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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187809140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18780914
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18780914
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-09
- Tag1878-09-14
- Monat1878-09
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1878
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«rschctut täglich früh 6»,. Uhr. »cdmüeu «lt TrPetzttt«» JohamttSgasse »3 -mnds»«tc» der ttts««»» vormittag- 1»—12 Uhr. Nachmittags 4—« Uhr der für die nächst- Nummer bestimmt« an «ochnlwaeu bis Nachmittags, an L<an- und Festtag« früh di- '/.9 Uhr. ,, »r»FiU«tn> für JutLmmtz«: Otto Kttmm. Untversttäwftr. tt, 3<«iS Lüsche, Kathariuenstr!8.p. ll»r viS VF Uhr UchMer.TagMatt Anzeiger. Organ für Politik. Localgeschichtr, HaudtlS und Geschäftsverkehr. Auflage 15.L0G. Lt««»r»eMt§»k«i« viertest. 4V,Mk., tncl. Brmaeckohn S Mr.. durch Lu Post bezvg« 6 ML Jede einzelne Nummer 2- Pf. Belegexemplar 1- Ps. Vedilbreu für Extrabeilagen ohne Postdeivrderuoa ZS LL mit Pastdefördcruug 4L Mk literale Lgesp Petltzeü« 2» Pf ^rüfterr Schriften laut unsere» Prnsuerzrichoiß —radesarischer Satz nach böbereiu Larif. »ttlaxr, murr de» Kedaettmnßrtch di« Spaltzeile 4« Pf. Jnicrate sind stets a» d.<e»edvta« zu jeudea - Rabatt «er» mehr gegeben. Zahlung praoinm»v»a<t: oder durch Postvorschuß. 257. Sonnabend den 14. September 1878. 72. Jahrgang Zur geDltzkn Achtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag den 15. September n«r Vormittags bis '>,9 Uhr geöffnet. Die Motive;«« Socialistengesehe. Wie eS den Anschein gewinnt, wird Fürst öismarck persönlich sür daS Socialisten- gesetz im Reichstage eintret«; wir erkennen darin ein Anzeichen, daß die Annahme deS Gesetzes ourcb die Mehrheit deS Hauses gesichert und daß 'er Reichskanzler mit der Wiederherstellung deS ReickSamteS für BereinSwesen und Presse einver standen ist. Tie Strömung zu Gunsten deS Ge setzes hat sich von Tag zu Tag verstärkt und eS verdient hervorgehoben zu werden, daß die anfangs widerstrebenden Elemente in der liberalen und conservativen Partei ohne wesentliche Vorbehalte für die Sache gewonnen sind. Wie gern die Regierung diese Sachlage acceptirt, '.-«weist der gemäßigte Ton der officiösen Presse, ivelche, der Wahlhatz entbunden, etwas mehr Takt alS man sonst gewöhnt ist, zu zeigen beginnt, um ^en correcten Standpunkt der nationalliberalen Partei anzuerkennen, und den Anthcil zu würdigen, welcher dieser bei dem Compromiß sür daS Gesetz ;ukommt. DaS Centrum der Natioualliberalen oat zweifellos deu Ausschlag sür die Strategie und Taktik der ganzen Partei gegeben, ein Verdienst, welches Bennlgseu'S staattzmännischer Einsicht, i einer Besonnenheit und seiner auf praktisch erreichbare Ziele gerichteten Politik zuzumeffen ist. Sem Organ, t-er „H C", hat dies genau erkennen lassen, und und waS unS anbetrifft, so haben wir un- diesem Staudp'incte rii«lH«M»s «beschloss«, iu der klar« Erkmntniß, daß eia Schmoll« nur der Regierung und mit den conservativen Parteien während der kritischen Lage, in welche unsere staatlich« Zu stände seit den beiden Lttmtaten versetzt find, eine schwere Versündigung an der Oeffentlichkeit wäre, welche Ordnung und Sicherheit verlangt. Der ,.H. C " faßt nochmals die Gründe für daS Gesetz ,u einem bemerkenSwerthen Artikel zusammen, den wir seiner Bedeutung weg« hier unverkürzt wieder geben: Die sehr eingehenden Motive, mit den« der Ent wurf deS SociaUftengesetzes an den Reichstag