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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188103127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810312
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810312
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-03
- Tag1881-03-12
- Monat1881-03
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1881
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Dritte Geilagt mm Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 71. Somrabend dm 12. März 1881. 75. Jahrgang. Karl Gutzkow-Feier. Form der Feier entschlossen, welche entschieden als die deS großen Dichter« würdigste erscheinen dürsle. Die Festvorstellung soll nämliq, um eine würdige Einheitlichkeit der Feier ^u wahr«, in einer Aufführung de« „Uriel Akosta" »m Reuen Theater bestehen, welche durch Frstouverture, Prolog. Epilog und Apotheose künstlerisch eingerahmt werden wirb. E« steht zu erwarten, daß die Darstellung de« bedeutendsten Drama, welche« die deutsche Literatur seit den letzten vier Decennien aufzuweisen hat. da« Interesse de« kunst sinnigen Leipzig» in hohem Grade erregen wird, um so mehr, als gerade die Darstellung de« Uriel Akosta in der jetzigen Besetzung eine musterhafte genannt werden kann. De-gleichen sind für die übrigen rhetorischen Momente de« Abend« (Prolog. Epilog u. s. w.) die hervorragendsten Kräfte de« hiesigen Schauspiel« gewonnen worden. Zu der Apotheose de« Dichter« hat der talentvolle Dresdner Bildbauer Em merich Andresen sein« anerkannt trefflich« Kolossal büste Karl Gutzkow'« freundlichst zur Verfügung gestellt. So verspricht denn die projectirle Feier eine höchst weihevolle und einer jener seltenen GeisteStagc zu werden, au welchen die siegreiche Macht der Poesie und Kunst die Seelen hoch über den Staub de« Alltagsleben« emporhebt. Deutscher Protrstantrn-Verein. Der Bortrag de« Professor« Seydel über „Lessing'S Todesjahr, da« Geburtsjahr der Philosophie Sant'«, in seiner Bedeutung für de» protrstanlijHen Glauben" schloß am letzten DicnStag (8. März) dir Reihe der öffentlichen Vorträge diese« Winter« ad. Anknüpsend a» de» Ausspruch Kuno Fischer « in einer seiner Vorlesungen: „Lessing starb 1781, 1781 erschien Kant « Kritik der reinen verminst — l« roi e»r wort, vivo le roi!" — bezeichnet« der Redner den Uebergaug do» Lessing zu Kant als einen Tynastienwechsel im Reich« de« Geists, durch den au di« Stelle der Herrschaft der „Aus- kltruug" de« 18. Jahrhundert« der „Verounstglaube" «trete», der die Grundlage für di« weiteren Entwickelungen de« 1». Jahrhundert« geworben. Lessing aber, als das letzte Glied der Reihe in der abtretenden Dynastie, habe die folgend« bereit« mächtig vorbereitet, indem er die Unfehl- bannt de« theoretischen Berstande«beweise« aus dem Gebiete de« Ueberfiuulicheu bereit« nicht mehr anerkannt, in Sachen der wissen schaftlichen WahrheitSsorschuag eine« ungebundenen Streben«, Ver suchen«, Wechseln« sich mehr erfreut habe, al« strenger System- fesseln, dagegen namentlich gegen Ende seines Leben« in einer sitt liche» GemüthSosfenbarung de« Göttlichen gewiß geworden sei. Die« zeige» besonder« die bekannten Worte im „Nathan", in wrlcheu die Erkennungszeichen de« „echten Ringe«" angegeben werden. Während die Ausklärungsnchlung, seit Lartesiu« durch di« Philosophie vorbereitet, in Deutschland direct durch die Leibniz- Wolsf'schc Lehre getragen, dasselbe Princip der Srkenntniß sesthält, welche« die ihr sonst so entgegengesetzte Scholastik de« Mittelalter« handhabte, nämlich da« de« logischen Beweise«, welcher eine mathe matisch« Sicherheit versprach, aber niemals erreichte, entrann man der hierbei stet« gefährdete» Sicherheit de« Glauben« und seiner Abhängigkeit von den wechselnden Zufällen scharfsinniger Be gründung und Widerlegung, sobald man überhaupt auf volle Erkenntuiß verzichtete, um für den Glauben in der «urrschütterliche» Festigkeit unserer sittlichen Willen«- und GemüthSersahruugen, kurz im Gewissen, di« allein mögliche Stütze zu sicher«. Dieser Standpunct zum philosophischen System erhoben, ist der Kaut'«» wie derselbe schon in der Kritik der reine» Ver nunft" hervortritt, keineswegs erst nachträglich etwa au« schwacher Conniveuz, wie Heinrich Heine spottend meinte, der negativen