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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188106155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810615
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810615
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-06
- Tag1881-06-15
- Monat1881-06
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1881
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Le-skti«» und Lrprditioa Johaaae-gasse 33. Lprrchkundkn -rr Nedaction: Vormittag- 1l>—12 Uhr. Nachmittag« 4—S Uhr. -« Ni Ntt«§»d« Manmcrwt« m-chl su» du «t-docli-n nicht »«r»uldl>ch. «»«atz», »er für die «i»stf«l,m»e «»»»er »estt««ten Inserate an tS»ch«nta,en bis 8 Uhr Rachmittag«. au Lauu- und -esttaße« früh bi» ',9 Uhr. 3» den Filialen für Ins.-Tinuahme: Dtt« KIe»m, Universität-siraßc 22, L«ut- Lischt, Katharinenstrabe 18, p. «ur dis „L Uhr. KiWgcr.TWMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Auflage LS,VS«. Ädonnementspreis viertel,. 4'/» Mk., incl. Brinaerlohn 5 Ml, durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Ps. Belegeremplar 10 Ps, Gebühren für Extrabeilage» «hue Postbesörderung 30 Mt. mil Postbesörderung 48 Mk. Inserate ögejpaktene Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut unserem PreiS- verzeichmß. Tabellarischer Sah nach höherem Laris. Ueclamrn unter den Nrdaction,strich die Spaltzeile 50 Pf. Jmerate sind stelS an die Vxhkditia« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung xraeuunwrnmlo oder durch Post» Nachnahme. ^ 186. Mittwoch den 15. Juni 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vtkaimlniachllng. Da- t l. Stück de- diesjährigen ReicbSgesehblattcS ist bei uus eingegangen und wird btS zu« <1. Juli d. I. aus dem Ralhhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 1420. Ersetz, betreffend die Küstcnfrachtfahrt. Dom 22. Mai 188t. Nr. l42l. Gesetz, betreffend die Oeffcntlichkcit der Ver handlungen und die GeschästSsprache des Landes- auSschusscs für Elsaß-l'oll,ringen. Bom23.Mai l 88l. Nr. 1422. Gesetz, betreffend die Besteuerung der Dienst wohnungen derRcichSbeamtcn. Vom31. Mai l88t. Nr. 142S. Gesetz, betreffend die Eontrole deS ReichShauS- ballS und des LandeshauShaltS von Elsaß- Lothringen für daS EtatSjahr 1880/81. Dom l. Zun, 1881. Leipzig, den 13. Juni 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Slöß. Vekanntniachimg. Äm Monat Mai d. I. gingen bei dem Armcnamte ein: a. an Legaten: 1500 Mk. — Pf. von dem am 2l. April d. Z. verstorbenen Kürschnerobcrmcister Herrn Heinrich Gustav Schwartzkops durch dcnTcstamciitsvollstrcckcr; I». an Geschenken: 1 Mk. 50 Ps. Sachverständigengebühr von dem Noten- stechereibesitzcr Herrn ZuliuS Pickenhahn, durch daS Gewerbeschiedsgericht. 3 » — »als Strafe eines AusläderS. 10 « — « Buße in der Privalklagsache N. N. /. N. N. durch Herrn Rechtsanwalt vr. Tanncrt. 50 » — » von Herrn vr. Albert Müller. 3 » — » von Herrn Friedrich Wilhelm Müller. 15 » — » als Sühne in Sachen Z. A. S. 7- E- S-, durch Herrn Friedensrichter D. stcagel. als Sühne in Sachen G- 7- H-sd. Hrii, Frie- - - « » W. 7-B.s denSrichter » - » » H ./. H, IG-A. Jauck«. » » » » H. 7» V, » » » «» Scb. /- B K.7. 