Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188102096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810209
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-02
- Tag1881-02-09
- Monat1881-02
- Jahr1881
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1881
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Redaktion »nd Lkpe-ition JohaaaeSgasse SS. LvrechKonden der Redaktion: Vormittag- 1l>—IS Uhr. Nachmittag- 4—L Uhr. Fitr di« NUS»-»« n»«kla»d»r M-NUIM»,« «acht sich di« Rid^ctio» Sicht »«rdmdllch. An»atz«t der sür die «ächftfolgende Rummrr »esttmmteii Juserore «m Wocheutagei, bis 3 Uhr Nachmitta,». «> T«im- und Festtageu früh bis '/,v Uhr. Tn den Filialen sür 3ns.-^nnah«e: Ltt« Klemm, Universität-straße 22, Louis Lüsche, Katharincnstraße 18, p. nur dt» ',,3 Uhr. ttmigerCagMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage 16,K«V. Adonnementspreis viertelj. 4 V, Mt.. incl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen k Mk, Jede einzelne Nummer 25 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbesörderung 38 Mk. «it PostbefSrderung 48 Mk. Inserate 6gespaltene Pctitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. tabellarischer Satz nach höherem Daris. Reklamen unter den Rrdactionostrich die Spallzeile 40 Pf. Inserate sind stet- an die Erhedttion zu fraden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumerarulo oder durch Post- Vorschuß. »v. Mittwoch den 9. Februar 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Lekanntmachuua. Bon dem verstorbenen Herrn Rechtsanwalt G«rl Hermann Tchobeck ist der hiesigen Armenanstcttt die Sumnie von 600 Mark als Vermächlmß überwiesen worden. Wir bringen dies mit dein AuSdrucke unsere- aufrichtigsten Dankes hierdurch zur öffentlichen Kennlniß. Leipzig, am 7. Februar l88l. Der Äath der Stadt Letpzta. I)r. Georgi. vr. Wangemann. Bekanntmachung. Denjenigen Grundstücksbesitzern beziehentlich Garten-In habern. welche ihre Bäume, Sträuchcr. Hecken re. bis jetzt nicht oder nicht genügend habest von Raupen säubern lassen, wird hierdurch unter Hinweis auf die Bestimmung in tz. 388, 2 de- Strafgesetzbuches bei Vermeidung von Geldstrafe bi- zu sechzig Mark oder entsprechender Hast ausgegcben, unge säumt und laugsteaS biS Ende Februar diezc- IahrcS gehörig raupen, sowie die Raupennester vertilgen zu lassen. Leipzig, am L. Februar l88l. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Bekanntmachung. Der Durchgang über die Terrasse hinter dem neuen städtischen Theater ist wegen vorzunchmender Reparatur- arbcitcn bis auf Weiteres gesperrt. Leipzig, am 7. Februar 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Vr. Wc scmgemann. vcrmiethung. Die in der 2. Vtage der Alten Waage, Katharinen straße Nr. 29, befindlichen, zcitber als Expeditionen sür die städtische Verwaltung benutzten Localitateu, aus l Bor saal, 3 zweifenstrigen Zimmern nach der Kalharinenstraße heraus und 1 zweifenstrigen und 2 einsenstriaen heizbaren Kammern nach dem Hose bestehend und mit Gasdcleuchtmigs- einrichtung versehen, welche sich zur Verwendung al» Lomptoir oder Expedition besonder- eignen würden, sotten zur Bermtetpnng vom 1 April d. I.