gelangt ist. bemühen sich in erster Reihe, den Charakter der Vorlage alS eines ausschließlich gegen bestimmte social i olitlscbe Bestrebung« gerichteten, diese mit beson deren Waffen bekämpfenden Gesetzes zu rechtfertigen. Ohne Zweifel wird ja auch seitens der Fortschritts partei, deS CentrumS und anderer unbedingten Gegner deS Entwurfes die Frage der Zulässigkeit von „Aus nahmegesetzen" nn Allgemeinen und speclell deS in Red« stehenden wieder heftig erörtert werden. Bon dem Standpunkt auS, von welchem wir die Bekämpfung der socialdemokratischen Volk-Verhetzung beurtheil«, erscheint aber dieser Streit erledigt. Für un- handelte eS sich dabei allezeit nur um eine Frage der Thatsachen, nicht deS Princips. Dl« Ausführung der Motive, daß man ungewöhnlichen Nothständen durch ungewöhnliche Maßregeln begegnen müsse unv ihnen überall und allezeit so begegnet ,«i, acceptiren wir ebenso unumwunden, wie wir zugetzehen, daß nach den Erfahrun gen der letzten Monate die socialdemokra tische Agitation in Deutschland alS eine allgemein« und unmittelbare Gefahr be handelt werden muß. Daß eine gewerbsmäßig betriebene, systematisch organisirte Hetzerei bestand, welche die arbeitenden Elasten in ihrem gesammt« Denk« und Fühlen von ihren Volksgenossen trenn« und in der so geschaffenen Jsolirung für ein« ge waltsam« Entscheidung-kamps drillen wollte, wußte man bereit- vor dem ersten Attentat: aber auch nach demselben tonnt« man noch bezweifeln, ob diese Bestrebung« außerhalb deS eng« Kreises der socialistisch überzeugten Köpfe tiefer gewirkt hatten, als daß allerdings Hunderttausend« bei den Wahl« socialdemokratisch stimmten. Ange sicht- beständig wiederkehrender Entstellungen kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, daß selbst dieRegieruug gegenüber diesem Zweifel der früher« Reich-tag-mehrheit bereit war, daS gesetzgeberische Vorgehen wider die Socialdemokrati« nach der Ab lehnung de- ersten Entwurfes zunächst aus sich de- ruh« zu lassen. Die lleberzeugung aber, daß die socialistische Verhetzung bereits in weit« BolkSkreis« »ittlich »ersetzend gewirkt und daß es die höchst« Zeit tum Einschreiten dagegen sei, gewann man ebenso die »n der Regierung auch innerhalb der liberalen -artet auf Grund der widerwärtigen Erscheinungen «oralischer verderbniß, welche dem zweit« Attentat klaten, und auch darum war die Auslösung über- 'iü'ftg. Doch wie dem auch sein mag: den Be weis, daß Grund für ein speciell gegen die Tocial-Demokratie gerichtetes Gesetz vor binden sei, anerkennen wir als in den Mo tiven erbracht; es ist richtig, daß man, um durch Abänderung der allgemeinen Gesetze diese Volk-Verführung zu bekämpf«, in unserer Prem VernnS- und Strafgesetzgebung so weitgebende Ein schränkung« vornehmen müßte, daß dadurch die Frei heit der Meinungsäußerung in Deutschland auf daS Wesentlichste beeinträchtigt würde. ES ist richtig, daß „ein Gebot der Selbsterbrltung für Staat und Arche vorliegt": eS ist richtig: „die Socialdemokratie xrt dem Staate und der Gesellschaft offen den Krieg erklärt und deren Zerstörung alS ihr Endziel procla mirt: sie hat damit selbst den Boden deS für Alle gleichen Rechtes verlassen und kann sich deshalb nicht -«schweren, wenn ihr dasselbe nur insoweit zu Gute ommen soll, als eS mit der Sicherheit und Ordnung de- Staates vereinbar ist." Doch weniger ausreichend, alS die Motivirung deS Entschlüsse-, zu einer Ausnahmemaßregel zu greifen, ist die der speciellen, dafür gemachten Vorschläge. Die Unternehmungen, denen man entgeaentreten will, werden bezeichnet alS