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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188105228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810522
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810522
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-05
- Tag1881-05-22
- Monat1881-05
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1881
- Autor
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Letution und Expedition Iohcmnesgelsse 93. Sprechstunden der Kedartion: Lormittag« 10—12 Uhr. Nachmittags 4—6 Uhr. v»r »ik Ntckg-d. N»,«,,ndter Manulcr,»«« »acht sich »>« Urdaltioa nicht »erdmdkch. UkipMerIagtlilnit »er sür »te nSchfts«lge«»e Nnnnner vrsti««ten Inserate an Wacheulagen dis 3 Uhr Nachmittag», au Eann- «n» Festtagen früh tztsUhr. 3« de« Filialen für 3ns.-^unahme: Ltt« Klr««, Universstötsstrabe 22, Lvtzt« Lösche, Katharinenstrabt 18, p. nur »iS ss,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage 16,80«. Aboniirmrntsprris vierlelj. 4'/, Mk.. incl. Brinaerlohn 3 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 23 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebübren für Extrabeilagen ohne Postbesördening 89 Mk. Mit PostbesSrderung 48 Mk. Inserate 6qespaltene Petitzeile 20 Pf. Erobere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer Sah nach höherem Tarif. Kttlamrn nntrr de» Nedactionostrich die Spaltzeile 30 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prneuumernmlo oder durch Post. Nachnahme. 142. Gsmrtag den 22. Mai 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekanntnlachkmg. Die Mitglieder de- Rath- und des Stadtverordnetcn- CollegiumS werden zu einer Mittwoch de« 23. diese» Monat» «de«d» «'/.«Pr im Saale der ersten Bürgerschule abz,»haltenden gemeinschasl- lichen Sitzung eingeladen. Zweck der Sitzung ist die Wahl von Mitgliedern der Musterungs-Commissionen für den Pferdebedarf der Armee und deren Stellvertreter, sowie dreier Taxatoren und deren Stellvertreter. Leipzig, am 18. Mai 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. vr. Wangrmann. Sestentliche Sitzung -er Stadtverordneten Mittwoch, am 23. Mat ». Abend» S»/» Uhr im Saale der I. Bürgerschule. Tagesordnung: I. Gutachten de- Ausschusses zur Gasanstalt über: ». den Bau der zweiten Gasanstalt, d. die Abänderung der Beleuchtungsanlagen auf dem Blücherplatze. II. Gutachten des Oekonomie-Ausschusses über die Neu« Pflasterung deS BlücherplatzeS. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Ge- legenheit der am 2t. und 22. d. Monat« stattfindenden Reaae« haben wir sür nöthig erachtet, folgende Anord nungen zu treffen: 1) An diesen Tagen find Nachmittag- von 12—» Uhr der Scheibenweg vom Sckleußiger Wege oiS zum Iohanna- park und von der Brandbrücke ab bis zum Kirschwebr sür den öffentlichen Fahr- und Rcitverkelfr, ingleichen der Scheibcn- weg vom Schleußiger Wege ab bis zum Schcibengebvlz auch sür den Fußverkebr gesperrt. 2) Wagen, die in die Rennbahn gelangen wollen, haben den Htnwefl durch die Münzzzaffe, den AloOplatz nach dem Schleußiger Wege, den Rückweg durch da- Scheiben- gehölz und den Jobannapark ru nehmen. 