- oder nach Wunsch auch schon »o» eine« frühere« Zeit» pnacte an auf 3 Jahre und weiter gegen halbjährliche Kündigung Donnerstag, den 1v. Februar d. I., Vormittag» DA Uhr an Ratk-stelle. RathhauS, 1. Etage, Zimmer Nr. 16, ver- sieigert werden. Die BermiethungS- und DerstciaerungSbedingungen nebst Invenlarium liegen aus dem Saale der 1. Etage de- Rath- hause- zur Einsichtnahme aus. Leipzig, den 25. Januar 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Ceruttk! Am 17. December v. I sind vier Banknoten in höhere« Beträge« als in hiesiger Stadl gesunden, bei uns einaeliesert worden. Wir fordern den Verlustträgcr hierdurch auf, zur Empfang nahme des Geldes sich bei uns zu melden, anderen Falles in Gemäßheit von tz 239 de- bürgerlichen Gesetzbuches hierüber zu verfügen sein würde. Leipzig, am 7. Februar l88l. Das Polizei-Amt der Stadt Leipzig. vr. Rüder. Daegner. S. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 9. Februar. Da« Arbeiterversicherungsgesetz findet. Da« ist schon jetzt erkenntlich, fast allgemein eine sehr ernste Würdi gung. und nur von gewisser Seite wird dieser Schritt zu einer positiven Reform aus dem Gebiete der Socialpolitik vornehm abgelehnt. Acngflliche Gemüther wollen sreilich hierin ein Anzeichen erkennen, al- segelten wir geradewegs aus den focialistischen Staat loS. Aber Da- schreckt nicht mehr, denn der Staat hat eine größere Aufgabe zu lösen al- ehemal-; von einer bloßen Rechtsordnung ist er aus den Weg der wirthscbastlichen Ausgleichung hinge wiesen worden, natürlich im Rahmen einer Gesetzgebung die nur wirkliche Schäden zu heilen sucht und sich fern von jeder unnöthiaen Gleichmacherei hält. Ter neue Entwurf de- llnsallgesetze« trägt sich augenscheinlich mit der Absicht, einige Fehler wieder gut zu machen. Denn da- UnterstützungSwobnsihgesetz und da- Haftpflicht» aesetz zeigten starke Mängel, Uber welch« vielfach selten- der Gemeinden geklagt wurde, die sich nicht vor der Zahl der be rechtigten Unterstützungsbedürftigen retten konnten, und seilen der Arbeiter, die jede Unfalls-Entschädigung den Versicherungs gesellschaften erst durch Proecß mit großer Mühe und »st nach langem Harren entreißen konnten. DaS will da- neue Gesetz nun ändern. Ist erst diese Reform inS Leben getreten, so werden Erfahrungen gesammelt werden, welche den Weg zum Besseren zeigen. ?er mper» nck mtr» — durch Erfahrung wird man klug — heißt e- auch kier. Borläustg ist rS indcß sehr angemessen, die Arbeiter und kleinen Beamten aus die noch wenig bekannte „Kaiser-WilhelmS-Sprnde" al- aus eine äußerst zweckmäßige Einrichtung aufmerksam zu machen, um in guten frischen Jahren sür die bösen Jahre zu sorgen. Nehmen wir kurzweg der Deutlichkeit wegen einen bestiinmlcn Fall an. Ein Arbeiter zahlt im Laufe eine- Jahre-, sagen wir im 25. Lebensjahr, monatlich 5 Mark, also im ganzen 60 Mark ein, so bekommt er. wenn er 5« Jahre alt wird, eine jährliche Rente von 20 Mark bi- an sein Ende. Setzt er kiese Fürsorge, die ihm keine Opfer auferleat. eine Reihe von Jahren, sagen wir vom 20. Jahre an bi- zum 25. Iabrr fort, so wächst die Rente über 150 Mk. und er kommt so au- eigener Kraft über di« Unsicherheit dr« Proletarier- fast mit einem Schlage hinaus. Denn nicht sowohl der geringe Lohn, al- die Unsicherheit diese- Lohne- ist e-, wa- ion quält. Natürlich kann er auch statt der Rente sich rin Capital versichern, da- entsprechend der Rente von 150 Mk etwa 1800 Mk. betragen würde, bei späterem Hakl>—"«l-rmin beträchtlich mehr. Wird in dieser Fürsorge auf staatlichem oder genossenschaftlichem Woge sortgesabrcn, o wird eine Reihe von Nebeln gemildert