solche, welche „socialdemokra tischen, socralistischen oder communistischen, auf Unter grabung der bestehenden Staat-- oder Gesellschafts ordnung gerichteten Bestrebungen dienen." Das Ver bot der entsprechenden Vereine, Versammlungen und Druckschriften wird in die Hände der V e r w a l t u n g s - >eHürden gelegt. Hiergegen ist bereits wiederholt Widerspruch erhoben worden, und die Motiv« ent kräften denselben nicht, ja sie machen kaum einen ernstlichen Versuch dazu. Selbst wenn ausreichende Kennmiß und volle Loyalität für jeden ein zelnen Fall der Ausführung deS Gesetzes verbürgt wäre, könnte man sich dennoch bei dem Vorschläge der Regierung nicht beruhigen; denn je strenger die beabsichtigten Maßnahmen sind, um so dringender ist es, daß die davon betroffenen Hunderttausende deutscher Staatsbürger - - cht die in >-ösein Glauben oder frivol handelnd« Verführer, sondern .i« Ver führt« — durch die Handhabung de- Gesetze- die lleberzeugung gewinn«, daß nicht willkürlich mit ihn« »«gesprungen wird: gestehen doch auch die Motive zu, daß der Unterdrückung der Agitation die Wieder gewinnung der ihren Mitbürgern entfremdeten BolkS- classen durch andere Mittel folgen muß: und sie würde um so mehr erschwert, je weiter man sich von den allgemeinen Garantien der Rechtssicherheit entfernte. Es kann aber auch durchaus nicht behauptet werden, die unrichtige Auslegung einer so dehnbaren Be stimmung, wie die des K. l, seien nicht möglich, ihr Mißbrauch nicht zu besorgen — am aller wenigsten wird diese Ansicht nach manchen Erfah rungen der jüngsten Wahlbewegung zu begründen sein. Von anderer Seite ist in unserem Blatte schon der Vorschlag gemacht Word«, in die Definition deS 8.1 die Voraussetzung der böswilligen, rechtswidrigen Tendenz aufzunehmen, um dadurch mindesten- wissen schaftliche Untersuchungen über die Gegenwart und Zukunft des Gesellschaft-organiSmus von der revo lutionär« Propaganda zu unterscheiden Noch viel dringender aber ist in unser« Augen, daß die in Ausführung d«S SociakftengesetzeS erfolgenden Hand lunaen der Verwaltungsbehörden durchweg der Eon trole der ordentlichen Gerichte unterstellt werden. Die Motive machen sich die Zurückweisung dieser Forderung etwa- zu leicht, wenn sie behaupten, die selbe würde „dem in Deutschland geltenden BerwaltungS- rechte nicht entsprechen." Eine solche Lontrole würde u. Ä. darauf hinauskommen, daß der Bettoffene gegen vermeintliche Rechtsverletzungen Hülfe bei den Ge richt« suchen könnte; dies un Allgemein« auch den Staatsbehörden gegenüber zu ermöglichen, ist ein Srundzug unserer neueren Gesetzgebung, der z. B. zur Einschränkung des Compettnzconflictes geführt hat; die polizeilich« Schließung eine- Vereins ferner bedarf gegenwärtig der Bestätigung durch Gerichts beschluß: und alS im Preßgesetz noch die polizeiliche Beschlagnahme von Zeitungen in weitestem Umfange gestattet war, unterlag doch jeder einzelne Fall — wie jetzt bei der nur ausnahmsweise noch zulässigen LousiScation — der gerichtlich« Bestätigung. An Analogien für unser« Vorschlag fehlt eS also keines wegs. Aus Einzelheit« »urückzukommen, wird i« Verlauf der RelchSlags-Verhandlungen «och vielfach Anlaß fein. Rur auf einig« Buatt« sei gleich heute hinge wiesen. Es ist aus gefall«, daß der neue Entwurf für die Geltung des Ausnahmegesetzes kein« End termin bHimmt, »ährend di« frühere Vorlage das beantragte Gesetz nur für drei Jahre in Kraft lassen wollte. SrstereS sei, sag« die Motive, „nicht ge schehen. Werl nicht nach wie vor an der Hoffnung fest- aebaltrn werden müßt«, diese- Gesetz