3) Diejenigen Wagen, welche nur di- an den Eingang zur Rennbahn bei der Einmündung de- Scheibenweges in den Schleußiger Weg fahren, haben de» Rückweg durch die Kffraerstraffe zu nehmen. 4) Aus dem Hinwege haben all« Wagen recht» zu fahren und sich streng in der Reibensoig« zu halten. s) Auf de« Schlepßtger Weg« darbet« WSggra h«lte». Wir bringen diese Anordnungen hiermit zur öffentlichen Kenntniß. mit dem Bemerken, daß unsere Organe angewiesen sind, di« Beobachtung derselben aus da- Strengste zu über wachen. Zuwiderhanolungcn werden mit Geldstrafe di- zu 30 Mark oder Haft bestraft. Leipzig, am 20. Mai 188t. Der Rath «nd da» Poltzei»Sl«t der Stadt Selptta. Vr. Georgi. vr. G. Bekanntmachung. Wegen Pflasterung beziehentlich Schleußenbaue- werden in der nächsten Zeit folgende Straßen aus die Dauer der betreffenden Arbeiten für den Fährverkehr gesperrt: 1) dir Windmühleastrahe, vom 23. Mai an für alle« Fährverkehr zunächst auf der Straße zwischen dem Kvnig«- Platze und der Kurprinzstraße, sodann mit dem Fort, schreiten der Arbeit streckenweise weiter bi» zum Bayersckcn Platze. 2) der Brühl, von der Katbarinenstraße bi» zum Theater platze, ebenfalls vom 23. Mai ab für den h»rch> gehende« Fährverkehr, 3) die Harkortstrage, zwischen der Pleißengaff« u«d der Nonnenmühle vom 30. Mai ab und mit de» Fert- schreiten der Arbeit der untere Theil der Mühlgaffe bi- zur Mitte de- Hause- Nr. 3 für den -»rep« gehenden Fährverkehr, 4) die Klostergaffe, vom 7. Juni ab für all«« Fahr, verkehr, L) die Schützeastrast«, vom 13. Suni ab für alr» - Fabrverkeb,. Leipzig, den 18. Mai 1881. Der Rath der Staht Leipzig. Vr. Georgi. Cichorm« Vekanntmachuim, Ge«eralrevtston der Drofchken«Geschtrre betreffend Die Ge«eralreviflo« Über di« Droschken »ud veren Gespanne wird hiermit auf de» 20., 21. und 22. Jaul I. f-staesetzt. . Die Bestunmung de-OrteS, wo, und die Zeit, zu welcher die einzelnen Droschken vorzusühren sind, bleibt vesonderer Bekanntmachung Vorbehalten. Hierbei wird schon jetzt daraus aufmerksam gemacht, das sämmtliche Droschken ohne de« sogeaa»»t«n Soanaer- ««»schlag vorzufahren haben und daß auch di« zum Rachtdlemst zur Verwendung kommenden Droschkenaeschirre mit vorzusühren sind. Leipzig, am IS. Mai 1881. Da» Holtzet-Amt der Stadt LelpztG. vr. Rüder. Muhlner WrldgrSserei-Verpschtimg. Mittwoch , 23. Mat d. I., soll i« Forstreviere Rosenthal die diesjährige Gra»««tza»g unter de» im Termin« näher bekannt zu machenden Bedingungen «nd gegen sofortige Zahl»»« der Packtsumme nach den» Zuschläge parcellenwcise meistbietend verpachtet werden. Zusammenkunft: Nachmittag« 3 Uhr am Gohlis« Wehre am Leipzig, am 16 Mai 1881. De» Rath» Aor sthopatatto». Wegen Reinigung der Räum« bleibe» di« Stadialste und die Stfftung-buchhatterei de« 23. »lese» Moaat« «-schloff». Leipzig, den 2l Mai 1881. De» Rath« Fina»z-Dkp»taktzo«. Losis-Vmuiethrm-. In dem Uuiacrsttäl-aruudstück« »um „Goldene» Anker". Groh« Fletschrr-affe Ä. 8. soll i» tzkr 1. Etage des Quer- aeböudcs ein Logt», bestehend aus Vorsaal, s Stnde«, Kammern. Küche und »brige« sudetzür, vom 1. Juli 1881 ab auf drei Jahr« meistbietend, jedoch unter Vorbehalt der Au«, wähl unter den Bewerbern, vermiethel werden. Reflectanlen werden ersucht, sich hierzu Freitag, ,m «7. Mat d. I.. vormittag« 