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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188107155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810715
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810715
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-07
- Tag1881-07-15
- Monat1881-07
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1881
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Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. Nkdaction und Lrpeditto« JohanneSgasse 33. Sprechstunden der Kedactiou: vormittags 10—12 Uhr. Nachmittag» 4—k Uhr. WNr «, Ni»,,»« »«che stch »L «ed-cti»» »Ich« »att^it» Annahme der für Ute uSchftsnlgend« R«««er üeftt««ten Juserat« an Wochentage« dl« S Uhr Nachmittags, u« Gauu- n«h Kefttugen früh ht«'/,» Uhr. 3u de» Filialen fir Ins.-Annahme: Ott« klemm, UniversitätSstraße 22, Laut- L-sche, Kathorinenstraße 18, p. nnr üt» '/,8 Uhr. eipMtr.TaMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage!«,»»». Ld«»»e«e»t»rrri, viertelt. 4V, Mu. >. incl. Vriugrrlohn b Mk» . . durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 2b Pf. Brlegerrmplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» «h«e Postbesürderung 3S MI. - »tt Postbesürderung 48 ML Inserate Sgrspaltene Petitzeile SO Pf. GrShrre Schriften laut unsere« Prrts- verzeichnih. Tabellarischer Satz nach höhere« Tarif. Keltaruen unter den Urdarti»u»ßrich die Spaltzeilr SO Ps. Inserate sind stet» an die «xpetzttta« zu seaden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenuweranäo oder durch Post- nachnahme. 198. Freitag den 15. Juli 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Durch unsere Bekanntmachung vom 6. August v, I. sind die damals aufgekommenen GaS-Lpar-Apparate ihrer Gefährlichkeit wegen verboten worden. Nachdem jedoch die Fabrikanten solcher Apparate, Herren ManSseld <L Jseler in Reudnitz, Verbesserungen daran an gebracht und sich erboten haben, die Fiillung selbst zu besorgen, wodurch die in dem unvorsichtigen und ungeschickten Umgehen mit dein Füllmaterial liegende hauptsächlichste Gefahr ver mieden wird, so haben wir auf Grund von Gutachten Sach verständiger den Herren ManSseld L Jseler die Verwendung der gedachten Apparate unter den zu Vermeidung von Unglücksfälleu nöthigcn Beschränkungen bis auf Widerruf gestattet. Indem wir Die» hierdurch bekannt machen, verfügen wir zu Jedermann- Nachachtung Folgende-: 1. Die Apparate werden als Vcstandtheile der GaS- einrichtungcn angesehen, und eS finden daher alle über die Gasleitungen und deren Controle bestehenden oder noch zn treffenden Bestimmungen, insbesondere daS Regulativ über Audsührung von GaSrohrtcitungen und Gasbclcuchtung»- anlagen vom 2. März 1863 auf die Apparate volle An wendung. 2. Veränderungen an den Apparaten dürfen ohne be sondere Erlaubniß der Dircction der Gasanstalt nicht vor genommen werden. 8. Apparate, welche mehr als 5 Liter Füllmaterial fassen, dürfen nur in Localen ausgestellt werden, in welchen so viele Gasflammen angebracht sind, daß 5 Liter Füllmaterial für einen Abend nicht au-reichen. Apparate von mehr als 10 Liter Inhalt dürfen nicht verwendet werden. 4. Die Apparate dürfen nur in Räumen ausgestellt werden, welche vom Tageslicht erhellt sind und durch Fenster oder sonstige Oeffnungcn gut ventitirt werden können. Oesen oder andere Feuerungsanlagen dürfen in der Nähe der Apparate sich nicht befinden. 