1 2 8 1 4 20 5 5 1S25 Mk. 50 Pf. d>xch Herrn FriekenSricht. Conrad. Leipzig, am 11. Juni 1881. DaS Arinendtrectorta«. Ludwig-Wolf. Lange. Vrkanntmachuug. Die diesjährige Heu- und Grummclnutzung auf nach- Verzeichnetm Parlhcnwiesen Parcelle Nr. 2769. mit — Hektar 96,29 Ar Flächengehalt, » » 2783. » 1 » 99.40 - und ein Streifen der Pareelle Nr. 2784 soll an den Meist bietenden verpachtet werden. Reflectircnde wollen sich Montag, de« 2V. d. M. vormittag» 9 Uhr in der Marslall»Expedition einsindcn, wo das Weitere zu erfahren ist. Leipzig, den 14. Zum 1881. DeS Rath» Dekonomie-Depntatton. Lkschierpachtung. Die diesjährige Kirschnutzung aus der Mockauer Straße vom Magdeburg-Leipziger Bahnübergänge bis zur Flurgrenze der Petzscher Mark soll an den Meistbietenden gegen sofortige baare Zahlung mit Vorbehalt der Auswahl unter den Licitanten verpachtet »erden. ES haben sich daraus Neflec- tirend« Donners»»« h«» I«. Jnui d. I. Vormittags 9 Ubr in der Marftall-Expcdition einzusinden, ihre Gebote zu thun und sodann weiterer Nachricht sich zu gewärtigen. Leipzig, den 11. Juni 1881. De» Rath» Straßenbau-Deputation. Bei der am 17. Januar d. I. notariell erfolgten elften AuS- loosung der plaomästig zur Rückzahlung bestimmten Obligationen unserer Anleihe vom Jahre 1870 sind: 1) von den 4procentigen Obligationen die Nummern i». r», ir». 2) Von de» 4'/,Proeentigen Obligationen die Nummern sss, «VS. «5», 484 g ezoae, worben. Ties« Obligationen sind vom 1. Juli er. ab an der Lasse de« Herr» Alex. Nerthnuer (Markt 13, Stieglitzen'« Hof, Tr. I zahlbar, an welchem Tage deren Vcrjinsung aufhArt. Die in früheren Ausloosungeu gezogenen Obligationen sind bil ouf dir Nummer 1S4S eiagelöst worden. Leimig, am 18. Januar 1881. Der Vorstand der Israelitischen Reltstan»,e«et«de »u Leipzig. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 15. Juni. Am heutigen Mittwoch wird die Hamburger Bürger- schaft über den Zollanschlußvertraa befragt werden. Die Stimmungsbericbte au» Hamburg lassen kaum einen Zweifel, daß die Bürgerschaft im Bewußtsein der verhäng, nißvollcn Folgen, welche die Ablehnung nach sich ziehen könnte, die Verantwortung nicht wird übernehmen wollen, daß da ss weit vorgeschrittene Werk jetzt noch scheitere. Es wird sich nur fragen, ob die endgültige Entscheidung schon am Mittwoch erfolgt oder ob sie sich noch etwa» länger verzögert. Die Frage ist insofern von großer Wichtig- keit, al» im letzteren Falle der gegenwärtige Reich», tag mit der Angelegenheit nicht mehr besaßt werden kann und sich somit der letzte Abschluß de- Werke» und der Beginn der Ausführung um nahezu ein Zähe ver zögert. Erfolgt aber die endgültige Zustimmung Hamburg» vereitl am Mittwoch, so wird e- allgemein für wahrschem- lich gehalten, daß noch in dieser Session auch da» Votum de» Reichstag» cingeholt wird. Zn diesem Fall wird auch die Session noch eine kleine Verlängerung über den jetzt in Aussicht genommene» Schlußtermin hinaus erfahren. Allzu viel Zeit kann die Angelegenheit im Reichstag trotz ihrer großen Wichtigkeit nicht in Anspruch »cbmen. Selbstverständlich kann ja an dem Vertrag Nicht» geändert, sondern derselbe nur i». Ganze» angenommen oder abgelehnt werden, und so ernstlich sich auch der Reichstag die Frage vorlegen wird, ob der thatsächliche Werth de» Vertrag» mit den dem Reiche zugemutheteil Geld- opscrn in Einklang steht, so kann doch die Entscheidung nicht mehr