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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1878
- Erscheinungsdatum
- 1878-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187810317
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18781031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18781031
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1878
- Monat1878-10
- Tag1878-10-31
- Monat1878-10
- Jahr1878
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1878
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5820 Politische «ebersicht. «elHtt«. R>. Oktober. Herr Sonnemau«, der Chef der demagogischen »Male der süddentschen (scmen. „deutschen") Volk-Partei zu Frankfurt am Main, liebt e» in seiuer souderainen OmnipotenA, den gemäßigteren Anhängern der Demokratie gelegentlich Ver mahnungen und „Wischer" zu ertheilen. Die Po lemik de- genannten Politiker-, dessen Uebelwollen gegen da- deutsche Reich au- dem Umstande refultirt, daß e- für den Frankfurter Börsen- Klüngel keine österreichischen Kaiserducaten mehr zu beschneiden giebt, richtet sich neuerding- wieder gegen die Fortschritt-Partei, die sich denn auch wohlwollend« Rathschläge und Verwarnungen von oben herab gefallen lasten muß. Da- Organ d«S Herrn Sonnemann, die demagogisch-plulo kratisch-sranzvstsch gesinnt« „Frankfurter Zei tung", schreibt neuerding-: In einem einleitenden Artikel über den bevor stehenden Parteitag der Fortschritt-Partei äußert sich die „Verl, volk-ztg." wie folgt: „Jedenfalls ist jetzt die Fortschrittspartei an einem Wendepunkt angelangt, wo es ihr entweder ge lingt, sich »u dieser für unsere Entwickelung unbe dingt nothwendigen nationalen und staatlich gesinnten Demokratie zu erweitern, oder wo sie ihrer allmäligen und wahrscheinlich nicht einmal allzu langsamen Zerbröckelung entgegen geht. Günstig stehen hierbei für sie die ÄuS- lichten insofern, als sie wenigsten- im Plenum und bei der Schlußabstimmung über da-Social ist en ge setz rinmüthig für dre volle Ausrechterhaliung oer demokratischen Grundrechte, der freien Ler- einigung und der freien Presse, eingetreten ist und auch sonst in ihren Traditionen wenigsten- gewisse BolkSsorderungen, wie Schwurgerichte, Erlheilung der Diäten an die ReichstagSabgeordnetrn, stets verfochten hat und sich zur Aufgebung dieser For derungen bisher nicht durch Compromiffe hat be- ttimmen lasten. Ungünstig dagegen sind die Aussichten, weil sie andere demokratische Forde rungen, wie die Au-dehnung de- allgemeinen Wahlrechts auf die Landtage und die Communal- wahlen, bi-her auS OpportunitätSrückfichten theil- zu sehr hat zurücktreten lasten, theils sogar, wie bei den Abstimmungen für die preußische Kreis- und Provinzialordnuna, direct verletzt hat. Ungünstig ferner, weil sie, soweit wir zu sehen vermögen, in socialen und wirthschaftlichen Fragen selbst innerlich zerklüftet ist und eS sehr schwer halten wird, hier in dem Programm eine Stellung etnzunehmen, welche die bisherige parlamentarische Fraktion zusammen hält und doch zugleich geeignet ist, dre Masten wieder um daS Parteibanner zu schaaren. Jeden fall- wiegt aber die politische Nothwendigkeit, daß wir einer solchen echt demokratischen, aber nicht revolutionären Partei dringend bedürfen, und der berechtigte Wunsch, daß diese Aufgabe der Fortschrittspartei als der durch ihre Ber gangenheit am meisten dazu berechtigten und darum auch wohl befähigtsten zufallen möge, schwerer alS der Wunsch, die gegenwärtige parlamentarische Fraktion in ihrem Bestände zu erhalten." Wir glauben — läßt Herr Sonnemann durch sein Preßbureau verkünden — daß die Erfahrungen der letzten Jahre vom Beginn deS Kulturkämpfe- bi» zu