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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187810115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18781011
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18781011
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-10
- Tag1878-10-11
- Monat1878-10
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1878
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5412 der fortgesetzte» An-fiüchte der egypttfche» Regie- rung hinfichUich der Ausführung der Urtheile der internationalen Gerichte, gebt Frankreich »tt dem Gedanke» m». die sranzöfifchca Magistrate aus Ägypten znrückznbernsen »nd die^Rückkehr zur alten Tonfnlargericht-barkeit z» beantrage». Da» „Reuter'sche Vurean" bringt au» Simla folgende» officielle Telegramm: SS hat bisher noch nirgend- an der Grenze ein Zusammenstoß mit den Afghanen ftattgefunden, auch ist kein sofortiger Angnss auf Alimu-jid be- adsichtrgt Außer den aktiven militairischen Vorbe reitungen ist nicht- geschehen. Alle gegentbeiligen Bericht« von Specialcorrespondenten der Zeitungen find mit Vorsicht aufsnnehmen. Bei den Staat-Wahlen in Obio haben die Republikaner mit einer Mehrheit von 10,000 Stimmen gesiegt, bei den Wahlen zum Eongreß werden die Republikaner voraussichtlich aber zwei bis drei Mitglieder verlieren. In Iowa sind die Dahle» ebenfalls republikanisch a«-gefalleu. In diana und Westvirginia haben demokratisch lt. da» Stimmenverhältnis ist ungefähr dem- ge« von 1876 gleich. Die Greenback-partei »t überall in großer Minorität gewesen zu fei». Von 45 bi- jetzt gewählten Congreßmitglic- deru find 25 bi» 27 Republikaner, die übrigen Demokraten Vom Reichstage. ' Berit«, ». Oktober. Sitzungsbericht zur Vervollständigung unsere- gestrigen Tele gramm-. Abg. Sonnemann bestreitet, daß die Definitionen de- Gesetze- klar seien. Im Gegenthell seien alle Juristen darin einig, daß die Vorlage ein reine-, der willkürlichsten Auslegung fähige- Polizei gesetz sei. Die Commision habe an der Vorlage gar nicht- gebessert; die Fundamentalrechte unserer Ver fassung, die persönliche Freiheit, die Freizügigkeit, da- versammlung-recht, die Coalitionsfrerheit werden dadurch völlig aufgehoben. — Da- Gesetz werde den liberalen Parteien viele Nachtheile bringen, deren Presse werde verfolgt werden, nachdem man die sociul- dernokratische vernichtet habe. Die Freiheit der Presse über sei allein im Stande, die socialdemokratischen Aus wüchse unschädlich zu machen. UebrigenS seien d»e social demokratischen Preßerzeugnisse seit dem Jahre 1872 bedeutend ruhiger und sachlicher geworden. — DaS BersammlungSrecht sei jetzt schon illusorisch, da- habe «an in Frankfurt a. M. wahrgenommen, wo doch die Beamten recht aufgeklärt seien, weit schlimmer aber seien die Mißbräuche der Polizei-Beamten in Pom mern und Ostpreußen, denen iede Aufklärung fehle. Die Regierung habe schon für gewöhnliche Zeiten genug Waffen gegen die Eocialdemokraten - sie habe di« Armee, die Polizei, die Schule, die Kirche, ein große- veamtenheer und zudem noch den Reptilien fond-, der nicht zu unterschätzen sei. Die Re gierung mache ja auch einen ausgiebigen Ge brauch von ihrer Macht, viele Redakteure säßen den größten Theil de- Jahre- im Gefängniß» und di« Gericht« könnten kaum die Menge der Straf anträge wegen politischer vergehen bewältigen. Facüsch sei also die Regierung nicht in einem Nolh- stanbe, welcher außerordentliche Maßregeln