5. Die Füllung der Apparate, da» Ablassen de» in den selben sich sammelnden Wäger», sowie die Ocfsnung der in der Regel verschlossenen Blechkapsrl» welche das Ftü sigkeits- StandglaS umgiebt, darf nur von den Herren Manöseld ch Jseler, oder deren von ihnen zu vertretenden Beauftragten vorgenommen werden. G. Da» Füllmaterial darf weder in den Räumen oder den Gebäuden, worin die Apparate stehen, aufbcwahrt werden, noch überhaupt in Gewahrsam der Inhaber der Apparate sich befinden, ist vielmehr von den die Füllung besorgenden Personen jcdeSmal mit zur Stelle zu bringen. 7. Die besonder» nn Winter nöthige Erwärmung der Apparate darf niemals mittels Flamme geschehen, sondern nur durch erwärmte, um die Apparate zu stellende Ziegelsteine, von denen jederzeit 2 bis 3 Stück bei jedem Apparate bereit gehalten werben müssen. 8. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bi» zu 60 Mark oder Hast bis zu 14 Tagen geahndet werden. tt. Die Rücknahme beziehentlich Versagung der Erlaubniß zum Anbringen und zur Benutzung von GaS-Spar-Apparalcn bleibt nicht nur im Allgemeinen Vorbehalten, sondern auch be züglich einzelner Personen oder Räumlichkeiten, welche zu Bedenken Veranlassung geben. Leipzig, am 6. Juli >881. Der Rath -er Stadt Leipzig. cgi. Eiche vr. Georc horiu». Bekanntmachung, die staatliche Einkommensteuer -etr. In Gemäßheil d«S Finanzgesetze- vom 8. März vorigen Jahre- und der Ausführungsverordnung dazu von demselvcn Tage ist der zweite Termin der diesjährigen StaatSeinkvmmen- steuer am IS. Juli dieses Jahre» ;« einem Dritttheile de» GesammtbetrageS fällig Die hierorts Steuerpflichtigen werden deshalb ausgesordert, ihre Steuerbeträae ungesäumt und spätestens binnen drei Woche«, von dem Termin ab gerechnet, an unsere Stadt- Steuereinnahme, Brühl 51, 2. Stock, bei Vermeidung der nach Ablausi dieser Frist gegen die Säumigen eintretenden gesetzlichen Maßnahmen abzusühren. Leipzig, den 6. Juli 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi.Roch. Bekanntmachung, die Beiträge zur Handels- und Gewerbekammer betreffend. Mit dem am IS. Juli diese» Jahre- fälliqcn zweiten Termine der staatlichen Einkommensteuer ist zu Folge ergangener Verordnung de- Königlichen Finanz ministeriums vom l. vorigen Monat« behusS Deckung dcS AusnxmdeS der hiesigen Handel», nnd Gewerbekammer von den betbeitigten Handel- und Gewerbetreibenden ein Beitrag für die Handelskammer «ach Höhe »oa Bier Pfennigen und für die Gewerbekammer «ach Höhe vo» Zwei Pfennige« ans jede Mark desjenigen Steuersätze», welcher nach der im Eikommensteuergesetze enthaltenen Scala auf da» in Spalte ck de» Einkommensteuerkatasters eingestellte Einkommen der Bei traaSpflichtigen entfällt, zu erheben. Diese Bekanntmachung gilt al» legale Benachrichtigung der Beitragspflichtigen. Den betheiligten Steuerpflichtigen wird bei Abführung der Einkommensteuer an der Einnadmestellc Eröffnung über den entfallenden Betrag gemacht werden. eS ist ihnen jedoch auch unbenommen, gedachten Beitrag sich von heute ab an Ein- nahmestclle bekannt machen zu lassen. Der Betrag ist bt««e« drei Woche«, von dem Ter mine ab gerechnet, an unsere Stadt-Steuereinnahme, be Vermeidung der sonst eintretenden gesetzlichen Maßnahmen, abzusühren. Leipzig, den S. Juli 1881. Der R«th der Gl«d1 Leipzig. vr. Georgi. Loch die katholische Kirchenanlage betr. Zur Deckung des Bedarfs für die römisch-katholischen kirchen der Erbtande ist für da» lausende Jahr eine Parochial- antage nach Maßgabe der Verordnung vom 4. April 1879 in )vbe