dem unglückseligen Flötenspiel des HLnel'- » chen Antrag- weder für die Befähigung noch für die Berechtigung sprechen, die hier dem Fortschritt so zuversichtlich vindicirt wird. Nichts desto weniger begleiten wir da- Programm der „BolkSztg." mit unseren besten Wünschen, wollen aber nicht verschweigen, daß die erste Bedingung de- Gelingens einer Reorganisation deS Fortschritts der entschiedene Sieg der Partei über dre parlamenta rische Fraktion ist. Zum Mindesten müßte der letzteren in bestimmter Weise sklar gemacht werden, daß sie weder die Partei ist, noch über derselben steht. Die fortschrittliche Presse wird doch wohl die Antwort dem Frankfurter „Laternenmann" nicht schuldig bleiben. * » » Durch die vlätter gingen in den letzten Tagen Notizen über eine Erschütterung der Stellung ve- preußischen Finanzminister-, der in seinem Amte aus große Schwierigkeiten stoße. Wir können versichern — schreibt die „Post" — daß derartige Behauptungen völlig grundlos find, ebenso die Annahme, daß die Situation, welche Herr Ho ld recht bei Uebernahme seine- Amte- vorgefunden und die ihm allein die Annahme desselben ermög licht hat, eine Aenderung erfahren habe. Auch eine andere Behauptung ist irrig, snämlich, daß die Entscheidung über die künftige Stel lung de- Ministerium- für Handel und Gewerbe zweifelhaft gewesen sei, da jetzt die Absicht vorliege, diesen Verwaltung-zweig dem Landwirthschaftlichen Ministerium unterzuordnen. Bereit- im Lause de- Sommer- hat da- StaatS- ministerinm über die betreffende Angelegenheit Be schluß gefaßt und für denselben, alS Grundlage für den Staatshaushalt, die Allerhöchste Geneh migung eingeholt. Der leitende Gesichts punkt, au« welchem der damalige Ent schlußentsprang, nämlich die Verwaltung für Handel und Gewerbe mit der gleich artigen Reichsverwaltung zu verbinden, schließt die Verbindung mit dem land wirthfchaftlichen Ministerium au-. Wenn nur diese Hoffnung erst verwirklicht wäre! Der badische Landtag ist wieder zusammen getreten. Beide Kammern beschlossen die Absen düng von Deputationen an Se. Majestät den Kaiser Wilhelm und an Se. königliche Hoheit den Großherzog. Vom Minister de- Innern wurden Gesetzentwürfe über die städtischen Ge meinvesteuern und die Anstellung von Lehrerinnen, vom Iustizminister Gesetzentwürfe über ein neue- Forst-Strafgesetz und Uber da» RechtSverhältniß der Richter vorgelegt. Die Abgeordnetenkammer wählte Lamey durch Akklamation wieder zum Präsidenten. « * * Die Vorgänge im Orient sind an anderer Stelle au-sührlicher beleuchtet. Telegraphisch wird gemeldet- 2 Konllantinopel, «. Oktober. Der russische Botschafter Fürst Lobanoff. soll sich in Folge einer an ihn ergangenen Berufung in den nächsten Tagen nach Livadia begeben. Wien, 2«. Octbr. Meldungen der „Polit. Eorres p." auS Bukarest: Dem Einmärsche der rumänischen Truppen in die Dobrudscha steht kein wie immer geartete- Hinderniß entgegen. Der Einmarsch wird, wie die Regierung entschieden hat, gleichzeitig mit der Abreise der zur Üebernahme bestimmten Eommisfion erfolgen. Die Vertreter Rumäniens in Petersburg und Konftantinopel, Ghika und Demeter Bratiano, haben sich auf ihre Posten begeben. DaS innere politische Leben in Oester reich-Ungarn ist durch die Orientpolitik Graf Andrassh'- in eine vollständige Ver sumpfung geratheil. Erst die Parlamente der Doppelmonarchie werden im Stande sein, gesunde Strömungen hervorzubringen. Heute meldet der Telegraph: Wien, 2«. Oktober. Sitzung de- Abgeordneten hauses. Der Abgeordnete Ko pp begründete seinen Antrag auf Erlaß einer Adresse an den Kaiser und auf Ueberweisung diese- Anträge- an «inen auS 18 Mitgliedern bestehenden Ausschuß, welcher bis zum 