11 Uhr tm Universitüts-Rentamte (Vorder-Paulinum) etnzufiudk» und ihre Gebote abzugeben. Die Liritationsbrdlaaunaen liegen daselbst zur Einsicht aus. " ' ' "»11881. Uatpersttüts-Aentamt. Graf. Leipzig, am 21. Mat Bekanntmachung. Sonnabend, de« E8. Mat d. I. Vormittag« 1» Uhr ollen in dn» Räumen des hiesige» Prstzta»U-A»tes (Schloß ileißenbulg) 1 Partie NoggenNel« öffentlich an den Metsibtetendea gegen sofortige baare Bezahlung versteigert werden. Die Bedingungen werden vor der Auktion bekannt gemacht. Leipzig, am 20. Mai 1881. KSntgttche» Proviant-Amt. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 22. Mal. Gambetta ist al« Sieger au» einem schweren parla- mentarischen Kampfe hervomegangen. Die französische Deputirtenkammer hat die Listenwahl mit sehr großer Majorität angenommen. Bereit» bei Beginn der Berathung über den modisicirten (unfern Lesern bekannten) Antrag Bardoux, betreffend die Beseitigung de« bisherigen System« der Arrondissement-wahlen, zeigte eS sich, daß die Anhänger der Listenwahl in der Majorität waren, da mit 243 gegen 235 Stimmen beschlossen wurde, in die Special- beratyung einzutreten, und ein Antrag auf Vertagung der Debatte demnächst mit noch größerer Stimmenmehrheit ab gelehnt wurde. Die Tragweite de- vom Kammerpräsidenten errungenen Siege- läßt sich in diesem Augenblicke auch nicht annähernd bestimmen. Die Thatsach« aber, daß e» sich nach der allgemeinen Meinung um einen parlamentarischen Zwei kampf zwischen Gambetta m>d Jute« Grrvtz hamelt«, nvthlgt zu der Annahme, daß da« Votum früher oder später >n einer ernsthafte« Kris« Anlaß geben wird, lieber die Be deutung diese« Ereignisse« wird der „Rat.-Ztg." au- Pari« berichtet: Nicht ohne takttsche» Beschick hatten die Anhäuger de- Listen lcruttutumsden Antrag Bardo«r' noch tu einer Weise abgeändert, durch «elche gewisse Empfindlichkeiten der bisherigen Depnttrte» «schont wurd«». Lag doch die Befahr nah«, daß eine Anzahl Loealgr-ßen in den kleineren Departements ihre Mandate mit Noty- Wendigkeit verlieren müßte», weil nunmehr die letzteren der Be- völkerungszifser entsprechend normirt werden. Um dem Widerspruch« dieser Brupp« von Gegnern vonubeugen, enthüll nun der abgeän- derte Antrag die transitorisch« Bestimmung, daß jedes Departement sür die nächste Legislatur mindestens die bisherig« Anzahl von Ber treten, bewahrt. Der gestrig» Majorität gehörte» auch die Bona Parti firn au, welche sich i, der Hoffnung wiegen, daß es ihnen mittelst des Lifteusernttulums «ltugen «erd«, tu einer Anzahl Departements ihre» sämmtliche» Eaudtdateu »der doch einem betracht- lichea Theile derselbe» zu« Sieg« zu verhelfe». Freilich wird sich die Erwartung, durch Couerutriruug aller monarchistischen Elemente gegenüber de» »telfach zersplitterten Parteigruppen der Linke» Er- folge zu erzielen, Innm verwirkliche«, da »ach dem modisicirten An trag« Bar»««' heim «Kr» vablgang» »icht blo« dt« absolute Stimmenmehrheit für jeden Lanvidaten erforderlich ist. sonder» auch mindestens et» viertel der eingeschriebenen Wähler für den- selbe« »otirt Hute» muß. Die aambettisttsche Press« darf tedenfalls nnfstzvchste über deu errungene» Sie-kr o blocken, «nd Gambetta selbst, der in diese« Tagen