als wenige Tage i» Anspruch nehme». E» ist selbst verständlich, daß bisher keine Fraktion Anlaß hatte, Stellung u dem Vertrag zu nehmen. ZedcnfallS aber wirb die Mehr test teS Reichstag- nicht die Verantwortung übernehmen wollen, da» Werk an der Schwelle der Bollendung scheilern zu lassen, und ebenso wenig ein folgender Reichstag. Tie Frage scheint thatsächlich niil der Zustimmung der Nächscke- lrostenen bereits entschieden zu sein. Die „Köln. Ztg." sagt, um die Hamburger zu trösten: Zn Hamburg hat sich der Senat, die Handelskammer, die Gewcrbekammer und fast die ganze Presse für die Annahme de« Vertrage» vom 25. Mai ausgesprochen, und es ist »ichl mehr zu bezweifeln, daß auch die Bürgerschaft die günstigen Bedingungen nicht zurückwcisen wird, die ihnen in dem Ver trage zligestandeii werken. Vom Aushvrcn der Frcibasen- lellung Hamburgs ist nickt die Rede. Der Freihafen soll nur auf ein kleineres Gebiet in der Nähe der Elbe eiiigcschränkl werden und zu den allerdings bedeutenden Kosten der neuen An lagen soll daS Reick die Hälfte bis zu 40 Millionen Mark bei steuern. Freilick sprechen sich selbst Diejenigen, welche jetzt für den Anschluß an den Zollverein stimme», gewöhnlich in einer Weise ans, als ob Hamburg elivaS Schlimme» nur aiinchme, um etwas Schlimmerem zu entgehen. ES müsse die BiSmarct'sche Uebercinkunst genehmigen, weil eS im Weigerungsfälle die aiigedrohten Belästigungen nicht aushaltcn könne, iS» äußert ick ein hanicatischc» Blatt: „Hamburg sieht sich durch daS Berliner Al kommen zu einer an sich nnwirlhschastlichcn, d. h. seinen eigenen Bedürfnissen fremden Ausgabe genöthigt, welche etwa 100 Mark aus de» Kops der Bevölkerung beträgt. DaS wären, für Deutschland berechnet, sünstchalb Milliarden. Diese kolossale Summe bringt Hamburg dem Reiche zum Opfer; die Begünstigung, welche cS erfährt, besteht darin, daß man nicht die doppelte Summe von ihm verlangt." Das heißt sprechen wie ei» rcvesertigcr Advocat. aber nicht wie rin unparteiischer Nickte^ ".ebar haupt pst gen c>e Hamburger bei der Besprechung X» Zcll- anschlusscS vorzugsweise nur von den Lasten und Verlusten zu reden, die man ihrer Vaterstadt auserlegt, z. B von der Entwerthung deS GrundcigenthnmS. da 800 Speicher und Lagerräume inncrbalb der Stadt liegen, die jetzt größlenthcils nicht mit unverzollten Waaren belegt werden können. Da gegen «den sie kaum von den großen Vortheile», die unstrcilig die neue Gestaltung deS Verkehrs mit sich bringen wird. Erwähnt wird allenfalls der Nutzen, den die Handel- und Gewerbetreibenden aus dem freieren Verkehr mit der Um gegend und mit dem ganzen Zollgebiete ziehen werden. Dagegen wird nicht in Betracht gezogen, daß der Sec- und Welthandel Hamburgs nicht »ur keine wesentlichen Einbußen zu erleiden haben, sondern durch die neuen großartigen Ein richtungen eine bedeutende Erleichterung erlangen werben. Die ultramontane „Deutsche NcichSzeituna" schreibt i» Nr. 156 ihres Blatte» vom 8. d. M. au» Anlaß deS Selbst mordes deS Generals UchatiuS: Die vielen Selbstmorde unter den österreichischen Ofstcieren er- klören sich wobl daran-, daß der religiöse Nihili-mu- unter den höheren Osficieren keines Staate- in dem Maße graisirl wie im österreichischen Militair. Der österreichische Osficierstand ist schon seit langen Jahren