2. November seine Anträge stellen soll. Gro- cholSki und Hohenwarth erklärten, Ersterer im Na men der Polen und Letzterer im Namen der Partei der Rechten, daß sie mit dem Wortlaut der vorgeschlagenen Adresse principiell nicht einverstanden seien und daß sie deshalb dagegen stimmen würden. Der Antrag auf Einsetzung eine» Ausschusses von 18 Mitgliedern wurde mit 142 gegen 78 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten nur die Partei der Rechten, die Polen, die Ruthenen und ein Theil des Cen trums. Der Antrag, daß der Ausschuß bis zum 2. November über die Adresse berichten soll, wurde mit 138 gegen 8S Stimmen angenommen. Ein An trag auf Oeffentlichkeit der AuSschußsitzungen wurde abgelehnt. Bei den CommunalrathSwahlen inBel- »en wurden in Maline», Arlon, Antwerpen, asselt, Lierre, Mon», Namur. Charleroi, Dies». Dixmude, TonHre-, Tournai. Wavre, ?)pern und Eeclo die Candrdaten der liberalen, inNivellcS, Enghien und RoulerS die Candidaten der ultra- montan-katholischen Partei gewählt. » » » Versailles war am Montag bei der Wieder eröffnung der Kammern sehr lebhaft. Die republikanischen Deputirten und Senatoren tauschten vielfach Eindrücke au- der Provinz aus und herrscht im Allgemeinen in ihren Kreisen die beste Zuversicht. Die Resultate der Deputirten wählen sind noch sehr unvollständig bekannt. Erst au» einigen Departement- sind sichere Nach richten eingegangen, die für die Republikaner günstig lauten; so haben in dem bi-her konservativen Departement du Nord die Repu blikaner die Majorität gewonnen. Die Kam mer-Sitzung selbst war ohne Bedeutnng. Die nächste beginnt mit der Prüfung der Wahl Cassagnac'S. — Reaktionäre Pariser Blätter melden, daß mehrere Generale bei dem Marschall Mac Mahon Beschwerde Uber die Angriffe geführt haben, welche da- Journal Gam betta's wider Officiere macht, welche bei den Kriegsgerichten functionirten. — Der „Temps" veröffentlicht ein Circular dc- General-Gouverneur» von Pari-, worin die CorpScommandanten angewiesen werden, ein strenge- Augenmerk aus eine Art von religiösem Gehet mb und zu haben, welche unter dem Namen I^egiou de 8t. Llaurieo in den Reihen der Armee Propaganda zu machen sucht und bereit- viele Anhänger geworben hat. — Die Gazette de- Tribunaux veröffentlichte au» den Acten de- letzten Pariser Socia listen C ongresse- am 25. Oktober folgende- Schreiben, welche- von einem spanischen Revolulionair, Namen- Ouinone», an einen der Theilnehmer de» CongresseS gerichtet war: „Madrid, 21. August. Ich bedauere lebhaft, daß wir unS aus dem socia Mischen internationalen Congreß in Pari- nicht ver treten lassen können, denn wir sind mit dem Werke der Revolution sehr beschäftigt (em noo, nomine» ist» orcupe» 0 l» besogne äe I, revolotion . ..). Sie können unS hinsichtlich der concreten Punkte de- allgemeinen PrincipS de- kollektivistischen förderativen SociallSmuS vertreten. Wir sind vor Allem revolu- tionaire ausübende Socialiften («oci»Ii«ie» revolu tionär«-« prsiiqueo), in wirthschaftlicher Beziehung Collectiviften, m der Politik: die Commune al- RegierungSform und die Föderation mittelst der Solidarität... „Dieser Brief," bemerkt der Pariser Moni teur, „stellt in unumstößlicher Weise die zwischen dem spanischen und dem französischen Socia- li-muS bestehende Solidarität fest. * » » Die „RLpublique fran^aise" de- Herrn Gambetta bestreitet — auch nach dem Pariser Sociülistenproceß—, daß e» überhaupt in Krank reich Socialdemokraten gebe, und die „Rö- publique franeaise" de- Herrn Sonnemann in Frankfurt a. Main, die „Frankfurter nimmt — bemerkt sardonisch die „N. A. ihre Zuflucht zu der Strategie der socialdemokra- tischen Presse Berlin- nach dem Hödel'schen