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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188007063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800706
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Paginierfehler nach S. 4063
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-07
- Tag1880-07-06
- Monat1880-07
- Jahr1880
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1880
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Erste Lcilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 213. Dienstag den 6. Juli 1880. 74. Jahrgang. - Meißner Louserenz. * Leipzig, 4. Juli. Die Berathungen der in diesen Tagru abgehaltenen Meißner Conserenz wurden durch einen Gottesdienst in der Meißner Stadtkirche. w»bei Herr Superintendent vr. Michel au» Gioßzschocher bei Leipzig die Predigt hielt, einaeleitet. Bor Eintritt in die eigentlichen Be- rathungen hielt der Vorsitzende, Herr Prosissor v. Fr icke, eine längere Ansprache zur Erinne rung au da» 800jährige Jubiläum der Concordien- forme!. Nach Consiituirung deS Bureau erstattete Herr Oceipsarrer vr. Wetzet au» Bischofswerda Be richt über den Wahlmodu» bei Besetzung geistlicher Aemter und über daS AlterSzu- tagengesetz. Der Redner empsabl die Annahme seiner ausgestellten Thesen, in welchen eine Abän derung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen dahin gehend für nothwendig erachtet wird, daß erstens die Bestimmungen Uber die kirchliche Qua lifikation zum Kirchenoorsteher in tz. 8 der Kirchen- und Synodalordnung mit einer Uder daS bisherige Maß hinausgehenden Unzweideutigkeit dahin prä- cisirt werden, daß Vorbedingungen, Pflichten und eventuell Verlust eincS solchen Amte» klar ausge sprochen werden, zweitens daß die Verordnung vom 22. Juni 1875 eine schärfere, alle weitergehenden Anforderungen an die Geistlichen ausschließende Fassung erhalte und daß drittens als Abschluß und als nolbwendige Ergänzung der ganzen Gesetz gebung ein Kirchengesetz, die Regelung der finan- iiellrn Lage der evangelisch lutherischen Geistlichen betreffend (AlterSzulagengesetz). besten Grundsätze bereit» 1876 von den in evLugelieis beauftragten StaatSministern der Synode vorgelegt und von dieser mit mehrfachen Verbesterungen angenommen wurden, baldmöglichst erlassen werde. Das Er- gebniß der mehrstündigen Debatte bestand darin, daß die Thesen de» Referenten angenommen wurden, desgleichen ein Antrag deö PasiorS Scheu ffler, nach welchem der Gemeindevertretung nur ein Bewerber, nach besten erfolgter Ablehnung ein zweiter und für den Fall, daß auch Dieser abgelehnt werden sollte, ein dritter zu präsentiren ist und im Falle einer abermaligen Ablehnung die erledigte Stelle durch das evangelischeLandeSconsistorium ohne weitere . Mitwirkung de- KirchenvorstandeS ru besetzen ist. Weiter erklärte die Conserenz, eS sei wünschens- werth, daß die Alterszulagen ausschließlich von der Staatskasse getragen werden, und sie erhob endlich auch noch den Antrag deS Superintendenten Groß mann-Grimma zum Beschluß, welcher dahin lautet, es sei zu wünschen, di: in Kraft befindlichen Verordnungen zur Beseitigung der durch daS frag liche Gesetz hervorgcrufenen Uebelstände zu benützen. Die Beschlüsse, welche die Meißner Conserenz zu dieser Materie gefaßt hat, laufen also im Wesent lichen aus eine Beschränkung deS kirchlichen Ge meindewahlrechts hinaus, welches den Kirchenge- meinden in der Kirchen- und Synodalordnung in nicht allzu liberaler Weise gewährleistet worden ist. Ueber dieAbendmahlSpraxis mit besonderer Berücksichtigung von Selbstcommunion der Geist lichen und Abendcommunion referirte Herr DiakonuS Lieschke auS Plauen, welcher unter Anderm