werden und vor Allem: da- Ehrgefühl wird nicht ahgcstuinpst, wie e» durch da« Hinweisen von Almosen leicht geschehen kann. Was nun die staatsrechtliche Behandlung dcS Arbcitcr- versicherungsgcsetzcs anbetrisit, so wird sich allem Anscheine nach bei der Beralhung im Bunde-rat he eine große Slrcil- rage darüber erbeben, ob die staatliche Versicherung nicht, lall, wie der Entwurf will, durch da- Reich, durch die Einzelstaalen auSzuführrn sei. Alle Gründe der Zweck mäßigkeit sprechen offenbar sür da« Reick. Eine einzige, einheitlich betriebene Ihnstall wird unter allen Umständen sicherer und billiger als 25 verschiedene arbeiten. Bor Allem aber entspricht die einheitliche Anstalt allein dem gemeinsamen Indizcnat aller Deutschen nnd der Frci- ügigkeit. Jnteß, man glaubt dem Borschlage einer Reichs Versicherungsanstalt die ReickSversassunq entgegen stellen zu könne». Ein mittetstaatlickeS ossicielteS Organ hat mit großer Energie den Satz ausgestellt, daß, weil die in Art. 4 der Verfassung ausgesübrten Materien — und darunter auch daS Versicherungswesen — nur „der Beauf sichtigung seilen« des Reichs und der Gesetzgebung desselben unterliegen"; aus allen diesen Gebieten seitens de- Reichs eine andere als eine bloS normirende und controlircnde Tbätigkeit verfassungsmäßig gar nicht zulässig sei, daß vielmehr in jedem einzelnen Falle, wo hier ein eigener Verwallunzsapparal geschaffen werden solle, eine Verfassungsänderung vorge- nvmuieu werde» müsse. Dieser Satz verührl euie sehr heikle Seile unseres ReichSsiaatsrechtS und ist vielleicht anfechtbar. <o viel ist freilich richtig, daß eine weitere Beschränkung der einzel staatlichen Hoheitsrcchtc im Wege der ReichSgeictzgebung immer den Charakter einer Aenderung der Rcicksveyaffung trägt und darum den sür eine olche geltenden Vorschriften unterliegt. Aber von einer olchen Beschränkung kann liier gar keine Rete sein. Tie Rcichsvcrsicherungsänstalt ist nach ikrer rechtlichen Seite ein- ach ein Scitenstück zur Reichsbank. Wer hat aber bei Er- ichlung der Rcichsbank von einer Verfassungsänderung ge- prochen? Die Frage, weiche die millclstaatliche Regierung auswirst, ist von der weittragendsten präjudicicllen Bedeutung. Hätte sie Recht, so würden in Zukunft alle Neuschkpsungcn des Reichs, welche eine eigene Tbätigkeit desselben vorau«- setzen, mit den bekannten 14 Stimmen im Bunde-rath« ver eitelt werden können. Dem wird hoffentlich energisch und ein sür allemal vorgebeugt werden. AuS der Umgebung de- kaiserlichen Hose- verkantet, daß die diplomatischen und parlamentarischen Erfolge de- Reichs kanzlers auS der jüngsten Zeit ihr Seltenstück fanden in den, vollständigen Ausgleich gewiffcr Differenzen, die in höheren Kreisen geschwebt hatten. Es handelte sich nicht allein um die erneuerte Ablcbnung der ullramontanen Forderungen, son dern neben dieser Angelegenheit beschäftigten die Finanz- und Steuersragen sowie der in Aussicht genommene the,lwcisc Ministerwechsel die eigentlich maßgebenden Stellen. ES scheint, daß eine Vermittelung der bestehenden Gegensätze durch eine dem Throne zunächst stehende Person stattgcsundcn, denn eS ist nicht unbemerkt geblieben, daß der Finanzminister Bitter eine zweimalige langdauernde Audienz bei der bezeichneten hohen Persönlichkeit hatte. Die Zurückweisung de- conser- vativen Finanz- und SteurrprogrammS und mehr noch die Versicherung deS Kanzler-, daß