Attentat, indem sie den Meuchelmörder Moncasi — wenn auch zunächst mit vorsichtiger BoSheit als Polizeifigur hinstellt. Der Friede mit Pom. Nachdem seit längerer Zeit die widerspruchsvollsten Nachrichten über die B ziebungen zwischen dem Vatikan und der deutschen bez. preußischen Regierung im Schwünge find, bezeichnet jetzt die „Germania" den gegenwärtigen Stand der An gelegenheit wie folgt: „ES ist nicht richtig von einem Abbruch der Verhandlungen zu reden; allerdings haben die Kissinger Verabredungen zu einem Resul tate nicht geführt; eS sind indessen von Papst Leo XIII. Präpositionen gemacht worden, auf welche bis jetzt, wie ,wir annehmen zu dürfen glauben, seitens der preußischen Regierung noch keine Antwort erfolgt ist. Da» ultramontane Blatt macht diese Meldung mit der Miene voller Sicherheit, und wir sehen in der That keinen Grund, weshalb «an sie für unwahr scheinlich halten solue. Das ganz« Interesse würde sich demnach vorläufig auf den Inhalt der päpst lichen Präpositionen concentriren. Leider läßt die „Germania" es darüber an jeder Andeutung fehlen. Aber nach verschiedenen Anzeichen zu schließen, sind die Vorschläge nicht derart, daß eine annehmende Antwort erwartet werden kann. In erster Linie haben wir hier das Verhalten der CentrumSpartei während der letzten ReichStagSsesfion im Auge. In derselben war zwischen Anfang und Ende der Session ein merkwürdiger Unterschied zu beobachten. Eine oppositionelle Stellung nahm daS Centrum zwar von vornherein ein, aber während seine Haltung Anfangs eine höchst rrservirte und durchaus sachliche war, wurde gegen Ende der Session der allbekannte aggressive Ton mit einer Schärfe angeschlagen, wie sie nur in den bewegten Zeiten de- „CulturkampfeS" zu hören war. Der zufällige Umstand, daß Herr Windthorst am Beginne der Session im Reichstage nicht an wesend war, genügt sicherlich nicht zur Erklärung dieser Erscheinung, ganz abgesehen von der nicht eben fernliegenden Vermuthung, daß für jene Ab Wesenheit außer häuslichen auch andere Gründe be stimmend gewesen sein könnten, Gründe, welche jenen Unterschied nur noch bedeutsamer machen würden. Man bat das erbitterte Auftreten Windthorst'» ganz auf das Conto der neubelebten welfischen Aktion setzen wollen. Aber dem steht die am vorletzten Tage der Session gehaltene Rede de- Führer- der westfälischen Nltramontanen entgegen, eine Rede, in welcher die Windthorst'schen Jnvectioen fast noch überboten wurden. Sollte man wirklich glauben, daß der „Geh. Käm merer Sr.Heiligkeit deSPapfteS"v. Schorlemer diese Sprache geführt haben würde, wenn man im Vatikan an ein entgegenkommende- Eingehen der preußischen Regierung auf die päpstlichen Präpositionen geglaubt hätte? Wir vermuthen stark, auch Herr Windthorst fürchtete nicht, im Vatikan zu mißfallen, wenn er am 14. Oktober sagte: „Meine Herren, bloS mit Worten sagen, man wünsche den Culturkampf beseitigt, einige angenehme Worte darüber wechseln, Hiese oder jene Conversation einleiten, da» beißt nicht, den ernsten Versuch machen, den Culturkampf zu beseitigen. Wenn man den Culturkampf besei'igen will, dann muß man ernste annehmbare Propositionen machen; man muß dann nicht AlleS, waS in dieser Richtung etwa ge schieht, in daS tiefste Dunkel hüllen, damit ja nicht daS vollständig Richtige dessen, waS geschieht, zu Tage kommt; man muß dann vielmehr klar und bestimmt DaS hinftellen, waS man will. Dann wird man wissen, ob eS wirklich Ernst mit einem Ausgleich ist. Heute ist eS nicht Ernst mit der Beseitigung deS Cultur- kampfS. ES ist wohl Ernst, den Versuch zu machen, die unbequeme CentrumSfractwn in sich oder mit den Wäh lern in Zwiespalt zu bringen; aber es ist