Seite zur Ergänzung hmzuaesügt ist. Kant selbst sagt ausdrücklich: „Ich mußt« da« Wissen aushebcn, um zum Glauben Platz zu bekommen." I» längerer Ausführung wurde nun die Kant'sche Lehre nach ihre» zwei Seiten im Allgemeinen zur Darstellung gebracht: elnerseit« da« negative Resultat der Untersuchung unserer theoretischen Ber- möge», andererseits der positive Inhalt der „praktischen Postulate", welche au« dem zu Grunde liegenden festen Glauben an die unbe- dingte Geltung de« Sillenaesetze« hervorachen, und durch welche — nach den Worten im „Faust" — die erst zerstörte Welt „prächtiger im eigenen' Buse» wieder ausgebaut" werden soll. Ta« Sittengesetz, au« welchem Kant hierbei auch den Glauben an Gott folgerte, war ihm im Grund« selbst Gott, das Erhabenste, wa« er kannte, gcbie- tend über Natur und Menschheit, zu einstiger völliger Uebermacht über all« entgegenftchenden Mächte der Welt bestimmt. So konnte der Redner in der Lcssing'schea und Lant'schen Lehre von der Gotte« osseubaruag im sittliche» Gefühl und Willen die Grundgedanken de« ursprünglichen Christen, thum« wiederfindea, daß an der sittlichen Wlllensbeschasfen- heit die Göttlichkeit der Lehre erkannt werde, daß die „Wieder- gebürt au« dem heiligen Geiste" zu Kindern Gotte« mache, daß der „heilige Geist" in alle Wahrheit leite; denn der „heilige Geist" sei eben der sittlich« Willensinhalt. So sei auch hinter dem Glauben«, princip der protestantischen Kirche nach Luther « persönlicher Lehre, sowie nach de» Bekenntnißschristen, namentlich in Mclanchthon « „Apologie", da« Princip de« heiligenGeistc« verborgen, welche« dann der Pietitmu« de« 16. und 17. Jahrhundert« reiner heraus- geschält habe; letzterer sei dann durch die stillen Einwirkungen in den Familien der fruchtbare Boden für jene völlige Befreiung de« gleichen Princip« in Leising und Kant geworden. Tic dürre und formalistisch« Leerheit, mit der da« Princip allerdings bei Kant noch auftrat, wurde in der folgenden Periode durch Fichte, Schlelermacher und die spätere» theologische» Philosophen mit lebensvollerem Gefühl«, und Phantasicgehalte aiiSgcfüllt, während eine neue, in Hegel gipfelnde Vernunftsphilosophie daneben unentbehrlich blieb, um nicht wieder die Postu- late de« GcfühtS- und PhantasiebedürinisseS mit eigentlichen Erkenntnissen zu verwechseln. Jederzeit aber müsse da« sittliche Ideal, wie e« sich im Gewissen kundgiebt, der oberste Leitstern und wesentliche Inhalt de« religiösen Glauben« bleiben. Tie Kirche al« Institut der religiösen Volksbildung und die Schule in ihrem Religionsunterricht hätten sogar alle» Anlaß, de» religiösen Inhalt auf die Aussagen des sittlichen Gewissen« zu beschränken, da sie nur so dem streitig bleibenden dogmatischen Gebiete und dem stet« unaufrichtig bleibenden „Ja" eine« dogmatischen Bekenntnisse« au« Kindermunde entgehen können. So werde Kant'« heißer Wunsch erfüllt werden, den er in den AuSrus auSströmcn ließ: „O Auf richtigkeit, du Bsträa, die du von der Erde zum Himmel ent flohen bist, wie zieht man dich, die Grundlage des Gewissens, mithin aller inner» Religion, von da zu uns wieder herab?" Schwurgericht. HI. Sitzung. * Leipzig, 11. März. Der Schwurgericht-Hof setzte sich wiederum au« den Herren Präsident Pusch und Landgericht-räthen vieler und Metsch zusammen; da« Protokoll führte Herr Referendar Wulfen. Tie königliche StaatSanwallscbast vertrat Herr Lber-Slaatsanwalt ^ offmann, die Vertheidigung Herr Rechtsanwalt Hofrath I>r. Lohse. n die Geschworenenbank wurde» berufen die Herren Mühlenbesitzcr ickmantel au« Großzschocher, Kausmai», Handwerk au« Borna, olzbildhaner Franz Schneider hier, Guisbesitzer Wohllebe an- Lauschka, Kaufmann Berger au« Mutzschen, Kaufmann Eug. Hering hier, RathSförster Dietze au« Burgaue, Privatmann Ed. Baarmann, Bankier Sieskind und Privatmann PH. A. Gerstscld hier, Gut«- bescher Friedrich au« SeifertShain und kammergulspachter Bernstein au- Klosterbuch. Wie in den früheren Schlingen deS Schwurgcricht«, so sind auch in der gegenwärtigen die Meineid-anklagen sehr häufig. Die heutigen beiden Verhandlungen hatten diese« schwere Verbrechen zum Gegenstand«. Zunächst hatte sich darüber zu verantworten die Handarbeiterr-Ehesrau Sophie Friederike Louise Krauß hier, 37 Jahre