von Zwanzig Pfennige« von jeder Mark de» normal- mäßigen Einkommensteuersatzes am IS. Jnlt diese» Jahre» zu erheben. Die hierzu beitragspflichtigen katholischen Glaubensgenossen werden andurch ausgesordert, ihre ZahlnngSpflichl bei unserer Stadt-S teuerem,,ahme, Brühl 5l, binnen drei Woche», von dem Termine ab gerechnet, zu erfüllen, widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen die Restanten das vorgeschriebcne BeitrcibungSverfahren emzulciten ist. Leipzig, den 6. Juli 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Bekanntmachung. Nach alter Vorschrift ist eS hier bei Strafe verboten, Blumentönfe, Gläser oder andere Sachen ohne gehörige Verwahrung durch Gitter oder eiserne Stäbe — nicht Traht, Schnüre oder Bindfaden — vor den Fenster« aufzustellen, und zwar sowohl »ach den Straßen heraus, alS »ach den Höfen. Bereits unterm 26. Juli 182» hat der Rath diese schon damals bestehende, aber nicht gehörig befolgte Bestimmung unter Verweisung auf die „ganz unverantwortliche Unvorsichtigkeit", welche durch da» Ausstelten solcher Sache» ohne Verwahrung begangen werde, eingeschärst und Zuwiderhandlungen mit 5 Thatcr, nach Befinden höherer strafe bedroht. Seitdem ist die gedachte Vorschrift vielfach erneuert worden und eS ist inmittelst die Bestimmung in tz 366, 8 de- Straf gesetzbuch» hinzugetrcten, wonach mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder Hast bi» zu 14 Tagen zu bestrafen ist. wer nach einer öffentlichen Straße oder Wast -- straße oder nach Orte« hinan», wv Menschen zu Verkehren pflegen. Sachen, durch deren Umstürzen oder Herabsallcn Jemand beschädigt werden kann, ohne gehörige Befestigung aufstellt oder aufhängt, oder Sachen auf eine LÜcise auSgicßt oder aus- wirst, daß dadurch Jemand beschädigt oder ver unreinigt werden kann. Testen ungeachtet sind neuerlich wieder zahlreiche Zuwider Handlungen, darunter viele Fälle, in denen Blumentöpfe aus die Straße herabgcfallcn sind, bei unS zur Anzeige gekommen. Dir bringen daher die vorgcdacbtcn Bestimmungen zu strengster Nachachtung mit dem Bemerken hierdurch wieder holt in Erinnerung, daß wir mit Rücklicht auf die Gefährlich keit der fraglichen Uebcrtrckuug dieselbe jederzeit unnach- sicbtlich mit Geldstrafe bis ;n <»tt Mark oder Haft biö zu 14 Tage« ahnden werden. TaS Strafgesetzbuch geht weiter, als die hiesige polizeiliche Vorschrift, indem c» auch die Fälle unter Strafe stellt, in welchen Gegenstände im Innern der Gebäude an den Fenstern ohne genügende Befestigung so ausgestellt werden, daß sic auf die Straße herabsallcn können. Daher ist die so vielfach gebrauchte AuSrede hinfällig, daß ein herabgcfallener Blumen tops nicht vor dem Fenster, sondern nur am Fenster gestanden habe und durch Zugwind oder Sturm, durch Unvorsichtigkeit der Kinder, durch zufälliges Zuschlägen eine» Fensterflügels und dergleichen hinauSgeworscn worden sei. Für die Befolgung der bestehenden Vorschrift ist. wie hiermit bestimmt wird, der Inhaber der betreffenden Woh nung und, wenn diese eine Familicnwohnung ist, das Haupt der Familie verantwortlich. Wird durch da» Herabsallcn eine» Blumentöpfe» oder anderen Gegenstände» Jemand verletzt, so bewendet eS nicht bei der polizeilichen Bestrafung, sondern die Sacke ist an die König!. Staatsanwaltschaft zur Entschließung wegen crimineller Bestrafung abzugeben. Leipzig, am 5. Juli 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Die Zinsen der g-rege'schea Stiftung zur Belohnung treuer