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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187806255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780625
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780625
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-06
- Tag1878-06-25
- Monat1878-06
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1878
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Grscheüst täglich früh SV. Uhr. Art««»» «>» Ge»e»itt», g»h«nn-gaff« »L. »Mkchßimtze» See Rebeclt»»: «»mittag« l»-» Uhr. «achmtttag« 4-« Uhr. der stk die »Lchst- Rm»mer tzesttmmte» «» «Oche»t>,en hi« U«ch»M«g<. «m Gm». -UW«ntft«Hhi<'/.»Uhr. H» be» FUtttr, M rul.->*»ah««: Vtt» «em». rdttmZttätt-r.«. Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Ausluge 1SH0Ö. -bo»r»eM»kr«o viettftj. iucl. Briuq«wh« « Ms. durch die Post bezog« « ML Jede einzeln« Nummer lt Pf. Bel^exrmplar 10 Pf. Uedühr« stk Lxttadetlagen »4«e Postdestrdaung Z« ML «tl P^chefvrderwsg 4L «L Zaftrate Laesp Petüzeü« ro Pf. Größere Schnftto laut auf«rem Pre!6lxr-rlch»iß —Ladellanfchri Satz nach bSherrm Tarif, «ter in» UchacNmußrtch die Spaltzeil« 4« Pf. Inserate stad st«S au d. Gmetzttto» zu senden. — Nabatt wird nicht gegeben Zahlung pr»«»a»«»Läo oder durch Postvorfchutz. 178. Dienstag den 25. Ium 1878. 72. Jahrgang. Tageszrschichtliche Urberficht. Leipzig. L4. Juni.1 Da- Befinden de- Kaiser- ist ein im Allge meinen so befriedigende«, daß der Kronprinz schon am Freitag mit Zustimmung der Aerzte dem Kaiser Über die während der Stellvertretung durchgeführten Maßregeln, namentlich über die Auflösung deS Reichstage-, Bortraa halten und die Ansicht des Kaiser« darüber eiuholen konnte. Ueber die Reise» bestimmungen de-Kaiser- ist Übrigen- noch gar nicht festgesetzt. Die Aerzte beschäftigen sich zwar mit der Frage, wohin sie dem bohen Patienten zu gehen empfehlen wollen; sie sollen indeß bisher nur zn dem negativen Resultate gekommen sein, ihn nach gewissen Badeorten, namentlich nach Te plitz, nicht zu senden. Damit zerfällt auch die von „H. T.-B." gebrachte Nachricht von der beabsichtigten Zu- samenkunft der Kaiser von Oesterreich und Deutsch land in sich selbst. Die „Prov.-Corr." giebt eine Uebersicht der au- Anlaß de-Attentat- an den Kaiser gerichteten Kundgebungen: Zuerst war e- der Telegraph, welcher die Beweise der allseitiqen Theilnahme überbrachte: in den ersten Tagen nach dem 11. Mai stieg die Zahl der Tele gramme auf über 120» und em Gleiche- wiederholte sich in den ersten Julitagen. Auf die telegraphischen Kundgebunqen folgten die mehr oder minder aus führlichen Glückwunschschreiben und Adressen aller Arten, in welchen durchweg die innigste Tyeil- nähme für die Allerhöchste Person und die Berslche rung der Treue und Verehrung neben dem Entsetzen und Abscheu in Bezug auf die ruchlosen Thalen zum Ausdruck gelangte. Mit den Zuschriften und tausend fach ohne jede nähere Angabe gelangten Sendungen von Blumen und anderen sinnigen Gaben in da- Palai- des Kaisers. Die Zahl der Zuschriften hatte das erste Tausend weit überschritten und war, zumal auS fernen Gegen den, noch in steter Zunahme begriffen, als in Folge de- zweiten Verbrechens eine neue noch lebhaftere Bewegung eintral, welche sich in kaum zwei Wochen in mehr als 4600 schriftlichen Kundgebungen be- thätigte. Die Sammlung aller dies» r«ftWM»«e Abreisen aewLhrte in Bezug auf den Ursprung aus den verschiedenen LebrnSkreisen ein höchst mannich- faltige- und interessantes Bild. Bor allen haben die regierenden Fürsten deS deutschen Reiche- und mrt ihnen die Sr. Majestät befreundeten Herrscher auf den