinghausen der Fortschritts- mann Bürgers. Eine Anzahl von Abgeordneten verschiedener Parteien haben erklärt, auf Wieder Wahl verzichten zu wollen. U. A. Dickert if.) Königs borg; Saucken-Tarputschen (f.) Berlin: vr. Holthof (dem.) Frankfurt a. M, an besten Stelle Sonne mann in Aussicht genommen ist; Jordan (n.-l.) Landau; Schmidt (n.-l.) Zweibrücken; Franken burger (s.) Nürnberg. Aus zwei Wahlkreisen nennt man Männer, welche conservativerseits den bisherigen nationalliberalen Abgeordneten entgegen gestellt werden sollen - Freiberg (Sachsen) von Oel- schlägel gegen Penzig, und Naumburg-Zeitz Graf Klemming gegen Rvhland. Liberalerseit» will inan m Wittenberg Siemen- gegen den Conservativen v. Hcllkors ausstellen; in München v. Maffri gegen den Ultra montanen Weftermayer. In Bayern hofft man überdies in Ansbach und Gunzenhausen, vielleicht in Kitzingen die Ultramontanen zu be siegen. In einem Artikel über die Verantwortung für die Rei chstagsauflösung polemisirt die halbamtliche „Provinzial-Correspondenz" gegen den Wahlaufruf der nationalliberalen Partei. Eigenthümlich genug wendet sie sich dabei weit weniger gegen dieses Manifest selbst, alS egen einzelne Preßstimmen. Die nationalliberale Kartei darf aber, nachdem ihre osficielle Kund gebung vorliegt, wohl verlangen, nur nach dieser, und nicht nach einer irgendwo auS dem Zusam menhänge gerissenen ZeilungSäußerung beurtheilt zu werden. Noch seltsamer aber ist, daß da- Or gan der Regierung gerade diejenige Stelle deS Aufrufs, aus welche eS bei der von ihm gestellten Frage ankommt, gar nicht einmal nntlheill. Diese Stelle lautet: „Wir siuv davon überzeugt, daß auch di« große Mehrheit de- aufgelösten Reich«, tag- hierbei (bei dem Kampfe gegen die Ausschrei tungen der Socialdemokratie) ihre Mitwirkung nicht versagt haben würde, welch« unsere politischen Freunde schon damals anbote», als der Reichstag sich gezwungen sah, da- im letzten Augenblicke vor gelegte Gesetz abzulehnen". Der Grund der Weg lassung dieses Satzes ist freilich nicht schwer zu finden. Die „Prov.-Corresp." versucht nämlich als einen bereits erreichten Erfolg deS von der Reaie- cinen oerens erreicylen «rsotg 0« von der Regie rung gethanen Schrittes ru constatiren, „daß sofort nach eer Auflösung die bisherigen Gegner sich für die „entschlösse»«" Mitwirkung in dem Kampfe gegen die Ausschreitungen der Socialdemokratie erklärt haben". Da ist freilich die Erinnerung an die früher gemachten Anerbietungen recht unbequem. Nicht- desto weniger müssen wir dem Gedächtniß der „Prov.-Corresp." zu Hülfe kommen. Herr v. Bennigsen erklärte am Schluß seiner Rede vom 23. Mai ausdrücklich: „Da- sind im Wesent lichen die Gründe, weshalb »eine Freunde und ich diese Vorlage, sowie sie «st, nicht annehmen können, während wir keineswegs die Tendenz be kämpfen, den socialdemokratischen Aus schreitungen mit Entschiedenheit ent gegenzutreten, im Gegentheil vielmehr glauben, dieselben haben ein solche- Maß erreicht, daß auf dem Boden des gemeinen Recht- durch eine feste Gesetz gebung, verbunden mit einer energischen Handhabung der Gesetze, diesen entgegen- getreten werden muß." Herr v. Bcnmgsen machte al-dann die öfter erwähnten Vo> schlüge betreff- de- Verein-- und Versammlung-recht-, sowie betreff- der Preß- und Strafgesetzgebung und erklärte ausdrücklich die Bereitwilligkeit der nationalliberalen Partei, schon im Herbst zur Berathung entsprechender Regierungsvorlagen zusam menzutreten. Wie kommt angesichts dieser Thatsache da- Organ der Regierung zu der Behauptung, daß die Geg ner de- am 24. Mai abgrlehnten Gesetzentwurfs sich erst nach der Auflösung für die entschlossene Mitwirkung in dem Kampfe gegen die Ausschrei tungen der Secialvemokratie erklärt hätten? Wenn die Verfasser der „Prov.-Corr." von ihrer eigenen Verantwortlichkeit eine so geringe Vorstellung haben, so kann nian sich freilich nicht wundern, wenn sie eS mit der Verantwortlichkeit Anderer womöglich noch leichter nehmen. Wir bedauern, das halbamtliche Organ gleich am Beginne des Wahlkampfs in die Bahn emer solchen Fechtweise einlenken zu sehen. Um so entschiedener aber legen wir Verwahrung dagegen ein, daß aus dieser Babn, wie die „Prov.