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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188107091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810709
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810709
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Seiten doppelt vorhanden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-07
- Tag1881-07-09
- Monat1881-07
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1881
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Erscheint täglich früh 6»/. Uhr. Lelarliso und LrpedMo« J»ha»ne«gaste 83. Sprech-unden der Nedartiun: Vormittag» IO-IS Uhr NalömittaaB UKr. t»»» ^ " N»n«tz«e U«r für die »-chstf-l»«»-« Nn»»cr ürfttunulr« Inlernt« «« V-chrnt«»«» dt« S Uhr Nach«itta-S, an L»»n- und Feftta««« früh tt» 'i,S Uhr. Zu de» Miale« für Zas.-Äunahme: Otto »lem«. Umverstttt-str-ße SS, t!«>1S Lüsche. Katharinenstraße 18, p. »ur St« '/,» Uhr. tlMlgrr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichk, Kandels- und Geschäftsverkehr. A»sl«ge I«,SS0. Lv»»ur«e»t»»rei, Viertels. 4»/, Kvu, iacl. Bnnaerlohn ü Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Beleg^emplar 10 Pf. Gebühren sür Ertrabeilage» ohne PostbesSrderung 3S ML «it PostbesSrderung 48 Mk. Inserate sigespaltene Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer Satz nach HSherem Tarif. Keclamrn unter den Uedactionsstrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu seaden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prasuumeranäo oder durch Post nachnahme. Sonnabend den 9. Juli 1881. 75. Jahrgang. Jur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 1«. Juli, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. Lxpeättlon ätz» LivIpLlxvr ^nxvdlntlES. Amtlicher Theil. Veka«nt«ach»ns, dtr staatliche Eiukoaenreusteaer betr. In Gemäßheit de» Finanzgesetze- vom 8. Mär» vorigen Jahre» und der Ausführungsverordnung dazu von vemfelden Tage ist der zweite Termin der diesjährigen StaatSeinkommen- struer am IS. Juli diese- Jahre» z» eine« Dritttheile de- Gesammtdetrages fällig Die hierorts Steuerpflichtigen werden deshalb aufgefordert, ihre Steuerbeträge ungesäumt und spätesten» bt»»«a drei Woche«, von dem Termin ab gerechnet, an unsere Stadt- Sleuercinnahme, Brühl 5l, 2. Stock, bei Vermeidung der nach Ablauf dieser Frist gegen die Säumigen eintretrnden gesetzlichen Maßnahmen abzuführen. Leipzig, den 6. Juli 188l. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. »te Beitrüge zur Handels, und Gewerbekammer betreffend. Mit dem am IS. Jnli dieses Jahre» fälliaen zweiten Termine der staatlichen Einkommensteuer ist zu Folge ergangener Verordnung de» Königlichen Finanz- Ministerin»» vom l. vorige» Monat» behufs Deckung de» Aufwandes der hiesigen Handels- vpd Gewerbekammer von de« bctheiligten Handel- und Gewerbetreibenden ein Beitrag Kür die Handelskammer nach Höhe von Bier Pfennige« und für die Gewerbekammer nach Höhe von Zwei Pfennigen auf jede Mark desjenigen Steuersätze», welcher nach der im Eikommenfteuergescye enthaltenen Scala auf da» in Spalte ä de» Einkommensteuerkatasters eingestellte Einkommen der Bei tragspflichtigen entfällt, zu erheben. Diese Bekanntmachung gilt als legale Benachrichtigung der Beitragspflichtigen. Den betheiligten Steuerpflichtigen wird bei Abführung der Einkommensteuer an der Einnahmcstcllc Eröffnung über den entfallenden Betrag gemacht werden. eS ist ihnen