er aus seinem Posten unerschütterlich auöhalten werde, ließen zur Genüge erkennen, daß der Kanzler auch in jenen Regionen vollständig gesiegt hat. aus die m hochconscrvativen Eirkeln verdrießliche Seiten blicke geworfen werden. Man wird indessen gut thun. wenn man den Minister deS Innern, der von den Hochconservativen stets so bereitwillig als der Nachfolger d«S Kanzler- bezeichnet wird, hei diesen Vorgängen ganz au- dem Spiele läßt. Der jüngste Erfolg Bismarck « am Hose beruht aus einem rein menschlichen Factor der gegenwärtigen Lage, welch« nicht zum Gegenstand« öffentlicher Diskussion gemacht werden kann, weil damit die Grundlagen gelegt werden, auf welchen die Stel lung d«S Reichskanzler« auch in der Zukunft gesichert wer den kann. Bei der Beralhung de- Bunde-rath« über die Wieder- vorleguna de« Entwürfe«, welcher sich auf die Einführung zweijähriger Etat«- und vierjähriger Budget- Perioden m daS Reich bezieht, hat, wie bereit« gemeldet, Baiern eine Abänderung beantragt. Dieselbe ging, wie nachträglich bekannt wird, dahin: „den Artikel 13 dcS Ent wurfes wie folgt zu fassen: Die Berufung de- Bundc-rathcS findet alljährlich, diejenige de- Reich-tage- mindesten- alle zwei Jahre statt. Der Re»ch«tag kann nicht ohne den BundeS- rath einberufen werden." Dieser Antrag wurde mit allen gegen die Stimmen von Baiern und Braunschweig ab- gelchnt und da- Gesetz unverändert gegen die Stimmen von Hessen und Bremen angenommen. — Die nächsten Arbeiten des BundesratheS werden sich jetzt, wie der „N.-Z." gemeldet wird, dein Rest der Etatsarbeit zuwenden, der wegen Er ledigung einzelner Puncle zwischen den verschiedenen Bunde» staaten noch znrückgestelll worden war. Jedenfalls sind alle Vorbereitungen getroffen, um da- aesammle Budget- Material dem Reichstage sofort nach seinem Znsammeu- tritt unterbreiten zu können, damit unter allen Umständen die Fertigstellung de- Budget- vor dem l. April ermöglicht wird. Vom Präsidium de« preußischen Abgeordneten - Hause« wird angenommen, daß die Commission zur Vor- verathung de« Berwendung-gesctze- nicht mebr al« 4—5 Sitzungen sür ihre Arbeiten in Anspruch nehmen werde. Obwohl die Vorlage von allen Parteien zu verbessern gesucht wird, glaubt man doch, dass sich die Beralhung im Plenum in 2 viS 3 Tagen erledigen lassen werde. In welcher Gestalt immer das Gesetz an» den Beratungen hcrvorgehen wird, so ist man doch im Abgeordnetenhaus« allacmcin der Ansicht, daß damit eigentlich rin überflüssige» Wen geschaffen werde. Es ist so gut wie gewiß, daß der Reichslag die neuen Steuervorlagcn mit Nu«nahme der erhöbten Börsen steuer abkrhnen und r» hiernach an den Mitteln fehlen wird, die Versprechungen de« Verwendnng-gcsetze- praktisch werden zu lassen. Denn e« hätte keinen Sinn, den geringfügigen Ertrag der Börsensteuer erst noch an di« Einzelstaalen au-zutheilrn. nur um ihren Anlheil als bald wieder durch erhöhte Matricularbeiträge in Beschlag zu nehmen. Wenn nun aber da» Bcrwendungsgesetz sür die be vorsiebende Reich-tag-scssion entbehrlich erscheint, so wirst sich die weitere Krage aus. warum dasselbe überhaupt erst durch- berathen werden soll, da doch der Finanzminister Bitter schon sür den Herbst d. I. seinen organischen Steuerreformplan in bestimmte Au-sicht gestellt hat. Tie Frage wird von Abge ordneten dahin beantwortet, daß die preußische Reaicrung einer Wahlparole bedarf, die »eben den