europäischen Thronen, sowie die Regierungen der mit dem deutschen Reich« im Berkehr stehenden Staaten sich beeilt, den Kaiser zu beglückwünschen. Neben dem deutschen Bundesratbe haben ferner der russisch« Senat, die beiden Landtag-kammern von Sachsen und andere deutsche Landtage ihre Glückwünsche ein- gesandt. Au- den höchsten Kreisen der Diplomatie, der Aristokratie und deS BeamtenthumS liegen zahl reiche Kundgebungen vor. Generäle, Kommandeure, und Officier-Corps von Regimentern, ferner die großen Beamten-Eollegien, Regierungen, Gerichte, Konsistorien und sonstige Provinzial- und Localbehörden brachten ihre ehrfurchtsvollen Glückwünsche dar. Ihnen haben ncb mU zahlreichen Telegrammen und Adressen die Korporationen der ständischen Selbftver waltu ng. Provinzial- und KreiSausschüffe, stän dische Versammlungen, LanschaftSvorstände rc. ange schloffen. Mit über 1860 Kundgebungen sind sodann Städte und Landgemeinden vertreten, zu zwei Tritt theilen aus Preußen, zu einen, Dritttheil aus dem übrigen Deutschland und dem AuSIande. Woh sämmtliche Residenzstädte deS deutschen Reiches haben ihre Theilnahme in Telegrammen oder Adressen be reust. Letztere sind zum Theil von den Einwohnern keimt mit Unterschriften bedeckt, die sich in einzelnen Fällen zu Tausenden summiren und gewaltige Bände füllen. Im Auslände hat die Kunde von den Attentaten nach den allseitiqen Berichten der deutschen Gesandt schäften ebenfalls Kundgebungen der innigsten Theil- nähme hervorgerufen. Der Lordmayor von London und die Stadt Mailand haben unter den Ersten ihr Beileid direct Sr. Majestät durch Telegramme ausge sprochen. Die deutschen Gemeinden im Ausland« (besonders auch jenseits de- Oceans, sowie in Jeru- Mk» N.) besmden sich in aroßer Kahl unter den «nsender» von Udreßtti. Tuch aus den bedeuten- deren Badeorten find «pressest »r vereinigten Kur gäste eingeganaen. von kau« übersehbarem Umfange ist die Reihe der von Genossenschaften und Vereinen der der- «widmeten Kund- die Krieger-, gervernn«, di« mern r»ken. r den der kentralrath schirdousten Art dem Kaiser gedungen. Besonder- zahlreich Feuerwehr», Gesang«, Turn» und kaufmännischen KorpmHtmm» vertreten. Daneben die Arbeiter theilweise mit zahlreichen Unterst gewerblichen Vereinen unter andern , deutscher Gewerkoereine, der Hamburger Ort-Verein selbstständiger Handwerker. Einzelne dieser Adressen find typographisch glänzend auSgeßattet und künst lerisch verziert. Die deutschen Frauenvereine find auch bei dieser Gelegenheit mit Bttoetsen ihrer treuen Gesinnung nicht zurückgeblieben. Keiler sind zu erwähnen di« Kundgebungen au- kirchliche«, aeistlichen und pädagogischen KwGen, von Bischöfen und Domcapileln (u. A. von Stvaßburg, Breslau, Paffau, Korfu), Provinzial- und Kreissynoden und anderen Versammlungen von Geistlichen in Nord« und Eüddeutschland, von Se- »einde-Kirchenräthen aller Provinzen, Organen der evangelischen Gemeinden in Elsaß-Lothringen, den Brüdergemeinden, Synaaogen-Borftänden,KreiS-Schul inspectoren, Schulanstalten, Lehrerkollegien. Neben Imversitäten (fast alle preußischen, sowie Etraßburg, lZeipng, Rostock, Tübingen) haben 24 Studeuten- chasten ihren Gefühlen der Verehrung in Adressen lluSdruck gegeben und dieselben theilweise (namentlich von Leipzig, Heidelberg, Straßburg und Wien) in geschmackvoller Ausstattung durch ihre gewählten Ber- reter einsenden lassen. Von sonstigen Unterricht-- anstalten, Lehrerconferenzen und Vereinen sind 184 Einsendungen erfolgt, zum Theil mit der Unterschrift aller Schüler der Anstalten. Besonder- zu erwähnen ist die Eingabe deS Pädagogiums zu Züllichau, welches wohl mit Recht m dem