erheische, vielmehr bedürfen die Staatsbürger größeren Schutze-. Gr würde sich schämen, nach Frankfurt zurückzukehren, wenn er für da- Gesetz gestimmt hätte. (Heiterkeit.) Diese Vorlage habe man zunächst in Zusammenhang gebracht mit den Attentaten; in Wirklichkeit sei er wiesen, daß Nobiling ein ordentlicher Nationallibe raler gewesen ist. Neulich habe da- Tageblatt einen ActenauSzug der Nobiling'schen Sache gebracht. Dieser Au-zug sei, wie er, Redner, authentisch wisse, für 100 Thlr. verschiedenen Zeitungen offerirt worden. Alle anderen, außer dem Tageblatt, hätten die ten denziös« Färbung gemerkt und gedankt: und nun sei auch officiell durch Sarl Hirsch ,n Paris die Unwahr heit diese- Au-zuges constatirt. — Wenn dieses Gesetz votirt und während S'„ Jahren au-geführt werde, würde die Nation in- größte Unheil gerathen. Die Bildung de- Volke- wachse nur in der Preßfreiheit, unsere deutsche Presse aber, obgleich sie in den letzten 10 Jahren bedeutend an Umfang zugenommen und innerlich bester geworden sei, stehe doch weit hinter »er ausländischen zurück, weil man im AuSIaude keine derartigen Beschränkungen kenne wie bei unS; west großartiger sei dafür die englische und französische, unvergleichbar die amerikanische Presse. — Die schlimmste Folge aber de- Gesetze- sei zu fürchten durch da- Wachsen de- ClaflenhasseS, denn mehr alS alle socialdemokratischen Bestrebungen eS je vermöchten, schüre diese- Gesetz den Classenhaß. Da- würden die Eonservativen auch einsehen, wenn nicht bei ihnen die Begriffe von Recht und Unrecht sich in letzter Zelt etwa- verdunkelt hätten in Folge der größeren Macht, welche sie durch die Wahlen erlangt hätten; von dieser Macht würden sie aber durch Votirung de- Ausnahme gesetze- den unzweckmäßigsten Gebrauch machen und e- später bereuen. Die Nctionalllberalen seien die interessanteste Partei in Bezug auf diese- Gesetz Zuerst sagten sie, nur auf dem Boden de- gemeinen Recht- würden sie Maßregeln gegen di« Socialdemo- kratru zuftimmen. NichlS habe sich geändert, seitdem Ke da- sagten (oho! sehr viel) — aber nun verlassen pe den Boden de- gemeinen Rechts und stimmen jeder Ausnahmemaßregel zu. Der Abg. LaSkcr habe sich fort während widersprochen, jetzt trete er für die Vorlage ein, welch« doch schlimmer sei al» der von ihm jo heftig be kämpft« Kautschuk Paragraph. Ebenso sei die heutige Haltung der Abgg. Bamberger und Marquardsen mrt ihren früheren Aeußerungen unvereinbar. (Redner ver lretz zum Beweise der früheren Gesinnungen de- Abg Bamberger Stellen auS einer Rede desselben vom ihre 184», worin er die socialdemokratische Republik iert und erregt damit die ungeheure Heiterkeit de- rse».) Jetzt wollen die Nationalliberalen zu allen manschen de- Reichskanzlers „ja" sagen, um rhn nur «icht bö- zu stimmen und noch näher an die kon servativen zu fesseln. ES scheine da- verbältniß der Eonservativen und Nationalliberalen »um Reichs kanzler ähnlich wie zwischen zwei Damen, die beide um dre Gunst eine- Liebhaber- buhlen; Fürst BiSmarck werde sich schließlich doch für die jüngere, mächtigere Fraktion entscheiden — da- sei die kon servative. (Heiterkeit.) Wenn er den Abg. LaSker so fortwährend unschlüjsigam Scheidewege stehen sehe, werde er von tiefstem Mitleid mit ihm ersaßt. (Diese Aeußerung erklärt der Präsident für unparlamen tarisch) — Deutschland brauche nicht vor der Rkvo lutwn zu zittern; die deutsche Nation kranke an einem andern Fehler, nämlich an einem Nedermaß