- Corresp." eS thut, da- „kaiserliche Banner" auf gepflanzt werde. Da- kaiserliche Banner schützt un« Alle; keine Partei, auch keine Regierung hat da- Recht, sich gegen An dersdenkende mit demselben zu decken". ES ist ein gefährliches Beginnen, den Namen de- Staatsoberhauptes in den Kamps der politischen Parteien zu tragen. Dagegen würde .sich die „Prov.-Corr." ein wirkliche- Verdienst erwerben. I wenn sie endlich einmal die „Ziele und Wege" der Regierung, welche das „Volk in seiner großen Mehr heit" angeblich billigt, enthüllen wollte. Sogar die gouvernementale „Nordd. Allg. Ztg." befindet sich über dieselben, wie bereit- erwähnt, in Unklarheit. Die „Frankfurter Zeitung" läßt sich auS Berlin schreiben: „Die Veröffentlichung de- Wahlmani- festeS der nationalliberalen Partei hat sich verzögert; da man sich schriftlich Über so Manche« nicht verständigen konnte, ist die Schluß- redaction dem heute hier zusammengekommenen Central-Au-schuß der Partei Vorbehalten worden." Dem gegenüber erklärt die „N.-L. C", daß der Ausruf ln der Sitzung vom l6. Jnni entstanden sei, und zwar ohne daß über irgend einen wesent lichen Punct eine Meinungsverschiedenheit geherrscht hätte. Die Socialdemokratie befindet sich zur Zeit, soweit sich dies nach ihren Preßorganen beurtheilen läßt, in einer merkwürdig schwankenden Stimmung. Niedergeschlagenheit und freche Drohung wechseln mit einander ab. Dem furchtbar erwachten Zorne de- deutschen Volke- gegenüber klammert man sich an den Mangel jeg lichen Nachweises einer Verbindung Nobiling'S mit den deutschen Socialdemokraten. Aber darauf kommt eö ja gar nicht an. Die schwerwiegende Thatsache ist, daß Hödel sowohl w,e Nobilmg socialistischen Ideen gehulvigt haben, und außer allem Zwefftl steht, daß wenigstens der letztere un mittelbar auS diesem Ibcenkreise heraus sein fluch würdiges Verbrechen begangen hat. Die erdrückende Verantwortung, welche damit auf die ganze socia- listische Agitation fällt, wird auch dadurch nicht abgc- schwächt, daß man, wie die socialbemokratische Presse eS thut, bei beiden Verbrechern eine theilweise Geistes störung annimmt. Wenn eine derartige „Geistes störung" in Folge der socialistischen Wühlereien und Hetzereien epidemisch wird, ist dann die Gefahr minder groß, als wenn die Verbrechen in voller Zurechnungsfähigkeit begangen werden? Die So- ctalvemokralie mag sich drehen und wenden wie sie will, sie wird die Thatsache nicht ungeschehen machen, daß vie beiden Attentate bewiesen haben, wohin diese Art von Agitation führen kann, führen muß. Ihr Centralorgan, der „Vorwärts", gesteht denn auch zu, daß sich die Partei in „gedrängter Lage" befindet, und es hält eine sehr dringenve Ermahnung an die Genosten für nothwendig, welche sich »n Anbetracht der veränderten Lage auS dem Parteiverbande loSlösen möchten. Besonder- erklärt e- Diejenigen, welche einen materiellen Nachihetl zu ertragen im Stande wären, für ver pflichtet, desto treuer zur Fahne zu halten. „Wo sollte Das denn sonst hinan«?" fragt es mit schlecht verhehlter Entrüstung. „Die Rosen hat man mit unS, mit der Partei gepflückt, den Dornen soll man, da sie unzertrennlich von den Rosen sind, nicht zaghaft au« dem Wege gehen." Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, erkennt leicht, daß jene wohlhabenden Gönner, welche sich bislang an der Socialdemokratie eine Art Spielzeug gemacht haben, in letzter Zeit zum mindesten etwa- wankel- müthig geworden sein wüsten. Um so komischer nimmt sich die Versicherung auS, daß „gerade die tüchtigsten Menschen", die „wahrhaft Gebildeten" unter der Fahne der Socialdemokratie marschiren. Prahlerei ist im politischen Leben immer ein Zeichen der Schwäche, der Unsicherheit. Und da- Gleiche gilt von der Drohung. Der „Vorwärts" richtet an die „Ge nossen" in fetter Schrift die Ermahnung: „Laßt Euch durch keine Provokation von der Bahn de- GesetzeS abdrängen! Vorsicht, Besonnenheit! Und die Niederlage der Reaction