Hinblick auf die zahl reichen guten und getreuen Bürger, die eS dem Staate herangebildet hat. einen Trost dafür findet, >aß der Verbrecher Nobiling »u seinen Schülern ge hört hat. Besonders zahlreich find die Freimaurer logen deS In- und Auslandes vertreten. Den Adressen von ganzen Körperschaften schließen sich die von einzelnen Personen in großer Zahl an. In allen Gestaltungen bewegen sich diese Zeugnisse aus Privat kreisen; es ist ein buntes Gemisch von rührenden Schreiben, kräftigen Ansprachen, herzinnigen Ge beten, Glückwünschen und Rathschlägen, ferner in dichterischen und musikalischen Ergüssen, Zeichnungen, Malereien und Photographien. An all diesen Kundgebungen haben sich außer Preußen Nord- und Süddeutschland mit gleichem Eifer betheiligt und auch Elsaß-Lothringen ist mit sehr beachlenswerthen Stimmen in die Bewegung eingetreten. Aber auch das Ausland ist in lebendiger Theilnahme für den deutschen Kaiser nicht zurück geblieben. Ein sehr wesentlicher Theil der Kund- gedungen setzt sich aus Telegrammen und Adreffen von jenseits der deutschen Grenzen zusammen. Am zahlreichsten sind die Stimmen aus Italien, und in ihnen ist auch die italienische Poesie vertreten. Ferner sind auS Oesterreich-Ungarn, Rußland, der Schweiz, auS England, Frankreich, Holland, Luxemburg, Belgien, Schweden, Dänemark, Spanien, der Türkei, aus Egypten, Nord- und Süd-Amerika und den großen Ost Reichen Asiens schätzbare Beweise auf richtiger Theilnahme für den Kaiser eingegangen. Trotz deS officiösen Dementi in der „N. Allg. Ztg." hält der „Haunov. Courier" seine Nachricht von der CabinetSfrage des Fürsten Bismarck im Bunde-rath bei Gelegenheit der Krage der Re ich S- tag-anflvsung aufrecht. jDem erwähnten Blatte wird auS Berlin geschrieben: „Wie in allen in Betracht kommenden Kreisen, am Hofe, im Bun de-rath, im preußischen Staat-Ministerium, gegen das AuflösunaS-Berlangen de- Fürsten BiSmarck schwere Bedenken bestanden, so auch bei der badi schen Regierung, welche im Begriff war, im Bun- de-rath ihr Votum dagegen abgeben zu lasten. Als letztere- hier bekannt wurde, erging nach Karlsruhe an da- dortige Ministerium im Auf träge de- Reichskanzler« die telegraphische Erklä rung, daß er sofort zurücktreten werde, fall- im Bunde-rath auch nur eine Stimme gegen die Auflösung abgegeben »erde. Wie die badische Re» gierung sich zu dieser Pression verhalten hätte, wenn nicht der Congreß unmittelbar vor der Thür stand, kann man nicht wissen — hat Fürst Bis marck sich doch immer mehr von Denen isolirt, welche seit einem Jahrzehnt die Stützen seiner deutschen und inneren Politik waren! Aber wäh rend die Vertreter Europa- hier zur Schlichtung de- orientalisches Streite- erwartet wurden, konnte man e- natürlich nicht darauf ankommen lasten, ob der defignirte Vorsitzende des Congreffes seine so oft verwendete Rücktritt«-Drohung diesmal wahr gemacht hätte, und so gab die badische Regierung nach, jedoch nicht ohne ihre inzwischen auch in der „Karl-ruber Ztg." dargelegte Aussaffurm des Auf lösung-beschluffe- constatirt zu haben. Anderweitig ist seit meiner Mittheilung noch daS Detail in die Presse gelangt, welches von mir absichtlich unter drückt wurde, aber ebenfalls zutreffend ist: daß der Großherzog von Baden sstch hier und in Ueberein- stimmung mit seinem Ministerium befand, salö auf diese- Re erwähnte Pression telegraphisch nach Karlsruhe au-geübt wurde!" Einer beachten-werlhen Zuschrift an die „Magd. Ztg." über Ursachen und Heilung des so cialdemokratischen Uebel- entnehmen wir Folgende-: Die Socialdemokratie ist offenbar eine Volk-krank- heit, und zwar besonder- der längeren, in den