in Zukunft ent behr« zu können, sondern weg« der Unmöglichkeit, den Zeitpunkt im Voraus zu bestimmen, mit welchem diese Hoffnung in Erfüllung gehen wird." Jndeß wenn drese llnmsglichkeit m der That zuge- ttanden werden muß. so folgt auS ihr doch keineswegs, daß das Ürtheil über die nothwendige Dauer des Ausnahmezustand«- derart der Regierung zu überlass« wäre, daß ohne ihre Zustimmung das Ende desselben nicht einttet« könnte; vielmehr empfiehlt es sich, in dieser Hinsicht die Regierung und den Reichs tag dadurch gleichzustell«, daß nach Ablauf einer an gemessenen Frist eine neue Vereinbarung über die etwa ersorderltche Erstreckung der Gültigkeit noth- wendig wäre. — Nack, 8. 30 des Entwurfs können sür die Bezirke oder Ortschaften, in welchen durch die rm st. 1 bqeichnet« Bestrebung« die öffentliche Sicherheit bedroht ist, die folgend« Anordnungen für die Dauer von langst«- einem Jahre getroffen werden: 1) daß Versammlungen nur mit vorgängiger Genehmigung der Polizeibehörde stattfinden dürfen; 3) daß die Verbreitung von Druckschriften auf öffent lichen Wegen, Straßen. Plätzen oder an anderen öffent lichen Orten nicht stattfinden darf- 3) daß Person«, von denen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu besorgen ist, der Aufenthalt in den Be zirken oder Ortschaften versagt werden kann; 4) daß ber Besitz, daS Tragen, die Einführung und der Verkauf von Waffen verboten, beschränkt oder an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird. Man kann den Motiven dann zustimmen, daß eine solche Maßregel, von der alle Einwohner deS betreffenden Bezirks, nicht bloS die social-demokratisch«, betroffen würden, milder ist, alS die Verhängung des Kriegszustandes, zu welcher der Kaiser nacb der Verfassung befugt ist; aber die Anordnung des Kriegszustandes ist ein so ungeheuerlicher Schritt, daS er eben deshalb nicht ohne die dringendste Noth erfolgt; darin liegt eine Garantie gegen die Gefährlichkeit der Vollmacht. Der Ausnahmezustand des 8- 20 würde viel leicbter ver- ingt werden; hält man ibn überhaupt, etwa im inblick auf mögliche, vorübergehende Folgen der erkündigung des SocialistengesetzeS für erforderlich, ö müßte, außer der im Entwurf vorgesehenen Zustim mung deS Bundesraths, festgesetzt werden, daß der NeichStag bei seinem nächsten Zusammentritt über die Fortdauer des Ausnahmezustandes zu befinden habe. politische Übersicht. Leipzig, 13. September. AuS Gaste in wird vom 12. September ge meldet: Se. Majestät der Kaiser Wilhelm machte heute seine gewöhnliche Morgenpromenade. — General Grant, welcher gestern vom Kaiser empfang« wurde, ist heute nach München abge reist. — DaS Wetter ist prachtvoll — Der Kaiser reist morgen, BiSmarck Übermorgen von Gastein ab: deS Letzte« Ankunft in Berlin er wartet man am Sonntag oder Montag. Die Präsidentenwahl im Reichstage ist kirre nene Mahnung an die staat-erhalttndeu Kräfte deS ganz« Lande-, den Geist der Versöhnlichkeit walten zu lassen. Regierung, Presse, Partei« haben an diesem Werke gemeinsam zu arbeitm 4) ie ,.K. Z." wendet sich in diesem Sinne in einem Artikel an die Regierung selbst wie folgt: Man darf sich jetzt wohl der Hoffnung hingeb«, daß nun auch die ReichSregierung in der That sich die Wiederherstellung deS alten Ver trauensverhältnisses zu der gemäßigt-libe ralen Partei wird angelegen sein lassen. Die Wahlbemühungen der Regierung-Presse haben, zumal in Preußen, eine große Anzahl con- servatrver und vielleicht auch particularistischer Wahlen zuwege gebracht; — so ist eS nun auch ihre Sache, alle Anstrengungen