vollständig ungläubig. Freilich aiebt eS auch hier rühmliche Ausnahmen, aber sie sind im Verhältnis zu der österreichischen Osficierkopszahl selten genug. Wer die Verhältnisse in der österreichischen Armee nur cinigermaße» kennt, wird obige Bemerkung als richtig an erkennen. Warum vergißt aber das EaptanSblatt die Ursache dieser traurigen Erscheinung, de» „vollständigen Unglauben-" de» österreichischen Ofsiciemandeö, anzugebcn? Wir wollen ihrer Vergeßlichkeit zu Hülse kommen, indem wir sie an da» bekannte Wort eriiincru: „Wollt ihr ein ungläubige- Volk, so macht eS abergläubisch!" Die österreichischen Ossicicre fühlen sich von dem Aberglauben, zu welchem sie die römisch-katholische Bevölkerung de» weiten Kaiser- ftaaleS von den Pfaffe» herangezogcn sehen, als gebildete Männer angewiderl, und da sie von keiner anderen Religion außer derjenigen, in der sie gelaust und erzogen sind, genauere Kenntniß haben, so werfen sie mit dem Glauben ihrer Kirche allen Glauben fort. Es geht in Oesterreich heute halt noch ebenso wie in Frankreich, von dem rin bekannter Kirchen- historikcr, Pros. I)r. Nippold, sagt: „unter der Hcrrschast der Kirche ist dem französischen Volk die Religion abhanden ge kommen". Zn der Nummer 153 seine» Blatte» (10. Zuni) bespricht daS genannte Organ für „Wahrheit" re. noch einmal die in den letzten Zähren unter den höheren Militairpersonc» Oester reich» so häufig vorgckommenen Selbstmorde und sagt darüber: Finanzieller Ruin, unheilbare Krankheit und andere Ursachen werden angegeben; immer ist jedoch religiöser Bankerott da- bei, wodurch der sittliche Halt verloren geht. Da ist eS nicht zu verwundern, daß eine tüchtige Armre unter solchen Führern keine Ersolge hatte; die schlimmen religiSS-sittlichen Zustände in den höheren Ständen Oesterreich- haben e« zumeist venchuldct. daß da semitisch« Gründerthum i» der Gesellschaft, in der Presse und im Ttaat-leben eine solche Herrschaft erlangen konnte, wie eS in der Ihat erlangt hat. Sehr traurige Verhältnisse in dcr That! Aber interessant ist. daß sich diese Brandmarkung der „religiös-sittlichen Zu stände in den höheren Stänken Oesterreichs" in demselben Blatte findet, welches kürzlich Oesterreich wegen de» „kalho lisch«»" Charakters seiner Bevölkerung glücklich prieS uud in seinem Enthusiasmus m die Worte aüsbrach: „Welch ein Glück. Herrscher eine- katholischen Reiche- zu sein!" Zn der am 11. d. M. unter den, Vorsitze deS Staat- minister- v. Boetticker abgehaltenen Sitzung de» Bundes» rath- gelangten Mittheilungen de» Präsidenten de- Reich»- tag- über die Beschlüsse de- Reick-tag» a) zu dem Entwnr eine- Gesetze-, betreffend die Abänderung der Gewerbe ordnung. b zu Petitionen, betreffend den Zdentität-nackweiS bei der Au-suhr von Mehl auS importirtem Getreide zur Vorlage und wurde die Resolution zu d) dem Reichskanzler überwiesen, während über die Abänderungen zur Gewerbeordnungs-Novelle in einer der nächsten Plenar sitzungen bcrathcn werken soll. Prässdialvorlagcn, be treffend ») die Verminderung de» GesammtbelragcS der ReichScassenscbeine zu 20 und 5 Mark, d) die Vor schriften über die Verwendung von Wechselltcmpelinarke», e) die Ergebnisse deS HeereSergänzungS-GeschästS im Reichs gebiete für >880, wurden zu a und b den zuständige» Aus schüssen überwiesen, zu c lediglich zur Kenntniß genommen. Gegen die Pcrsonalvorschläge de» Vorsitzenden zur Wieder- bcsetzunz mehrerer erledigter Slellen bei den DiSciplinar- kammcr» für elsaß-lothringische Beamte und Lehrer ergab sich kein Widerspruch. Die Wiedervorlegung der zu Berlin am >4. Novbr. 