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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188106294
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-06
- Tag1881-06-29
- Monat1881-06
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1881
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Erscheint täglich früh ü*/, Uhr. NedarU-n «nd Lrpeßttio» JohanneSgasse 33. Sprechstunden der Uedacti««: vormittag» 10—12 Uhr Nachmittag« 4—6 Uhr. >>» dt» »a,ad« n»,»<-»»«er M««,tcrt»t, »acht sich dl« Red»cl>o» »ich« «xrdtndUch. Annahme »er für »te uächftfolgeude Nummer tzefttmmte« Ausrrute an Wochentagen ti« L Uhr Nachmittag», an Sann- «n» -efttage» früh dt» '/,v Uhr. 3« den Filialen für Ins.-(Xnnahme. Dtt« Klemm, UniversitütSstraße 22, Vsni» Lüsche, Satharlnenstraße 18, p. nnr bis '/,S Uhr. riWger.TllgMIt Anzeiger. Organ für Politik, Localgrschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage LS,VS0. H-oiinriuentsprei» viertelt. 4'/, Mit., incl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilage» ohne Postbesörderung 39 Mk. «tt Postbesörderung 48 Mk. Inserate 6gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer Satz nach höherem Taris. iirctamen unter den Nedactionsstrich die Spaltzeile 50 Vs. Inserate sind stet» an die «rpeditton zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnenumc-rnnäo oder durch Post nachnahme. M. Mittwoch den 29. Juni 1881. 75. Jahrgang. Jur gefälligen Achtung. Um bei Ausgabe der Legitimationskarten zum Abholen des Tageblattes beim Quartalwcchsel den Andrang möglichst zu beschränken, können die geehrten Abonnenten Karte und Rechnung bereits von heute an in Empfang nehmen lassen. Lxpeältlov Ses L,e1p2lK«r ^axtzdlatte«. aus da» Schwerste betroffen hat; e« ziemt sich daher nicht, ihn »nt einer Hundesperre zu vergleichen. Herr LaSker hat zu einer Zeit, von welcher Gras Bismarck wahrscheinlich nur Wenig weiß, da er damals noch Gymnasiast oder Student war, unter der Zustimmung der großen Majorität dcS deutschen Volkes einen wesentlichen Antheil an vielen noch jetzt geltenden wichtigen Gesetzgebung-- Acten gehabt; cS schickt sich daher nicht, wenn Gras BiSmarck, von dem ohne den Namen, wel chen er trägt, die Welt Nichts wissen würde, öffentlich ver dicht, sich über Herrn LaSkcr lustig zu machen. E» tritt in den soeben erwähnten Acußerungen eine Ueberhebung hervor, die man früher „junkerlich" nannte; eS scheint notbwendig, darauf ein wachsames Auge zu haben, den» mancherlei An zeichen liegen dafür vor, daß die heilsame Nachwirkung der großen Kriege, welche jene Ueberhebung gewisser Kreise beseitigt zu haben schien, bereit- erschöpft ist. Amtlicher Theil. Die FärberKratze wird vom 30. tss. MtS. ab aus der Strecke zwischen Ranstädtcr Steinweg und Gustav - Adolph- Straße wegen der dort vorznnehmcnden Pflasterarbeilen, in soweit als diese Arbeiten die- nöthig machen, für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, oen 27. Juni 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Harrwih. Ltockholj-Auction. Montag, den 4. Jnit sollen von Nachmittag» 3 Uhr an im Forstreviere Connewitz auf den Mittclwald- schlägen in Abth. 27 und 30». ca 400 Haufe« kletngeniachte» Stockholz unter den im Termine öffentlich auSgebangenen Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietenden an Art und Stelle verkauft werden. Zusammenkunft: auf dem Holzschlage an der schwarzen Brücke in der Conncwitzcr Linie. Leipzig, am 20. Juni l881. De» Rath» Forst-Deputation. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 29. Juni. Die Verwilderung und Verrohung der politi schen Di-cussion ist eure Erscheinung, über die bei der gegenwärtigen Wahlbcwegung oft und mit Recht geklagt wird. Es ist ganz unleugbar, daß die politische Agitation gegenwärtig häufig Formen und Mittel anwendct, die früher nur der Socialdemokratie eigen waren. Demagogische Künste und Methoden werden in wachsender Ausbildung in Anwen dung gebracht, um die Absichten der Gegner zu verdächtigen und den Trieben und Neigungen der großen Masse zu schmeicheln. ES wird in dieser Beziehung jetzt von rechts und links ganz gleichmäßig gesündigt, und die conservativen Agi tatoren haben ebenso wenig Ursache, den fortschrittlichen und ultramonlancn einen Borwurf zu machen oder unigekchrt. ES sollten alle Parteien, denen das Wohl deS Vaterlandes am Herzen liegt, sieb ernstlich die Frage vorlegen, ob nicht eine Aufreizung der Masten in dem Umfang und der Methode, wie sie jetzt betrieben wird, zu einer schweren Gefährdung dcS öffentlichen Wohl- führen muß, ob namentlich nicht da» beständige Ausstacheln der wirthschaftlichen Interessen, daS Erregen unerfüll barer Hoffnungen eine arge Gefahr in sich schließt. Bei dem Gegner pflegt Dies auch wohl anerkannt zu werden, die eigene Methode der Wäblerbearbcitung aber pflegt man für eine ganz loyale, erlaubte und heilsame anzuschen. DaS allgemeine oirccle Stimmrecht schließt eine ungeheure Gefahr in sich, die man in ihrer ganzen Größe nach den bis jetzt im Ganzen günstigen Erfahrungen, tue wir damit in Deutschland erlebt, hänsig zu unterschätzen geneigt ist. E« ist die Ge fahr der Entfesselung der Maste durch eine rücksichtslose und frivole Demagogie. Daß wir aus dieser Bahn in letzter Zeit riesige Fortschritt« gemacht haben, ist eine Thatsache, die sich jedem Beobachter der Wahlvorgänge ausdrängm muß. Diese Wahlen werden eine Erbitterung und Partei- leidcnschaft binterlassen, die noch lang« nachzittern und unser öffentliche- Leben vergifte» wird. Wir wiederholen, die extremen Parteien sind alle nicht frei von Schuld an dieser hochbedauerlichen Zeiterscheinung; möchten sie sich doch alle noch einmal die ernste Frage vorlegen, ob sie nicht im ver meintlichen Partei-Interesse Wege eingcschlagen haben, die da» Gemeinwohl gefährden! Mit vollem Rechte wird daS (bereit» kurz geschilderte) Aus treten deS Grasen Wilhelm BiSmarck m einem konser vativen BczirkSverein Berlin» allgemein entschieden getadelt. Der Sohn de» Reichskanzler» übte in allgemeinen Rede wendungen, ohne irgend einen Nachwei» für die Berech tigung feines UrthcilS liefern zu können, an der Berliner Stadtverwaltung eine Kritik, welche in den staatSmännischen Ruf zusammengefaßt wurde: „Nieder mit dem FortschrittS- ring. nieder mit der FortscbrittStvranneil" Diesen Ruf zu be gründen war früher von zwei Seiten versucht worden: im Reichstage vom Kanzler, besten Behauptungen sich durchweg al» Jrrtdümer erwiesen hatten; und in der Skandalpresse durch Beschuldigungen, welche durch Richtersvruch verurtbeilt worden sind. Da» ist da» Fundament, auf dem der Sohn de» Reichskanzler» eine Agitation sortsetzt, welche bezweckt die unteren Elasten einer Millionenstadt gegen die Eommu nalverwaltung aufzureizcn. Die „Nat.