versprochenen Renke», »riesen über 100—200 Mark sür Jedermann auS dem Volke und neben der Ucbernabme der Eommunallastcn auf die GcneralstaatScasse gleichfalls ihre AnzichungSkrast ausüben kann. DaS preußische Abgeordnetenhaus bcricth am Montag die oderschlcsischc NotbstandSvorlage in dritter' Lesung. Die Debatte verlor sich mitunter im po litischen Gebiet, indem sie die Agitation des katholischen Klerus und die Gesinnung der polnischen Bevölkerung gegenüber Deutschland und Preußen erörterte. Bei dem Gesetzentwurf über die NcthstandSbahnen wurden einige der vorgeschlagcncn Bahnlinien einer scharfen Kritik unterzogen, insofern als ne den eigentlichen NothsiandSdistricten gar nickt zu Gute koinmeu würden, sondern anderweitigen Rücksichten und Interessen ent sprungen seien. Die beiden NotbstandSvorlagen wurden schieß- lick nach den Eommission-brschltissen angenommen, ebenso daS Viehseuche ngesetz. Der Gesetzentwurf betr. da» Fidci- coinmißvermögen dcS kurfürstlich hessischen HanscS wurde ohne Debatte in erster Lesung erledigt. Bei der zweiten Beralhung der KreiSordnunaSnovellc entspann sich eine längere Debatte über die Frage der Ansscheidung von Städten über 25,000 Einwohnern au» dem Kreisvcrband und den nationalliberaleu Antrag, die Seelenzahl ans 20,000 bcrabzusetze». Der Antrag wurde abgelrhnt und die Debatte alsdann vertagt. Die frriconservative Partei befindet fick in Bezug auf die Steuerpolitik de« Reichskanzler- in voller Uebereinslimmung mit dem leitenden Staatsmann?. Nicht allein stimmten die Bemerkungen deS Fürsten Bismarck über die aus dem Gebiete der indirekten Besteuerung weiter zu verfolgenden Ziele, wie die „Post" hervorhebt, im Wesent lichen mit sreiconservaliven Anschauungen überein, sondern auch darin, daß er die Notbwcndigkeit nachwicS. zunächst in Preußen mit der Fertigstellung der steuerpolitttcken Ziele vorzuqeben, um so sür die Beschlußfassung deS Reichstages eine Grundlage zu finden. Auch die materiellen Ausstellungen Bismarck » an dem Verwendungsgesetze entspreche» den reiconscrvativen Anschauungen. Als die beiden Hauptmomente der Uebereinslimmung in Bezug aus daS Verwendungsgesetz hebt die „Post" Folgende« hervor: Li« gepinnte Befreiung der untersten vier lllasse» der Hassen neuer «ar von noserr» Parteigenosse» für »o weit gehend reahtt:» «ed ledigsich die Freilassung der arbeitenden Be- völkerung ai) gercchrfcrtigl bezeichnet worden. Der Herr Nrich«- kanzler erklärte in der gänzlichen Freilassung »nr so weit acheu zu wolle», daß die lediglich aus das Verdienst ihrer, wie er sagte, nicht desonder- au-gebildeien Hände angewiesenen Personen steuer- srri werden. Gegen di« beabsichtigte An-fübrung der Ueberweisnng von Lommunalsteuern war von freiconservativer Seite erinnert worden, daß dir Uebenveisung an die Kreise ohne Bestim- muug eine« Verwendungszweckes, welche« die llebernahm« drückender Lasten der OrtSaemelndcn sichert, die beabsichtigte Erleichterung von Tommiinallaften nicht erreicht werde. Als zur Uebrrnahmc de- onder« geeignet wurden dabei die Schullasten bezeichnet. Der Herr Reichskanzler erkannte dir Vorschläge der Regierung al< durchaus „amendirung«fähig" im Sinne der Feststellung eines bestimmten Berweuduna«ziveckc« an und bekannte sich gleichzeitig »n dem Ge- danke», diesen ans dem Gebiet der Sch ul last, inSoesonderr der Befreiung von Schulgeld zu suchen. Die „Post" steht nicht an, zu erklären, daß, nachdem so in den wichtigsten Punkten den sachgemäßen Ausstellungen der Kreiconservativen Rechnung getragen, die Aussichten einer Verständigung über den ganzen Entwurf wesentlich ge wachsen seien. Herr v.Puttkamer hat vonRom au- und »war durch da« ofsicivse Organ de- Batican -, die berüchtigte „Auror a". ein« .