anzuwenden, diese, gleich sam auf ihren Namen, Neuaewählttn einer noch mög lichen gemäßigt-liberalen Mehrheit zuzusühren und von jeder reich-feindlichen Opposition abzuhalten. Nament lich bei der alleinigen Ausgabe der gegenwärtigen außer ordentlichen Session, bei dem Socialiftengesetze, hat die ReichSregierung zu sorgen, daß jene Abände rungen ber bundeSräthlich« Vorlage, welche für die gemäßigt-liberal« Gruppen deS Reich-tagS eine un umgängliche Bedingung ber Annehmbarkett find, nicht etwa in der zweiten Lesung zu Falle gebracht werden durch eine Koalition zener „Eonservativ«", welche die unveränderte Annahme zu erstreben versichern werden, und jener radikalen Pcincipienreitern, welche die Vorlage von Anfang bis zu Ende durchaus ver werfen. Eine solche Koalition zu verhindern ist eine unabweiSIiche Aufgabe deS Reichs kanzlers und seines Stellvertreters; denn die ReichSregierung eben ist es. welche in den Wahlen einer solchen Koalition der Extreme selbst di« Wege geebnet hat. Die Reichsremerung vermag, wie die Dinge liegen, des Beistandes der gemäßigt- liberalen Kreise deS deutsch« VürgerthumS nicht zu entbehr«, und wmn auch das charakteristische Moment in der nun glücklich hinter uns liegenden Wahlbe wegung daS Zutagetret« einer vermehrt« Strömung nach recht- ist, so wird doch Niemand, der selbst in der Wahlbewegung gestanden bat, sagen können, daß etwa eine adermaltge Auslösung des Reichs tags zu einer weiteren Verstärkung dieser Strömung führrn würde. Im GegenHeil, schon die Nach wahlen zeiqen, daß dieselo« ihre Höh« erreicht hat. Die Wahlen haben gezeigt, daß der Einfluß der preußischen Regierung rn der Bevölkerung sehr bestimmt« Grenzen hat, daß sie in dem Bestreben, ihr« Will« durchzusetz«. sehr nahe daran war, den Vogen zu überspann«, und daß, wenn Letzteres geschieht, Rückschläge zum größt« Schaden der national« Interessen unver meidlich sind Möge denn der über Erwarten günstige Ausgang der Präsidentenwahl sich bewähr« zu gleich als eine gute Vorbedeutung für ferner« günstige Grupvirung der Vorhand«« Fraktionen zu emer gemäßigt-liberalen Mehrheit. — welche den seit 1871 aufgcführten Reichsbau planmäßig fortbildet und allen illusorischen Umkehr-Versuchen entschloss« widersteht! Eme Unsumme von Blutbädern. Aufständen und Nachkriegen erschweren die Durchführung der Stipulationen des Berliner CongresseS. vorläufig versumpf« die zu erledig«»« Frag« wie die meist« auderen Angelegenbeit« aus der Balkanhalbiusel. Die Pforte selbst ver' sumpft am stärkst« unter dem Andrang wilder Gewässer, die überall aufspringen Mit den» Morde Mehemed Ali'S ist wieder eine neue Ausgabe an die Pforte herangetreten, die Paci fic rruug Albanrens, welche zu lös« vielleicht für den Sultan am allerschwrerigsten werde« wird. Diese nie ganz bezwungen« Völker werden voraussichtlich jetzt erst recht jedem Zwang« sich widersetzen, so daß Montenegro einen schwer« Stand haben dürfte m seinen mühungen, zur Erfüllung der ohnehin schon so sauer erworbenen Ansprüche ausPodgoritza uud Spuz zu gelang« Die österreichisch-tür kische Convention ist wieder von der Ober fläche verschwunden, aus wie lärme, bleibt abzu warten Auch die griechische Angelegenheit ruht scheinbar seit ewigen Tag«. Indessen dürste daS doch nur scheinbar sein und man kann sich daraus gefaßt machen, daß die diplomatische Aktion demnächst gleich mit einer militai- rischen Seitendemonstration in Grieche» land inS Werk wird gesetzt werden. Die Renitenz der Pforte muß gebroch« werden. Zunächst Hab« die Unterhandlungen über eine