-Ztg." bemerkt dazu Ein Seitenstück zu dieser Art von Agitation in der opposi tionellen Wirksamkeit der von dem Grafen BiSmarck persön licher Beweggründe beschuldigten Gegner der Regierung zu finden, wird ihm sehr schwer fallen. Der Redner hielt eS ferner für angemessen, seine Zusammenstellung von Artikeln der „Nordd. Allg. Ztg." und der „Prov.-Eorr." durch eigene Au-fprüche wir die zu würzen: di» Hundesperre drücke viele Einwohner Berlin» schwerer al« der kleine Belagerung»- instand: e» würde ihm »ine» gewissen Spaß bereiten, wenn raSker Excrllenz sei, wenn nur der Schade für da» Land nicht zu groß wäre u. s. w. Der sogenannt« kleine Be lagerungszustand ist eine Maßregel, welche, wie nothwendig Pr auch fein mochte, diel« Existenzen vernichtet, zahlreich« Familien Der BundcSrath hat sich, wie schon kurz gemeldet, in einer letzten Sitzung über die wichtigen Gesetzentwürfe an der NeichStagSscssio» schlüssig gemacht, die »och seines Votums harrten. DaS Nnsallversicherunggesetz ist abgclehnt, und cs wird wohl von Niemandem bedauert werden, daß daS Gesetz in der Form, die der Reichstag hergestellt, nicht zu Stande gekommen ist. In welcher Gestatt eS dem Reichstag auss Neue vorgelegt werden wird, steht wohl heute noch nicht cst; darauf wird der Ausfall der Wahlen von wesentliche», Einfluß sein. Daß der BundcSrath den Wünschen der ReactionS- parteicu nach Ablehnung der im Sinne der letzteren nicht weit genug gehenden JnnungSordnunq und der Stempelsteuervorlage nicht nachgekommen ist, sondern kiese Gesetze »ach den Beschlüssen deö Reichstag- angenommen hat, wird man in der Voraussetzung, daß diese Fragen da mit endgültig gelöst sind und aus weitergchende Bestrebungen für immer Verzicht geleistet ist, nur mit Befriedigung be grüßen können. Daß die JnnungSordnung eine sehr tief gehende Wirkung auSüben wird, möchten wir bezweifeln; cS ist aber wenigstens durch die im Reichstag seitens der Liberalen vorgenommcnen Verbesserungen dafür gesorgt, daß die Besorgnisse vor schädlichen nnd mißbräuchlichen Folgen dieses Gesetzes erheblich vermindert sind. Mit der Annahme de- Stempel- steuergesetze» ist den Conservativen ein beliebtes Agitations mittel auS den Händen entwunden. — Sodann hat der BundcSrath, soweit cs an ihm liegt, auch die Ham burger Zollanschlußfrage erledigt. Die Art dieser Er ledigung ist sehr beincrkeiiöwerth. Der BundcSrath hat den bekannten Vertrag mit Hamburg angenommen, so daß also zur Gültigkeit desselben jetzt our noch die Zu stimmung de- Reichstag« erforderlich ist. Er hat aber auch aus Antrag Hamburg» gemäß Artikel 34 der Reichs- Verfassung alsbald den Eintritt der Stadt in da» Zollgebiet beschlossen. Wie nun. wenn der Reichstag den Vertrag ab- lchnen sollte? Wir Hallen zwar die- Ereigniß für sehr un- wabrscheinlich; allein man kann sich doch einmal die Mög lichkeit vorstellcn. Nach der RechtSaufsassung des BundeS- rathS ist zur Aenderung der Zollgrenze an sich die Zustimmung des Reichstag» nicht erforderlich; der Zollanfchluß Hamburgs würde also auch bestehen bleiben, wenn der Reichstag den Vertrag ablchnte. Hamburg würde damit den Zollanfchluß vollzogen haben, ohne die der Stadt dafür zugcstandenen Vergünstigungen Zu erlangen. Diese Aussicht wäre dann wieder eine ungemein starke Pression auf den Reichstag, dem Vertrag seine Zustimmung zu ertheilen. Wie gesagt, wir halten unter allen Umständen die Zustimmung deS Reichs tag» für gesichert und die eben angeregte Frage praktisch für gegenstandslos. Sie ist aber wieder einmal vezcichnend für die ungemein schwierigen verfassungsrechtlichen Streitfragen, welche diese ganze Angelegenheit von Anfang an durchzogen haben. In Bezug auf dasselbe Thema schreibt man unS auS Berlin: lieber die rechtliche Natur des Hamburgischen Antrag- beim BundcSrath, den Zollanschluß der Hanfestadt zu bewirken, und Uber die politischen Folgen der Annahme dieses Antrag» sind thcilweise unstarr Vorstellungen verbreitet, die der Berichtigung bedürfen. Man bat nämlich die Mci nnng vertreten, daß der Reichstag nunmehr in eine Zwangs läge gekommen sei und daß er die Kosten für den Zollanschtuß in Gemäßheit de» bekannten Vertrages bewilligen niüfse, weil ohne diese Bewilligung der Eintritt Hamburg- in den Zollverein dennoch perfect wäre', und weit sich Senat und öürgerschast hinterher noch schlechtere Bedingungen gefallen U lasten haben würden. Da» ist rin Jrrthum, von welchem ster versichert werden kann, daß er in denjenigen Kreisen, wo er praktisch unter Umständen bedenkliche Folge haben könnte, näm lich im BundcSrath, nicht gctheilt wird. Hier faßt man vielmehr correcterweise die Sachlage so ans, daß die erfolgte Annahme dcS Hamburgischen Antrags stillschweigend an die aufschicbeiidc Clausel der späteren Kostr»brwilligu»g durch den Reichstag gebunden ist. Wird diese, auS welchem Grunde immer, ver weigert. so steht eS keineswegs so. daß Hamburg die ander- weiten Bedingungen ruhig über sich ergehen lasten muß, die ihm dann Reichsregierung und BundcSrath dictiren, sondern es hat sich nur ausgeliefert aus Grund des ab> geschlossenen Vertrage». Thatsächlich ist dies Ver- bältniß bereits anerkannt durch den Mangel jeder Termin bcstimmung in dem Anträge, den der Senat gestellt und der BundeSraty angenommen hat. Ein solcher Termin war eben überflüssig, weit er von selbst in dem angezogenen Vertrage (mit den Worten: nach dem I. Oktober 1888) gegeben ist Die Streitfrage, wenn e« überhaupt eine ist. wird übrigens schwerlich jemals praktisch werden; denn e» ist ganz zweifellos, daß der Reichstag den Zollanschlußvcrtrag. beziehungsweise die Kosten für den Anschluß, mit großer Majorität genehmigen wird. Nachdem die principielle Seite der Angelegenheit erledigt worden, können die übrig gebliebenen technischen Fragen zu weitgehenden Differenzen kaum mehr Anlaß bieten. Von hervorragender liberaler Seite wird darauf aufmerk sam gemacht, daß durch die Ernennung de» Staatsministers v. Bötticher zum Generalstellvertretcr deS Reichskanzlers eine Bewegung ihren rückläufigen Gang beendigt hat, die mit dem Abgang Delbrück» im Jahre 1876 begann und auf nichts Geringere- al» die Auflösung deS Organismus der höchsten Behörden in untergeordnete Einzeltbeile abzielte. Der Präsident de» Bunde»- und nachmaligen ReickSkanzler- aml» war in Wahrheit der „Vicrkanzler" gewesen. In lebendig organischer Entwickelung war dem Chef jener Behörde, eben Herrn Delbrück selber, eine leitende Nolle zugesallrn größer al» der RabnteN, der für sie staatsrechtlich zu um schreiben gewesen würe. Gleichgültig, ob der Reichskanzler dieses Zwischenglied zwischen sich mch dm übrigen Organen de» politischen Leben» unbequem fand, oder ob er wirklich die Deccntralisation der obersten Behörden für daS Ersprießlichere hielt, jedenfalls begann mit dem Rücktritt Delbrück'S dieZer- törungSarbcit gegen das von ihm geschaffene ReichSkanzlcr- amt, welches selbst bi» auf seinen Namen verschwand und gleichgestellten „NcichSämtern" den Platz räumte. Mau rühmte DaS eine Zeit lang als den erften Schritt zur UuS- bitdung von ReichSininistcricn. aber cS wurde nur die eine Kleinigkeit vergessen, daß d,e StaatSsecretaire als Beamte ohne Verantwortlichkeit einfach Untergebene dcS Kanzler» waren und bliebe», und daß sie wie ein Pscilbiintcl gegenüber einem überragenden Willen in demselben Mage ohnmächtig wurden, als da» Band einer gemeinsamen Orga nisation sich gelockert hatte. Hochbedcutsam ist cS nun. wie Fürst BiSmarck durch die Beförderung deö Herrn v. Bötticher 'etber anerkennt, daß sogar die admi»i>trativen Vorthcilc, die w sich von der Zerschlagung deS ReichSkanzlcramlS vcr- prochen, auSgebliebcn sind. Man hat in dem bisherigen Chef dcS NcichSamtS dcS Innern mit ,lichten den Nachfolger deS Grasen Stolbcrg. sondern dm indirekten Nachfolger deS I)r. Delbrück (nach Ucberwindung eincö Interregnums Hos- mann) zu erblicken, und Herr v. Bötticher ist der Sache, wenn auch nicht dem Namen, »ach Reichs kan zlcramtS- Präsidcnt, so gut wie er der Begründer dieser Behörde gewesen. Nicht unmöglich, daß der Lache binnen Kurzem auch der Name wieder nachfolgt. DaS Befinden dcS Fürsten BiSmarck ist andauernd ein sehr schlechte», so daß die ihm Nahestehenden durchaus nickt ohne Besorgnisse sind. Die Reise »ach Kissingen ist in Folge Dessen zweifelhaft geworden. Darüber, ob Varzin oder FriedrichSruh zum Sommerauscnthalt gewählt werden soll, bleibt die Bcstimmung noch Vorbehalten. Wenn sich jetzt mehrfache» Erstaunen darüber zeigt, daß di« Nachricht von der erschütterten Stellung de» Lankwirth- chastSminister« I)r. LuciuS auftaucht, so erinnert man sich einfach nicht mehr de» höchst bemerken-wcrthcn Vorganges während der verflossenen LandtagSsesston, atS Herr LuciuS der äußersten Rechten zum Trotz einen erheblichen Rückgang der Lanvwirthschast in den letzten Jahren entschieden leugnete und diese seine Behauptung durch Zahlen belegte. Durch die damalige Rede, die von Seiten der Liberalen die größte Be achtung fand, verdarb eS Herr Or. LuciuS bei den Conscr- vativen gründlich. Wer die Art von „guter Miene" zu beobachte» Gelegenheit hatte, welche damals von den Herren v. Minnigerode und Genosten zu diesem bösen Ministerspiel gemacht wurde, wußte sofort, daß Herr LuciuS mit einer sehr schleckten Censur aus die schwarze Liste der Herren, welcke „die Ge'chäste de« Lande« führen", gekommen sei, und daß Diese nur auf die geeignete Gelegenheit warteten, um ihren Groll zu bethäligen. In politischen Kreisen wird der Thatsache eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt, daß der Aba. v. Minnigerode in der vorigen Woche zur kaiserlichen Tafel in EmS gezogen worden ist? Die hochfliegenden Pläne diese» ehrgeizigen Führer» der Agrarier haben dadurch zum ersten Male, seit er sich auf die politische Bühne hinaufgeredct, einen Schatten bestimmten AnbaltS gewonnen. Aber eS wird trotz aller reclamenhasten Anstrengungen deS Abgeordneten für Elbing- Marienburg nur ein Schatte« bleiben. Herr v. Minnigerode ist von dem verständigeren Theil seiner College« niemals ernsthaft genommen worden. ES ist an der Zeit, daß Da endlich einmal einfach und der Wahrheit gemäß constatirt werde. Wir konnten bereit» mittheilen, daS