von Dankbarkeit. ES fei wahr, wr» virchow gesagt habe. Deutschland- Unglück sei, daß an seiner Spitze «in Staat-mann st che, welcher ganz Eurepa kenne, nur bi« deutsche Natron nicht. — S» lange da» volk aus eine Aenderung hierin ohne Einfluß sei, müßte «- um so mchr seine wenigen Rechte wahren. Di« erhoffte Wirkung von de« Gesetz, namentlich auch auf wirthschaftlichem Gebiet werde man niernal» erleben. Zu Anfang dieser Red« ist in den Saal eingetreten und ergreift nun da- Wort Reich-kanzler Fürst BiSmarck: Meine Herren! Bevor ich mich zu Art. 1 der Vorlage wende, nöthi- gen mich einig« Aeußerungen in- Herrn vorrebner- zu einer Widerlegung, resp. Beleuchtung. Ich habe einmal den Insinuationen gegenüber, die er m Bezug auf Publikationen im Tageblatt — ich kenne da- Blatt weiter nrcht — vorbrachte, zu erklären, daß die verbündeten Regierungen, und zwar jede von ihnen, namentlich auch die preußische, diesen Publikationen absolut fremd sind. Erfordert dies« Frage eine weitere DiScussion und Nachweis, so überlaste ich den meinen Herrn Kollegen und nur um bei der außerordentlichen Länge der Zert, welch« dieseDebatten auSfüllen.nicht durch einen neuen Redner von der Regierungsbank Sie in An spruch zu nehmen, habe ich e- auf mich genommen, diese Rektifikation zu machen. Wenn ich weiter aus tue verschiedenen Punkte der Red« de- Herrn Vorredner- eingehe, so geschieht da- nicht, werl deren sachlicher Inhalt mich dazu veranlaßte, ich glaube auch nicht, daß st« für diesen Saal, resp. für mich und die Re gierungen ausschließlich berechnet war. sondern die nähere Veranlassung liegt auf dem Gebiete meiner diplomatischen Wahrnehmung. Ich habe näm ich da- Blatt de- Herrn Vorredner» (Frankfurter Zeitung) ab und zu mit ziemlicher Aufmerksamkeit gelesen und gefunden, daß die llrtheile und die Haltung desselben immer genau coincidirten mit den Urtheilen und der Haltung der französischen osficiösen Presse. (Wider spruch link-.) Ich erzähle Ihnen ja nur, meine Herren, waS ich gefunden habe; Sie können ja selbst dem nach forschen, wenn Sie die französische Presse kennen. Etwa-, waS Sie nicht selbst erforschen können, Wa ich aber erfahren kann, ,st, daß ich mitunter au- dem Blatte de- Herrn Vorredner- Sachen gelesen und erfahren habe, die mir am anderen oder am dritten Tage danach durch gesandtschastlich« Meldungen alS Aeußerungen der französischen Regierung bestätigt wurden. (Hört! hört!) Ich schreibe also dem Herrn Vorredner intime Beziehungen zur französischen Re gierung zu, die der Lhef eine- großen Blatte- ja haben kann, und die natürlich aus keinem Interesse auf seiner Seite, sondern aus dem Wohlwollen be ruhen, welche- ihm eine Regierung, wie die franzö sische, einflößt. Alle-, waS er gesagt hat, war wesent lich auf eine Schwächung de- Reiche- und seiner inneren Institutionen, auf DiScreditirung der an der Spitze stehenden Männer berechnet. Denken Sie sich einen französischcn Revanchepolitiker, dem diese Reich-tagS Tribüne zugänglich wäre, hätte er nicht ganz dreselbe Rede halten können« Ich habe in meiner langjährigen Laufbahn Republikaner kennen gelernt, die zu denen gehörten, die Alle- stützten, waS Opposition gegen die Regierung war und in Verbindung standen mit Allem, was diese schwächen konnte Ich habe natürlich bei diesen, wa» bei dem Herrn Vorredner nicht zutrifft, Gelegenheit gehabt, während de- Krieges die Moiwe, welche sie dazu veranlaßten, zu entdecken. Der Herr Vorredner ist ja