nicht Ernst mit dem Ausgleich: denn man macht offenbar keine an nehmbaren Propositionen." Daß Herr Windthorst mit diesen Vorwürfen nicht auf eigene Faust auftrat, daß er vielmehr Fühlung mit Rom hatte, erhellt jetzt auS einer in nltramontanen Kreisen stets für be sonder» beachtenSwerth gehaltenen römischen Corre- spondenz deS „Journal de BruxelleS", in welcher eS heißt: „Hat nun Fürst BiSmarck sich zur Entgegen nähme der Vorschläge Rom- nur in der Absicht bereit erklärt, um sich die Unterstützung der Katholiken im Parlament zu verschaffen, mit dem Vorbehalt, sie dann zu verlassen und wiederum zum „Culturkampf" zurück,»kehren? DaS Verhalten der Katholiken deS CennumS legt diese Annahme nahe." — AuS alledem scheint unS hervorzugehen, daß da- Verhalten der Centrumspartei gegen Ende der Session keineswegs eine wirkliche Opposition gegen die Politik der römischen Curie bedeutet, sondern vielmehr die eigene Verstim mung der letzteren über die Nichtannahme der päpstli chen Präpositionen zum Ausdruck brachte. Ganz hat man freilich allem Anscheine nach die Hoffnung noch nicht auf- gegeben, allein zu welch verzweifelten Mitteln man be reits greift, zeigt folgende weitere Stelle der erwähnten römischen Korrespondenz: „vielleicht ist Fürst Bis marck, angesichts der Gefahr, welche dem Reiche seilen de- deutschen SocialismuS droht, zu der trügerischen Neberzeugung gelangt, daß ein Gesetz zur Ueberwin düng dieser Gefahr auSreichen werde. Wenn Dem so wäre, dann dürften ihm die Socialiften den Beweis liefern, daß er sich nicht nur geirrt, sondern daß er auch nicht klug daran gethan, wenn er die hülfreiche Hand Leo'S Xlll. nicht sofort ergriff." Also wieder einmal, wenn auch in verhüllter Form, die Drohung mit der Revolution! — Wenn die „Germania" ihrer seitS zu dem Schluffe kommt, daß betreffs einer be friedigenden Antwort (befriedigend im ultramontanen Sinne) der preußischen Regierung nur geringe Hoff nungen zu Kegen seien, so mag sie Recht haben. Wcht Recht aber hat sie mit der Behauptung, man werde gegen den apostolischen Stuhl niemals den Vorwurf erheben dürfen, den Frieden nicht gewollt zu haben. ES giebt eben auch „Friedensvorschläge", die ein; Verständigung unmöglich machen. Lerlmer Lriefe. Berlin, 28. Oktober. (Die deutsche Re lierung zum Berliner Vertrage. Unsichere vlinifter-PorteseuilleS. Berhältniß der Goldmünzen zu den Silberthalern in den öffentlichenCassen. Enquete überGefäng- nißarbeit. Die Entstehung der Bolkswirth- schastlichen Vereinigung Berliner Ge Werbeausstellung für 1878.) Man schreibt von mehr alS einer Seite dem hiesigen Auswärtigen Amte eine rege Thätigkeit gegen über der neuen Phase in den orientalischen Wirren zu. Heute wollt« man sogarwifsen, daß unser Botschafter in London, Graf Munster, angewiesen worden sei, in dem Foreian OfficelEinspruch gegen die Demonstrationen der Türkei zum Wieverbeginn d«S Kriege- zu erheben, weil Rußland dadurch verhindert werde, den Berliner Vertrag auszuführen. Hinzuge- fügt wird, daß sich die deutsche Regierung dem eng lischen Vorschläge abgeneigt zeige, Rußland zu einem korrekten Verfahren aufzuforden, daß sie vielmehr zu einem Collectlvschritt der Mächte in Konstantinopel rath«. Man wird gut thun, diese Nachrichten mit Vorsicht auszunehmen. Rach den uns zukommenden Mittheilunaen wird hier die Lage im Orient nicht als bedrohlich aufgefaßt und die deutsche Diplomatie zeigt sich am wenigsten geneigt, heute schon durch irgend l einen Act den Bewei-zu führen, daß sie jdie Lebensfähig keit de» Berliner Vertrage- alS erschüttert betrachtet. — ES ist bezeichnend dafür, wie wenig consolidirt doch unsere innerpolitischen Verhältnisse sind, daß die Gerüchte über