alt, au« Fraukenhauscn gebürtig und bisher »och nicht bestraft. Die Krauß, welche seit dem August vorigen Jahres von ihrem Ehemann«, dem Handarbeiter Krauß, getrennt lebt, hatte im Mai de« Jahre« 1878, al« ihrem Ekeinann aus Anlaß einer verwirkten Geldstrafe nebst Kosten verschiedene Effecten abgepfündet worden waren, bei dem vormaligen königlichen GcrichtSamtc im Bezirksgerichte Leipzig um Freigabe der Psandstücke gebeten, und zwar unter Bezugnahme daraus, daß sie die betreffenden Pfand- stücke bereit« vor Eingehung der Eh« besessen und von ihren Ersparnissen sich gekauft habe. Diese Versicherung hatte die Krauß durch einen Eid am 6. Juni 1878 vor derselben Behörde bekräftigt. Die Sache kam erst im vorigen Jahre zur Kenntniß der Straf- bebörde, indem der Ehemann Krauß selbst seine Frau beim hiesigen Poiizeiamte denuncirte. Wie in der Untersuchung, so behauptete die Angeklagte auch in der heutigen Hauptverhandlung ihre Unschuld. Sie stützte sich u. A. daraus, daß sie Da« gar nicht so recht ver- standen habe; e« sei ihr gar nicht in den Sinn gekommen, zu schwören, sondern sie habe die Strafe für ihren Mann bezahlen wollen; man habe aber eine Theilzahlung nicht angenommen und nun erst und weil sie auch von ihrem Ehemann auSdrucklich dazu ausgefordert worden sei, bei Gericht zu sage», daß sie die Sache» vor der Ehe gekauft habe, habe sie geschworen: sie habe Ties ja auch gekonnt, da sie die Sachen ja so wie so verdient hatte. Aller- ding« sei unter den Sachen auch eine Wanduhr gewesen, welche ihr Ehemann gekauft; doch darüber habe sie sich nicht« Unrechtes ge- dacht; sic komme eben unschuldig dazu. In dem Zeugenverhör bestritt zunächst der Ehemann Krauß die aus ihn bezüglichen Behauptungen seiner Ehefrau; er habe Letztere vielmehr vor einer leichtsinnigen Behandlung der Sache gewarnt. Andererseits konnte Krauß nicht bestreiten, daß die Untersuchung ursprünglich auch aus ihn wegen Anstiftung zum Meineid erstreckt gcivesen und daß er selbst Anzeige beim Polizeiamt erstattet gehabt. Da« Letztere habe er jedoch nicht au« Haß gcthan, sondern um seine Kleidungsstücken heraus zu bekommen. Bon den Eheleuten Josef, bei welchen da- Krauß'jck,« Ehepaar mehrere Jahre zur Astcriniethe gewohnt, wurde der Angcklaglen das Lob einer ungemein fleißigen und arbeitsamen Frau enheilt, waS von de» Zeuge» bezüglich des Ehemannes nicht bestätigt wurde. Stach geschlossener BeweiSausuahmc hielt die königliche Staats anwaltschaft die Anklage aufrecht, und die Bejahung der aus Meineid gestellten Schuldsrage für unbedenklich, während die Vcr- lheidigung, unter Bezugnahme aus die von Cvninicnlaloren en- wickelten Anschauungen über die BcgrissSincrknialc einer wissentlicht falschen Eidesleistung die Verneinung der Schuldsragc beantragte. Tw Geschworenen (Obmann Herr Zickmantcl) beantworteten jedoch die Schuldfrage mit Ja, und dcingemäß erfolgte die Verurthcilung der Krauß wegen Meineids zu einem Jahr und drei Monaten Zuchthaus, fünf Jahren Verlust der Ehrenrechte und Verlust de« Rechts zum ferneren eidliche» Zeugniß. IV. Sitzung. Die Bildung de« SchwurgerichtshoseS und der Geschworenenbank war die vorige; ebenso führte wiederum Herr Oberstaatsanwalt Hossmann die Anklage, während Herr Rechtsanwalt Frcylag I als verthcidiger fugirte. Auch in der Anklagesache gegen die bk Jahre alte bisher gleich- falls noch unbestrafte HandarbeiterSfrau Johanne Christiane verehel. Reuter auS VolkmarSdors handelte e« sich um die Reklamation von Pfandslücken und bezw. Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung, welche auf Antrag deS königlich preußische» Sleuer-Amts Torgau gegen den Ehemann der Angeklagten vorgenomnien worden war. Tie verehel. Reuter hatte ebenfalls bei Gericht versichert, daß sic eine Anzahl beschlagnahmter Bilder und verschiedene Möbel vor ihrer Ehe mit ihrem jetzigen Mann, also schon vor dem Jahre 1865 de- sessen habe. In der erhobenen Anklage wurde nun daraus hingewiesen, daß die Reuter bezüglich der Bilder den Eid wissentlich, hinsichtlich der Möbel aber fahrlässig salsch geschworen habe. Die Angeklagte gab zwar zu, daß sie die in Frage kommeiiden Effecten früher oder später, jedoch »ach Eingehung der Ehe, käuflich erworben habe. Mit den Bildern habe eS jedoch folgende Bewandtiiiß. Sie habe