gemeinsame Aktion der Mächte in Betreff Griechenland« ein Hinderniß gesund«, da England Schwierigkeiten macht, diesem gemeinsamen Vorgehen sich anzu- schließen. Man zweifelt jedoch nicht ein schließlich«- Einvernehmen mit England zu erziel« ES handelt sich zunächst nur um vertrauliche Unter handlung« und gilt die Nachricht, ein Circular sei seiten- der deutschen Regierung über die griechische Frage an die auderen Mächte ge richtet worden, für ungenau. Man versichert in Paris, daß Gras Schuwaloff nicht wieder nach London zurückkehrt, sondern den Staatsdienst ver läßt. Inzwischen ist dieser Diplomat mit einer Mission in Wien eingetroffen, denn der Telegraph meldet: Wien, lL. September. Der russisch« Botschafter in London, Graf Schuwaloff, welcher sich zum Besuch seine- erkrankten Bruder- bier aufhült wurde gestern Mittag vom Kaiser in Audi«, empfangen und zur Hostafel. welche in Schönbrun stattfand, geladen Der Kaiser empfing auch den rumänischen Ministerpräsident« Eogalniceanu. Die „Polit. Corresp." meldet auS Konstanti nopel: Zwischen dem russischen Botschafter Fürsten Lobanoff und Savset Päscha sind« lebhafte Verhandlungen wegen Regelung der Kriegs entschädiaung statt. Die Verhandlung« weg« Auslieferung der türkischen Kriegsgefan genen und wegen Rückerstattung der sür dieselben ausgewendeteu Verpflegungskosten Hab« bereits zu einem Abschlüsse geführt. Vorerst werden die'europai« sch« uud bieraus die asiatischen Kriegsgefangenen auS- geliefert Nach einem Telegramm derselben Corresp. auS Belgrad hätte Äußland die serbische Regierung veranlaßt, mit der Auslösung der Miliz truppen bis zur Herstellung friedlicher Verhältnisse aus der Balkan Halbinsel noch ein zuhalten und sich bereit erklärt, die erforderlich« Subsidien indessen noch weiter zu zahlen. Inzwi schen habe die serbische Regierung abgelehnt, die von d« serbisch« Truppen besetzt«, zu Bul garien gehörenden Ortschaften vor der ofsiciell« Coustituirung deö FUrstenthumS Bulgarien zu räum« In Folge der Ermordung Mehemed Ali Pascha'- soll OSman Pascha oder Derwisch Pascha als PacificatiouS-Commissar nach Albanien entsendet werden und da- Commando eines auS 82 Bataillonen besteh«»« in -ossovo zu con- centrireuden Armeecorps übernehmen. Wegen der Massacre« in Albanien werden 25 Bataillone uack Iakova, wo Mehemed Lli Pascha ermordet wurde, gesendet. Die Pforte hätte diese Maßregeln rechtzertig treffen soll«. Der Telegraph bleibt heute auS uud über Bosnien Ainztutz stumm. In der „Wiener Abendvost" findet sich auch nur ein ziemlich opti mistischer Commentar zu der Einnahme von Kliuc, der« Bedeutung nach Meinung deS halbamtlichen BlattrS darin gipfelt, daß mit dem Gefechte und der Einnahme von Ktiuc eine der wichtigsten Etap» Pen zur Besetzung und Pacificiruug der Kcaina gewonnen wurde. DaS „Fremdenblatt" erfährt, »er Armee-Com Mandant Philip povich werde am 28 v sein Hauptguartier von Serajew» nach Brod verlegen, «eil die Verbindung zwischen Wi« und Brod eine leichtere sei und weil a» derentheilS da- Lrmee-Commando von Brod aus die Befehle an sämmtliche ArmeecorpS in Bosnien rascher communicireu könne Eine interessante Episode vom Kriegsscha« platz in Bosnien w,rd der ,L. Z." au- Pest gemeldet: Ein naher verwandter, der als Ofstcier im 83. Infanterie-Regiment (Este auS Pefth) dient, schreibt mir über seine Erlebnisse während seiner Ein schließung in dem Caitell Stolac mit dem 1. Bataillon folgende interessante Einzelheit«: .DaS Eastell Stolac war von zahlreichen Aufständischen
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