1877 Unterzeichneten' HandrlScvnvention mit Rumänien bei dem Reichstag erhielt die Zustimmung. Hicrnächst wurden die Beschlüsse deS OeickslagS in zweiter Lesung ru jdem Gesetzentwurf, dz ressend die Abänderung ven Bestimmungen deS GericklokostebgesetzeS und der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher, über welche der VI. Ausschuß Bericht erstattete, in Bcratbung gezogen und über die bei der dritten Bcrathung dcö GeseyentwursS ein- zunehmcnde Haltung Beschluß gefaßt. — Den Schluß bildete die Ernennung von Eommiffaricn zur Berathung von Vor lagen im Reichstag und die Vorlegung der neuerdings ein gegangenen Petitionen, über deren geschäftliche Behandlung Bestimmung getroffen wurde. Der ReickStag wird vor Ende der Woche nicht ge schlossen werden können; alle Versuche, die Abwickelung des Arbeitspensums durch überhitzte Dampfgeschwindigkcit der Debatte» svrmlich zu erzwingen, scheitern an dem sachlichen Schwergewicht der BerathungSgegcnständc selber. Ter Schluß am Mittwoch, wie er von verschiedenen Seilen i» Aussicht genommen wurde, ließe sich nur ans Kosten der dritten Lesung deS UiisallversicherungSgcsctzcS erkaufen, und cS ist bisher nickt wahrscheinlich geworden, daß Fürst Bismarck ohne Weiteres auf diese dritte Lesung verzichten sollte. Zn wünschen wäre indessen, daß die Negierung die bedrängte Geschäftslage mehr berücksichtige und nicht, wie DieS am Ende der MontagS- Sitzung wiederum gesckcbcn, stets neue Vorlagen an das HauS bringe. Viel Muhe und Zeit wird freilich diese» Gesetz, welche» die zwischen Deutschland und Oesterreich be stehende Nechtöhillse in bürgerlichen RechtSstrciligkcitcn auch ans Bosnien und die Herzegowina auSdchnen will, nicht kosten; aber der Witz deS Abg. Windthorst war darum doch recht wobl gelungen, indem er den Präsidenten dringend er achte all seinen Einfluß ausrnbiete», daß diese Ucbcrf'luthung mit neuem ArbeilSstoss endlich einmal anshöre. lieber die Entscheidung derMinister- Pcrsonalsragen, welche in der Lvnfcrcnz getroffen wurde, die der Kaiser am Tage seiner Abreise nach Emö mit dein Fürste» Bismarck batte, wird daS tiefste Stillschweigen beobachtet; alle sogen, positiven Meldungen in dieser Richtung können um so mehr aus sich beruhen bleiben, als die amtlichen Ernennungen un mittelbar bevorsichen. Vor der Hand ist höchstens von Wahr- chcinlichkcitcn zu reden, welche die Aussichten dieses ober jene» Eandidatcn habe». Dagegen hält man in hestunlcrrichtctcn Kreise» daran fest, daß die Entscheidung über den Nachfolger des Herrn v. Pnttkamcr endgültig erfolgt sei und cö sich kemeswcgS, wie hier und da verlaulet, noch darum handele, einen geeigneten Candidalcn ausfindig zu machen. Bemerkt zu werden verdient, daß die .Krcuzzcitnng" aufs Neue für Herrn v. Goßlcr als CuttuSministcr spricht. Vielleicht werfen auch hier die Ereignisse ihren Schatten voraus. Die „Nat.