seiner Vaterstadt Ca Hort eine« Besuch absmttrt, wird daselbst mst alle» Ehre» eine« Triumphetors empfangen «erden. lieber di« Methode der Listenwahl dürfte Folgendes»» bemerken sein: Bisher fanden die Dahlen in Frankreich nach Kreifen (Arrondissements) statt (Arrondisiemenswahlen), ganz ähnlich wir kwi unseren Rrichstaaswahlen. Sin« wirk» liche Ungerechtigkeit, die sich dabei fühlbar machte, war dir. daß manche Kreise, die eine weit geringere Einwobnerzabl hatten als andere, gleich diesen einen Abgeordneten wählten und dadurch zu Nngunften der anderen bevorzugt wurden. net« wühle« soll, als seiner Bevölkerung entsprechen, "wobei angenommen wird, daß aus je 70,000 und jeden über« schießenden Bruchtheil rin Abgeordneter entfällt. Jeder Wähler giebt dann so viele Stimmen ab al- Abgeordnete zu wählen sind. Graf Harry von Arnim ist Donnerstag zu Nizza gestorben, ein Mann, dessen Name seit Jahren alle Welt beschäftigt hat. In wahrhaft tragischer Weise hat da« Leben Arnim'- in der Verbannung geendet, eines Manne«, der durck seine reiche Begabung, gesellschaftliche Stellung und den Drang, sich im öffentlichen Leben zu bethSUgen, berufen war. seinem Vaterland« nützlich zu fern. Durch welche Verwickelungen seiner amtlich«« Thätigkeit ein vorzeitige« End« bereitet wvrv«, »st in Aller Erinnerung, und e« erscheint beut« nicht am Platze, die einzelnen Phasen de« Kampfe« wieder in Betracht zu ziehe«, »elchen er gegen den Reichskanzler gekämpft hat. Graf Hantz war sicher nicht ohne Schuld a» seinem Ver» hänauiß; aber wenn wir recht erwäge», so werden später« Geschlechter in diesem wunden Fechter ein Schauspiel sehe», wetches zu« Mitgefühl heraussordert. lieber di« Persönlichkeit Harry von ArnimP wird der „M. Z." aus Berlin geschrwbrn: „vor etwa sechs Tagen batte sich sein Befinden merklich gebessert; er konnte kurz« Spaziergänge machen und Gäste bei sich srh«. Auch la» und schrieb er und «achte Pläne für die Zuh«ft. Allein dem Ausflackrr» der Lebe» skr äste waren noch immer starke Rückfälle gefolgt, und so unterlag er endlich einer Erschlaff», aller seiner Rer»«. Er ist imhig und bet »olle« Bewußtsein «. Dies Elles war heute im Reichstag« bereits be st« Schwager des verstorbenen Botschafter«, Abg. Gra im-Betztzenburg» wird unverzüglich nach Nizza ab« rerze», um sedier leidende» Schwester Beistand zu leisten. Er war ein hochbegabt«, Mann, dieser Hamm v. Arni«; in wie wett stir gegr» ihn erhoben« Anklage ans Landessterrath zu treffend gewesen ist. wird erst durch den Geschichtsschreiber dcv Zukunst aufgeklärt werden. Der Botschafter starb, noch ebe die Acten seine« Proteste« geschloffen waren. Um tieleo ProceffeS willen und weil er in denkwürdiger grogcr Zeit das Deutsche Reich bei der französischen Republik vcrkrat, auch weil er während des vatikanischen Eoncils an den Debatten über die Unfehlbarkeit eine hervorragende Nolle spielte, gebt ein Name in die Geschichte «der. die eine gerechte Richten» eine« Leben« und Streben« sein wird. ES darf angenommen »erden, daß in den hintcrlassenen Papieren deS Grasen ilrnim wichtig« Auszeichnungen sich vorfmdcn; man glaubt, das Testament deS Verstorbenen werde Bestimmungen darüber enthalten, ob feine