betonte, die Mannichfaltigkeit der Abend- mahlSpraxi» sei in Sachsen sehr groß und des halb eine einheitlichere Form wünschenSwerth. Der Referent empfahl der Versammlung, folgenden Thesen ihre Genehmigung zu ertheilen: 1. Da die Abendmahlsfeier nur dann die Spitze des HauptgottcSdienstes ist, wenn die ganze am Gottesdienst theilnehmende Gemeinde die Kommunion feiert, die Einführung solcher sonntäglicher Gemeinve- communionen aber undurchführbar ist, empfiehlt es sich, von Zeit zu Zeit HauptgotteSdienste mit der Sacramentsfeier abschließen zu lassen. L. Die bereits seit dem 4. Jahrhundert hervortrelende Abnahme der AbendmahlSfrequenz ist an der Hand der Geschichte deS kirchlichen Lebens zu erklären und eine Besterung von bloS äußern, formalen Einrichtungen nicht zu erwarten. 3. Die Selbstcammunion der Geistlichen ist als Mittel der Besserung nicht zu betrachten, in der Bibel nicht begründet, historisch keineswegs von der Apostel- bis in die ReformationSzeit in unangefochtenem Gebrauch gewesen, in den Be- kenntnißschristen und von Luther verboten worden, für Sachsen kein wirkliche- Bedürfnis und ist darum kein Anlaß für die Aufhebung de- das Selbst- communiciren verbietenden RescripteS vom 1«. No vember 1625. 4. Uw die Abendmahlsfeier zu heben, ist zu erstreben: Aufhören der Masfencommunion, daS Bieten öfterer Gelegenheit für die Gemeindemit- glieder, zum Tisch deS Herrn zu kommen, wozu sich empfiehlt ». die Wiedereinführung der Abendmahls- frier an den drei hohen Festtagen nach altkirchlicher «eise und t». möglichst öftere Abhaltung von Sonn- tagS-E«mmuuionen, Einführung besonderer Abend- mahlsgotteSdienste, bei welchen die Beichtrede die Stelle der Predigt zu vertreten hat. Am besten eignen sich dazu die Abendstunden: die Abend- communionen haben sich bisher bewährt. Weiter empfiehlt sich gänzliches Abschaffen de- soaenannten AbspeisenS m der Sacriftei, so weit nicht Alte und Gebrechliche in Frage kommen, ferner Zulassung aber nicht Er zwingung der passiven Theilnahme der Gemeinde an der Abendmahlsfeier, Hinwirkung auf rechtzeitige per sönliche Anmeldung, Bekennung der Communicanten zur Spendeformel durch laules „Amen", Unter brechung de- KirchenaesangS während der Abend- mahlSfeter am Schluffe eine- LiedeS durch sanfte» Lrgelspiel oder geeigneten Ehorgesana und endlich Vermeidung alle» Nebelhaften» beim Ausspenden. 5. Di« Lirlegung der Beichte auf den Sonnabend ist meist undurchführbar. 6. Die Beichtrede muß dem Ernst der Buße wie dem Lockruf suchender Liebe AuSdruck geben. 7. Die Absolution unter Handauflegen ist nur m kleinen Gemeinden durchführbar. 8. DaS Kommen zum Altar ohne Beichte und Absolution, wie Die» 1»tt durch die Vorschrift der neuen sächs. Agende, die Beichte vor und da» Abendmahl nach dem Gottes dienste zu halten, verkommt, ,ft möglichst zu ver meiden. ». DaS Berständniß für Beichte und Abend mahl ist neben Predigt und Eonfirmandenunterricht besonders auch durch seelsorgerrschen Verkehr zu wecken und dahin zu wüken, daß vor Allem die weltlichen Lollatur- und Kirchenbehörden, die KuchenvorftandS- mitgl»«der, die Beamten- und Lehrerwelt hienn mit leuchtendem Beispiele vorangeht. Bei der an da» Referat sich anschließenden Debatte wurde die Selbstcommunion der Geistlichen nur durch Herrn Superintendent v. Lechter auö Leipzig, mit Hinweisung darauf, daß sie in der württembergischen Landeskirche Üblich sei, verthei- digt, während von anderer Seite dagegen ernst hafte Bedenken ausgesprochen wurden, unter Anderm das, daß die sächstschcn Gemeinden gewiß in der Selbstcommunion eine kalholisirende Neuerung zu erblicken geneigt seien. Die Conserenz genehmigte zum großen Tbeil die Thesen deS