die gefährdete Stellung de- preußischen Finanzministers (Gerüchte, von denen auch heute noch behauptet werden kann, daß sie auf jeden Fall verfrüht find) noch immer nicht einschlafen, und daß zudem alle Welt erzählt, auch der Präsident des Reichskanzleramts, Herr Hosmann, aedenke von seinem wenig dankbaren Posten z« scheiden. Dazu kommt ferner, daß das Entlassung» gesuch deS EultuSmimsterS Falk keineswegs de finitiv zurückgezogen, sondern noch jetzt m der Schwebe befindlich ist, und man sich nicht sehr wundern darf, wenn vielleicht schon die nächsten Monate eine für daS Bleiben de- Minister- un günstige Entscheidung bringen. Und zwar sollen weniger die kirchlichen Fragen Herrn Falk seine Stellung verleiden, alS dre unübersteiglichen Hinder- nisse, welche sich der Vollendung deS UnterrichtSgesetzeS darbieten, für daS er sich nun einmal engagirt hat. — In der „Rat. Ztg." wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Enquete über den Eassenbeftand an Goldmünzen und Silberthalern, welche gegen wärtig vorgenommen wird, eine jährlich wieder kehrende ist, der eine außerordentliche Bedeu tung, etwa für die bevorstehend« Einziehung der Thaler, nicht beizulegen ist. Wenn wir nicht irren, war eS gerade die „Rat. Z ", welche dies« jetzt rurückaewiesene, falsche Ansicht in Umlauf gesetzt hat. Ein Blick auf eine der betr. Beifügungen, z. B. die de- Iustizminister-, welche ausdrücklich sagt, daß, wie »n den Vorjahren, eine Ueberficht gewünscht werde, hätte von dem Ungrunde der Meinung über zeugen müssen, daß e- sich hier um eine vorbereitende Maßregel für die Einziehung der Silberthaler handele. — Der bleibende Ausschuß de- Deutschen Han delst ageS hatte sich bekanntlich durch die seit Iah- ren in gewerbetreibenden Kreisen erhobenen Beschwerden über die nachtheilige Einwirkung der Gefängnißarbeit auf die gewerbliche und in dustrielle Privatarbeit veranlaßt gesehen, an di« Mitglieder de- HandelstageS eine Umfrage über dielen Gegenstand zu richten. Das gesammte Material üvrr die Zahl der in den einzelnen Anstalten beschäftigten Gefangenen, über Gattung und Menge der berge- stellten Handelsartikel, über die von den Unterneb mern für die Arbeit gezahlten Löhne, sowie über dar vorgeschriebene und daS wirklich geleistete TageSpen- sum der Sträflinge befindet sich jetzt in den Händen der Fragesteller. Weitaus der größte Theil der ge werblichen und Handel- Korporationen, welche Unter suchungen angestellt haben, ist von der behaup teten nachtheiligen Einwirkung durchaus überzeugt, dagegen haben die von anderen in ihren Be zirken angestellten Ermittelungen ergeben, daß ein nachtheiliger Einfluß der Gefängnißarbeit auf die gewerbliche und industrielle Privatarbeit nachweisbar »ft. Zu diesem Resultate kommen z. B. die Vorsteher der Stettiner Kaufmannschaft. Im Regierungsbezirk Stettin fabricirt überhaupt keine Strafanstalt Han delsartikel für eigene Rechnung; soweit die Sträflinge mit der Herstellung von Handelsartikeln beschäftigt werden, ist die Arbeit an Unternehmer vergeben. Hierbei hat sich nach Ansicht der vorgenannten Cor poration auch herausgestellt, daß eS durchaus unzulässig sei, die von den Unternehmern an die Anstalten ge zahlten Lohnsätze mit den für freie Privatarbeit gezahlten Löhnen zu vergleichen, um dadurch zu be weisen, daß die freie Arbeit die Loncurrenz der Ge fängnißarbeit nicht bestehen könne. Nach den von Stettiner Unternehmern gemachten Erfahrungen fe, die Fabrikation in den Strafanstalten in Folge un geschickter oder lässiger Arbeit, schlechter Behandlung der Werkzeuge, BergeuduntssdeSMohstoffS.und häufiger Unterbrechung durch die Hausordnung vielfach durch aus unvortheilhaft. Die» treffe