zedoch auch unbenommen, gedachten Beitrag sich von heute ab an Ein- uahmestelle bekannt machen zu taffen. Der Betrag ist binnen drei Wochen, von dem Ter mine ab gerechnet, an unsere Stadt-Steuereinnahme, bei Vermeidung der sonst eintretenden gesetzlichen Maßnahmen, »bzuführen. Leipzig, den 6. Juli 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Bekanntmachung, die katholische Kirchenanlage betr. Zur Deckung des Bedarfs sür die römisch-katholischen Kirchen der Erbtande ist für da» lausende Jahr eine Parochial- anlage nach Maßgabe der Verordnung vom 4. April I87S in Höhe von Zwanzig Pfennige« von jeder Mark deS normal- «a-igea tkinkommeustenersatzeS am LS. Jnli dtefeS Jahre» z» erheben. Die hierzu beitragspflichtigen katholischen Glaubensgenossen werden andurch ausgcsordert, ihre Zahlungspflicht bei unserer Stadt-Gtcuernnnahme, Brühl 5l, binnen drei Wochen, von dem Termine ab gerechnet, zu erfüllen, widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen die Restanten das vorgeschricbene Beitreibung-verfahren einzuleiten ist. Leipzig, den K. Juli 188l. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Bekanntmachung. Da» 5. Stück de» diesjährigen Gesetz- und Verordnungs blattes für da» Königreich Sachsen ist bei un» eingegangen und wird bi- zum 22. dS. MtS. auf dem Ratyhaüs- faale zur Einsichtnahme öffentlich auShänaen. Dasselbe enthält: Nr. 23. Bekanntmachung, die Richtung-linie der Eisen bahn von Schwarzenberg nach Jobanngeorgen- ftadt betreffend; vom 4. Juni 1881. Nr. 24. Verordnung, die Vertretung de» SvortelfiSeuS im Proceß betreffend; vom 18. Juni 1881. Nr. 25. Verordnung, die Bestellung von Commiffaren für die Ergänzung-Wahlen zur II. Kammer der Ständevcrfammlung betreffend; vom 13. Juni l88l. Nr. 2S. Bekanntmachung, die Richtungslinie der HainS- berg«Schmiedeberger Eisenbahn betreffend; vom 16. Juni 188l. Nr. 27. Verordnung zu weiterer Ausführung de» Gesetzes vom 20. Mai 1867, da» Besugniß zur Ausnahme von Protokollen und zu Be glaubigungen bei Justiz« und Verwaltungs- Behörden betreffend; vom >. Juni 188l. Nr. 28. Verordnung, die Publication einer Trau ordnung betreffend; vom 23. Juni 1881. Leipzig, den 7. Juli 18Sl. Der Rath der Stadt Leipzig, vr. Georgi. Bekanntmachung, die Lan-tagSwahl im L. Wahlkreise der Stadt Leipzig betreffend. Da» Ergebniß der am 12. d. M. im 1. Wahlkreise der Stadt Leipzig stattfindenden ErgänzungSwahl sür die II. Kammer wird von dem Unterzeichneten Wahlcommista: Donnerstag, den 14. d. M., Nachmittags 4 Uhr tm Rathhanfe 1. Etage, SectionSfi-ungSzimmer, zusammengestellk und veröffentlicht werden. Zu dieser Wahlhandlung haben alle Stimmberechtigten Zutritt. Leipzig, de» 8. Juli 1881. Der Wahlcommtffar für die ErgänzungSwahl zur LI. Kammer tm 1. Wahlkreise der Stadt Leipzig. vr. Trvndlin. Bekanntmachung, dir Landtag-Wahl im 3. Wahlkreise der Stadt Leipzig betreffend. DaS Ergebniß der am 12. d. M. im 3. Wahlkreise der Stadt Leipzig stattsindendcn ErgänzungSwahl für die II. Kammer wird von dem Unterzeichneten Wahlcommissar Donnerstag, den 14. d. M., Vormittag» 1« Uhr im Rarhhanse 1. Etage, Zimmer Rr. 1« zusammengestellt und veröffentlicht werben. Zu dieser Wahlhandlung haben alle Stimmberechtigten Zutritt. Leipzig, den 8. Juli 1881. Der Wahlcommtffar sür die ErgänzungSwahl zur H. Kammer tm 3. Wahlkreise der Stadt Leipzig. vr. Messerschmidt, Stadtrath. Auktions-Bekanntmachung. Im AnctionSlvcale deS