ist gewiß." Gleich darauf aber richtet er mit sehr verständlicher Drohung an daS Organ der freiconservativen Partei die Frage: „Will e«, wollen seine Patrone ein deutsche- Janigemetzel, eine deutsche Commune? Ja oder nein!" Und weiter reprobucirt er die Bemerkung der „Berliner Freien Presse": „Wir sammeln, um für spätere Fälle genügende« Ma terial zu haben, die Verleumderzeitungen, streichen uns die Namen ihrer verantwortlichen Redacteure besonder- an und rathen unfern Genoffen, ein Gleiches zu thun." Man droht also bereits mit den ProscriptionSlisten der socialistischen Revolution! — W>r ziehen and alledem den Schluß, daß bei den socialdemokratischen Führern da- gewohnte Ver trauen aus einen glänzenden Wahlsieg tief erschüttert ist. Für die Freunde der Ordnung em werlhvoller Fingerzeig! Die Frankfurter Social- demokraten fordern sbre Gegner auf, mit ihnen in eine „vernünftige Discussion über die Princi- pien der Socialdemokratie" einzutreten. Da« «erden die Gegner wohl bleiben lasten. Was „di-cutabel" ist an diesen „Principien" gehört keineswegs der Socialdemokratie an; e« wird in, Parlamente zum AuStrage kommen auch ohne die Herren Bebel, Liebknecht und Genosten. Für den Wahlkamps kommt nur da- Hauptziel der Socialdrmokratie in Frage, der radikale Um sturz der bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Und in dieser Beziehung gilt für unS lediglich die Loofung: Mit dem Todfeinde diScutirt man nicht, man wirst ihn zu Boden! Tagesgeschichtliche Ueberjicht. Leipzig, 20. Juni. Die „Prov.-Corr." saßt den Inhalt der Bulletins der letzten Woche Uber daS Befinden unsere- Kaisers wie folgt zusammen: Die besonderen ärztlichen Berichte meldeten fast täglich einen Schrill zur Besterung. Der Kaiser brachte gewöhnlich den größten Theil des TageS im Lehnstuhl an der ge öffneten Balconlhür sitzend zu und hierdurch, sowie durch meist guten oft ununterbrochenen Schlaf in den Nächten, endlich in Folge zunehmenden Appe tits hob sich das Kräftegesübl des hohen Patienten. Auch die Anschwellung der Wunden nahm langsam ab. Der Bericht vom Dienstag, 18., lautete dahin: „Sowohl in der Heilung der Wunden, als auch in dem Kräftezustand Sr. Majestät dcs Kaiser« und Königs ist wiederum ein erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen." — An diesem Tage durfte auch der Prinz Heinrich der Niederlande, der Bräutigam der Prinzessin Marie, sich bei dem Kaiser persön lich verabschieden. Die „Norddeutsche Allgem. Zeitung" schreibt mit Bezug aus die Verhandlungen über vie Socialisten- vorlage: „Seit Monaten konnte man Attentate vorauSsehe n." „Man" konnte Da-! Wer ist dieser „man" ? Jedenfalls doch wohl nicht die Regierung; denn eS würde sonst unbe- reiflich sein, warum sie in einer ganzen langen eichStag-session von ihrer Beso^aniß absolut Nicht« zu erkennen gegeben hätte. Möge sich also die „R. A. Z." etwa- deutlicher erklären! Die „Berl Freie Presse" schreibt: „Ich rufe Eucb zur Scham!" Diese- wuchtige Wort Marat'S, da- er der im Convent versammelten erbärmlichen Rotte entgegenschleuderte, wem kommt e- nicht in den Sinn, wenn er nachdenkend die Ge schehnisse seit dem II. Mai nochmal- vor seinem Auge vorüberrieben läßt? — Hat wohl je ein Bolk zu irgend einer Zeit so viel Erbärmlichkeit, Heuchelei und Verrobung an den Tag gelegt, alS e- da- deutsche, da- „Bolk der Dichter und Denker" in den wenig Wochen ge- than? Die kurze Zeitspanne hat gezeigt, wie tief ein Bolk, ein Kulturvolk finken kann, wenn sein Charakter durch den Militari-mu- und blutige Kriege verroht, wenn sein« Leidenschaften durch eine käufliche, jealicher Scham bare Presse aufgestachelt und in Bahnen gelenkt worden, dt« zu lenen gähnenden Abgrund führen, au- dem mephttisch« Dünste und mittelalterliche Moder luft empvrsteiuen. Erschreckt erinnert man sich all der lodernden Scheiterhaufen, der Jnquisttion-gerichte, der ritterlichen Burgverließe und „bürgerlichen" Kerker. Man gedenkt schaudernd der Zeiten, wo daS brutalste Faustrecht seine saubere Herrschaft übte."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht