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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188106175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810617
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810617
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-06
- Tag1881-06-17
- Monat1881-06
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1881
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Erschekiet täglich früh 6'/, Uhr Ret«U«» »nd Erpr-Msu JohauneSgasse 33. APrechftnadrn der RrdaM«»: Bormittag« 10—12 Uhr.. Nachmittag« 1—6 Uhr. » u» NX»-»« Ui»»»Icript» »k M-dUN», »ich, »rr«»»U<». »«r für tzte »dchftfol«»»»« »efittmnte« Suserute a» MhtzNOGMT MUWMNk iSochr»1«,e» h>« 2 Uhr itächmtttaa», « »nm»»» Aestt«,en früh dt«'/,» Uhr. 3» de» Filialen fir Ins.-^unahme: Vtt* Me«», UniversitütSstraße 23. L«»1A Lösche» Katharinenstraße 18, p. »*r dt« Uhr. 'ripMtr.LMl>latt Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. Auflage 16,88». Adonnementsprris viertel;. 4'/, incl. Brinqerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 2ö Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren lür Extrabeilage» ohne Postbesörderung 39 Mk. Mit Postbesördenmg 48 Mk. Inserate Sgespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis labellarischer Satz nach höherem larif. Lerlamen unter den iiedaction»>irich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stets an die vrpehtti«« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumernuäo oder durch Post» »achuahme. ^ 1KS. Freitag den 17. Juni 1881. 75. ZMMg. SU Amtlicher Theil. Vtlianltmchmir. Da« 4. Stück de« diesjährigen Gesetz- und Verordnung-« blatte« für da« Königreich Sachsen ist bei un« eingeaang« und wird chtS zu« 2. Juli d. 3 auf dem RathhauS- saale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 17. Verordnung zu Ausführung de« Reichsgesetze- vom 23. Juni 1880. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen betreffend; vom S. Mai 1881. Nr. 18. Bekanntmachung, die NichtungSlinie der Secundär« Eisenbahn von Wilkau nach Kirchberg und SauperS- dorf betreffend; vom 11. Mai l88l. Nr. IS. Verordnung, die Besoldung der Aichmeister be treffend; vom 2l. Mai l88l. Nr. 20. Verordnung, die Pubiication einiger weiterer Ab änderungen, bezüglich Ergänzungen de- Bahnpolizei- rrglemenlS für die Eisenbahnen Deutschlands, ingleichen der Bestimmungen über die Befähigung von Bahnpolizeibcamtrn und Locomotivsührern be treffend; vom 23. Mai 1881. Nr. 21. Bekanntmachung, die Vornahme einer Ergänzungs- Wahl für die erste Kammer der Ständeverfammlung betreffend; vom 7. Äuni 1881. Nr. 22. Verordnung, die Vornahme von Ergänzung-Wahlen für die zweite Kammer der Ständeversammlung be treffend; vcm 7. Juni 188l. Leipzig, den 15. Äuni 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Stöß. Die Erd- n»d MacadamisirungS- bez. Pflasterungsarbeiten i» den von uns anzulegcnden Straßen von Reudnitz sind ver geben und werden die unberücksichtigt gebliebenen Herren Bewerber hiervon in Kmntniß gesetzt. Leipzig, den IS. Äuni I88l. Der Rath der Stadt Leipzig. ElchoriuS. vr. Georgi. VeLanntmachrms. Die Herstellung der von un« in den Straße» von Reudnitz «mszusührenden Schleußen - Anlagen ist vergeben und werden di« unberücksichtigt gebliebenen Herr« Bewerber hiervon in Kenntniß gesetzt. Leipzig. 13. Äuni 1881. D« Rath der Stadt Leipzig. >i. Eich« vr. Georgi Horm». Zur Aufrvchterhaltuna der öffentlich« Ordnung bei Gelegenheit de« am 19. ds«. Mt«, vom Verein für Hinderniß- rruuen zu Berlin auf hiesiger Rmnbahn abzuhaltenden Wett rennen« haben wir für nvthig erachtet, folgende Anordnung« zu treffen: 1) An diesem Lage sind Nachmittag« von 12—S Uhr der Scheibenweg vom Schleußiger Wege vis zum Äohannapark «nd vo» der Brandbrücke ab bi- zum Klrschwehr für den öffentlich« Fahr- «nd Neitverkehr, ingleich« der Scheibenweg vom Schleußiger Weg« ab bi« zum Scheibengehölz auch für de» Fußverkehr gesperrt. 2) Wag«, di« in di« Rennbahn gelang« wollen, Hab« für den Hta»eg dm Schleußiger Weg zu benutz«, dm Rtitk»eg durch da« Scheibeugehölz und den Äohannapark zu nehmen. 3) Diejwigm wag«, welch« nur bi« an den Eingang zur Rmnbahn bei der Einmündung de« GcheibenwegeS in den Schleußiger Weg fahren, Hab« den Rückweg durch die KSruerstratze zu nehmen. «) Auf dem Hetxwege habe« alle Wag« recht» zu fahr« und sich streng in der Reihmfolge zu halt«. L) «,s de» Schleußiger Wege darf kein Wage» halte». Wir bringen diese Anordnung hiermit zur öffentlich« Kenntniß. mit dem Bemerken, daß unsere Organe angewiesen find, die Beobachtung derselben aus da» Strengste zu Uber- wach«. Zuwiderhandlung« werden mit Geldstrafe bi« zu 80 Mark oder Haft bestraft. Leipzig, am 15. Äuni l88l. Der Rath «nd da» Poli,el.«utt der Stadt Leipzig, vr. Georgi. 1. r. Äunck, Polizei-Rath. Degner, S Vekaulltrnachusg. Weaeealrevtfio« der Droschkeageschter« detr. Mit Bezugnahme aus unsere Bekanntmachung vom lS. Maie, ordnen wir hiermit an, daß die concessionirten Droschken besitzer ihre Geschirre aus dem Roßplatz« vor dein ^geiiaea Bau»" zur Generalrevision vorzufahrm haben und zwar «u» 20. Juui 1881 Nr. 1— 50 punct 9 Uhr vormittag« - 51—100 . ',.11 . . » lOl—150 « V, 3 - Nachmittag« . 151—200 - 5 - . a» «I. Juni 1881 Nr. 201—250 punct ff, 9 Uhr Bormittaa» - 251—SOO . '/.II - - » 301—350 - z « Nachmittag« . 351—400 . 5 - . a» 88. I»»1 1881 Nr. 401—450 punct v, 9 Uhr vormittag« » 451—500 « */,ll - - Zuwiderhandlung« gegen die vorstehenden und die in der Bekanntmachung vom 19. Mai o. enthaltenen Anordnungen werden für jeden Eontravmtion«sall mit einer Ordnung-- strusr von drei War? geahndet werd« und müssen sich die Droschken aenau in dem in tz. S de« Regulativ- vorge schriebe»« Zustande befinden, auch die Drvschkenführer die vorschrift-mäßig« Uniform trag«, widrigenfalls die Conces- sionare nicht nur sofortige Außerbetriebsetzung der betr Wag«, sonder» auch überdie« Bestrafung »ach tztz. 6 und 1 t dB Regulativ« zu gewärtig« habe». Leipzig, den 14. Äuni 188l. DG» Polizei-Axt der St«tzt Lelpzl«. 1. r. Äunck» Polizei-Rath. Mühlner. Vekanntmachung. Wiederholt vorgckonuiiene Unregelmäßigkeit« veranlassen un-, dm DrofchEenführern die Bestimmung in tz. 47 deS Droschkenregulalivs, wonach bet Wahrten «ach dem Theater, den Bahnhöfen «nd nach solche» Orten, an oder «ach welchen die Wagen in polizeilich aageordneter Reihenfolge za fahren haben, der Kutscher vor dem Eiasteige« da» Aahrgeld von de« Fahrgästen erheben muß, hiermit ganz besonder« und auch nur Rücksicht aus da» nächsten Sonntag stattsindmde Wettrennen zur Nachachtung einzuschärs«. Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmung werd« von un- unnachsichllich bestraft werden. Leipzig, am t6. Äuni 1881. Da» Polizei-Amt der Stadt Leipzig. i. V. Äunck. Polizei-Rath. Mühlner. GrSserri- und Mverpachtung. Die die-iährige Obst- und GraSnatznng im vor maligen botanische« Garten an der Harkortstraße soll Mittwoch de« 22. Juni, Borm. O Uhr, in der Marstall Expedition im alte« JohanaiS- tHospital unter den vorher bekannt zu machenden Be dingungen an den Meistbietenden verpachtet werden. Leipzig, dm 17. Äuni 1881. DeS RathS Finanz» Deputation. Der am 9. December 1846 in Zittau geborene Handarbeiter Friedrich Julius Pterer hat am 10. l. MtS. seine Frau und 5 Kinder hülsloS verlassen, angeblich, um nach Arbeit zu gehen. Derselbe ist bis heute nicht zurückgekehrt, weshalb ich die geehrten Ort-Polizeibehörden ersuche, p. Pterer im BetrettingSfalle zur Sr- süllung seiner Pflichten anzuhalten »nd Nachricht anher gelangen zu lassen. Zugleich werden Alle, welchen der Aufenthalt PicrerS bekannt ist, ersucht, Anzeige hierüber zu erstatt«. Pterer trügt graues Iaquet, dergl. Hose, schwarzen Filzhut, hat schwarzes Kopfhaar und einen dergl. Bollbarl; als Legitimation-. Papiere wird er seinen Militairpaß und Arbeit-Zeugnisse bei sich führen. Connewitz, am 16. Juni 188t. Die Lrtspolizeibrhörde. A. Eulenstein. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 17. Juni. Da« UnfallversicherungS-Gesetz ist also auch in dritter Lesung endgültig gescheitert (vgl. dm Reichstags- Bericht), und die Session endet mit einer grell« und kv"hl lange nachklingenden Dissonanz unter den augenblicklichen Mehrheit-Partei«. Nicht gerade geschickt, aber doch wirksam genug hat da- Centrum sein wahre- Gesicht gezeigt. ES war Trug und Täuschung gewes«, womit eS bisher sich als wohlwollenden Mitarbeiter in der neuen Socialpolitik aus gespielt halte. Äetzt, wo der Zuschlag aus die Gebote, die eS gemacht, erfolg« sollte, zieht cS ' sich unter Ausflüchten zurück. Allerdings gewinnt eS aus diese Weise die Freiheit ver Bewegung für sich zurück, und TaS mag Her« Windthorst in dem beginnenden Wahlkampfe wohl Mehr werth sein als die „Fürsorge für die Arbeiter" oder die „positive Ergänzung de- SocialiffengesctzeS", wie er cS oft genug salbungsvoll betont hatte. Die einzelnen Stadien der Verhandlungen am Dienstag und Mittwoch lieg« offen genug dar. Daß die Ultramon tanen erklärten, die Belastung der BetriebSunternehmcr mit der vollen Prämimrahlung nicht bewilligen zu können, ist nur Dorwand. Sie hätten auch praktischere Vorschläge abge lehnt, und sie wären um Gründe nicht verleg« gewesen. Oder vielleicht warm sie eS doch. Dmn eS ist auffallend genug, daß am Mittwoch während der ganz« dritten Lesung kein Mitglied de- CmtrumS an entscheidender Stelle da- Wort nahm (eine kurze Rede de- Abg. Peter Reichensperger bezog sich nur ans einen Nebenpunct). lieber die Entschlüsse de- Reichskanzler- besieht ja kein Zweifel. Er weist das Ge setz in seiner ictzigen Fassung zurück, mit oder ohne die Mo- live, die der StaatSiklinister v. Bötticher als die entscheidend« in seiner Erklärung hingestellt hatte. Befremdlich genug war diese Erklärung: sie mulhcte der Gutgläubigkeit de- Reichs tags geradezu Unerhörtes zu, wenn sic aussprach, daß Fürst BlSmarck die Staatszuschüsse nie als unumgängliche Vorbe dingung d«S Zustandekommens des Gesetzes bezeichnet hatte. ES wäre, wmn in dem gegenwärtigen Stadium der Frage überhaupt Etwas daran läge, leicht genug nachzuwcifcn, daß Fürst Bismarck Die- wohl aethan hat, so u. A. in seiner erst« Rede zum UnfallversimerungSgesetz. Vielfach nahm man denn auch an, daß der Wortlaut der Erklärung de« Her« v. Bötticher dem Reichskanzler nicht voraelegt Word« war, und daß Dieser mit der ihm gewordenen „Festnagelung" für die Zukunft wenig einverstanden sein würde. So «bet« dmn der letzte Tag der letzten Session dieser Legi-- laturperiode mit Unmuth und Unfrieden auf der ganzen con- servativen Linie. Am meisten bekümmert sind die Agrarier, die Minnigerode, Mirbach und Gen., die gar nicht begreifen können, daß da- Cent rum ihren Liebesbrief zerrissen zurlick- sckickt und daß Herr Windthorst eS auch in diesem Fall vor zieht, den Sperling in der Hand zu behalten, statt der Friedens taube auf dem Dach« nachzujagen. Den Sperling aber Hab« ihm die Conservativen selber in die Hand gedrückt. Denn gerade sie, in der Erwartung, daß das Centrum ihnen beim Unfallgesetz zu Willen sein werde, setzten eS durch, daß nicht Herr von Wolfs, sondern Herr von Goßler zum CultuS- minister designirt wurde, der doch noch um eine Nummer feiner spinnt als Herr d. Puttkamer. Das Centrum also hat sein« Erfolg weg; wmn aber wirklich im Land« Hoff nung« auf da« Zustandekommen de- Gesetzes bestanden, so werd« sich die Arbeiter für da- Scheitern desselben bei dm Herren Agrariern zu bedank« Hab«. Die „Nat.-Lib. Correspondeuz" schreibt: Unter eigmthüm sicheren äußern Umständen ist wohl selten eine Reichstag« sefsion zu Ende gegangen al- die gegenwärtige Noch den ganzen Mittwoch Nachmittag über war man zweifelhaft, ob der Schluß noch am Abend werde vorgenomiucn werd« können, erst in vorgerückter Stunde ist DicS zur Gewißheit geworden. Da- gewaltsame Durchpcitsch« deS wichtig« Unsall-GcsetzeS ist vielfach al« mit dem Ernst deS Gegen- stänke- und der Würde de- Reichstag- wenig im Einklang mißbilligt worb«. Zudem ist ein zwingender Grund, gerade heute mit aller Gewalt zu Ende zu komm«, nicht ersichtlich; am Freitag oder Sonnabend hätte eb« so gut die Schlußsitzung stattfinden können, und möglicher Weise hätten dann die Verständigung-Versuche zu einem Ziele geführt, welche- bessere Aussichten aus die Zustimmung de- BunkeS- rath- böte als c- jetzt ver Fall ist. Da- Resultat war überall die Annahme der Beschlüsse zweiter Lesung; die voran- icgcmgenen Eompromißverhandlungen halten sonach zu keinem Lrsolg geführt; insbesondere ist auch die Ueberwälzung der gcsammtcn PrSmienlast aus den Arbeitgeber, in dor man einen gewissen Ersatz für die Ablehnung deS Staatszuschusses erblickt halte, nicht zu Stande gekommen. lieber die Stellung de- BundeSralhS bezw. deS Reichskanzler- zu diesen Beschlüssen wurde auch heule keine vollständige Klar- beit verbreitet. AuS der Rede de- Etaat-secretairS von Bötticher schien hcrvorzugeben, daß die Regierung daS Gesetz mit den conservativen Comproniißvorschläa«, insbe sondere der ausschließlichen Heranziehung der Arbeitgeber, angenommen haben würde. Nachdem diese« Compromiß gescheitert, sebll e- an jedem AnbaltSpunct für die Annahme, daß daS Gesetz in der vorliegend« Form die Zustimmung deS BundcSralhe» sind« werde. Die wichtigste und mit großer Hingebung geförderte Angelegenheit der ganzen Session ist damit gescheitert, und wir können Dies nach dem Gang, den die Be- rathung und Beschlußfassung genommen, auch nicht bedauern. Das Gesetz hat durch die konservativ - klerikale Mehrheit de« Reichstags cinige entschiedene Verschlechterungen gegenüber der ursprünglichen Vorlage erfahren, und daß die ganze An gelegenheit überhaupt noch nicht reif zur gesetzgeberischen Voll endung ist, mußte Äcker zugebcn, der dem Gang der Ver handlungen unbefangen gefolgt ist. Ohne Zweifel wird der Gesetzentwurf demnächst Wiederkehr« unk, wir hoffen, alSdann mit besserem Erfolg. Daß sein Grundgedanke ein gesunder und heilsamer gewesen, wird man ihm auch heute nicht ab- sprcchcn können. Se. Majestät der Kaiser erschien in Em« am DimStag nach dem Diner auf der Prommade und besuchte Abends mit dem König von Schweb« da- französische Theater. Am Mittwoch machte Se. Majestät eine Brunnenpromenade und nahm sodann die Vorträge deS HofmarschallS Grasen Per- ponchcr und deS Chef- deS Civilcabinet-, von WilmowSki. entgegen. Än die Vorgänge, welche der dritten Lesung de« Unfall versicherungs-Gesetze« vorausging«, kommt nunmehr einige Klarheit. Wie bereit- mitgetheilt, ist seitens der Conservativen die Initiative, um daS UnsallversicherungS- Gesctz noch zu retten, ergriff« worden. Diese, und zwar die Abgeordneten Stumm und v. Hclldorff - Bedra, verhandelten einersrit- mit dem StaatSsecretair v. Bötticher, andererseits mit einig« Mitgliedern de» CentrumS. Am DimStag Abend halt« e« dm Anschein, al» ob ein« Vereinbarung zu Stande komm« werde und zwar aus Grundlage der LandeSversichc- rungsanstalt mit Ausschluß der Privatversicherung, der Uebcr- nabme der ganz« BeitragSlaft durch die Arbeitgeber und deS Eintreten- der Einzelstaat« für die DerwaltunaSkost«. DaS Letztere war als da- Zugeständniß an die den StaalSzuschuß fordernde Regierung zu betrachten. Än der Hoffnung, daß e- geling« werde, eine Einigung zu Wege zu bringe», wurde für Mittwoch früh eine Bunde-rath-sitzung anberaumt. Inzwischen begannen aber die Fraction-berathungen und zu nächst verleugnete, wie e« heißt, die CentrumSpartei die Unterhändler an» ihr« Reihen, lehnte die Uebernahme der Verwaltungskosten durch die Bundesregierungen entschieden ab und hielt die Beschlüsse zweiter Lesung nach allen Seilen hin aufrecht. Auch in der deutschen Reich-Partei war cs zu lebhaften Debatten gekommen, und schließlich wurde nur da- Resultat erreicht, daß ein Theil für die Reich«. Versicherung unter allen Umständen zu stimmen beschloß, während der andere die Lande-versicherung-anstaltm acceptirte. So war unter den Compromißmachern denn lauter Hader au-gebrochcn und die Hoffnung aus das Zustandekommen des GesetzcS schwand. Noch in letzter Stunde wird von einem Versuch der Reichspartei gemeldet, au- einer Bereinigung der Conservativen und der Liberalen niit Ausschluß der Fort schrittspartei eine Majorität für da« Gesetz hrrzuftellm. Der Versuch scheiterte jedoch, weil die Nationalliberalen aus der Forderung der Zulassung von Privatversicherungsanstalten verharrten. Man darf jetzt wohl al» gewiß annehmrn, daß über die Neubesetzung der Ministrrstellcn in Berlin in der Weise Entscheidung getroffen ist, daß Herr v. Puttkamer definitiv da» Ministerium de» Innern erhält und an seiner Stelle Herr v. Goßler EultuSminister wird. DaS Ober präsidium der Provinz Sachs« soll dann nicht Herr v. Wolfs, sondern der bisherige UnterstaatSsecretair im Ministerium de« Inner«, Herr Starke, übernehmen, der durch Herr v. Schlieckmann. d« bi-herigen Regierungspräsident« von Gumbinnen, bekanntlich ein Mann von prononcirt rcactivnairer Gesinnung, ersetzt wird. Für Her« v. Wolfs müßte dann eine anderweitige Vacanz geschaffen werden, und gut« Nachrichten zufolge soll Da« in folgender Art geschehen. Der Oberpräsidcnt von Westfalen, Herr v. Kühlwetter, der in den CulturkampsSjahren sich gegen die unbotmäßige Klerisei ziemlich weit vorgewagt hatte und jetzt keinen sauten Frieden schließen will, wird mit Rücksicht aus sei» Alter (er war schon im Jahre 1848 Minister) seinen Abschied fordern. Für ihn geht dann Herr Achenbach nach Münster, der sich schon lange von Potsdam wegsehnt und stets dm Wunsch hegte, in seine Heimathsprovmz zurückzukehrrn. Für Her« v. Wolfs würde dann da« Oberpräsidium der Prodis Brandenhurg reservirt bleiben, und da mit dem letzteren dm Oberpräsidium der „Provinz Berlin" verbünd« ist. so ent spricht dieser Pcrsonalwechsel unzweifelhaft gewissen jetzt herrschend« Strömungen gegen die kommunale Verwaltung der Hauptstadt. Selbstverständlich kann die Beförderung de« ,Herrn v. Wolfs zum Oberpräsidcnt« erst in mehreren Wochen und vielleicht Monaten erfolgen. Damit tritt dmn auch der Uebergang de« Geh. Rath« Tiedemann in die innere Ver waltung in eine weitere Feme, und die Erwägung« über seine Nachfolgerschaft in der Leitung der Reichskanzlei ver lieren vorläufig an Bedeutung. Der Gedanke, aus amerikanischem Boden eine deutsche Universität in- Leben zu ruf«, rückt seiner Verwirklichung immer näher. Än dies« Tagen wird bereit» in Frankfurt am Main da» Central-Bureau zur Be sorgung der lausend« und allgemeinen Geschäfte gewählt werden Damit tritt rin Unternehmen in« Leben, da», wmn eS glücklich durchgeführt wird, al« eine der herrlichsten Errungenschaft« deutsch« Geiste« bezeichnet werden darf. ES gilt, die deutschen Stammesbrüder m Amerika al« solche zu erhalt«; da« Ansehm der deutsch« Wissenschaft in dem all« fremd« Nationen ein neue- Heim gebenden Amerika zu heb« und zu befestigen. DaS begonnene Werk stellt sich dar al« ein Werk deS Friedens, welche«, ohne unter dem Druck politischer Einflüsse zu sieb«, ideale Ziele verfolgt »nv dem daS Wohlwollen der gesammten Nation nicht fehlen wird. In der That, gern wird Deutschland Helsen, wenn cS ich der Opsersrcudigkcit der Deutsche» jenseits deS LceanS erinnert, die von ihnen