^Verwarnung" erhalten. Unter der Uebcrschrist „Eine Entschuldigung" schreibt da- Iesuitenblatt Folgende«: ,,E» macht« aus dre Mitglieder de« (Berliner) Eentrum« einen sehr peinlichen Eindruck, al- der Eultu-minister dem Herrn v. Bennigsen nach seiner intoleranten Rede mit einem Händedruck Glück wünschte. Al- Herr v. Puttkamer zwei Lage nach der Verwerfung de- Dindthorst'schen Anträge« ein Diner gab, wurden einige Mitglieder de« CentrumS ein- oeladen, aber sic kamen nicht hin. Der Minister begriff den Grund und erklärte seine Handlungsweise wolle nicht anzeigen, daß er mit dem Inhalt der Bennigsen'schen Rede einverstanden sei, sondern nur. vaß er ihm al- Redner Glück gewünscht babe. Die Katholiken werden indessen finden, daß nne Hand- lung»w«ise, die so leicht zu verschiedenartigen Erklärungen Veranlassung geben konnte, hätte vermieden werden müssen." Der aus dem Umwege über Rom au«aesprochene „Dank" de« CentrumS, nach welchem Herr v. Puttkamer doch wohl „Begehr" gehabt haben mag, wird m dieser Form dem Minister sicherlich zu denken gebe». Man berichtet au- Berlin vom Montag: .Heute wurde im Abgeordnetenhaus bekannt, daß Herr v. Bennigsen Herrn v. Ludwig zum Duell gefordert habe. Bekanntlich wurde dem Letzteren, al- er beim Etat de- Abgeordneten bause« seine üblichen persönlichen Angriffe gegen liberale Parlamentarier wiederholte, da« Wort entzogen. Kurz zuvor hatte er bereit- Herrn v. Bennigsen — dessen Namen er übrigen« nicht genannt hatte — de- Hochverrath« beschuldigt. Den Rest seiner Rede, der ihm durch Beschluß de- Hause« abgeschmtten wurde, veröffentlichte er in der „Deutschen kante-zeitung". Der von ehrverletzenden Schmähungen gegen Bennigso, strotzende Erguß wurde u. A. von dem hannoverschen Welsenorgan, der „Deutsch. B.-Z", abgedruckt. Herr». Bennigsen sandte wegen dieser Beleidigungen Herrn von Ludwig seine Forderung. Herr v. Ludwig zog sich mit der Bemerkung zurück. Herr v. Bennigsen sei ihm nicht sati-saction-säbig. Nach einer Stunde besann er sich ander- und erklärte sich zur Annahme der Forderung bereit; natürlich verzichtete Herr v. Bennigsen. Während der heutigen Sitzung trat der Seniorenconvent zur Besprechung der Angelegenheit zu sammen. Ein Mittel, gegen Herrn v. Ludwig einzuschreiten. siebt die Geschäftsordnung nicht an die Hand. E« heißt, Herr v. Bennigsen werde zetzt den Weg der gerichtlichen Klage beschreiten. Di« Unterhändler de« Herrn v. Bennigsen, die Abgeordneten v Gustedl und v. Grie-Heim, werden, so heißt e«. ckn« öffentlich« Erklärung erlassen. Di« Vorlage, betreffend den Erwerb der Rhein-Nabe Bahn, wird, nachdem jetzt in der Commission der Bericht verlesen worden, im Lause dieser Woche aus die Taae-ordnuns de« Abgeordnetenhaus«« aesetzt werden. Di« Aufsichten dei Entwurf« sind trotz der Besttmmtheit, mit welcher die Regie rung aus dessen Annahme beliebt, keine günstigen Selbst'di« Conservativen sprechen sich sehr ungehalten über die Zumutbung aus. den »nvcrstältnißniäßig stosten Kaufpreis von 2> Proc. zahlen zu solle». Man nimmt an. daß sich die preußische