vor ihrer Verheirathung wirklich mehrere Bilder besessen und zwar habe sie dieselben von ihrer Tante geerbt, später aber und während der Ehe diese Bilder verkauft und an« dem gelöste» Geld« sich aiiderc gekauft; sic habe Da« nicht so verstanden und nur gedacht, es sei gleich, da die Bilder doch immer von ihrem Gelbe gekauft worden seien: auch bezüglich der übrigen Effecten sei sic von der selben Voraussetzung auSgegangen. Nach Schluß der BeweiSaiisnahme, welche nicht« Wesentliche« darbot, beantragte die königl. Staatsanwaltschaft, indem sie die Be antwortung der MeineidS-Lchuldsragc in das Ermessen der Ge schworen«» stellte, aus alle Fälle die Bejahung der aus fahrlässigen Falscheid gerichtete» Fragen, ivährend die Vertheidigung auch nicht eine strafbare Fahrlässigkeit nachgewieftn erachtete und sich zur Molivirnng dieser Ansicht daraus bezog, baß bei der Eile, mit welcher in dem betreffenden SchwörungSterini» zu Werke gegangen sei, die Angeklagte, deren beschränkte GeisteSbeschaffcnheil ohnehin die Trag- weite ihrer Aussage» gar nicht zu fassen verinochl, in dem guten Glaube» gestanden habe, sie beschwöre durchaus nicht- Unrechtes. Aus Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde die Reuter sreigesprochen. Königliches Landgericht. IV. Strafkammer. I. Der schon acht Mal mit Gesängniß bestrafte Handarbeiter Friedrich Rudolf Sachse au« Lindcnau hatte aus einem unver- fchlossenen Keller eine Badewanne im Werthe von 4 .öl entwendet. Er erhielt wieder einmal von der ihm bekannten Strafart fünf Monate liebst zwei Jahre» EhrenrechtSverlust zuerkannt. II. Ende vergangenen Jahre- waren in 18 verschiedenen GartenhäuSchen aus dem Schreberplatze der Wesworstadt Einbruchs- dicbstähle verübt bez. versucht worden. Die entwendeten Gegenstände — Messer, Gabeln, Teller re. — repräsentirten wenig Werth. Der Begehung dieser Thaten war der schon mit Zuchthaus bestrafte Korbmacher Bruno Richard Schumann aus TeichwolsramSdorf angeklagt und auch geständig. Er bekam i» Rücksicht aus seine Vor- bcstrasuiigcn fünf Jahre Gesängniß, sowie Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre als Strafe. III. Gelegentlich eines Wortwechsel«, wobei ihm der Verwalter des Gutes, wo er arbeitete, mit einem Kartoffclhackensticl über den Kops geschlagen, stach der noch unbescholtene Handarbeiter Gottfried Hermann Wagner ge». Jentzsch aus Oetzsch Jenen mit einem Taschenmesser durch den Backen. Deswegen der schweren Körper verletzung angeklagt, wurde er zu 6 Monaten Gesängniß verurthcilt. IV. Ter Handarbeiter Hermann Otto Winkler aus VolkmarS- dorf halte i» einer Wohnung in Reudnitz Stehlen- halber einen Schrank aufgebroche», jedoch — Nichts gesunden. Dafür zog er sich eine Strafe von 1t> Monaten Gefängniß zu. Der Gerichtshof bestand aus den Herren LandgerichtSräthen Jnstizralb v. Bose als Vorsitzendem. Vieler, Hah», Barth und Hülss- richter Assessor Lehma»», die Anklage zu 1 sühne Herr Staats- anwall Schwabe, in den übrigen Fällen Herr StaatSanwallsassessor Martini. II. Strafkammer. I. Wegen Beleidigung, Uedertretung und Widerstande« gegen die Staatsgewalt war der Schuhmacher Adam Geyer aus Heutervda angeklagt. Derselbe war von einem Schutzmann aufmerksam gemacht worden, er möge in seiner heileren Laune nicht an die aus dem Trottoir gehe iden Leute „anrcmpeln"; statt aber dem Schutzmann zu gehorchen, warf er Denselben zu Boden, schimpfte ihn und wider- ictzle sich seiner Arretur derart, daß er aus einen Handschlittcn ge bunden und dem Orte seiner Bestimmung zugcsahren werden mußte. Ter Angeklagte, welcher behauptet, total betrunken gewesen zu fein und von 'Nichts nichr wissen will, wurde mit 4 Monaten Gesängniß bestraft. 11. Tie gegen den Fleischer Karl Adolf Hennig aus HermS- dors wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen an einem Kinde unter 14 Jahren slaltgehabte nichtöffentliche Verhandlung endete mit der Verurlheilung des Angeklagte» zu 6 Monaten Gefängniß. 