Unterzeichneten Rathes, Gerber« strahe Rr. IO, Hof 1. Etage, sollen am 13. Juli 1881, Vormittag- O Uhr 2 Schreibsccretaire, 3 Kteiderschranke, 3 Nähtische, SophaS, Wand- und Taschenuhren, 1 größere Partie Kleidungsstücke, 1 goldner Ring re. re. an den Meistbietenden öffentlich versteigert werden. Leipzig, am 2. Juli 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Nüster. Bekanntmachung. ES soll ein neuer Fabrwea von der Kreuzung de» Hohl wegs und StölteritzerwegS in Neureudnitz nach der Eisenbahn- Unterführung deS alten Thonberg-Stötteritzer Fußweg- her- gestellt und die damit verbundenen Erd- und Macadamisirung»- Arbeitcn an einen Unternehmer in Accorv vergeben werden. Die Bedingungen und Zeichnungen sür diese Arb-iten liegen im Rathhaus, 2. Etage, Zimmer Nr. 14 auS und können daselbst eingesehcn resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Erd- bez. MaradamiffrongS-Arbeiten bez. Kießfußwege deS Thonberg-Stötteritzer EommunicationSwegS" versehen ebendaselbst und zwar t»S zum 20. Juli d. I. Nach mittag« 5 Uhr abzugebcn. Leipzig, den 8. Juli 188l. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Bekanntmachung. Der diesjährige internationale Productenmarkt in Leipzig wird Dkontaa den 1. Ruautt d. in dem Bonorand'trhen Etablissement im Rosenthalc, nicht wie in unserer Bekanntmachung vom l l. lfdn. Monats angegeben, in den Räumen deS alten SchützcnhauseS, abgehalten. Leipzig, den 25. Juni l88l. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. CichormS. Bekanntmachung. Nach den Messungen des Herrn Geh. Rath Prof. vr. Kolbe betrug die Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases im Monat Juni durchschnittlich daö 15'/, fache von der der Normalwachskerze und 0.479 svcc. Gewicht. Leipzig, den 7. Juli 1881. DeS Rath» Deputation zur Gasanstalt. Au- dem Nachlaß und im Sinne des am 1b. Juni o. ent- schlafenen Herrn Carl Friedrich Sdnard Voigt sind der unter- zeichneten Handelskammer von besten Erben Etiitauscndfünkhundert Mark — zur Berstärkung des bei ihr verwalteten UnterstutzuogS- sonds für hülfsdedürfttge Kanflente, deren rstttwk» und Walsen — überwiesen worden. Banz im Geiste de- hochverehrten Verstorbenen, welcher bet seinem unermüdlichen WohlthütigkeitSsinn auch Zweck und Bedürfniß mit richtigem Vrrständniß abzuwügen wußte, ist durch jene Zuwen- düng einem Fand-, besten Mittel noch außer VerhSltniß zu den auf ihn angewiesenen Ansprüchen stehen, eine höchst erwünschte Ver- stärkung zugeflosten, für welch« di« unterzeichnet« Handelskammer ihren wärmsten Dank auSspricht. Leipzig, den 8. Juli 1881. Tie Handelskammer, vr. WachSmuth, Vorf. Nichtamtlicher Theil. Leipzig 9. Juli. Trotz der strengeren Handhabung de» Socialist en gesehe« liefern die Berichte der letzten Tage den Bewei-, daß die Gocialdemokratie sich anschickt, mit äußerster Energie dm Wahlkampf aufzunchnien. ES ist bekanntlich da» erste Mal, daß unter der Herrschaft diese» Gesetzes di« Socialdemokratie in die Wablbewegung eintritt. Wo bisher einzelne Nachwahlen stattgefunden, war ein wesentlicher Rückgang der Partei nicht zu merken. Und man wird sich auch bei den bevorstehenden Wahlen allzu festen Hoffnungen auf den Niedergang dieser Bewegung nicht hin geben dürfen. Freilich sind dieser Partei in der öffent lichen Agitation die Hände gebunden, allein e» sind natur- «mäß noch immer Fäden genug vorhanden, mit denen die Bewegung ausrecht erhalten und die