namentlich bei solchen Anstalten »u, in welchen zumeist Gefangene inhaftirl sind, welche nur eine kurze Strafzett zu verbüßen hätten. Weit richtiger als nach einer Vergleichung der Lohnsätze werde sich der Einfluß der Gefängmß arbeit nach statistischen Ermittelungen beurtherlen lassen, welche sestftellen, in welchem Maße in einem bestimmten FabrikationSzweige freie Arbeit und Ge- fängnißarbeit mit einander concurriren. Sollte sich dabei Herausstellen, daß in einer Branche die letztere im Verhältniß zur ersteren sehr stark auftritt, so dürste eme Einschränkung geboten sein. Derartige statistische Ermittelungen find übrigen» anderweitig bereit- empfohlen und auch angestellt worden, und wenigstens bei der Kleineisenindustrie scheinen sie in verschiedenen Zweigen eine zu starke Concurrenz der Gefängnißarbeit ergeben zu haben. — Die innere Ge chichte der Entstehung der VolkS-wirthschaft- lichen Bereinigung und waS in der oft erwähn ten Sitzung im Reichstage voraing. wird erst ge schrieben werden müssen. In Betreff der letzteren möchten wir nur andeuten, daß der Abgeordnete Freiherr v. Mirbach (Ostpreußen) den Antrag stellte, die Koalition der Landwirthe mit den Industriellen wegen der Gemeinsamkeit vieler ihrer Interessen in da- Programm aufzunehmen. Der Abg. LüderS (Görlitz) sprach sich gegen die Vermengung au», in dem er meinte, daß alle Agrarier politische Reactionaire seien. Abg. vr. Hammacher bemerkt dagegen, daß die VolkSwirthscbaftliche Vereinigung mit diesen nicklS zu thun haben wolle. Nachdem vr. Hammacher sich der Zustimmunq der Abgg. vr. Löwe, Freiherrn von Varnbühler, von Schorlemer-AIft u. A ver sichert hatte, wurden nur noch wenige Abänderungen an dem Entwurf« der Erklärung vorgenommen. Der Abg. von Varnbühler milderte denselben in eine« Punkte, während Abg. v. Schorlemer-AIft eS unter nahm. seine Partei für die Annahme der Erklärung zu gewinnen. Einige Mitglieder der Fortschritts Partei, welche den Standpunkt der süddeutschen de mokratischen Abgg. Köpfer und Hacke theilten, zogen vor der Veröffentlichung de- Schriftstückes ihre Unter schrift zurück. Seiten- der Mitglieder der VolkSwirth- schaftlichen Vereinigung wird übrigens anerkannt, daß v«.Löwe'SBemühungen seit4—-Jahren unablässig da hin gingen, einen Compromiß zwischen den Parteien auf der Basis von Finanzzbllen zu erzielen. Daß die Neue rung sich diesem Standpunkt jetzt mehr alS je geneigt zeigt, beweist der Umstand, daß im Reichskanzleramt die bezüglichen Gesetzentwürfe auSgearbeitet werden — Von allen Seiten wird dem in» Leben getretenen Unternehmen der Berliner Gewerbe-Ausstel lung von 1878 daS größte Interesse entgegengebracht. E» werden nicht nur von der industriellen Bevölke rung Berlin» alle Hebil in Bewegung gesetzt, um den Plan in seiner ganzen Au-dehnung würdig auS- zuführen, sondern auch d-e Behörden unterstützen die Gesellschaft nach besten Kräften. Schon erheben sich die ersten Anfänge des umfangreichen Baue», das Bureaugebäude ist bereit- fertig und die Garten- anlagen find in der Ausführung begriffen. Der Finanzplan kann nicht durch eine Mehrausgabe übei schritten werden, weil der Bauvertrag bereit» abg.- schloffen ist. Durch diestheilweis« Benutzung de» han noverschen AuSstellungSgebäudeS wird eme Ersparniß von 100,000 erzielt Die Herstellung de» Gebäudes von neuen Materialien würde 3—LOOMO Mehr kosten verursacht haben. E» ist gegründet« Hoffnung vorhanden, daß der Staat sich durch Aussetzung von Prämien und durch Ernennung einer Preisjury an dem Unternehmen betheiligen wird, während von der Gesell schaft die vertheilung von Diplomen beschlossen worden
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