über jeden verdacht der Art durch seine Stel lung al- Abgeordneter erhaben, aber ein besondere- Interesse nehme ich an seinen Reden und Druck schriften, weil ich au» ihnen entnommen habe, wie die französische Regierung über unsere Angelegen heiten denkt und welche Accorde sie angeschlagen zu sehen wünscht. Ich berufe mich dabei rein aus Thatsachen, ohne Schlüffe daraus zu ziehen. Der Vorredner hat daS Beispiel deS Auslandes vielfach empfohlen, die englische, amerikanische und auch di« französisch« Presse erwähnt. Ich habe die französischen Auslassungen über unsere Vorlage ja auch gelesen und namentlich in den Blättern, die ern starke» Deutschland nicht wollen, die selben Kritiken gefunden, wie in feinem Blatte. Aber auch die französischen Erscheinungen auf demselben Gebiet hat er mit besonderem Wohlwollen behandelt. Er führte un-, wenn ich nicht irre, Frank reich alS mustergültig für die schonende und regel mäßige Behandlung der Gegner der Regierung an und sagte: Niemals wären in Frankreich die Sachen der Socialiften, der CommunardS den Geschworenen gerichten entzogen worden. Der Vorredner ist >a so ganz genau mit den französischen Verhältnissen ver traut und hat solches Wohlwollen für die französischen Interessen — WaS ja auch nicht ohne Gegenseitigkeit sein und bleiben kann —daß eS ihm unmöglich entgangen fein kann, daß die CommunardS durch Kriegsgerichte flug» erschossen und zu Tausenden deportirt wurden und Frankreich sich so, wie c- keine andere Nation ge konnt hätte, von dieser Krankheit einigermaßen geherlt hat. Kann ihm das denn entgangen sein angesichts der Ebene von GrenelleS, welche Tage lang vom Blute der Erschossenen rauchte? Mit diesen seinen Auffassungen könnte der Vorredner sich sehr gut zur elsäfsifchen Protest-Partei oder gar zur sociallstischen »üblen. Das Ausland wünscht unS schwach, nicht auS bösem Willen, sondern vielleicht auS Sorge, daß wir übermüthig werden, und Alle, die unsere inneren In stitutionen schwach wünschen, arbeiten bewußt ober unbewußt dem Ausland« in die Hände. Der Vor redner hat sich dann darüber beschwert, daß ich mich im Interesse der schnelleren Herbeiführung de- Frie den- an ein englische- und nicht an ein deutsche» Blatt gewandt habe. Diesen Borwurf würde er mir bei einigem Nachdenken sicherlich nicht gemacht haben. ES kam darauf an, meinen Einfluß auf die Stim mung der Engländer auSzuüben. Wenn ich mich z. B. an sein Blatt gewendet hätte, so hätte seine Stimme in England vielleicht denselben Widerhall gefunden, wie die der „Time-", aber ich bin ja gar nicht sicher, ob er den Frieden ebenso sehr wünschte alS ich; in Bezug auf die „Time-" hatte ich die lieber- zeugung, sie ist in England.müchtig, und ich setze mich immer mit denen in Verbindung, von denen ich Er folg erwarte; die politischen Zwecke, welche ich damit verfolate, waren auf keinem anderen Wege zu erreichen. Wenn ich mich nun zum Artikel 1 wende, s» will ich von der Latitüde, die un» der Herr Prä sident gewährt, zwar nicht in demselben Maße Gebrauch machen, wie der Vorredner, aber der Umstand, daß ich nicht Theil genommen habe an der EommissionS- berathung wird mich vielleicht entschuldigen, wenn ich auf allgemeine Betrachtungen zurückkomme. Ich habe schon bei der ersten Lesung mir erlaubt zu bemerken, baß ich keiner Bestrebung Feind brn, die in positiver Weife sich mit der Verbesserung de- Loose» der Arbei ter beschäftigt, also auch keinem derartigen Verein Solche Vereine