RechtserligungSschristcn jetzt oder er» päter sollen veröffentlicht werden. Es handelt sich nur nni den Zeitpunkt der Publikation; begreiflicher Weise mußte Graf Arnim Alles an den Nachweis setzen, daß cm Ar»»» 'ein Vaterland nicht verrathen kann." Graf Arnim war am 3. Oktober 1824 geboren und verschied nach langen und schweren Leiden. Möge ihm die Erd« leicht sein! Ueber die vielbesprochene Frage de- SessionSschlusseS wird unS au- Berlin vom Freitag geschricbe»: Entgegen der positiv im Reichstag verbreitete» Angabe, der NclchS- anrle, Hab« am Mittwoch Abend zwei Abgeordneten der NelchSpartel, welche ihn besuchte», gesagt, er werde de» Retch«tag nVthiaensallS zwingen, Uber Pfingsten binauS u sitzen, da er für denselben noch eine Anzahl uilausschieb- mrer Vorlagen bereit habe, wird von einer Stelle, die über die Absichten deS Fürsten BiSmarck unterrichtet sein muß, bestimmt in Abrede gestellt, daß er eine solche Aus dehnung derSession auch nur für möglich Halle. Wie aber da»» ür die unzweifelhaft noch bevorstehenden Vorlage» (unter welchcn man mit mebr oder weniger Bestimmtheit auch dcn deiitsch- vsterreichischcn Handelsvertrag erwartet) die Zeit auSgespart werden soll, wäre schwer ersichtlich, wenn nickt scbo» still- chweigend aus da- Scheitern deS UnsallversichcrungS- ,ze setzeS in der zweiten Lesung gerechnet wurde. Und ta tst ein Ereigniß, daS vorgestern vielleicht nur als möglich »u bezeichnen war, gestern schon als wahrscheinlich gelten konnte, heute aber geradezu gewiß und zweifellos geworden ist. Die an dieser Stelle zuerst gebrachte Meldung, daß der Reichskanzler an den StaatSzüschusicn zu den Landet Versicherungsanstalten unbedingt fcslhätl, wird jetzt gegenüber den sehr zuversichtlich ausgetretenen entgegengesetzten Mil- theilnngen die sich namentlich auf den in der Reich-Partei herrschenden SanguiniSmuS stützten, jetzt ossiciöS von allen Seilen bestätigt, damit bleibt denn das gouvcrnemcntal-klerikale Lompromiß in der Luft hängen, und es handelt sich sür die Parteien höchsten- noch oarum, der ausgesprochene» Absicht des Fürsten BiSmarck, den abaclehnlen Entwurf als Wahl parole zu brauchen, durch geschickte Taktik die Spitze abzu- vrechen. Es wird selbst vom Eentrum nirgends mebr er wartet, daß es in dieser Frage seine Stellung ändern könnte, so starke Proben von, milde gesagt. Unbefangenheit im Wechsel der Ansichten eS auch in den bisherigen Stadien, welche die Vorlage durchlaufen, abgelegt hat. Di« Behauptung, daß die Annahme des B cnnig scn'schen Antrags aus Berufung des Reichstag« im Octol'er ein Ein griff in die Gerechtsame der Krone sein würde, hat nicht blo« einen osstciösen Ursprung. Diese Anschauung ist in den höchste» Kreise« vielmehr in einer Weise vertreten worden, welche kein Reichskanzler» wie man bei aufmerksamer Beobachtung der be treffenden Stelle seiner Rede vom 5». d. M. unschwer berau« finden kann, sogar lästig geworden ist Selbst von Seiten des Kronprinzen soll die Bemerkung gefallen sein, daß ja nicht einmal in England die Vorrechte der Krone in Berufung de- Parlament« an irgend welche formelle Schranken gebunden seien. Dem könnt« allerdings mit gutem Grunde entgegen gehalten werde», daß dort in Wirklichkeit „Prärogative der Krone" nur „Verfügungs-Freiheit der Minister" heißt, welche die Prärogativ« handhaben. Setten« der deutschen Reich-Partei sind — wie daö Organ derselben, di« „Post", meldet — mit einigen anderen Fraktionen Verhandlungen wegen Einbringung eines Antrages aus »Einführung vierjähriger Legislatur»Perioden ein- geleitet worden. Der Antrag soll formell dem Plenum vor- rleat werden, sobald durch dies« Verhandlungen eine genügende öasi« gewonnen sein wird. Di« Aussichten auf ein baldiges Zustandekommen der Skilitair» Strafproc eßordnnng sür da- Deutsche Reich sind, wie man in Parlamentarismen Kreisen wissen will, wenn möglich noch geriiwer, al- sic es in den ersten Stadion der Verhandlungen unter den Bundesstaaten waren. Bairiscbc Abgeordnete versichern, daß ihre Regierung gar nicht daran denke, die Oeffentlichkcit de- militairischcn StrasproccffcS mit Geschwornengerichlen und contradictorisckem Verfahren auszu geben, und daß die cntgcgenstehenden Meldungen, die von konservativer Seite verbreitet werden, nur den Werth eines Fühler- haben. Baiern ist thatsächlich in der Lage, sich allen etwaigen PressionSmitteln in dieser Richtung, die in Berlin beliebt werden sollten, gleichmüthig zu entziehen. Denn sein Militairstrasverfahrcn gehört zu den wertbvollstcn Stücken der Rrservatrechtc und kann ihm nicht durch Majori- sinrtmrn im BundeSrathe genommen werde». Innerhalb der Reich-regierung schien man sich unter solchen Umständen zeit weise dem Gedanken einer theilweisen Regelung kor Materie, mit Au-schluß BaiernS, zugencial zu haben. Doch hören wir, daß dieser Plan, der seine Befürwortung bis weit »ach oben hinaus fand» an den Einwändcn deS Fürsten BiSmarck gescheitert ist, welcher eine Ausgleichung der crassen Wider- sprücbe im Militairstrasverfahren des Nordens und Süden« s»v gerade,» unaufschiebbar erklärt haben soll. In der Hamburger Zollanschlußfrage sind bereit« zwei Euträge eingebracht, welche darin übercinstimmen. daß sie die Durchführung der jetzt dem BundeSralh vorliegenden preußische« Anträge ohne Mitwirkung de« Reichstags sur verfassung-mäßig unzulässig erklären. Da auch im Ccntrmn di«s« Rrcht-aussassung gelheilt wird, so ist eine große Mehrheit lür di« Forderung, daß die vorgrscklagenen Maßregeln nur " Eßea, de« Gesetze- durchgeführt werden können, im ReicbS- tag Lestchert. Di« Angeleaenheit trägt somit wieder den Kenn ewel s^r ernsten Conflict- in sich. Zur parlamentarischen Behandlung dwjer Frage wird»»« au- Berlin vom Freitag geschrieben: „Die beute sestaesiellten und morgen einzubringen de» Antrüae an- der Mitte de- Reichstag- zum Ham- durger Zollanschluß haben ihre Geschichte, die von Interesse ist. Der erste Gedanke, im Wege einer Inter pellation oder eine- anderweiten parlamentarischen Vor geben- die jüngsten Zwangsmittel deS Fürsten BiS marck gegen Hamburg zur Sprache zu bringen, ging von den Seecssioilisten auü; in Besprechung mit Na tion alli beraten sowohl wie mit Mitgliedern der Fort- chrittSpartci wurde beiderseits die Gewißheit zur Mitwirkung cvustatirt, aber über die Form deS Anträge- gingen die Mei nungen auseinander. In der nationalliberaten Fraktion wurde geltend gemacht, daß trotz aller Zustimmung zu dem