-Lib. Eorresp." sagt: Die Gerüchte über die Ernennung de» Uiiterstaatssecrclairs v. Goßler zum CultuS- i» in ist er scheinen eine ernste Grundlage zu haben. Man wird sich darauf gefaßt macken müssen, den gegenwärtigen Präsidenten des Reichstag- bald nach Schluß der Session sich in den preußischen Eultuömliiistcr verwandeln zu sehen. Bei der Gleichartigkeit der politischen Stellung der Herren v. Putt- kamcr und v. Goßlcr würde dies Ercigiiig aus den ersten Blick als ein bloßer Personenwechsel erscheinen. Trotzdem könnte man sich über seine weitergehendc Bedeutung nicht täusche». Herrn v. Piiltkamer ist nachznrühmcn, daß er seinen Mitarbeitern im Ministerium eine ziemljch selbstständige Stellung gelassen hat; nur so erklärt cS sich, wenn unter ihm da» Personal der Falk'scken Verwaltung im Großen und Ganzen unverändert bleiben konnte. Herr v. Goßler ist ein scharfer Bureaukrat, voller Ehrgeiz und Arbeitslust; e» liegt nahe, daß er als Minister seinen Untergebenen gegenüber eine strammere Ein- wirkuna auSüben, dag er dem Ganzen in höherem Maße, als sein Vorgänger, daS Gepräge seiner persönlichen Auf fassung und Stellung aufdrücken werde. Und dazu kommt, daß diese Stellung auch sonst eine unzweideutigere ist als die deS Herrn v. Pnttkamcr. Der Letztere hat zwischen sich und der EcntrumSpartei wiederholt eine scharfe Scheide linie gezogen; Herr v. Goßlcr dagegen ist der eigriillichste und bezeichnendste Ausdruck der conscrvaliv-ultainontanen Eoalilion. Nur zu bald würden seine Thatcn beweisen, daß mit seine: Ernennung zum CuttuSministcr eine weitere Ent fernung von der Falk'sciycn Kirchen - und Schulpolitik erfolgt wäre. Und Die» würde um so schwerer ins Gewicht fallen, da lange Monate hindurch als der wahrscheinliche Nachfolger v. Pntlkamer'S ein Name genannt worden war, von dem man eher eine Wiederannäherung an den Falk'scken Stand- punct. als eine noch weitere Abwendung von demselben hätte erwarten können. Alle Gerüchte, nach denen Fürst Bismarck aus den StaalSzuschuß zu den LandcS-Versicherung» anstalten zu verzichten sich entschlossen habe und da» Unfall gcsetz in der Fassung der zweiten Lesung annehmcn werde, sind al» salsch zu bezeichnen. Tie Nachricht, die im Reichs tage Sensation machte, stützt sich hauptsächlich aus eine vom StaalSminister v. Boelticher in der Sitzung vom Sonnabend abgegebene Erklärung, derzusolzr ja durch die Nicht- genehmigung de» StaatSruschusscS da« Gesetz einen staatS socialinischc» Charakter üverhaupt nicht mehr habe. Es mag sein, daß Herr v. Boetticher damit eine Brücke für alle Eventual,täten bauen wollte, indessen liegt Nicht« vor, wa» daraus schließen ließe, daß der Reichskanzler jenen doppel sinnigen Ausspruch veranlaßt hätte und ihm jetzt durch den Verzicht aus den Staatszuschuß seinen überraschenden Eommcntar geben wolle. Fürst Bismarck'» Leiden ist ei» sehr ernste- und schmerzkaste», und er hat seit mehreren Tagen mit Abgeordneten üverhaupt nicht gesprochen, war also gar nickt in der Lage, ibnen seine An- und Absichten betreffs des UnsallgesctzeS an- Herz zu legen. Tie „Gcrman-.a" veröffentlicht die Aufforderung zu einer Wallfahrt zum Grab« de- seligen Eanisiuö, dessen irdisch« Ueberreste zu Freiburg in der Schweiz ruhen, wo vom 14 August d. I. an. dem 300 jährigen Gedächlnißlagc eine» TodcS, besondere Feste zu Ehren desselben gefeiert werden, zu denen diese „eckt katholische Stadt" auch die Katholiken anderer