lHten Sv Jahren ausgewachsenen Generation. Zur Heilung einer Krankheft ftt aber vor Allem die Erkennimy ihrer Ursachen erforderlich, weshalb ich dieselben zu näcbst Nachweisen will. Lurch di« Eenführung der Raumer'schen Regulative in di« Elementarschulen wurde zunächst der Religions unterricht umgemodelt: die Kinder erhielten eine Sammlung von biblischen Geschichten, von welchen sie wöchentlich «ine au-wen-ia lernen mußten; dieselben strotzten aber von unsittlichen Ausdrücken, welch« den Kindern bi- dahin ganz fremd und unbekannt geblie ben waren; st« erkundigten sich deshalb bei den Eltern nach derBedeutung dieserDLrter, und wenn sie von diesen keine genügende Auskunft erhielten, bei Dienstboten, Gesellrn oder Lehrlingen, bi- sie genügend insormirt waren. Hierdurch wurde nun in da- oiS dabin reine KindeSgemüth der erste Keim der Unsittlichkeit gelegt, der sehr bald üppig ausging und tausendfältige Frucht trug. Außerdem mußten die Kinder wöchentlich ein sogenannte- Kernlied, eine Anzahl Bibelverse, ein Stück de- Katechi-mus, Evangelmm rc. lernen, wozu sie fast ihre gesammte freie Zeit verwenden mußten; der übrige Unterricht war daher Nebensache. Hatten sie nicht Alle- gelernt, so erfolgte Strafe. Die Kinder bekamen dadurch einen Widerwillen gegen den Re ligionsunterricht, der sich dann auch sehr bald auf tue Religion erstreckte. Die allgemeinen Folgen blie ben denn auch nicht aus; sie bestehen eben in der Sittenrohheit der jüngeren, unter den Regulativen ausgewachsenen Generation. Hiernach halte ich die Behauptung für vollkommen begründet, daß die Raumer'schen Regulativ« die Ur sache der allgemeinen Demoralisation sind; Raumer und Mübler mit ihren Helfershelfern und Handlan gern und ultraorthodoxen und ultraconservatioen Partei sind die Väter der Socialdemokratie; sie haben die Kirchen geleert und die Zuchthäuser gefüllt; sie haben die Liebe zur Familie, zum Vaterlande und craffe- und und Kirche vertrieben und dafür die Konfession eingcführt haben; während nur die erster« im Stande ist, das Gemülh deS Kindes zu wecken und daS letztere zu einem sittlichen Menschen zu erziehen, läßt die an dere daS Herz ganz kalt und erzeugt an Stelle des GemütheS einen dürren Boden, auf welchem kein Weizen, sondern nur Unkraut gedeiht. Dre von verschiedenen Seiten ausgestellte Behaup tung, daß die liberale Gesetzgebung deS letzten Jahr zehnts die gegenwärtigen unsittlichen Zustände zu Wege gebracht hätte, ist eine grundfalsche, nur durch Unkenntniß oder Parteitaktik Hervorgelufene ... Um daS Weiterfressen des Nebels zu verhindern, ist es durchaus nothwendia, die Führer der Social demokratie, welche durch Wort und Schrift daS Gift immer weiter verbreiten, gründlich unschädlich zu machen und zwar durch Unterdrückung ihrer Ver sammlungen und ihrer Presse. Der inficirte Theil des Volkes muß gewaltsam in Schranken gehalten wer den, um die übrige Gesellschaft vor seinen ArrSschrei- tungen zu schützen. Die künftige Heilung kann erst im Laufe längerer Jahre und nur durch die Schule erfolgen, deren Ausgabe theils die Bildung des Ver standes, theilS die Entwickelung de- GemütheS sein muß, denn nur im Gemüth« wurzeln die »bl».ren Eigenschaften de- Menschen. Möge nur ein günstige- Geschick unser Vaterland davor bewahren, daß die jetzt wieder ihr Haupt stolz emporhebende orthodoxe Partei in Berlin an maß gebender Stelle wiederum zur Herrschaft gelangt, denn dann würde der von dem Minister Falk em» geleitete Befferungsproceß von Neuem für lange Zeit unterdrückt und damit auch die folgende Generation eben so verderbt werden, wie die gegenwärtige. Dann müßte man alle Hoffnung für die