Wühlarbeit geleitet wird. Wenn wir un» darauf gefaßt machen, daß die Anzahl der abgegebenen socicüdemokralischen Stimmen auch unter der Herrschaft deS SocialistengcsetzeS «inen erheblichen Rückgang gegen früher nicht auswciscn, so sind wir damit doch sehr entfernt davon, zuzugeben, daß sich diese» Gesetz nicht bewährt und seinen Zweck verfehlt habe. Daß man die social demokratische Gesinnung mit diesem Gesetz gänzlich unter drücken könne, wird wohl Niemand angenommen haben; man konnte nur danach streben, die äußere Agitation und Auf reizung zu ersticken. In wie weit die positive heilende Thälig- keit der bürgerlichen Gesellschaft mit der Anwendung der Unterdrückungginaßregeln gleichen Schritt gehalten hat, wollen wir heute nicht untersuchen; zu sehr befriedigenden Ergebnissen würden wir schwerlich gelangen. Die socialpolitische Reform» welche der Reichskanzler in der verflossenen Session in Angriff genommen hat, ist bis jetzt an der Unreisbeit der gemachten Vorschläge gescheitert; wir hegen aber doch das Verträum, daß diele Vorschläge, soweit sie von gesunden Grundlagen auSgehc», erreichbare Ziel« anstrebcn und nicht lediglich al» leicht hingeworseue lockende Versprechungen sür die Wahlen sich erweisen, ihrer Verwirklichung vielleicht schon in der demnächst beginnenden Gesctzgebung-veriodc entgegengehcn werden. ES scheint unS im liberalen Interesse durchaus nicht wohlgethan, der von dem Reichskanzler cingeschlagenen Bahn socialpolitischer Reform jede Berechtigung und jede Aussicht aus Durch führbarkeit von vornherein abzusprechcn; man wird freilich mit größter Vorsicht und Besonnenheit diesen theil- weise ganz unübersehbaren Plänen mit ihren weittragenden Folgen entgcgentrrten, man wird gewissen Bestandtheilen deS socialpolttischen Reformprogramms des Reichskanzlers principiell die Zustimmung verweigern müssen. Allein eS bleibt unbestreitbar ein Kern wohlgemeinter, erfolgversprechen der und auch praktisch ausführbarer Vorschläge, über die sich alle Parteien mit der Regierung verständigen könnten und vielleicht auch werden, wenn einmal diese Kragen den Wirren deS Wahlkampfe» entzogen sein werden. Eine interessante Frage ist nun aber auch, wie die Ver sprechungen und Resormversuche deS Reichskanzler» auf die Haltuiig der Socialdemokratcn bei den Wahlen wirken Werken. Diese Partei wird ja eine erhebliche Zahl von Abgeordneten aus keinen Fall durchbringen, wohl aber ist sie in vielen Wahlkreisen in der Lage, einen bedeutenden Einfluß aus den Ausfall der Wahl auszuübm, sie wirb in mehr als einem Wahlkreis, wo sie selbst nicht burchzudringen vermag, durch .daS vicht ihrer Stimmm dm Ausschlag zwischen Candi- baten anderer Parteien zu geben habe». Daß sich eine besondere Erwärmung sür die Resormpläne de» Reichs kanzlers in den Kreisen, in denen die Socialdenio- kralie ihre festesten Wurzeln hat, kundgegebm hätte, wird man nicht behaupten können. Anderseits haben aber die Liberalen auch Unterstützung seitens der Sociatbemokralie schwerlich zu erwarten, höchstens in dem Fall, daß sie sich verpflichte», einer weiteren Verlängerung des Socialistengesetzcü nicht zuzusiimmen; eine derartige Verflichtung wird aber wohl nur die Fortschrittspartei übernehmen. In welcher Richtung daS nicht zu unterschätzende Gewicht der socialdemvkratischen Stimmen schließlich in die Waagschale gelegt werden wird, scheint unS ein heute »och schwer be rechenbarer Factor. Die