mit positiven Zwecken sind auch in Deutschland keine Neuerung. Wir finden sie schon im Anfang« de- 14. Jahrhundert- in den gröberen wutschen Städtew von BreSIau hi- Golm« nach de» Bilde v»u Streik- zwischen Gesellen und Arbeitern einerfett-, und Meister» andererseits. Bald unter- agen di« «ine«, bald di« anderen, immer aber waren e- positiv« Bestrebungen, di« man zu fördern suchte. Den Gedanken, sich an den Rechten Dritter zu ver greisen, da- Eigenthum anzutasten, den Glau ben und die Monarchie zu untergraben, kam einem Menschen; di« Sachen gingen ruhig den Weg wr rein materiellen Interessen. Selbst in den großen Excessen de- Bauernkriege-, wo die aewalttbätige und ungebildete Begehrlichkeit zum Durchbruch kam, wird n den Verträgen mit einzelnen, gar nicht gut be rüchtigten Rittern niemals da» Eigenthum angetaftet, andern stet- nur Bruch der Schloßmauern, Auslieferung )er Geschütz« und dergleichen verlangt. Wenn ich dabei einen Scheideweg errichte für Dasjenige, wa rte verbündeten Regierungen wenigsten- unter meiner Mitwirkung bekämpfen und nicht bekämpfen, so kann ich eS wesentlich tbun durch die Worte positiv und negativ. Sobald un- von socialdemokratiscver Seite irgend ein positiver Vorschlag gemacht wird, wie ie vernünftiger Weise die Zukunft gestalten wollen, ö würde ich mich einer wohlwollenden Prüfung nicht entziehen, ich würde selbst vor dem Gedanken der Staat-Hülfe für diejenigen, die sich vor Allem selbst helfen wollen, nicht zurückschrecken — jedoch ist da- nicht mein Departement, ich wiederhole nur, daß ich nach wie vor auf dem Standpunkte stehe, nach dem ich schon vor fünfzehn Jahren gehandelt habe. Hier aber stehen wir vor der reinen Negative, vor dem ßinreißen, ohne daß un- gesagt wird, waS an Stelle >eS Daches, welches un- br-her deckte, gesetzt werden oll. Wir haben seit 11 Jahren den Vorzug, mit Socialdemokraten gemeinschaftlich hier zu tagen. Ist Ihnen bei den langen Reden, die von jenen Herren hier gehalten find, auch eine einzige in Erinnerung, auch nur der leiseste Schatten eine- positiven Gedanken- über da- Programm, waS ihnen vorschwebte, vorgekommen, so würde ich dankbar ein, darauf aufmerksam gemacht zu werden; ich weiß nichts. Aber auch sie wissen nichlS, sie haben den Stein der Weisen nicht und de-halb schweigen ie so sorgfältig. Sie gleichen darin dem verschleierten Propheten von Chorastan, der nur deshalb sein Ge- icht so sorgsam verhüllte, weil seine Anhänger er- chrecken müßten über den blutigen entsetzlichen An blick. ES sei ja gar nicht schwer, fährt »der Herr Reichskanzler fort, einem Menschen, der Gelesene- nicht beurtbeilen kann, mit Hohn und Spott in Bil lern und Wort alles Heilige alS Zopf, Lüge und Unwahrheit, den Wahlspruch: „Mit Gott für König und Vaterland! ' als Hohle Redensart, alS Schwindel -arzuftellen und einen verführten Menschen zuletzt dahrn zu bringen, daß er mit Faust au-rufe: Fluch ei der Hoffnung, Fluch dem Glauben und Fluch vor Allem der Geduld! Solchem Menschen bleibe schließlich nur eine wilde Jagd nach sinnlichen Genüssen übrig. (Sehr wahr! recht».) Fch selbst lebe doch in reicher Thätigkeit, aber Alle- da» könnte mich doch nicht vermögen, auch nur einen Tag länger zu leben, wenn ich da- „fest an Gott, und bester« Zukunft glauben" verloren hätte. (Bravo! recht-.) Erft seit 1867 sind wir officiell mit den socialdemo- kralischen Vertretern bekannt geworden; damals traten Bebel, Liebknecht, Fritzsche, Mende u. s. w. ein, sie