111. Ter Kaufmann Gustav Albert Hcndeler au« Quedlinburg war angeklagt, einen Wechsel auf den Namen seines Schwagers aus gestellt und in Umlauf gesetzt zu haben. Er gestand Dies auch zu, jedoch Mit dem Bemerke», die Genchniiguiig Desselben, welcher in der Verhandlung von dem ihm zustchenden Rechte, da« Zeugiuß abzulchnen, Gebrauch machte, gehabt zu haben. Ta hiernach ge nügender Anhalt zur Ucbersührung des Angeklagten fehlte, erkannte der Gerichtshof, bestehend ans de» Herren Landgcrichtsdirector Rem, LandgcrichtSläthe» Sachßc und Bartl, und HülsSrichtcrn Assessor Grvh und TivisionSaudileur I>r. Peckiwcll, ans Freisprechung. Tic Anklage vertrat Herr StaatSanwalt Brückner. BeranlworHichkr Haupt-Redaettiir ffr. Hitttrikr; fiiv den politischen Theil veranlN'SttUch Henrich Udse; sür den muiikalischc,» Theil Prof. I»i-. O. Paul; sur Kunst. Wissenschaft und Lttcratnr Tb. Llrorncr, s.irnmtUch in vcipiiF. VolkswirWastlichts. Alle für diesen Theil bestimmten Sendungen sind zu richten an de» verantwortlichen Redakteur desselben E. 8. Lüne in Leipzig. Vom Lage. S Lombarden 184 (186B0), Franzosen 506.50 (512.50), Credit b« (522), Darmstädter 146.50 (do.), Deutsche Bank 149.75 (150.40), Disconto 176 (177), Belgische 113.90 (113.80!, Oberschlesiiche 1V6.S5 (196.75), Mainzer 93.25 (do). Rechle-Lder-Uscr 145.75 (146), Freiburger 107.90 (108.25), Oefterr. Nordwestbahn 345.50 (S47), Elbethalbaha 444 (443.50), Galizier 119.25 (119.40', Oesderr. Goldrente 78.20 (do.), Ungarische Goldrente 97.40 (97.25), 1880er Russen 76.20 (76.W), Russische Noten 212.75 (213), Schluß schwach. Welcher Schivtndel in Paris herrscht, zeigt, daß man am Mitt woch bei Beginn der Börse, als der Comptant zu dem so ungeheuer (dt« über 121) getriebenen Lourse den Markt mit Fünsproccntiger überschwemmte, per Lasse zu 120.10 kaufen und auf Zeit mit 121.20 Wiederverkäufe» konnte! — versteht sich, daß gegenüber dem tollen Treiben in Renten die Baleur« stark vernachlässigt und niedriger sind. Die auswärtigen Börsen, namentlich die Berliner, können nicht besonders Günstige« daran« für sich entnehmen: letztere blieb daher auch am Donnerstag reservirt. Nur in Ungarischer.Goldrente machte» sich wieder Haussedestrebniigcn geltend, die den Cour« auch förderten. Die Wiener Börse zeigt fortwährend Beschästsunlust und Schwäche. Ein köstlicher Spaß ist er, wenn die „Börsenztg." meldet, die Lonvrrsion der ungarischen Goldrente sei im Princip entschieden; al« wenn darüber ein Zioessel herrschen könnte, daß die ungarisch« Regierung und da« Lousortium gern ein Geschäft machen möchten. Aber dir Schwierigkeiten! — Ja darin liegt e« eben. Der Abschluß der Märkisch-Posener Bahn soll, nach einer Zah- lung vo» 5 Proc. Dividende au die Stammprioritäten, noch einen Ueberichuß von ca. 150,000 -Kl ergeben. Da au« dem Vorjahr ein Ueberschuß von 130,000 -Kl disponibel, io verfügt die «rnvaltung über 280,000 ^l, dir auf rückständig« Stan>mprioritätru8!ouponS früherer Jahre zurückgezahlt werden solle». Der hierbei in Betracht kommend« Lonpou ist der von 1872. Die bevorstehende Generalversammlung der so unselig verfahrenen Berlin-Kölnischen Fener-Bersicherung giebt der „Fr. Ztg." Beran- lassnug, die Actionaire zur Initiativ« behus« Wahrung ihrer Inter- esse» auszusordern. Die nächste Ausgabe der Actionaire in dieser Versammlung wäre nach unserer Meinung di« Ernennung eine« von dem A»fsicht«rathe durchaus unabhängigen Prüfungsausschusses, welchrr an der Hand de« von Direktion und AussichtSrath vorzu- legenden Bericht« die bisherige Geschäftsführung einer genauen Prü- suna zu unterziehen hätte und hierzu unparteiische Sachverständige zuztehen könnte. Bor Allem wäre durch diese Prüfung ftsizuitcllen, ob die für die Jahre 1877, 1878, 1879 veröffentlichten Bilanzen »icht etwa eiuartretene oder doch damal« bereit« vorherzusedende Verluste und Sussälle verschwiegen haben, ob also dir au-gewiesenen »ud al« Dividenden vertheiltrn Ueberschüsse ordnung«mäßig ver- theilt «erde» dursten. Sollte» sich etwa concrete Anhaltspunkte dafür ergebe», daß fictivr Dividenden anSaezahlt worden sind, so wäre der >nfsichi«ratd aus Grund der rtnschlägjge, Bestimmungen de« Handelsgesetzbuch«« hiesür haftbar z» machen. Ob mit der jetzt auSaeschrtebenen Einzahlung der Fenerver. sicher»»- »ud mit der wahrscheinlichen zweiten Einzahlung der Rück- Versicherungsgesellschaft die Reih« der Opfer erschöpft sein wird, vermöge» wir »icht zu brnrtheilen. Wir wünsche» e«, können aber »icht recht daran glauben. Die Summe der während mehrerer Jahre »och ansstrhenden Risiken ist zu enorm; e« ist