russisch erseitS beim Berliner (und auch wohl beim Wiener) Cabinel erheb liche Bedenken gegen die serbische Rangerhöhung rum Köniathum geltend gemacht worden sink. In welche Wege diese Frage dadurch geleitet wird, bleibt einstweilen schwer übersehbar. Sollte sich Rußland in einen principicllcn Gegensatz zu den Auffassungen stellen, welche die mitlrt- europLischen Großmächte von der serbischen Königsfrage ge wonnen haben, so darf erwartet werden, daß die letzteren ihre wohlerwogene Ueberzeugung nicht ohne Weitere« fahren lassen werden. Der plötzliche Rücktritt de» bairischen StaatSmiiiister- v. Pfeufser unmittelbar vor den Landtag-Wahlen überrascht allgemein. Es wird versichert und mehrere Anzeichen sprechen dafür, daß Herr v. Pfeufser selbst überrascht wurde. Unter selchen Verhältnissen müssen eS jedenfalls hochwichtige Gründe sein, welche den so plötzlich eingetretcnen Mimsterwechsel ver anlaßt haben; aber welche Gründe eS sind, darüber hat man vorerst nur Vermutbungen und muß Weitere« abwarten. Daß die entschievcne Stellung, welche Herr v. Pfeufser m der Gewerbes rage einnahm, gewisse Aeußerungen, welche er in dieser Beziehung kürzlich in der Abgeordnetenkammer unv dann bei der Versammlung der bairischen Landwirlhe in Speyer machte, Aeußerungen. die den Anhängern der Be schränkung der Gewerbe- und der Handelsfreiheit wenig ge nehm waren, höheren Ort» — nicht in München, wohl aoer in Berlin — die Stellung deS Herrn v. Pseusser nicht verstärkt haben, dürfte allerdings anzunebmcn und des halb die Bermuthung, daß auf den Mimsterwechsel äußere Einflüsse zur Geltung gelangt sein möchten, nicht so ganz ohne Grund sein. Man schreibt u»S au« W ien vom 26. d.: Die slavische Pilgerfahrt nach Rom beschäftigt heute in hervorragender Weise unsere Morgcnblätter, nachdem diese anfänglich der Angelegenheit mit Unrecht wenig Beachtung geschenkt. Wir haben seiner Zeit gleich bei dem ersten Hervortreten jener Nachricht, di« aus die Geneigtheit de- Pavstthum» hinwieS, dm slavifchen Katholiken die altslavische Liturgie statt der lateinischen zu bewilligen, die üoerauS wichtige kirchen» politische Tragweite an dieser Stelle betont, was nun, freilich ziemlich verspätet, von der hiesigen deutsch-liberalen Presse anerkannt wird. Merkwürdigerweise hat aber diese ganz neue lirch enpolitis che Frage unsere deutsch-liberalen Blätter in da» Laaer der starrsten Römlinge gedrängt, di«, päpstlicher sein wollend al» Papst Leo. von der slavifchen Liturgie durchaus Nicht» wissen und um „jeden Preis" an dein lobten, alle» Volkskreisen unverständlichen Latein fest halten wollen, gegen da» sich bekanntlick alle religiösen Reform beftrebungen gekehrt haben. Da» scheint in der Thal ein wirklich sonderbarer kirckenpolitiscker „Liberalismus", mit dem man im wirklichen aufgeklärten Deutschland kaum sympathisiren dürfte. Sonst wird in ernsteren politischen Kreisen vielfach die Ansicht getheilt, Oesterreich mttsse dreien neuesten Wühlereien bei Zeiten seine Aufmerksamkeit zuwenden. E» stehe außer Frage, daß. wen» in Rom di« Wiedereinführung der slavifchen Liturgie ernstlich beschlossen würde, DieS aus die slavifchen Parteien einen Rückschlag auSüben müßte und daß die nächste Consequenz die Bildung slavisch-klerikaler Parteien wäre. Noch mehr als die politischen und consessionellen würden sich zweifellos die nationalen Gegensätze ver schärfen. Die Einführung