Referenten, mit Ausnahme deS PaffuS über die Massencommunionen, und auch bezüglich deS anderen Theile» der Thesen erklärte sie im Wesentlichen ihr Einverständniß. Am zweiten Tage hielt Herr Prof. vr. Wolde- mar Schmidt-Leipzig einen Vortrag über den Charakter der theologischen SchristauS- legung und ihre Bedeutung für Predigt und Katechese, welcher Vortrag reichen Beifall fand. Darauf folgte ein Reserat deS Herrn Professor v. Fr icke-Leipzig über den Religionsunter richt bis zur Confirmation, seine Bedeutung und Aufgabe. Referent faßte den Inhalt seines Referates in einer langen Reihe von Thesen zu sammen, deren Schwetpunct in der entschiedenen Stellungnahme gegen die confessionSlose Schule beruht, und ferner in der Forderung, daß der ganze Unterricht vom Geiste der Religion durchdrungen, gewissermaßen auf der Basis reli giöser Herlkwahrheit ausgebaut werden müsse. UebrigenS ist in These 18 ausgesprochen, daß die Schule im Wesentlichen Staatsschule bez. Ge- uieindcscbule sein muß, und zwar wegen der ge wachsenen Bedeutung der pädagogischen Wissen schaft und der in der Schule gestellten hohen Ausgabe, wie wegen der gewachsenen Bedeutung des Staate-. Die an daS Reserat sich anschließende lebhafte Debatte, welche sich hauptsächlich um die bekanntlich von strenggläubiger Seite hart angesochtene con fessionSlose Schule drehte und den Beweis ergab, baß in der Meißner Conserenz dermalen bei Weitem baS strenggläubige Element die Oberhand gewonnen hat. nahm im Wesentlichen folgenden Verlaus. Pastor Teufert-Bockwa erklärt die consessionS- lose Schule für ein Nonsens und seine volle Uebereinstimmung mit den Thesen deS Referenten. Ebenso giedt Superintendent Kunze-Meißen seiner Freube über die Thesen und die in ihr ausgesprochenen Ansichten in Sachen der konfessions losen Schule AuSdruck. Vr. DibeliuS erinnert an die vorzügliche bei Perthes erschienene Schrift deS Professor- 0. Baur „Religionslose Schule", in welcher schlagend nach gewiesen worden sei, baß auch Geographie und Geschichte ohne konfessionellen Standpuncl absolut nicht denkbar sei, so wenig wie confessionSlose Schule. Oberpsarrer vr. Wctzel ist der Meinung, daß die Schule nicht nur Slaatöschule sein darf, sondern auch der Kirche zu dienen hat und auch Kirchenschule sein muß. BezirkSschulinspector Wangemann betont, daß in Sachsen die Schule gar nicht confessionSlos sei. Der Lehrer solle außer als Diener des Staats auch als ein im Glauben seiner Confession stehender Christ und alS Vertreter der Familie wirken. Auch muß in Sachsen jeder Lehrer vor dem Amtsantritt ein Bekcnntniß seines Glaubens ablcgen. „Wir haben also in «achfen ja bereits, waS Sie wünschen." Pastor Hick- mann-Cölln beantragt, in der in These 18 ge gebenen Begründung der Staatsschule zu sagen „nach der gegenwärtigen geschichtlichen Entwicke lung". Der Referent erklärt sein Einverständniß damit. BezirkSschulinspeclor Wangemann spricht aus, daß die sogenannte confessionSlose Schule abgewirthschastet habe. Man hüte sich aber, den sächsischen Lehrerstand danach zu beurtbeilen, waS in Hamburg geschieht. Die sächsische Lehrerschaft halte daS christliche Bekenntniß überall hoch. vr. DibeliuS bemängelt die Art und Weise des Religionsunterrichts an manchen Gymnasien und Realschulen und wünscht, daß bei Auswahl von Religion-lehrern an derartigen Lehranstalten möglichst keine Theologen genommen werben, die mit der Theologie gebrochen. Sup. Vr. Franz: DaS Hauptübel sei die Anstellung aparter Re UgionSlehrer, dadurch sei die Religion zum „Fach" ge worden. vr. Kleinpaul wünscht mehr ReligionS- stunden, jeden Tag eine. Geh. Schulrath Kockel: Ich habe in den beiden letzten Jahren circa 3—400 