Zukunft unseres Vaterlandes aufgeben. Dann können unsere Feinde jubeln und mit Sicherheit auSrufen: kinie 8«n>»,i,e' r>»>8 Oermamse! Die in Berlin so einflußreiche orthodoxe Partei ist die wahre Vertreterin des pro» teftantischen Jesuitismus; zu den Christen ist sie gar nicht zu rechnen, denn die Haupteigenschaften d«S Christen, christliche Liebe und christliche Demuth, sind ihnen fremde Begriffe, an deren Stelle Hochmuts, und Herrschsucht, Haß und Verfolgungssucht ge treten sind. DaS „Dtsch. Mtgbl." schreibt: In den letzten Sitzungen de- preußischen Staat-ministerium bat dasselbe sich nickt allein mit Vorlagen gegen socialdemokratische Ausschreitungen, sondern auch mit Besprechungen darüber beschäftigt, welche wirthschaftlichen Vorlagen wohl dem Reichs tage zu unterbreiten sein dürften. ES handelt sich dabei keineswegs um Steuern und Zollfragen, — denn damit wird sich der Reichstag in seiner nächsten Session wohl kaum zu befassen haben, — sondern um eine wertere Revision der Gewerbe- ordnung, um eine Aenderuna de- Freizügigkeit gesetzes :c. Sicher ist, daß dem Reichstage wiederum da» in der letzten Session unerledigt gebliebene Gesetz wegen Beschränkung de- Schankconcession- wesenS vorgelegt werden wird. Ob dem Reichs tage auch eine Vorlage wegen Revision de- Wahl gesetzeS zu machen sei, darüber schweben im Mi nisterium noch die Verhandlungen. Wie die „Post" mittheilt, haben der Professor vr. v. Treitschke und der Oberverwaltung-» Gericht-rath vr. Gneist eine bindende Erklärung dahin abgegeben, daß sie nach wie vor Mitglieder der nationalliberalen Partei bleibe« werden. Die bezügliche Mittheilung de« „Berliner Tage blatt" war also nicht richtig. Für die Ultramontanen ist von der „Ger mania" bereits wiederholt die Parole der Wieder wahl au-gegeben worden. Die rheinischen Ultra- montanen werden am 26. i« Köln einen Parteitag abhalten, aus welchem ein an die rheinischen Mäkler zu erlaffender Wahlaufruf festgestellt werden soll. Ob die Mißbilligung de- Verhalten- der EentrumS- fraction von Seiten de- Papste- auf die Haltung dieser Partei einen Einfluß au-übe» wird, bleibt abzuwarten. Wie da» „Dtfche. Mtg-bl." erfährt, haben in der vierten Congreßsitzung am Sonnabend die Vertreter Rußland- mit der Abgrenzung de- künftigen Fürstenthum- Bulgarien durch den Bal kan sich im Princip einverstanden erklärt, aber den Vorbehalt gemacht, in der fünften Sitzung, die am Montag ftattfir^et, ihrerseits Amendement- zu stellen, die sich auf die Orte beziehen, an welchen die Pforte da- Recht besitzen soll, Befestigungen der Balkanlinie herzustellen, sowie auf die Zahl der Truppen, welche die Türkei in diesen Befestigun gen soll halten dürfen. Die „Rat. »Ztg." berichtet: Die vierte Plenar sitzung de- Congresse» wurde am Sonnabend Nachmittag 2'/« Uhr von dem Fürsten BiSmarck eröffnet. Al» Erster stellte sich wie gewöhnlich schon gegen '/,2 Uhr Gras Schuwaloff in leichter Sommerkleidung ein. Nach ihm, wenige Minuten später, erschien der Fürst Hohenlohe schweigsam und ernst wie immer, im langsamen Tempo die Stufen emporsteigend. Die beiden Staatsmänner empfingen im Conferenzzimmer den Fürsten BiS marck. Anscheinend befand sich der Reichskanzler in heiterer Laune und begrüßte den Grafen Schu waloff aus da- Freundlichste. Gegen '/«2 Uhr fuhr Graf Andrassy in verdeckter Equipage vor, geschäf tig und doch freundlich nach allen Seiten d«e zun» Empfang bestellte Dienerschaft begrüßend. Graf Corti, Baron Oubril undGras St. Vallier kamen zu Fuß zu gleicher Zeit Arm in Arm vergnügt plaudernd. Den Lord Beacon-field mit dem Marquis Salis bury brachte die bekannte englische grüne