Möglichkeit, daß man da und dort einmal den conservativen Lockungen nachgicdt, möchten wir aber nicht sür ausgeschlossen haltm. Mer dm flavischen Excessen in Prag znsieht, der muß sich über zwei Dinge wundern, zunächst üöer die Frech heit der flavischen Agitatoren und deS aus ihre Anstiftung lärmenden, tobenden, prügelnden und Fenster einwerfenkcn Pöbels, sodann aber auch über die Unlbäligkeit der Behörden. Kein Mensch, der jemals einen BolkStnmult und dessen Unter drückung gesehen hat, wird behaupten wollen, daß die Behörden in Prag gethan haben, was sie «hun konnten und mußten. Ein paar Compagnien deS MilitairS hätten, bei energischer Handhabung ihrer Macht, den Tumulten ein rascheS Ende bereiten und ihre Wiederholung unmöglich machen könne». Aber DaS ist nicht geschehen; »och selten ist der Pöbel so sehr geschont worden wie bei diesem Anlaß und man hat sich wohl gehütet, den Herren Ruhestörern wehe zu thun. ES ist sonach absolut keine Garantie gegen eine Wiederholung der Exccssc vorhanden. Währenddem wird die deutsche Presse verfolgt, die sich über die czechische» Hetzereien beschwert, und eS fehlt nur noch, daß eine czechische Majorität im österreichischen RcichS- rath beschließt, die fenstereinwersenden Straßenjungen in Prag hätten sich um daS Vaterland verdient gemacht. Und doch wird eS kaum einen roheren nnd abscheulicheren Fanatismus geben, als der, welcher soeben in Prag Platz gegriffen hat. Sollte man nicht glauben, bei einem StaatSwesen, wie der habSburgiscke Kaiserstaat, der so viele verschiedene Natio nalitäten umfaßt, müsse daS erste Bestreben einer weisen Regierung sein, zwischen diesen Stämmen ein gutes Ein vernehmen zu schaffen und ihm die größtmögliche Dauer zu verleihen? Das ist gar nicht so schwierig und wir sehen, wie gut eS in verschiedenen Staaten gelungen ist. Aber auch nur ein solche» Einvernebmm kann einem Fökerativstaate Dauer verschaffen; ohne dasselbe steht er aus einem unsicheren Fundamente und wird mit der Zeit unaufhaltbar in seine einzelnen Bestandtheilc zerbröckeln. Diesem Schicksal geht denn auch der österreichische Kaiscrstaat entgegen, trotz aller gegenthciligen Versuche; denn die österreichische StaatSwciSheit ist noch immer die alte; man sieht nicht ein. wie da» bis- herige Verfahren den Bestand de« Reiche» langsam aber sicher untergräbt. Man glaubt in Wien, man werde die LebmSdauer de» Reiche- verlängern, wmn man den Czechm recht viel Liebe» und Gute« erweist, und man denkt sic dadurch gn Habsburg zu fesseln und den Gedanken an rin großes panslavissische» Reich abzuschwächen, zu dem sich die Czcchm naturgemäß hingezogen fühlen. Daber verfolgt man die Deutschen und vrotegirt die Ezechm. Selbst wenn, wie eS ab und zu ge schah, die Ezechm einmal wild wurden und gegen Oesterreich die Waffen erhoben, wurden sie so schonend wie nur möglich be handelt. DaS größte Beispiel dieser Art gab der Prager Aufstand im Sommer >848, bei welchem der bekannte Fürst Windischgrätz so schonend wie möglich verfuhr, ja sogar nach dem Siege der kaiserlichen Truppen keine standrechtlichen Hinrichtungen vor nehmen ließ, während in dem deutschen Wien da- Gegcnthril geschah. ES gelang 1848 allerdings, die Ezechm al« Gegen gewicht gegen Deutsche und Magyaren auSzuspielm und dadurch den Zerfall de« österreichischen KaiscrstaatcS, der damals sehr nahe, in Aussicht stand, zu verhindern. Man hatte dazu aber auch russische Hülfe nvthig, ein