Schulen deS Lande- besucht und mich fast überall nach dem Religionsunterricht erkundigt. Auf meine Frage an die Lehrer: „Kommen Sie mit den 4 Stunden aus?" antworteten die meisten mit ja, nur sehr wenige mit nein. Und das, meine Herren, waren die schlechtesten Lehrer! Die Debatte schließt mit Annahme deS Antrags H:ck- mann und der These 18. Auch die übrigen The en fanden nach längerer weiterer Debatte Annahme. In der DiScusfion wurde seitens deS Pastors Hickmann noch der Antrag gestellt, daß der Religionslehrer an dg» Bekenntmß der Kirche ge bunden sein muß. Die Conserenz erhob diesen Antrag zum Beschluß. Weiter wurde der An schauungsunterricht in ven Kreis der Besprechungen aezogcn. Oberpfarrer vr. Wetzel wünschte, den selben um 2 Stunde« in der Woche zu beschränken und diese dem Religionsunterrichte zuzulegen, während Schulrath Berthelt und DiakonuS Lehmann den Anschauungsunterricht entschieden in Schutz nehmen und gegen jede Verkürzung desselben sich erklären. Die letzte der von der Conserenz genehmigten Thesen lautet: „NurdaS vertrauensvolle Zusammen wirken von HauS, Schule und Kirche wird der von keiner anveren an Dichtigkeit llbertroffenen Aufgabe zu genügen vermögen: unserer Jugend die sittlich-religiösen Grundlagen für da- ganz« Leben zu sichern." Gesang und Gebet schloß die diesjährige ziemlich stark besucht gewesene Meißner Conserenz. Musik. Neues Theater. Leipzig, 5. Juli. Wenn in unserin Theater- publicum noch echter Sinn für die reine, unver fälschte, nicht durch raffinirte Reizmittel, sondern nur durch sich selbst wirkende Schönheit vorhan den ist, dann muß Gluck'S „OrpheuS" mit einer so vortrefflichen Besetzung und Ausstattung, mit der sie am Sonntag neu in Scene ging, zur Zug oper werden. Was nur der verwöhnteste, aber noch nicht überreizte Geschmack fordern kann, wird hier geboten. Die Arien dieser Oper gehören weit aus zu den reizvollsten und zugleich inhaltreichsten, welche auf dem Boden der italienischen Oper hervortrieben. OrpheuS ist bekanntlich die erste Oper, mit der Gluck seine reformatorische Tätig keit begann: sie wächst noch aus dem Boden der Praxis der Italiener heran-; aber der ganze weit schweifige Mechanismus der alten Arie ist zusam- mengerückt, nur auf die schnell und sicher treffenden Pointen beschränkt, und weil der Meist:r sie zu gleich harmonisch vertieft, so wirkt diese italienische Melodik nicht nur sinnlich reizvoll, sondern auch zugleich lies ergreifend. Fast mehr noch gilt Dies ven den Recttativen, die besonders durch die Instrumentalbegleitung oft hoch dramatisch be deutsam werden. Die wesentlichste Neuerung in der Zeit der ersten Aufführung der Oper (am 5. October 1762) war Wiedereinführung des ChorS, der in jener Zeit ganz auS der italieni schen Oper herausgeworsen war und den Dichter und Componist mit außerordentlicher Vorliebe hier behandeln. Die Chöre veö ersten Acts sind außer ordentlich treffend dramat sch wirksam und die deS zweiten dabei noch von herzgewinnender Lieblich keit. Dazu kommt endlich die reiche und doch nir gends aufdringliche Instrumentation, die dem ganzen Werk jene Weihe giebt, welche nur wenige Kunstwerke ersten Ranges besitzen. Die Einleitung zu der Scene: „Welch reiner Himmel" bietet eine Tonmalerei von so sinnberückender Schönheit, wie sie selten noch erreicht, wohl niemals überboten sein dürfte. Alle diese großen Vorzüge des klassischen Werks kamen durch die Ausführung am Sonntag so vollständig zur Geltung, daß der Abend zum wirklichen Fercrtagsabend wurde. Die großen Er wartungen, die man aus Frau Reicher-Kinder- mann gerade für die Partie des OrpheuS setzen durste, sind noch llbertroffen worden. Für den Ausdruck der