Equipage nach dem ReichSkanzlerpalaiS. Nach ihnen erschien der Staat-minister von Bülow. Im Conferenz- saale hatte bereit- Baron Oubril mitgctheilt, daß Fürst Gortschakoff wegen vorübergehenden Unwohl sein- in der heutigen Sitzung nicht erscheinen werde. Die Letzten im Zuge waren die drei Ver treter der hohen Pforte. Wenige Minuten dar auf wurde die Sitzung eröffnet, welche trotz der Hitze bi- 4 Uhr 20 Minuten dauerte. Nach der Aufhebung derselben begab sich Fürst BiSmarck zu erst und zwar allein auS dem Saal, in dem Graf Andrasiy mit dem MarquiS SaliSburv und Gras Corti mit Herrn von Bülow noch lebhafte Unterhaltungen pflogen, nach dem Buffet. Zu ihm gesellte sich al-bald Lord Beacon-field, oer, nachdem er eine leichte Erfrischung genommen und einen Händedruck mit dem Fürsten gewechselt hat, langsam da- Palais verläßt, um zu Fuß den „Kaiserhof" wieder auf zusuchen. Die Nachsitzung am Buffet dauerte übrigen- heute ziemlich lange, wohl eine Viertel stunde, ehe die Herren auScinandergingen. Beson ders Graf Andrassy und MarquiS Salisbury schienen mit ihrem eifrigen Meinungsaustausch so bald nicht fertig werden zu können, bi- der Hin zutritt eines der türkischen Herren ihrem politischen Gespräche ein Ende bereitete und eine harmlosere Plauderei zu drei, vielleicht über den Zoologischen Garten, hervorrief. Lange vorher, ehe die drei Herren mit ihrer Unterhaltung fertig geworden waren, verließen Gras Corti, Graf Karolyi, Graf Schuwaloff mit Baron Oubril und Baron Hay- merle das PalaiS. AuS Wien, 22. Juni, meldet man der „Köln. Ztg.": Officiell wird mir bestätigt, daß eine Verständigung zwischen England. Oester reich und Rußland bezüglich der Grenzen der Bulgarei erfolgt sei. Die Einzelheiten derselbe« mitzutheilen, erklärte man sich außer Stande, ver sichert aber, daß das soeben hier bekannt gewor dene, auf diese Angelegenheit bezügliche Berliner Telegramm der „Time-' höchst mangelbast sei. Graf Andrassy ist stet- dafür gewesen, daß m den rumelischen Festungen südlich de-Balkan-die Türkei da- Besatzung-recht behielte. England hatte in den letzten Abmachungen mit Rußland diesen Punct fallen gelassen, Oesterreich aber ist e- nun ge lungen, hier seinen Standpunkt ausrecht zu erhal ten, dagegen scheint nördlich de« Balkan» in Bul garien die Türkei ein Besatzung-recht nicht zu erhalten. Die russische Regierung soll bi- zu diesem Augen blick daraus bestehen, daß Stadt und Sandschak Sofia dem künftigen Bulgarien einverlelbt werden sollen. In russischen diplomatischen Kreisen identifirirt man sogar diese Einverleibung mit der Frage über die Existenz Bulgarien-, sonst — so heißt e- in diesen Kreisen — bildet man einen neuen Staat, der zwar viel Land, aber sehr wenig, beinahe gar keine großen Städte oder Stapelplätzc besitzen wird, in denen sich Handel und Gewerbe ioier Landstriche doch ein Heim gründen könnten. Will man also da- neue Bulgarien lebensfähig machen und ihm eine wirklich unabhängige handels politische Existenz verschaffen, damit > S Production und Absatz innerhalb seiner eigenen Grenzen be treiben kann, so muß man ihm die Stadt Sofia und da- dieser Stadt umgebende Gebiet überlasten. Nu» Pari« wird der „Post" gemeldet, daß die Welfenpartei aewaltige Anstrengungen mache, um den Pnnzcn Ernst August zu bewegen, aus dem Standpunkte seine- Vater- zu verharren und nicht nner versöhnlicheren Richtung nachzugeben. Wahr scheinlich werden diese Bemühungen erfolgreich sein und stünde dann ein Protest zu erwarten. Au- Windsor, 23. Juni, wird berichtet: Die Leiche de- vormaligen Königs von Hannover rlk !ti in S,
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