den verwundeten Brütern in den Jahren >870 und 1871 bewiesen wurde. Die Namen deS ComiteS babc» alle einen guten Klang. Finanzielle Garantien gewinnt daS Unternehmen durch die Theilnahme inehrercr der angesehensten Banken. Tie Zahl Derer, die geistig »nd niateriell fördern, vergrößert sich von Dag zu Tag. Zudem wird in kürzester Zeit eine Broschüre erscheine», welche über daS Unternehmen eiiigchcndcreö Material veröffentlicht. Die Petitionen gegen die Civilehe sind in diesem Reichstag nicht mehr zur Berathung in, Plenum gekommen. Einer der Hauplsördercr dieser ganzen Bewegung, der Abg. v. Kleist-Rctzow, sprach allerdings den dringenden Wunsch an«, die Petition« noch zur Verhandlung zu bringen. Allein er fand gerade bei den ihm am nächsten Siebenden, bei Conservativen und Eentrum, am wenigsten Beifall. Auf liberaler Seite bätte man sebr gewünscht, ein Volum des Plenum- über diese Frage noch bcrvorzurusen, und eS geschah nur mit Rücksicht aus die Geschäftslage, die eine solche Ver- bandlung nahezu unmöglich machte, wenn der größere Theil der Liberalen darauf verzichtete. Aus liberaler Seite wäre diese Berbandlung und ihr Ergebniß durchaus nicht zu fürchten gewesen. Eine Zurückweisung der Petitionen wäre mit Hülfe der deutschen ReicbSpartci sicher zu er wart« gewesen und eS wäre damit dieser Bewegung, die nun schon seit Jahren mit wachsendem Eifer sich breit macht, wohl «blich Einhalt geboten werden. Wir wollen Hofs«, daß auch schon das Votum und der Bericht der Peti- tionScommission in dieser Richtung eine gute Wirkung thün wird. Wenn in einem für die Gegner keS CivilstandSgesetzeS o günstig zusammengesetzten Rcick-tag, wie der eben ge schlossene war, eine Majorität für Abänderung diese« Gesetze« nicht zu erlang« war. so wird man wokl allinälig die Frucht losigkeit dieser Bemühungen cinsehe». ES muß auch aner kannt werden, daß seiten« der Vertreter der Regierung Nichts geschehen ist. um diese Bewegung zu ermuntern oder ein Einverständniß mit den Zielen der Massenpctitionm anzu- dcuten. Wenn die Conservativen sich den Anschein ged«, mit dem Erfolg ihrer Beinübungen auf diesem Gebiet zufrie den zu sein: — wir sind es auch. ES warm bedeutungsvolle Worte, mit den« am 15. Äuni aus der Pastoralconferenz in Berlin Pros. vr. Haupt von Kiel die Frage besprach, welche Ansprüche die evangelische Kirche an die theologische Wissenschaft zu stellen hätte. Haupt ist ein gutgläubiger Mann, aber er ist kein Eiferer, und dann» gelang eS ihm, auf seine Zuhörer, die in ihrer groß« Mehrheit der streng orthodox« Partei angehörcn, versöhnend zu wirken. Der Kieler Docent giebt zu, daß eS nicht angehe, aus der Kanzel gc^en die Bekenntnisse zu pre digen; allein er verlangt, daß kein Theologe aus den Buch- staom der Bekenntnisse verpflichtet werde. Innerhalb der Bekenntnisse volle Bewegungsfreiheit, auch da» Recht der Kritik Uber die Bekenntnisse, sonst geht da- wissen schaftliche Leb« und Denken in die Brüche. Än vor züglicher Dialektik rang Haupt der Orthodoxie Zugeständnisse an die wissenschaftliche Theologie ah. Was er begehrte, war ja nicht Biel, aber e» war doch ElwaS. Seit Jahren hat fich auf der Berliner Pastoral-Eonscrcnz kein Redner mit