Regierung zu einem Eoinpromiß nach der Richtung stin vcrstcsten werte, daß die Vorlage zugleich mit dem Haiiiiiiacher'schcn Gegcncntivurs angenommen wird, um durch den letzteren der Wictcrkcstr einer ähnlichen Zwangslage, wie tic gegenwärtige, sür da» Astgeortnetenstaus vorzuocugen. Tie Czecbisirnng der Universität Prag hat die Deutschen Oesterreichs aus ta» Schmerzlichste berührt und in überraschend deutlicher, man darf sagen kühner Weile gicbl taS leitende deutsche liberale Blatt Wiens, die „Neue Freie Presse", diesem Gefühle Ausdruck: „Mil welcher Lebenskraft", bemerkt eS. „bat sich Oesterreich, nach fünf und zwanzig KriegSjastren zu Anfang dieses Jahrhunderts von seinem liefen Fall ausczcrichtcl! Tic deutsche Kaiserkrone war ver loren. aber Ocncrrcich begab sich koch wieder tic in Gemein schaft mit Deutschland, und seine politische »nd geistige Mach! >Png zurück, als eS zwischen sich und Deutschland einen geistigen Wall aulgericblct. Hn sieben Tagen war daS concortatliche. von dem slavisircndcn Bclcreti geleitete Oester reich geschlagen und ans Tcutschland Inncnisgcöräiigt. Da mals batte inan eS begriffen, wenn Oesterreich nach dem Gebote seines damaligen Besieger» i» gerechtem Schmerze Uber seine Niederlage sich der slavischoi« Propaganda in die Anne geworfen und den slavilchen Geist wachgcruscn hätte. Aber im Geiste seiner deutschen Vergangenheit suchte cs seine Wiedergeburt aus deutscher Grundlage unv fand dieselbe auch und knüpfte da» geistige Band mit Tcutschtaiid fester. Und nun nach vierzehn Jahre», in welchen Oesterreich sich conso- lidirt, sollte plötzlich eine zufällige Notbwciidigkett bestehen, die deulschc Eultur durch eine slavischc zu ersetzen'? Was tstalen dagegen die Ho sten zo l lern für ihre Hochschulen? Kaum war Elsass gewonnen, so stiftete Wilhelm die Universität Straßsturg mitten im französischen Lande »nd Volke. Man weis; aber auch, wir die Universitäten, der Stolz Tciitschlands, den Hohen- zollern ihre Gunst gelehnt hasten durch die Pflege nationaler Erziehung und die Erhöhung der Machtmittel des Reiche-. Pas im Nachbar reiche sich so glänzend bewährt hat, das ollte bei der politischen unk materiellen Evncnrrenz. tic wir nit den, Nachbarreiche zu bestehen habe», u»S so ganz über Usssig sein? Man lese doch die beiden Briese, die Fürst Btsiiiarck kürzlich an die beide» Universitäten Göltingen und Marburg geschrieben, in welchen er die Bedeutung deutscher Universitäten für die Macht de» Staates illusirirtc! Tauscht Oesterreich etwa mit einer neuen slavischc» Universttät in Prag ein größere? Machtmittel ein. als ihm deutsche Wissenschaft bisber geboten?" So weit daS Diener Blatt. Hin zufügen möchten wir, daß dem Ministerium Ta affe feine Lage etwa» uiiheinilich zu werden ansängl. Es fürchtet eine allgemeine Erregung der Geister und macht daher durch die osfwiöse Presse Beschwichligung-versuche. Nach einer telegraphischen Meldung der „Polit. Corrcsp." ciu-Pcsi hat daS Kncgsgcricht die beiden (deutschen) Officiere, welche s. Z. de» Redactcur Bartha des Klauscnburger Blatte» „Ellcnzck" verwundeten, des Verbrechens der schweren Körperverletzung schuldig befunden und jeden derselben zu 7 monatlicher verschärfter Freiheitsstrafe verurtbeilt, ohne An rechnung der bereit» verbüßten Untersuchungshaft. In der Behandlung der tunesischen Frage beweist die italienische Regierung ein gerader» grenzenlose- Ungeschick. Vor