Beweis, wie wenig ein wie Oesterreich so mühsam zusammengehaltenes Staaten- und Bölkerconglomerat einem größeren Stoße zu widerstehen vermag. Aber was hat man au» diesen Dingen gelernt, die doch deutlich genug mit Blut und Thräncn in der Geschichte Oesterreich» verzeichnet stehen? Nicht«, denn heute beginnt daS alte Spiel von vorne; Herr Rieger m Prag ist wieder einer der mächtigsten Männer dev Reicks und die czechische Herrschaft hat eS glücklich schon so weil gebracht, daß man die Schulzeit verkürzt hat. Denn die Nachkommen der Hussilen känipsen jetzt gern Schulter an Schulter mit dem llltramontaniSinuö. Herr Rieger und Pater Greuter verstehen sich ganz gut. Und das Ende ist, daß die Völker Oesterreichs die traurigen und kleinlichen Nationali- tätsstreitigkciten mit ihrer Freiheit und mit ihrem Wohlstand bezahlen inüffen. Denn natürlicher Weise nimmt diese ewige Concurrenz der einzelnen Staaten und Völker um den politischen Vorrang im Kaiserreich die Regierungen, die Parlamente und die Völker selbst so sehr in Anspruch, daß an eine ernsthaste Arbeit aus anderen Gebieten und in anderen Parccllcn kaum gedacht werden kann. Die Selbstständigkeit der Ungarn ist die letzte große Thal in diesem seltsamen Reiche gewesen; seitdem schleppt sich ein ödeS und unfruchtbares politisches Leben hin, nur unterbrochen von ökonomischen und finanziellen Calamitäten oder von Spectakelscenen wie jüngst in Prag. Da ist weder die Lust noch daS Zeug zu einem großen umsäffe,iden Rcforinplan sür die Finanzen, deren chronische Zer rüttung in Oesterreich sprückwörtlich geworden ist; da ist nirgends ein energischer Entschluß, endlich einmal mit den noch überall in Oesterreich» Staatslcben so tief eingesreffenen Mißständen und politischen Unzuträglichkeiten auszuräumen; da ist nirgends ein frischer Luftzug, welcher die, man möchte sagen, vorniärzlichc Atmosphäre, zu reinigen im Stande wäre. Jeden Aufschwung, jeden Fortschritt lähmt da» Mißtrauen, die Eifersucht und der Neid zwischen den einzelnen Stämmen. Wie lange sich Alle- noch so sortschleppen mag, ist jetzt nicht abzusehen; man wird aber der Straze dafür nicht ent gehen können, daß man in Oesterreich da« deutsch« Element vernachlässigt, ja man möchte sagen tnntangesetzt und sich den weit weniger bildungsfähigen und zur Entwickelung geeigneten Czechen in die Arme geworfen bat. Den Deutschen hat Oesterreich von seinem Bestände sicherlich am meisten zu verdanken, de» Czcchen sicherlich am ivenigsten. So verkennt man in Oesterreich die Natur und die Wir kung der Kräfte, auf die man doch angewiesen ist, und wendet aus neue Verhältnisse immer noch die alte verbrauchte StaatSwciSheit an. Daher die Stagnation im politischen Leben, so daß sich außerhalb Niemand mehr für dasselbe zu iuleressiren vermag. Das alte Oesterreich steht abgelebt im Kreise der Nationen. Die Czcchen werden eS nicht zu ver jünge» vermögen. DaS preußische „Militairwochrnblatt" veröffentlicht ein Schreiben» welches der Kaiser am 17. März d. I. an den Fürsten von Hohenzollern gerichtet, der an jenem Tage seine fünfzigjährige militairische Laufbahn vollendet hat. DaS Schreiben hat folgenden Wortlaut: Ew. Königlichen Hoheit gereicht es mir zum besonderen Vergnügen, sowohl Meine persönlichen Glückwünsche, wie diejenigen Meiner Armee zu der Feier de- TageS aussprechen zu können» au welchem Sie vor 50 Jahren in den Mililairdienst getreten sind. Ich finde