Länder, besonder» diejenigen Deutschlands, einladet. Und wer war dieser erst von PiuS IX. selig gesprochene Peter EanisiuS? Uni eS mit einem Worte zu sage», der erste Zesuil Deutschlands. Er war eS, der zuerst von dem nach Köln gekommene,» Zcsuitcn Faber für diesen Orden gewonnen wurde und der insbesondere die von dem edle» Erzbischof -Hermann v. Wied in Köln beabsichtigte Einführung der Reformation Hintertrieben bat. Später war er kann in Zugolstakt thätig und bcmnhlc sich »in Ausbreitung des ZcsuitenorbenS sowie um Unterdrückung der Reformation in Baicrn. Sein Orden verehrt in ibm de» zweite» Apostel Dentschlands wegen der Verdienste, die er sich um die Gegenreformation erworben. — Man kann daher nickt zweifelhaft sei», von welchen Geister» die Anf orderung zu der Wallfahrt auSgebl und welche Tendenzen bei derselben verfolgt werden. Dieselben dürsten sich am unverbohleiislen in dem Wunsche auSsprecheii, den der Vor stand deS CanisinS-VercinS an die Wallfahrt knilpft. „daß der elige Eanisiuö znrückkehre »ack Deutschland und sich wieder an die Spitze stelle in dem harten, entscheidenden Kampfe unserer Tage". ES handelt sich um nichts Anderes alS um eine jesuitische Agitation. Nach zweitägiger Tiöcussion beschloß der RegierungSrath von Zürich, den beabsichtigten internationalen Socialisten - Eongrcß ans Züricher Äebiet nicht zu dulden, und beauf tragte die Polizcldirection mit den erforderlichen VollziehungS- magregeln. Man erwartete, die Negierung würde in dieser Frage nicht auS eigener Initiative entscheiden, sondern die Petition für da» Verbot de» CongrcffeS entweder an den VundeSrath oder an den CantvnSralh verweisen. Angesicht» der BolkSstimmung. welche entschieden für daS Vcrvot ist, wird der nunmehrige Beschluß der Regierung kaum ange- sochtcn werden. Damit hat die Züricher Negierung eine Angelegenheit auS dem Wege geschafft, welche sich schon völlig dazu anlicß, angesichts der internationalen Bestrebungen aus Beschränkung der Asylsrei^it, der Schweiz ernstere Ver legenheiten und uncrguickliche Weiterungen zu bereiten. Man schreibt unS auS Pest vom 12. d.: Der jüngst« cnsationclle Freispruch, den daü hiesige Schwurgericht gegen die bekannten Redakteure gefallt, welche der Verleumdung und Beschimpfung der österreichischen Armee und ihrer Ossteiere angcklagt waren, hat noch ein bemerkcnSwcrtheS Nachspiel erhallen. Wir meinen damit daS „Offene Schreiben" des commandireiidcn Generals EdelSheim-Gyulap, welches die gestrigen Blätter veröffentlicht haben. DaS Schreiben de» Generals tritt selbstverständlich ganz entschieden für die Ehre und den guten Ruf der Armee gegenüber jener Skan- dalpresse Ungarn» ein, deren verleumderische Angriffe und Auslassungen durch den Freispruch de» Schwurgerichtes geradezu gebilligt worden sind. Im Hinblicke aus diese That- acke kommt natürlich auch die Rcchtsaussassung deS hiesigen Schwurgerichtes und dieses selbst in dem Schreiben de» Ge nerals wenig glimpflich weg. Wer inteß über die hiesige Stimmung sich keiner Täuschung hinaicbt, der wird sofort zu- gcbcn müsse», daß jenes offene Schrecken den berührten Eon- lict mir »och mehr verschärft, statt cckgcsckwächt hat. Dieser Ansicht sind selbst die gemäßigten, in deutscher Sprache er scheinenden ungarischen Blätter, wie „Pestcr Lloyd" und das „Neue