früher mit der L»nahme von Versicherungen, mit der Fikirnng der Prämien aar zu leichtfertig voraeaangcn worden, al« daß wir an ein« baldige Pnristcatio» de« Geschäfte« glauben könnten. Außerdem lsi da« Vertraue» in die Gesellschaft, wie sich au« den bedeutenden Nach- Versicherungen, welche bezahlt werden, ergiebt, geschwunden und hierdurch die Erlangung neuer solider Geschäfte sehr erschwert, «»blich bat »nt auch da« verfahre» der neuen Direktion. nament- lich ihr ianae« Schweige» gegenüber de» Actionatrrn »»d die Aus- fchrew«> da Eruzahl»og vor da Genrral-Versammlung Zutrauen eingeslößt. Die Actionaire mögen in jeder Beziehung auf ihrer Hut sein! Nachdem bisher die Nachrichten über die Verhandlungen der Commission der Serbischen Skupschtina über die Conventionen mit Bontour günstig für denselben gelautet hatten, wird neuesten« gemeldet, daß die Commission dieselbe verworfen habe; da« Mini- sterium wolle daran« eine LabinetSsrage machcn. (!) Die „N. Fr. Presse", das Organ der österreichischen Eisenbahn- Verwaltungen in der Louponangelegenhcit, bringt wieder einen Artikel, dem wir hier Platz gönnen müsse», weil, wenn seine Be- Hauptungen wahr wäre», daourch ein sehr eigciithümlichc« Licht auf das Verhalten der deutschen Regierung gcworjcn würde. Es heißt also: Bei den Verhandlungen über den östcrrcichisch-deutschcn Handels vertrag, welche binnen wenigen Tagen in Berlin beginnen, wird auch die Couponsrage einen Gegenstand der Di-cussion bilden. Zwar sind in dieser Beziehung schon vor Jahresfrist zwischen den Regierungen von Oesterreich und Deutschland Abmachungen getroffen worden, welche man in Wien für bindend erachten mochte, allein manche Anzeichen sprechen dafür, daß die drntsche ReichSrcgierung ihre in Aussicht genommene Leistung in der Couponftage »och als Lompensationr-Object für die bevorstehenden Vertrag-Verhandlungen verwcrthen will. Zur Feststellung de« Thatiächlichen muß bemerkt werben, daß die Einleitung de« Coupon-AuSgletch« der Westbahn seiner Zeit vorzugsweise aus die von der deutschen Regierung gegebene Anregung und ausGrund der Zusage, welche dieselbe machte, erfolgt ist. Tie österreichische Regierung scheint nicht die Absicht zu haben, für die Sanctionirung de« Loupon-AuSglejchS durch den deutschen Reich«, tag jetzt noch besondere Eoiicessionen zu machen, obwohl sie durch die Verstaatlichung der Westbatm an dem Arrangement der Louponsrage ein erhöhte« Interesse hat. Man glaubt nämlich in dem Projekte der Prloritäten-Lonvcrtirung, welche« jüngst in dem von der „Neuen Freien Presse" veröffentlichten Artikel des General- Direktor« v. Czedik erwähnt wurde, ein entsprechende« Au-kunst«. mittel für die Beilegung der Louponsrage gesunden zu haben. Man beruft sich aus da« Recht der Elisabeth-Westbahn, ihre Obligationen zur sofortigen Einlösung einzuberusen. Der Streit um die Loupon- Valuta würde sich in diesem Falle in einen Streit um die Capital«. Valuta umgestalten. Man erwartet indes), von den Ersadrunaen bezüglich der Louponprocesse ausgehend, daß nur eine verhältnihmäßig klein« Zahl von Prioritäten-Besitzern de» Proceßweg beschreiten würde. U. s. w. Au« den Verhandlungen im Reichstage über die WährungSange- legenheit ist da« Eine erkennbar, daß man von leitender Sette den Lollegen Agrariern wie in anderen Dingen auch hier gern zu Willen sei» möchte, daß aber die Verhältnisse denn do» zu concret und zu gefährlich liegen, um durch den dloßcn Eigenwillen eines Einzelnen, dem dir Lehren der Theorie und Erfahrung wenig bedeuten, beliebig sich beugen zu lassen. — ES ginge wohl, aber e« gehl nicht. Jndrß hat die englische Regierung sich sehr entschieden darüber ausgesprochen, daß sie mit einer mmetalliftischrn Lonscrenz nicht« zu thun habe, sondern für ihre Iheilnahme ein andere« Programin beanspruche. Der närrische Bedanke, «inen Krieg gegen England« Goldwährung »u führen, um et zum LimctalliSmu« zu bekehren, indem die deutsche Regierung Silber ausbirten solle, um den Preis desselben herunler- zuwersen, verdient kein« weitere Beachtung. Veber den Lrpreßgüterverkehr auf der Llbe. * Die immer mehr und mehr sich geltend machende Rolhwendia- kett einer schnellen v«s«rdrr»»g ans der Wasserstraße vcranlaßte die „Kettenschleppschiffsahrt der OberKklbe" zu Ansang