vor- icgciltcn Anträge Richter-Karsten doch nicht abzusehen sei, wie dessen überaus scharfe Sprache wirksamer sein soll als ein solcher Antrag, welcher in bestimmter und schmuckloser Weise den Wille» deS Reichstag- kundgcbc und cinesDircetive sur die Regierung enthalte; da» könne u. A. der Antrag de« Abg. Delbrück leichter, der in der vorigen Session an läßlich der EtbschifssahrtSacte da- HauS beschäftigt habe. Mit glieder de- CcutrumS, die der Besprechung beiwohnten, »immten diesen Ausführungen zu, und so kam zuletzt ein Compromiß dahin zu Stande, daß die schärfere und die mildere Richtung, der Antrag Richter aus der einen, der Antrag Delbrück aus der anderen Seite, nicht als sich auS-- 'chließend. sondern als sich ergänzend anzuschcn sein sollten. Gewissermaßen um die« zu markircn, werden die Adgg. Ör. Häncl und Meyer (Schleswig) den Dclbrück'schcn Antrag unterschreiben, wie auch nicht ausgeschlossen ist, daß die Scccssionistc» sich gleichfalls nach getroffener Vereinbarung in zwei Gruppe» lhcitcn, entsprechend den beiden vorliegenden Anträgen. Während solchergestalt den« Reichstag daS Mit- bcschließuiigSrecht über den Eintritt Hamburgs in den Zoll verein gewahrt werden soll, wird conservativerseits versichert, daß Fürst BiSmarck nicht abgeneigt wäre, der vor Ostern gefaßten ReichStagöresolulion zu entsprechen, und daß er über die Aufhebung deS Hauplzollamtö recht gern eine Vorlage in Form eine- NachtragScrcditS rum Etat machen würde. Wir rcgistrircn einstweilen diese sonst gut beglaubigte Nachricht. Sic spricht jedenfalls dafür, daß Fürst Blömarck einen Eon- licl zu vermeiden wünscht." Die Commission sür da« Trunkenheitsgesetz verwarf in ihrer Sitzung vom Freitag zunächst den Antrag aus Aus nahme einer Bestimmung, durch welche die Schuldforderungrn >ür Verabreichung geistiger Getränke sür klaglo- erklärt werden sollten. Sodann wurde nach eingehender Debatte der tz. 2 in folgender vom Abg. v. Schwarze beantragter Fassung mit 1t gegen 3 Stimmen angenommen: „Mit Gesängniß bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bi- zu 1000 Mark wird bestraft, wer in einem durch selbstverschuldete Trunken heit bi- zur Ausschließung der srricn Willensbestimmung herbciarsührtcn Zustande der Bewußtlosigkeit eine Hand lung oegeht, durch welche der Tod eine« Menschen oder eine Körperverletzung mit einer der im tz. 224 St^G.-B- dezcichncten Folgen, oder eine Beschädigung von Sachen der in ßij. 304, 80b Str.-G.-B. vezelchneten Arten oder ein Brand (tztz. gt»t>. 308, 3ll Str.»G.-B) oder eine der in tztz. 3l2, 315. 317. 321, 322, 323, 324. 327, 328 Str.-Ges.-B. bczeichnetcn gcmeincn Gefahren und Beschädigungen verursacht wird. Dieselbe Strafe trifft Den jenigen, welcher in dem in Abs. t erwähnten Zustand« der Trunkenheit unter den in ßtz. 113, ll7 Str,-G.