Pcster Journal". Beide erklären das Schreiben EdelS- hcim-Gyulay'S al« einen falschen Schritt, der nur geeignet sei, noch mehr Oel in daS Feuer zu gießen. Die eigentlich ungarischen Blätter schlagen gegen den General einen noch rauheren Ton an. „Naplo" stndct den ganzen Brief des General» völlig unbegreiflich und fein „Säbelgcraffel gegen die Autorität deS Schwurgerichte» ebenso sonderbar als zwecklos". UcberdicS will „Naplo" in jenem offenen Schreiben auch einen Conflict zwischen dem ^gemeinsamen Kriegs ministerium und dem Honvcdministerium endeckt haben, her nach dem genannten Blatte unbedingt zu neuen Skandalen Anlaß geben werde. „Függetlcnsea" fährt selbstverständ lich mit feinen nationalen, durch den Freispruch des Schwurgerichte» autorisieren KrastauSdrückcn dazwischen, spricht von einer „brutalen Soldateska", über deren Anmaßungen sich jeder patriotische Bürger entrüsten muffe. Es sei empörend, baß General v. EdelSheim-Gyulay daS Schwurgericht und mit diesem die Verfassung Ungarns verunglimpfe u. s. w. Schließlich erklärt „Függctleiiscg" noch, daß er, fall» ma» es durchaus wünsche, mit neuen, überraschenden Enthüllungen auswarten könne. — Nach diesen und anderen ähnliche» Aeuße- rungen dürfte also leider noch eine Fortsetzung dieses hier beliebten SkandalcapitclS in AuSsichl stehen. Unmittelbar nach der im Senate durch die Verwerfung de» Lislenscrutiniuni» erlittenen Niederlage glaubte G a m- bctta gegenüber dem Präsidenten der Republik einen neuen Trumps auSspielcn zu können, indem er die unverzügliche Kammerauslvsung forderte. Aber auch dieses Vorgehen des ExdictatorS hat sich als ein Fehlschlag erwiesen; Gam- betta sieht sich in dieser Frage sogar von seiner eigenen Fractivn, der Union repnblicaine. verlassen, die mit den übrigen Parteigruppen der Linken gemeinschastliche Sache macht. — Wie schon telegraphisch mitgelbeilt, haben die vier Fractioncn der Linken sich mit großer Maioritäl gegen die Auslösung der Dcpntirteiikammcr erklärt. Daraus hat die Kammer beschlossen, am Donnerslag die Budgetdebatte zu beginnen. Der Stern Gambetta'S ist hiernach offenbar im Nieder gange begriffen; wie der Erfolg in Frankreich stets seine AnziebungSkrasl bewährt, knüpfen sich dort auch an einen politischen Mißerfolg nach Art de» am 9. d. von Gam- betta erlittenen stets neue Niederlagen. ZebensallS hätle der Letztere g»l gelhan, seine Revanche aus einen späteren Zeit punkt zn verschieben. DaS französische Protektorat über Tunis tritt immer deutlicher in die Erscheinung. Wir haben bereit» mit- gelheill, daß der Bcy den französischen Mmisterresidenlen Roustan mit der Wahrnehmung der au-wärtigen Beziehungen von Tunis beauftragt hat. ES ist nur eine Eonseguenz der Gesammt- haltung, welche Deutschland bisher m dieser Frage ein genommen, daß der deutsche Generalconsul in Tunis die erwäbnte Maßregel sofort zustimmenv begrüßte, wakrend die übrigen Consuln mit ihren Erklärungen noch im Rückstände sind. AuS letzterer Thatsacke ist jedoch nicht zu schließen, daß die anderen Machte sich dem Vergeben Frankreich» widersctzen wollen. Wenn in einigen Blattern die Meldung ausgelaucht ist, daß „die Machte ihre Vertretungen in Tunis cinzuziche» gedenken, weil der Bey dm französischen Minister-
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