der slaviscbcn Liturgie hätte zur Folge, daß man mit den Sprachsvrderungen nur noch drin gender hervortrctcn und der deutschen Sprache mit kräftigeren Agitation-mitteln den Boden streitig machen würde. Wenn cS auch im Anfang nur slavische und lateinische Kapläne und Pfarrer gebe, so würden doch später die Czechen, Polen, Sloveiien und Klerikalen anck mit der Forderung einer förm lichen Trennung der Diöcescn kommen. Genug, die Bewegung könne für den StaalövrganiSmuS ganz unabsehbare Consc- guenzcn haben; deshalb habe der Staat auch das Reckt, in kirchliche Angelegenheiten solcher Art ein Wort darein zu reden, und er habe nicht nur die Ausgabe, sondern die Ver pflichtung, da nöthig auch ein Machtwort zu sprechen. In Prag steigt der Ueb crmutb der Ezechcn von Tag zu Tage. Die Deutschen, namentich Studenten, können nickt mekr ohne Gefahr über die Straßen der Stadt gehen. ES scheint fast, als ziele solche Frechheit und Rohheit daraus ab. den Deutschen den Aufenthalt in der böhmischen Hauptstadt zu verleiden. Polizei- und Verwaltungsbehörden zeigen eine klägliche Schwäche. Der Bürgermeister Skramlik hat den» Magistrat anbefohlen, in seinen Correspondenzen mit außer- böbmiscken Behörden und mit Deutschen sich ausschließlich der czcchisckcn Sprache zu bedienen. AuS Krakau meldet man vom 25. d.: Unsere Stadt ist beute von Nom-Pilgern verschiedener slavncker Stämme gefüllt: Masuren. Huzulen, Klriurusicn und Bulgaren, llm drei Ubr Nachmittag reist die erste Pilgerabtheilung, etwa 500, über Wien nach Rom. Der Universitäts-Professor Graf TarnowSki schließt sich dem Zuge an. Wo sich der Häuptling der arabischen Insurgenten und, wie eS scheint, die Seele der allgemeinem Erhebung in Algerien, der rasch zu einer berühmten Und berüchtigten Persönlichkeit gewordene Bu-Amema, in diesem Augenolick befindet, wird außer ihm und seiner Umgebung schwerlich ein Anderer wissen. Den Franzosen, die mit ihren Commando- sübrerii und Truppen auf diesem neuesten Kriegsschauplätze ein klägliche» Schauspiel aussUhren, ist cs sicher unbekannt. Heute glauben sie, ihn in die Falle getrieben zu habe», morgen taucht er plötzlich in ganz entgegengesetzter Richtung auf; beute ist er im Süden, morgen im Norden, die Franzosen angeblich sininer Hinte' ihm. Wen man für diese Art der „Kriegführung" eigentlich verantwortlich „u machen hal. ist schwer zu entscheiden. Von der französischen Presse tadelt der eine Tbeil den Gencralgonverneur von Algier, die Civil- regiernng, der andere die militairisckcn Befehlshaber; die Entrüstung über die Zustände in Algerien ist aber eine allgemeine. Mit ziemlicher Bestimmtheit läßt sich jetzt er kennen, daß der Aufstand schon seit lange vorbereitet war, daß man aber die zahlreichen Symvtomc. welche den AuS bruch vorauSsehen liege«» unbeachtet ließ; dann aber, als der Ausbruch wirklich erfolgt war. griff man zu den verkehrtesten Mitteln, ihn zu unterdrücken. Außerdem verheimlichte man die volle Wahrheit und suchte und sucht noch beute Parlament und Publicum, ja vielleicht die Regierung selbst durch falsche, stet- optimistisch gehaltene Berichte zu täuschen. Die ausführlicheren Berichte, welche jetzt über da» von den Banden Bu-Amema'S auf der Hochebene angerichtetc Blutbad einlauscn und deren traurigster Schauplatz die Alfa-Pflanzungen der Spanier, FuenteS und Campillo, gewesen sind, lauten wahrhaft haarsträubend. So