-B. ange gebenen Umständen einem Beamten oder einer der in H. 1i7 dezcichnelen Personen mit Gewalt Widerstand leistet oder diesen Beamten oder diese Person lhätlich angreist, oder «ine der in den tztz. 174—177 bezeichnet«!,, unzüchtigen Handlun gen begeht." Die Grsainmtabstimmung über da« Gesetz wird am Sonnabend erfolgen. Die Commission wollte schriftlichen Bericht durch ihren Vorsitzenden Herrn v. Schwarze erstatten. Ueber den Wortlaut und die Tragweite der von natio nalliberaler Seite bei Ablehnung der Brausteuer- Borlagc abgegebenen Erklärungen sind sowohl im Reichs tag als' in der Presse vielfach Mißverständnisse verbreitet gewesen. Es dürste zweckmäßig sein, »ach dem jetzt vorliegen den stenographischen Bericht diese Aeußerimgen zuverlässig wiederzugcben. Der Abg. Reinecke erklärte danach t», Namen seiner politischen Freund«: „daß in Anbetracht, daß eine Mehrbelastung der Getränke weniger den Steuerzahler drücken würde als manche der gegenwärtigen Abgaben, wir bereit sind, siir die Einführung einzulreten', sobald die berech tigten Interessen des BrauereigewerbeS wie die der Spiritu-- industrie im Anschluß an dieLandwirthschast nicht darunter leiden, die durch diese Erhöhung eintrrtcnden Mehreinnahmen dev Reich« zum Erlaß besonder- auf unentbehrliche Leven-mittel hastender Steuern verwandt werden, und gleichzeitig die be zügliche Gesetzgebung eine geeinte sür da« ganze Reich wird," Und der Aba. von Benda erläuterte diese Worte später dahin: „Der Herr Abg. Reinecke bat Nicht- weiter sagen wollen, al« einfach: wir lehnen die Vorlage, wie sie hier liegt, ab. Wir würden aber — und DaS bade ich in der Generaldi-cussion schon erklärt — meine politischen Freunde würden eventualiter, wenn e- später zu ei»er Vorlage der Getränkcsteucr in Ver binduna mit der Branntweinsteuer kommt, bereit sein, daraus einzugeyen, wenn gleichzeitig eine Entlastung der „»entbehr- lichstk» Nahrungsmittel, wie zum Beispiel deS Getreide-, her- bcigesührt wirb." AuS Linz wird gemeldet, daß der Öberösterreichische Bauernverein seine Wanderversammliingen sortsetzt, in denen die unfruchtbare Thätigkeit de« österreichischen Reick« ratheS aus wirlhschastlichem Gebiete einer sehr derben Kritik unterzogen wird. In jenen Versammlungen wird geradezu behauptet, der gegenwärtige Parlamentarismus sei nur da, um die Interessen deS Bauernstandes zu schädige», und dafür müßten die Steuerträger den volksfeindlichen ReichSratbSrednern neck zehn Gulden Taggeld bezahlen. Eine solche Wandcr- versammlung deS Öberösterreichischen Bauernverein- hat auch am Mittwoch in Leonfelden unter zahlreicher Betheiliguna staltgesunden. Es wurden heftige Reden gehalten. Schließlich wurden entschiedene MißtrauenSkundgebiingen gegen die ReickS- raths-Abgeordncten der oberöstcrreichisckcn Landgemeinden angeregt, welcker Antrag von der Versammlung mit stürmischem Beifall einhellig anacnoinme» wurde. Ein Redner verflieg sich sogar zu der Aeußerung: „Jeder Bauer müßte einen großen Besen „eh, cn, um die Meichsraths - Plauscher (Schwätzer) wegu,fegen.' Die ungariscken Rumänen, deren Zahl über 2 Millionen Seelen beträgt, habe» ihre Sache recht schlau angestclll. Aus eine», soeben in Hermannstadt stattac- sunkcnen Rumänen-Congretz wurde der Beschluß gefaßt, daß die in Ungarn lebenden Rumänen sich an den Wahlen bcthciligen und aus dem Reichstag dir „TonderwÜnsche" der Rumänen vertreten sollen, während die siebenbürgischrn Ru mänen in ihrer Passivität verharren sollen, um dadurch gegen die ungarische Verfassung und besonder- gegen das Wahlgesetz
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