stillen Trauer deS verzweifelnden Gatten ist die Klangfarbe deS Organs der Frau Reicher - Kindermann wie geschaffen und keine andere Partie dürfte ihr so viel Gelegenheit bieten, ihre Meisterschaft in Verwendung derselben in solchem Rcichthum zu entfalten. Unübertrefflich schön singt Frau Kindermann die Arie: „Ach er barmt euch mein." Die erste Arie im ersten Act gewinnt durch ein bewegteres Tempo als Frau Reicher-Kindermann nahm, ent schieden an Wirkung, und auch die im dritten Act „Ach ich habe sie verloren" denke ich mir etwa- belebter auSgeführt; selbst in den Recita- tiven erschien mir Manches zu gevehnt. Der impo- ante Eindruck deS Ganzen wirb dadurch nicht ge- tört, aber er dürfte noch ganz entschieden gewin nen, wenn diese Dehnungen vermieden werden. Auch die anderen beiden Partien — Euridice und Amor — haben in Frl. Schreiber und Frl. Löwy so ausgezeichnete Vertreter, daß sie bester nicht zu finden und zu wünschen sind. DaS Duett im dritte« Act und daS Terzett gegen den Schluß desselben namentlich wirkten ganz wundervoll. DeS höchsten Lobes würdig hielt sich auch der Chor, dem ein Hauptantheil an den Ehren deS Abends gebührt. Mit großer dramatischer Lebendigkeit und erschütternder Treue sang er die bedeutsamen Chöre deS ersten Acts und im zweiten entfaltete er emen Wohlklang, der wahrhaft überraschte und unge mein wohlthuend wirkte. Daß aber unser Orche ster eine Fülle von Intelligenz in sich birgt, wie kaum ein andere-, daS merkt man namentlich bei solchen Ausführungen. Jeder Einzelne deS viel köpfigen Körper- erscheint von demselben Geiste erfüllt und belebt und hilft so Gesammtleistungen herbeisühren, die nicht vollkommener zu denken sind. DaS Orchester begleitete mit einer Hingebung, die gleichfalls deS höchsten LobeS würvig ist. Beson dere Auszeichnung verdienen die Oboe. Flöte und die Geigen für die AuSsllhrungder Schilderung der Gefilde der seligen Geister. Mtt dem sorgsamsten Fleiß und dem fernsten Verständniß hatte Herr Capellmeister Mühld»rser die Oper vorbereitet und er führte sie mit gewohnter sicherer Hand zum glänzenoen Erfolge. Aber auch die Regie hatte Nichts ver säumt, diesen zu sichern; sie hat eS meisterlich verstanden, den ganzen Verlaus der Handlung in Bildern von großer Treue und überraschendnc Anschaulichkeit und Lebendigkeit darzustellen. Wer ungetrübten, höchsten künstlerischen Genuß sucht, dem ist die Vorstellung deS OrpheuS im Neuen Theater nur dringend anzuempsehlen. August Reißmann. Wohlthätigkeits-Coucert des Gesangvereins „Orpheus". —a. Leip welche stehen. Theils verflüchtigen sich die zarteren Töne so, daß entfernte Zuhörer davon nicht viel zu hören be kommen; theils ist auch die Reinheit dabei nicht so zu erzwingen wi« bei Coacerten im Saale. Da» Concert, welche- gestern der Gesangverein OrpheuS zum Besten deS Leipziger Zweig- Comits der Körnerstiftung zu Dresden m Bonorand's Garten gab. gestaltete sich aber trotz der genannten Schwierigkeiten zu einem höchst genußreichen. Unter den 11 Chorliedern, welche vorgetragen wurden, war auch nicht ein-, welche- nicht ««gesprochen und von sorgfältiger Einstu- dirung gezeugt hätte. Der Verein beherrscht die GesangeStechnik so, daß ihm getragene Sachen, bei welchen der Ton sehr fest zu halten ist, eben so gelingen wie leicht dahin fließend: oder humoristisch angehauchte Gesänge. Von den ersten vier Chorliedern („Die Frühlingszeit" von Abt, — „Der Liebe Dauer" von Mohr, — „Singe mit" von Abt und „Dort sind wir her" von Abt) hat uns daS dritte wegen der reinen Intonation und das vierte wegen de- sinnigen Texte- und der stimmungsvollen Composition außer ordentlich gefallen. Die nächsten drei Lieder (Mor gengesang von