de« Jahre« 1878 eine» Ezpregverkrhr «wischen Hamburg und Wallwiyhafe» tu« Lebe» z« rufe», welcher seiner Zeit von den sich dafür iater- essirenden Kreisen »ud namentlich von der verehrlichcn Handelskammer zu Leipzig «tue warme Unterstützung fand. E« w»rde» damit anfänglich auch recht pronipte Expeditionen erzielt, bt« verschieden« Uebelftänd« «nd Hinderniffe eüttrate» und zwar erstens durch Benutzung großer Fahrzeuge, welche eine zu lange Lade- und Lötchsrist ersorderten. und später in Folge der Zoll- rciorm, die bei deni Mangel an AbscrtigungSstcllcn >n Hamburg aus die Scknsfsahrtsverhültnisse im Allgemeinen hemmend wirkte, indem e« Zeiten gab, wo camptet beladene Kähne 14 Tage und länger auf die steueramtlschc Revision in Hamburg warten »»ißien. Mit besseren Hülssmitleln — nämlich kleinen zollvcrschlußsädige» Kähnen, welche nicht nur dein zeitraubenden Ausenttjalte >m Hamburger RevisionShascn entgehen, sondern auch innerhalb weniger Tage aus schließlich mit Expreßgüter» beladen und an bestimmten Tagen vo» Hamburg abgcschlcppt werden — hält die „Neue Norddeutsche Fluß-DampsschtsssahrtS-Gesellschaft" diesen Verkehr seit Ansang des vorigen Jahre« aufrecht und entsprach in der Ver mittelung des Transportes eines große» Thriles der eiligen Waaren, welche von Hamburg nach Leipzig die Route über Wallwitzhasen nehme», in erfreulichem Maaße den Anforderunaen der Bezieher. ES läßt sich danach eine ferner recht lebhafte Entwickelung der Exprcßfahrten auf der Elbe erwarten und, angesichts der nahe in Aussicht stehenden SchiffsahrlSerössnung, aus rege Benutzung der selben empfehlend Hinweisen. Wie man un» mittheilt, sollen die Ankunftszeiten der Expreß- schlcpper ferner öffentlich bekannt gemacht werden und dürsten wohl in kürzester Zeit die erste» Expeditionen erfolgen. Getreideernte preukens im Jahre IM. Darüber bringt das neueste Heft der „Zeitschrist de« kgl. preuß. Statistischen Bureau«" eine Abhandlung, welche berechtigte« Aus- sehen erregen wird. AIS im Herbst v. I. die rapide steigenden Roggenpreise mit Nothwendigkeit die Frage nahe legten, ob die neuen Getreidezöllc denn wirklich, allen Traditionen de« Zoll- verein« zuwider, selbst bei Nothstand«preise» aufrecht erhalten werden sollten, da trat am lö. November im Abgeordnetenhaus,: der landwirthschastliche Minister I)r. Lucius mit der Erklärung hervor, daß die Befürchtungen wegen eine« bevorstehenden Mangels an Brodkorn vollständig unbegründet seien. Er stützte sich dabei aus die ihm eben erst ziigeaangeiic» vorläusiaen Ermittelungen über de» Ausfall der 1880er Ernte. Darnach sollte diele Ernte für alle Getreidearten und für Kartoffeln ein das Vorjahr weit über- steigende« Resultat geliefert habe». Die Zuverlässigkeit seiner Angaben wurde gleich damal- in der Presst mit gewichtigen Gründen entschieden bestritten. I>r. Luciu« bequemt« sich in Folge dessen auch in einer späteren Sitzung dazu, die von ihm mitgethcillc» Zahlen al« provisorische (!) Schätzungen zu bezeichnen; gleichzeitig trat er jedoch abermals für ihre annähernde Richtigkeit ein und auch der „Reichs- und Ttaat«-Anzeiqer" versuchte, die Benutzung dieser immerhin zweifelhaften Zahlen >n Schutz zu nehmen. Unter diesen Umständen ist e« von hervorragendem Interesse, daß die Untersuchung, welch« in der erwähnten Abhandlung der Direktor de« Statistischen Bureau«, Geheimrath 1>r. Engel, über die Zu verlässigkeit der provisorischen Ermittelungen aiistellt, zu dem ganz entgegengesetzten Resultat führt. Hr. Engel weist näm lich nach, da« nach den in früheren Jahren gemachten Erfahrungen die provisorische Statistik den wirkliche» Ertrag jedesmal weit, »m 20 bi« 33 Proc., überschätzt hat, daß überdies bei der Schätzung der I880rrRoggenernte der beträchtlich«Theil de« Areal-, welcher durch die Maisröste dem Rogaenanbau entzogen worden war, gar nicht in Anschlag gebracht ist. Al« Ergebniß diese« Nachweises, welchen der berühmte Statistiker in allen Theilen mit der seinem hohen wissen- schoitlichen Ruft entsprechenden Sachkunde und Objektivität durch- grsllhrt ha», ist zu constatiren, daß die 1880er Ernte tm Vergleich mit 1879 bei Weizen, Gerste und Hafer nur einen geringen, bei Kartoffeln einen etwa- größere» Mcdrertrag geliesert, dagegen bei Roggen einen starken Au«sall gebracht hat. Die Zunahme macht bei Weizen 1'/, Millionen Doppelcentner, bei Gerste V,, bei Hafer 1'/« und bei Kartoffeln 14' .Millionen Doppelcentner auS: anderer- seit« ergiebt sich für die Roggenernte im Jahre 188t» eine Abnahme um 7 Millionen Doppelcentner, während der .cindwirthschaftlichcMinister eine Zunahme um 6MillionenToppel- centner behauptet Halle! 