einigen Tagen fand eine Versöhnung zwischen dem Bcv und dem ttalienlscheii Gencralconsul Maceio stall und damit ist denn ein Zwist beseitigt, der von Frankreich mit allen Mitteln geschürt worden war. Eigeillhümlich sür die italienische Slaat-kunst aber ist, daß gerade während Maceio da- gute Einvernehmen wieder herzuftellen im Begriffe war, da- ojsiciöse „Diritto" in Rom die Versetzung Maccio'S nach Kairo und die vorläufige Offenlassung seines Posten- in Tunis meldete. Hieß das nicht vor Frankreich zu Kreuze kriechen? Die gesammte römische Presse gerietst ob dieser Meldung in eine förmliche Wuth und die nächste Nummer de- „Diritto" mußte denn auch erklären, die Nachricht sei unbegründet und nur durch ein „Versehen" in die Spalten de« Blatte» gerathen! In der Thal, ein heiterer Vorgang und ganz eine- Cairoli würdig! Innerhalb 24 Stunden Versetzung und Widerruf in einer die Nation aus- Tiefste erregenden Frage. So macht man auswärtige Politik im Königreich Italien: der Unwille einiger Blätter genügt, um einen Mmisicrialbeschluß von solcher Bedeutung umzuwerscn unv eine Blamage de« Lande- vor aller Welt herbcizusühren. Der intime Verkehr zwischen dem aus der Reise nach Kon- stantinopel befindlichen englischen Botschafter bei der Pforte, Herrn Goschen, und den Vertretern der hoben Diplomatie bat wesentlich dazu beigetragen. den letzten Rest von Empfindlichkeiten über die frühere Haltung England- zu den griechisch-türkischen Händeln zu beseitigen. Die Audienz de- englischen Staatsmannes beim Kaiser und seine Eonscrenzen mit dem Fürsten BiSmarck haben demselben Gelegenbeit geboten, die Ucbereinstimmung hervorzubcbcn, in welcher sich die englische Regierung mit dem Kanzler deS deutschen Reich-befinde, indem dieser erklärte: „Wir staben keinen Krieg und Gott sei Dank auch ans lange hinan« keinen solchen in Aussicht." Ohne Zweifel verfolgt Herr Goschen, indem er die Politik Gladstone'S mit jmem AuSspruck« in Uebereinstimmung brachte, die Absicht, die verbündeten Cabinete von Berlin und Wien sür die fried fertige Haltung de« Cabinets von Saint IamcS in der Orient srage zu gewinnen. Gleichzeitig suchte er. gutem Vernehmen nach, die Bedenken zu zerstreuen, welche sich namentlich in Oesterreich über die handelspolitischen Ziele England- aus der Balkanbalbinsel und in der Levante verbreitet haben und die nicht- weniger al- die vollständige Verdrängung öster reichischer sowohl wie deutscher Fabrikate in jenen Gebieten bezweckten. ES scheint zwar unausgesprochen geblieben zu sein, baß von österreichischer Seite da- Mißtrauen gegen die eng lischen Orientpiänc mehr al» den friedlichen Wettkampf um den Absatz der Industrieerzeugnissc bedeute und daß man in Wien noch immer der Ansicht ist. daß Glad- stone'- Eifer, aus türkischem Territorium Fuß zu fassen, nicht nachgelassen Hab«. Aber offenbar bat Mr. Gosche» diese Seite der Frage nickt betont, weil ihre Unwabrscheinlichkeit und mehr noch die Würde England« e- verbieten, solche und ähnliche Verdächtigungen zu erörtern Indessen soll er in vertraulichen Aeußerunaen die Einberufung einer Zolle on- f eren, au» britischen Dclegirten de« Mutterlandes und jenen der Colonien al- eine Maßnahme geschildert baden, dir unter der gegenwärtigen Zollpolitik Deutschland«. Rußland- und Frankreich» auch zu Gegenmaßregein führen könnte. Er
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