vermehrten sich. — doch ich will keine Jndianer- klage darüber anstelle«, denn noch be herrschen wir diese rothe Race — sie traten alle mit einer gewissen Schüchternheit auf. Der eigentliche Aufschwung, der Gedanke, sich )er Staatsgewalt zu bemächtigen, trat erst nach 1870 ein. Bi- 1570 war Frankreich das eigent liche Versuchsfeld, aber auch 1871, wo die Commune )ie Gewalt in Händen hatte, hat sie kein posuweS Programm ausgestellt, geschweige ist ein Versuch >ur Ausführung gemacht worden (Widerspruch inkö) — wenigstens ist mir davon Nicht- bekannt. Sie haben nur gemordet, mißhandelt, gebrannt, die National-Denkmäler zerstört. Nachdem sie nieder- geworfen worden waren — und »war mit einer Energie, die der Herr Vorredner zu rühmrn vergaß — sahen die Leiter ein, daß diese- Versuchsfeld, da- einen harten zornigen Wächter bekommen hatte, ver lassen werden muhte, sie sahen sich daher um, wo sie anderwärts den Hebel ansetzen könnten. Daß man gerade Deutschland zum Vorort der Socialdemo kratie gemacht hat, erklärt sich leicht. Ein Land mit so autmüthrgen Richtern (oho! im Centrum), ein Land, wo die Achtung vor den Staatsinstr- tutionen so gering und die Nachfolge der Re gierung schon ServilismuS ist, wo die Großstädte durch die fortschrittliche Agitation so gut vorbereitet waren, mußte für die social demokratische Agitation sein Anziehende- haben. Dazu kommt noch die dem Deutschen eigene Neigung zur Unzufriedenheit. Ein Bäcker etablirt sich z. B., er will aber nicht etwa der reichste Bäcker im Orte werden und sich dann be gnügen, er will Hausbesitzer und Millionair werden. Diese Unzufriedenheit hat ihr Gute- und Böses, sie zerstört lerder die Zufriedenheit, namentlich auch m den unteren Beamtenclassen. De-halb neigt auch ein großer Theil der Subalternbeamten zur Socialdemokratie. Gleichzeitig mit diesen Faktoren trat bei unS ein Svstem neuer Einrichtungen in- L-ben, die Freizügigkeit mit dem Unterstützung»- Wohnsitz rc.. waS dem Hauptfelde der Agi tator», den Großstädten, eine meist fluctuirende Be völkerung zuführte. WaS die Leute dahintrieb, ist die Vergnügungssucht; mir hat einmal ein pommerscher Zuzügler nach Berlin gesagt, er wolle bleiben, wenn er aus seinem Dorfe Abend» einen Biergarten haben und anständig angezogene Menschen sehen könnte. (Heiterkeit) Auch da- Preßgesetz hat seinen Theil der Schuld durch Aushebung der Lautionen. Jetzt kann Jeder mit 50—100 Mark ein Wochenblatt grün den. Bildung ist gar nicht nöthig, er braucht blo» zu drucken, wa» ihm auf lithographirten Briefen zu geht, und seine Abonnenten lesen blo- da» eme Blatt, da- eine ganze Woche au-lregt und ihm von der Reich-Post unverhLltmßmäßig billig ver trieben wird. Dann nehmen Eie die große Milde de» Strafgesetzbuches und daß der Glaube an die Vollstreckung der ausgesprochenen Todesstrafe nicht mehr stattsinde. Da» trug zur Verwilderung sehr bei, und ich »in Sr. Majestät dem Kaiser oder Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen außerordentlich dankbar, daß wir wieder einmal an einem Beispiel sehen, daß die Obrigkeit ihr Schwert nicht umsonst sührt. (Lebhafter Beifall recht-.) Dann fand man in Deutschland ganz neue Verhältnisse, Mißstim mungen, an die man anknüpfen konnte, und so wird sich Niemand wundern, daß die Gefahr bei un» die thatsächliche Höhe erreicht hat. An eine Besserung de» Verhältnisse» zwischen Arbeitern und Arbeit gebern, die sich ja wie feindliche Armeen gegen über stehen, rst