1-r. Lucius gab sie nämlich aus 45'/, Mil- lioncn Toppelcenlner an, während sic nach l)r. Engel'« Berechnungen nur aus 32 Millionen gegen 39 Millionen Doppelcentner in 1879 zu veranschlage» ist. Die 188<>er Roggenernte Preußens hat demnach wenig mehr als die Halste einer normalen Ernte, nämlich nur 32 gegen 58'/. Millionen Toppelcenlner. betrage». Diese That- suche, welche durch die Arbeit lir. Engel'« schon jetzt außer Zweifel gestellt ist, — die definitive Eriitcstaustik selbst kann erst gegen Ende des Jahres erscheine» — rechtsertigl in schlagendster Weise den Verlaus der PrciSbcwcgung a» den deutschen Getreideniärkte». Nur gestützt auf die ganz unzuverlässigen Zahlen riner provi- soritchcn Ermittelung de« Ernte Ertrages, hat man die Be- schuldigung ausiprechc» können, die Spekulation allein habe die Roggenprcise zu der ganz nngcwöhnlickic» Höhe hinansgetrieben. Eine Vergleichung der Ernleinengrn mit dem Gange der Preise in den Jahren 1878—1880, welche I>r. Engel seiner verdienstlichen Arbeit ebensalls cinverleibt hat, zeigt vielmehr uinviderleglich. daß der dcnlsche Gclreidchaiidcl die Ihalsüchlichc Lage weit richtiger beurlheill hat als die Regierung, daß die Preisbewegung, soweit nicht Verschiebungen im Consuin staltgesunde» haben, dem AuSsall der Ernte» in den einzelnen Getreidcarten und in Kartoffeln durch- aus entsprochen hat. Tamil ist aber zugleich die schärfste Verurthkiluiig der jetzigen Zollpolitik ausgesprochen. Wenn eS möglich ist, daß bei einem Deficit in der Roggenernte von nahezu der Hälfte einer normalen Ernte und bei einer säst nur in HuiigerSzeilen erreichten Höbe der Roggcnpreise die durch die Getreidezöllc geschussene künstliche Erschwerung der Zuiuhr ruhig ausrecht erhalten wird, so wird die große Masse der consiiniirenden Bevölkerung wenigstens wisse», was sic von unserer neuesten wirthschastspolltischen Acra zu gewärtigen hat. Mcriko betreffend. II. Unter den Ländern der neue» Welt, welche unsere Ausmerk- samleil verdienen, gebührt cinichieden dem Staate von Mexiko eme der ersten Stellen. Es dürsle deshalb an der Zeit sein, der große» Fortschritte zu gedenken, welche derselbe in dem letzten Jahrzehnt gemacht hat. Wir entnehmen einer uns vorliegenden Festschrift folgende Daten. Mexiko besitzt gegenwärtig mehr als 10 Millionen Einwohner, welche sich ans ein Gcu>ct vcrtheilen, baS ungefähr viermal so groß groß ist als Deutschland. An der Spitze der republikanischen Regierung steht, nachdem der um sein Land hochverdiente General Porfirio Tiaz abgetreten ist, als neuer Präsident der General Manuel Gonzalez. Derselbe ver- dankt seine Wahl den großen Verdiensten, welche er sich um die Reorganisation de« Heeres und in der Verwaltung erworben. Er ist ein sehr energischer Mann vo» geradem Charakter und man setzt auf ihn große Hoffnungen sür die Zukunst. Ta« Ministerium der auSwarligen Angelegenheiten befindet sich in den erprobten Händen des Leiinor MariScal, welcher bemüht ist. die diplomatüchen Verbindungen mit den anderen Staaten aus« Neue zu beleben und immer inniger zu gestalte». Tie Verfassung der Republik ist freisinnig und sichert allen Bürgern volle Gleichheit vor de» Gesetze» de« Lande«. Letztere sind, was das Civil- und Strafrecht betrifft, nach fran zösischem Muster und durchaus zeitgemäß. Tie öffentliche Sicherheit läßt kaum noch etwas zu wünschen übrig. Tie Schulen, welche unter dem spanischen Regime ganz vernach lässigt worden waren, haben sich, Tank den seit zehn Jahre» gemachten riesige» Anstrengungen, außerorventssch gehoben und e- fehlt nicht an Bildungsanstalten, welche selbst den höchsten Anforderungen Ge nüge leisten. Ten Verkehrswegen widmet man jetzt vermehrte Aufmerksamkeit. Tie Eisenbahnen bejchränkcn sich zwar noch auf ca. 100>» Kilometer, indessen sind verschiedene neue Strecken >m Bau begriffen. Ganz
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