W. Gäbe, Moraenwanderung von Jansen, Rule Britania von Neithardt) wurden ebenfalls sehr gewandt wiedergegeben, wenn auch hier und da an der Reinheit des Tone- ein Bruch« theilchen fehlte. Bei den letzten vier Chorliedern: „Der Bauer und die Tauben" von Taubert, „Die Wache kommt" a. d. Oper: Die beiden Geizigen von Gretry, „Untreue" von Glück und „Soldatcn- Abschied" von Kücken offenbarten die Sänger eine so sorgfältige Beobachtung aller Gesangsregeln (Aussprache, Declamation rc.) und eine so lebendige Ausprägung de» humoristischen Elementes, daß der gespendete Beifall des Publicum- ganz am Orte war. Geradezu ein Meisterstück war der zweite Gesang: „Die Wache kommt" zu nennen, da da» Herannahen und Fortziehen der Wache durch ein erosoeustc) und ÜLorvseeucko, durch ein Anwachsen und Abnehmen der Tonstärke täu schend nachgeahmt wurde. Stürmischer ApplauS belohnte die trefflichen Sänger und Sängerinnen, die unS bei einem Liede in der Thal an unsere Thomaner erinnerten. Unterstützt wurde der Verein durch die Walther'sche Capelle, welche mit dem Vortrage klassischer Stücke wieder Ehre einlegte. Sie spielte: Frieden»-Ouvertüre von Remecke, Nachruf an Weber (Fantasie) von Bach. Festgesang an die Künstler von Mendelssohn, Kaisermarsch von Wagner, Lconore« - Ouvertüre von Beethoven, Largo von Händel und Jubel» Ouvertüre von Weber, und erntete mit all diesen Stücken verdienten Beifall. DaS Concert war ein höchst gelungenes zu nennen, und eS hat gewiß keiner der zahlreichen Zuhörer unbefriedigt den Garten verlassen. — Die Idee, eine volksthümliche Opernvor stellung zu veranstalten, hat sich am Sonntag im Carolatheater als so zugkräftig erwiesen, daß Hunderte von Besuchern an der Abendcasse um kehren mußten, ohne ein Billet erhalten zu haben. Im Theater selbst herrschte eine äußerst animirte Stimmung und daS letzte Auftreten des Herrn Rudolf Freny als BaculuS nn „Wildschütz" gestaltete sich zu einer glänzenden AbschiedSseier. Die heutige erstmalige Aufführung der Over: „Der Harde sch acht" von Franz von Holstein nimmt em außergewöhnliche» Interesse in Anspruch. Die Direction erfüllte nicht nur eine Pflicht der Pietät, indem sie die Einstudirung diese- Werke- vornehmen ließ, sondern sie entspricht auch den Wünschen de- Publicum-, au» dessen Mitte schon im vergangenen Jahre für die Aufführung des „Haideschacht" plaidirt wurde. Als Stirson tritt ein bedeutender Künstler, Herr Karl Mayer vom Hoftheater in Kassel, zum ersten Male auf. AlS Concertsänger hat er sich bei dem Publicum bereits im Gewandhause und in der Euterpe vortheilhaft eingeführt. Die ganze Oper ist in vortrefflichster Weise besetzt worden, worüber der officielle Theaterzettel wohl die beste Auskunft giebt. * Bad Homburg, 2. Juli. Am 26. Juni eröffnet- der (früher in Leipzig thätige) Helden tenor der Darmstädter Hofopcr Herr L. Baer alS Director mit dem Personale der Gcoßherzogl. Hosoper einen CykluS von Gastvorstellungen. AlS Eröffnungsoper wurde Gouno)'- Faust ge geben. DaS Hau» war ausverkauft und unter den Anwesenden bemerkten wir den Herzog von Eoinburgh, den Herzog von Coburg nebst Ge mahlin, Frau Baronin von Ruttenstein u. A. Die Oper nahm den glänzendsten Verlauf u»d war an Ovationen in erster Linie für den al» Director unv Sänger mit gleich durHscklagendem Erfolge debuttrenden Herrn Baer reich. Auch da» Gretchen deS Frl. Crerwenka, der Sybel de- Frl. Schütky, die Martha der Frau Pichon, der Valentin des Herr Bögel, namentlich aber Chor und Orchester unter der ausgezeichneten Führung veS Herrn Hoscapellmeister de Haan hatten volle« und wohlverdienten Antheil an dem bedeutend» Erfolg«.
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