nicht zu denken, denn diese Besser stellung und die Socraldemokratie sind zwei sich ließen de Gegensätze, veil der Glaube an di« e Zukunft fehlt. Gerade di-fe- Vertrauen würde ueben. wenn die Arbeiter sich van de« social- >emokratischen Agitatoren lo-lagen wollten. Gerade iefe Agitatoren gilt «- zu besiegen; »an wird heute Agitator, wie «an früher Zirnmerman» oder Schmied wurde. Gegen diese Leute gilt e- Nothwehr üben und je eher, je sicherer und für ander« Interesse» unschädlicher werden wir sie üben können. Wer die ocialdemokratisch« Presse kennt, weiß. daß so oft )arin KönigSmord und Abschaffung der Monarch« zwischen den Zellen zu lesen ist; natürlich nicht direct, rber der Leser versteht di« feinen Nüancerr, die dem Strafrichter nicht zugänglich find. Daß eia Monarch, >er mehr alS je einer gethan hat für die Wünsche erne» Volke» und der eine wahrhaft populäre Person geworden ist, von Mörderhand getroffen werden konnte — da- ist ein verbrechen, an da- keine- hinanreicht. Diese Blitze am Hellen Tage haben die Situation weit- >in geklärt und eS rft ganz richtig, wo- die National Zeitung kürzlich sagte: von allen Abgeordneten — da wären nur die Eocialdemokraten ausgenommen, aber onst weder Fortschritt noch Centrum — verlangen die Vühler, daß sie der Regierung gegen solche Bestn- mngen beistehen. Kämen sie ohne ein wirksame-Gesetz, o hätten sie ihre Pflicht nicht getban. Da- gilt auch wieder vom Fortschritt und er ist bei der Negation geblieben. Ich nehme hier nur Herrn vr. Hänel au-, )em eS in erfreulicher Weis« gelungen ist. den B<mn )er Negation zu durchbrechen, beben »vir un- nun >aS Gesetz an, so befindet sich die Regierung in einer ehr schwierigen Lage. Mit zwei mächtigen Parteien st die parlamentarische Maschine leicht zu beherrschen, aber der Reichslag hat 8 Fraktionen, die sich in Ge mäßheit de- bekannten LorpSgeifteS, der un-Deutschen eigen ist, ziemlich fremd gegenüber stehen. Wenn nun auch einerseits Welfen, Centrurn, Polen, Fortschritt eine geschlossene Armee bilden, so rft doch anderseit- elbst diese Loalition, wenn sie die Mehrbeit hätte, nimmermehr im Stande, eine einheitliche Regie rung zu Stande zu bringen, wenn sie auch ost der den Wahlen zusammenaegangen find — elbft mit den Sozialdemokraten. Da» Centrum und )iese Gruppen haben ja überhaupt bei den Wahle» in jedem Falle den der Regierung muthmaßlich m» iebsten Eandidaten unterstützt, di- auf einen Fall; da» ist die Wahl in Mühlhausen, und hier find sie auch erst ander» verfahren, al- feststand, daß auch ohne die Stimmen de- Centn-m- der betreffende Kandidat gewählt werden würde. (Große Heiterkeit.) So steht die Regierung vor der llnannehmlichkett, daß ihr volle V, de- Reichstage» verschlossen, unzo- gänglich find. Sie ist auf die Nationallibe- ralen und die beiden konservativen Par teien angewiesen. In jedem Lande würde nun )er Umstand, daß der LardeSvertretung die Bast» )eS Ganzen negrren, zu einem um so engeren Zu- ammenschluß der übrigen V, Anlaß geben, daß ist aber hier absolut nicht der Fall. Ich kann nur >ie Bitte an die Fraktionen richten, daß die Herren nicht der Regierung, sondern lediglich dem Lande den Dienst erweisen, sich zu verständigen und daß diejenigen, die überhaupt die Weiterentwick- ung auf der gegenwärtigen BafiS wollen, sich ein ander nähern. Ich will mich hier dagegen verwahren, >ei der ReichStagSauflösung irgend eine Reaktion ge plant zu haben; ich wollte blo« nach der veränderten