schreibt ein Zuavcn- Ofstcicr von Saida dem „Voltaire": Die Männer nieder gemetzelt, die Kinder in den Annen ihrer Mütter «drosselt, dir Mädchcm geschändet und dann ebenfalls er- mordet, nach Lodtschlag und Plünderung der Brand, das sind die Hcldenthaten des Marabut» Bu-Amema und seiner wilden Glauben-, genossen. I» Tasarua sind alle Behausungen eingeäschert. Möbel, Geschirr, HauSgcräth, Alle» ist zertrümmert. Bei einem Bäcker haben die Banditen di« Mehlsäcke, die sie nicht mit sich fort tragen konnten, ausgeschnitten und daS Mehl aus den Bode« geschüttet. Ich trete in ein HanS ein und sehe darin rin altes Weib auf dem Boden sitzen, den Kops aus den Schoß gebeugt. Sie scheint zu schlafen. Ich trete näher: sie war in dieser Stellung getödtel worden. Die Insurgenten hatten ihr den Schädel eingeschlagen, daß da« Gehirn herau-iprltzte. In Kralsalah ist der Anblick »och jammervoller. Der ganze Ort ist von den Flammen verzehrt. Noch gestern rauchten die Schutthaufen, welche die Leichen bedeckten. In El-May bietet sich dasselbe Schauspiel. Die Karavanserei ist zerstört. Ein armes 75iShriacs Weid ist lebendig verbrannt worden. Leichen liegen aus den Straßen. Ich halte imie. Man könnte einen ganzen Band mit den Gräuelthatei, füllen, deren sich diese Fanatiker schuldig gemacht haben. Man hat schon jetzt die Gewißheit, daß die Zahl der Opfer sich aus mehr als 420 beläuft. Aus de» Bahnhöfen begegnet man Weibern, welche die Verzweiflung halb grtödtet hat, Kindern, denen ihre Elter» ermordet worden sind. ES wäre Wahnsinn, jene scheußl chcn Stämme zu schonen. Da- wilde Thier, welches in dem Araber wieder die Oberhand gewonnen hat, kann nur durch Furcht und exemplarisch« Züchtigung in Zaum gehalten werden. In Italien droht die Aufregung und Unzufriedenheit gegen Frankreich recht bedenkliche Dimensionen anzunehmc». Die Negierung hat alle Mühe, unliebsame Demonstrationen »nd Kundgebungen der öffentlichen Meinung gegen Frankreich hiiitanzuhaltcn, ohne daß ihr Die» in jedem einzelnen Falle bei der herrschenden Erbitterung gelänge. Die osficicNcn Be ziehungen zwischen beiden Regierungen sind zwar, wenn auch nicht eben sehr herzlich«, so doch erträgliche, aber man braucht bloS die Organe der öffentlichen Meinung in beiden Ländern mit einiger Ansmerksainkeit zu lesen, um sich sofort über die gegenseitige Verstimmung und Gereiztheit in deren vollem Umfange klar zu werden. Die letzten Vorfälle in Marseille haben di« Leidenschaften da und dort bi» ru einem Grade erhitzt, daß der geringste Anlaß zu ernste» Conflicten führen könnte, und daß beide Regierungen ihren ganzen Ernst aufzubiete« haben, um der wachsenden Entfremdung Einhalt zu thun. Nu» London wird vom 28. Juli gemeldet: DaS Blau buch wurde im Parlamente vertbeilt Dastelbe umfaßt gegen 400 Depeschcn vom 13. Januar bi» 3l. Mai und berichtet über Unterhandlungen und Schritte der Botschafter in Kon- stantinoprl und Gesandten in Athen. Die Depesche Goschen'» vom 26. April srtzt die Motive an» einander, weSbalb Goschen den Ansichten der Übrigen Botschafter zustimmte, welche sich für die Rrducirung de« Griechenland zugebilligten Gebiete» erklärten. Hätte England nicht zugesnmmt, so hätte Griechen land die Convention nicht angenommen und der Krieg wäre auSgebrochen, in welchem aber Griechenland keine Aussicht ans Erfolg gehabt hätte.
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