Haupt'scher Toleranz-Empfindung hören lass«, und so ist cS. wa» sich beute zutrug. als ein erfreulicher Fortschritt zu be grüßen, als ein Anzeichen dafür, daß die neulich« Verhand lung« de- deutsch« Protestantentage« auf dessen Gegner einen stark«, nachhaltig« Eindruck gemacht haben. DieS wurde bei der nachfolgenden DiScussioii des IHanpt'schen Themas ausdrücklich anerkannt und namentlich fanden die maßvollen Ausführungen d«S Protestantenvercinlers Prof. vr. Holsten (Heidelberg) voll« Beifall eine« sehr, sehr rechtgläu bigen Pastor». Am meist« entfernt« sich von der durch Hanpt ge zogen« Linie der HofpredigerStöcker und dcrEonsistorialpräsident Hegel. Stöcker verlangte von jedem theologischenProsesior strenges Festhalten am Bekenntniß; wäre Dies nicht der Fall, so müßte der Docmt „kaltgestellt" werd«. Hegel kielt sich sprachlich maßvoll, aber fachlich abwehrend gegen Haupt. Der Con- sistorialpräsidmt hält Nickt» von der wissenschaftlich« Theo logie. sondern Alle« ausschließlich von der Wissenschaft de« christlichen Geiste». Än keinem Falle sei die Wissenschaft zu trennen vom Worte Gotte«. Für die Kirche habe die Wissen- schast der Theologie gar keine Autorität, eS sollten deshalb die theologischen Docmt« auch nicht Mitglieder der kirchlichen PrüsungScommission sein. Diese und die Einreden noch anderer Redner stellte Prof. Haupt richtig und erklärte auS- drücktich die Resolution der Generalsynode, welche die theo logischen Facultäten in Abhängigkeit von der Kirche bring« will, für einen Fehler. Die Versammlung staunte und schwieg. Die Schritt de- Reich-tagSabgeordneten Professor der Theologie M. Baumgarten wider dmHosprcdiger Stöcker liegt bereit» in der dritten, mit einem Anhang vermehrten Auflage vor. Der Anhang schließt mit folgenden Worten: „In Berlin hat der Zauber seinen Anfang genommen - hier in Berlin wird auch allem Anscheine nach die Umkehr zur Selbstbesinnung erfolgen. Vielleicht ist der Vorgang in der KrciSshnodc Köln-Berlin am 30. Mai schon der Anfang der heilsamen Umkehr. Der Synodale Hcckmann beantragt folacnde Resolution: „Synode wolle an den Synodalen Hof- preoiaer Stöcker die brüderliche Ermahnung richte», von seiner agitatorisch« Tbätigkeit in der Jutenfrage, al» dem evangelischen Predigtamte nicht entsprechend, abzuftchcn." Obwohl diese Resolution mit 25 gegen 20 Stimmen abgclehnt wurde, hat der Vorgang selbst und die Reden mehrerer Synodalen, welche Stöcker für die Judenverfolgungen in Rußland mit verant wortlich macht«, die Wirkung gehabt, daß Stöcker erklärte, er werde fortan noch zehnmal vorsichtiger sein und sich über haupt lediglich beschränken auf die Zurückweisung der frivolen Angriffe gegen daS Christenthum in der Äudcnpressc. Soll nun aber diese beruhigende Erklärung ein« christlichen Werth haben, dann muß sie aus die sckuldverbastete Vergangenheit zurückwirkm, dann muß sie Stöcker'S Unterschrift unter der schmachvollen unchristlich n Anlisemitenprtition zum zweiten Mal auStöschrn. DaS Christenthum, dessen strenge Forderungen Stöcker in so dielen Städten mit so großem Eifer an Andere gerichtet hat, muß nunmehr an ihm selber die echte Natur-
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