Sachlage einen Austausch vermitteln »wischen Ihnen und den Wählern und S«« sollten, gestärkt durch di« Berührung mit den heimischen Boden, wiederkehren. Heiterkeit.) Ich habe bestimmte Ziele, gehe aber mit dem, der für da- Vaterland da- Beste will, — die Fraktion ist gleichgültig, shre Commission hat nun die Vorlage nicht genügend refunden, und wir werden un» verständigen müssen. Sie wollen ja gleich un- die Gefahr bekämpfen, wenn auch nicht so, wie wir. Sie schenken un- da» vertrauen nrcht, eine gewisse Art von Dik tatur auSzuüben. vertrauen laßt sich nicht erzwing«, vielleicht aber läßt eS sich erwerben durch loyale Ausführung deS Gesetze-. Mein Bestreben soll da rin, aber dazu verlange ich ein Gesetz, in dem wir unS bewegen können ohne qewaltthätrge Auslegung. Vertrauen Sie nicht auf erne gerechte Ausführung )e» Gesetze-, fürchten Eie mich oder die verbündeten Regierungen mehr alS die Eocialdemokraten, so würde ich mich fragen müssen, ob e- nicht Zeit ei. Jemandem Platz zu machen, der Ihr ver trauen in höherem Grade besitzt al» ich, oder ich mußte nach anderen Mitteln suchen. Nach meine« eigenen Sinne würde 8 1 den Wortlaut haben: „Vereine, in denen socialdemokratisch« Tendenzen >u Tage treten, sind zu verbieten." Die jetzige Fassung, die ich aber nicht bekämpfe, klinat wre eine Pnvilegirung solcher Vereine, dre auf Umsturz hin arbeiten, ohne socialdemokratisch zu sein. Wäre ..socialdemokratisch" und „Umsturz" nrcht dasselbe, so hätten wir zu diesem Gesetze übnchaupt kein Recht. Eine Definition de- Begriffe- ,,socialdemokratisch" ist nrcht nöthig; denn wer ist bisher zweifelhaft gewesen, welche Abgeordnete, Zeitungen, Vereine rc. social demokratisch sind? Hier nun auf einmal da- Be- dürsniß nach einer Definition? Wa- da- Materielle de» Gesetze- angeht, so könnten wir später, wenn «- unseren Erwartungen nicht entsprechend zu Stande kommt, die mangelhaft arbeitenden Maschinentheil« in seinem System ergänzen; e- giebt aber gewisse Bestimmungen der Vorlage, über Freizügigkeit und Preßwcsen — ich ziehe die Grenzen eng — ohne die mir da- Gesetz überhaupt unbrauchbar erscheine» müßte. Ich denke aber, daß sich au- den drei Fraktionen im Bunde mit der Regie rung «ine Loalition bilden wird, stark genug, alle die Stürme, denen da« Reich ausgesetzt ist, erfolgreich zu bekämpfen. (Lebhafter Beifall recht».) Abg. vr. Hänel: E- ist ein ungerechter Vorwurf, den der Herr Reich-kanzler der Fortschritt-Partei ge macht hat, daß sie di« Vorfrucht der Socialdemokmtie abqebe. Allerdings hat er auch keinen Bewei- ver sucht; ganz im Gegentheil, der Herr Reich-kanzler will für dre Productiv-Affociationen eintreten, und da» ist da- erste Streben der Socialdemokratr« und diese- Streben geht in Wahrheit darauf au-, unsere heutigen StaatSformen zu untergraben. Zudem aber zählt die Fortschritt-Partei Herrn Schulze- Delitzsch zu ihren Mitgliedern, welcher doch wohl be wiesen hat, daß er mit Erfolg geaen die Eocial- demokratie zu kämpfen versteht. — Da» Lob de- Herrn Reich-kanzler- wegen meine- Verhalten- in der Com mission weis« ich entschieden zurück. Ich habe nur streng die Beschlüsse meiner Fraktion erfüllt, welch« durchaus keine Partei der Negation ist. Segen dre Vorlage in der Fassung der Commission werden wir nur darum stimmen, wer! auch die» Gesetz nur zu deutlich die Merkmale de» Partei- und Tendenz- ^«bgeordn«5r*v^n Schmid (Württemberg): Daß
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