in dem Rückblick aus diese 50 Jahre so viele Beweise von Änsopserung und Hingabe sür daS Wohl unseres Vaterlandes, so viele wahrhaft freundschaftliche Anhänglichkeit sür Mich und ein Io fortdauerndes, zun, Theil durch persönliche Dienste in den wichtigsten Stellungen bethäligtcS Interesse sür Meine Armee, daß Ich in der That mit dem wärinsten Dank tm Herzen Ew. Königlichen Hoheit zu den Enrpfindungen aufrichtig beglück wünschen kann, mit denen Sie Ihr Dienstjubiläum feiern. Möge es Gott gefallen, dielen 50 Jahren voll segensreichen Wirken-, die Ew. Königlichen Hoheit Namen in den Denkstein der Geschichte und in die dankbare >Eri„neruiig vieler Menschen, vor Allem in die Meinige, »ics eingeschrieben haben, noch viele andere folgen zu lassen — da» ist mein lebhafter und herzlicher Wunsch, und das wünscht mit Mir Meine Armer, die heute auch mit Stolz daran gedenkt, daß sie den Namen eine- Ihrer Söhne aus den Ehren- taseln der Gefallenen sührt. Berlin, den 17. März 1881. Ew. Königlick-rn Hoheit treu ergebener dankbarer Vetter Wilhelm. Kurz vor seiiier Vertagung hielt noch der BundeSrath (und zwar am Donnerstag) eine Plenarsitzung ab. Auf der sehr umfangreichen Tagesordnung stanven u. Ä. eine Vorlage, betreffend die Besoldung der Mitglieder der Commission zur Ausarbeitung deS Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs, die Beschlußfassung über die Vorlage, betreffend den Entwurf eines Gesetze« wegen de« Beitrags deS Reichs zu den Kosten deS Zollanschlusses von Hamburg, ferner der Bericht deS 3., 4. und 7. Ausschusses, betreffend den Zollanschliiß der Unter- clbe, mündlicher Bericht des 3. Ausschusses, betreffend die Vorschriften über die Verwendung von Wechselsteinpclmarken, mündliche Berichte des 3., 4. und 7. Ausschusses über die Ausführung deS ZellanschlusscS von Hamburg, über die AuS- sührungSvörschristcn zum Gesetz über die Neichostcinpelabgaben und über die Resolution deS Reichstag«, betreffend die Kosten deS Zollanschlusses von Altona. Man schreibt un» aus Berlin: Aus Grund bester unS soeben zugczangener Informationen können wir mittheilen, daß die RcichSlag-wahlen nicht im September, sondern erst im Oktober stattfinden werden. Ein ganz fester Entschluß über den Termin selber ist noch nicht gefaßt, doch liegt Anlaß zu der Bcrmuthuug vor, daß der Wahltag nicht in den Anfang und nicht in daS zweite Drittel des Oktober fallen wird. Die telegraphische Meldung von einem Dankschreiben, welche- Fürst BlSmarck einem conservatidc» Vereine zu Nürnberg hat zugehen lasten, scheint zu beweisen, daß die halbossicielle Mittheilung d«S „Staatsanzeigers". eS würden dem Reichskanzler während seiner Curzeit m Kissingen keinerlei amtliche oder außeramtlickc Schriftstücke vorgelegt werden, nicht allzu wörtlich zu verstehen ist. Wenn es sich um die Wahlen handelt, und um die drehen sich ja die Resolutionen der conservativen, christlich-socialen und antisemitischen Vereine und noch mehr die Antwortschreiben de« Kanzlers, so wird man schon eine Ausnahme zulasten. Graf Wilhelm Bismarck, der ja nach Paul Lindau (s. „Pester Lloyd") im täglichen Um gänge mit seinem Vater ununterbrochen „aus den höchsten Gipfel menschlichen Erkennen»" wandelt, wird schon die richtige Auswahl treffen können. Die Nachricht der Prager ..Politik", daß Fürst BiSmarck dem Baron Haymerle den Wunsch zu erkennen gegeben habe.
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