nnd unbescholtener Dienstboten, welche mindestens 20 Jahre hindurch bei einer oder doch nur bei zwei Herr schaften in hiesiger Stadt im Dienste gestanden haben, sind am 30 August d. I. in Beträgen von mindestens 30 Mark zu vertheilen. Empfangsberechtigt sind nur wirkliche Dienstboten, d. h. solche, welche zur ausschließlichen Leistung häu-licker Dienste gedungen sind und bei der Dienstherrschast Wohnung und Kost haben. Bewerbungen sind bis zum 31. Juli d. I. unter Bei sügung von Zeugnissen der Dienstherrschaften bei unS anzu bringen. Spätere Anmeldungen sowie Bewerbungen von Dienstboten, welche au» obiger Stiftung bereit» einmal belohnt worden sinv, können nicht berücksichtigt werden. Leipzig, den 28. Juni 1881. Der Rath -er Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Bekanntmachung. Die Maurerarbeiten für die hiesige königliche Gesäusene« Anstalt sind vergeben, iva» den nicht zu berücksichtigen gewesenen Bewerbern hierdurch erSffnet wird. Leipzig, am 14. Juli 1881. st. Landbauamt nnd st. Vanvertualtrrri. Nauck. Schurig. Bekanntmachung. Dir Beitragspflichtigen unserer Gemeinde, welche mit ihrer die», jährigen Steuer noch im Rückstand« sind, werden hierdurch an Ent richiunq derselben erinnert. Leipzig. 15. Juli 1881. Der v«rfta«d der JSraeltttsche» >eli»tau»<emei«d« zu Leipzig. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 15. Juli. Der Wahlkampf in Berlin, sonst für da» übrige Deutschland — da die ReicbSbauplstadt sich al» unfähig erwiesen hat, die politische Führung de» deutschen Volke» zu übernehmen — ohne sonderliche Bedeutung, scheint diesmal ür die Gesammtstclluiig unserer politischen Parteien von Wichtigkeit werden zu wollen. lleb-rall hat man die Vorgänge der letzten Wochen, die Spaltung im Lager der CentrumSpartei und den Anschluß der Freiconservativen an die eo»servativ - klerikale Agi tation als bedeutsame politische Ereignisse ausgcsaßt. Ob die Cremer'sche Secession für den Bestand der EciilrumSpartei im Ganzen irgendwelche nennenSwerthe Folgen haben wird, ist freilich noch sehr zweifelhaft. Anders steht eS mit der neuesten Taktik der freiconservativen Partei. Die Au»- lassungen der „Post" bestätigen nur, was nach dem nru- lichcn Auftreten de» Herrn v. Zedlitz-Ncukirch in einer antifortschrittlichen Versammlung für Niemanden mehr zweifelhaft sein konnte. Herr v. Zedlitz ist eine» der tüch tigsten und einflußreichsten Mitglieder der freiconservativen Partei im preußischen Abgeordnetenhausc; zugleich ist er vöhcrcr Beamter. Man durfte also annchmcn, daß er den Schritt, von dem wir reden, mit gutem Bedacht, mit voller Rücksichtnahme aus die von seiner Partei ei»zunehmende Stellung tbat. Jetzt bestätigt da» Organ der Partei, daß die Zcklitz'sche Wahlpolitik die der Freiconservativen überhaupt ist. Und diese Politik ist thatsäcblich nicht- An dere». als die Verbindung der sreiconser- vativcn mit der extrem - conservativen oder besser gesagt: mit der reactionairen Agitation. Wenn man sich Anfang» bemühte, die Sache so darzn- Icllen. als bezwecke der Eintritt der Freiconservativen in die „antifortschritlliche" Allianz nicht etwa, jene Agitation einfach zu unterstützen, sondern vielmehr, sie m andere, der frci- conservativen Richtung entsprechende Bahnen zu leiten, so mag e» ja wohl unter den Freiconservativen immerhin sonder bares Schwärmer gegeben haben, die dergleichen im guten Glauben behaupten konnten; sie habe« jetzt ihren Jrrthum eingoseben. Herr v. Zedlitz selbst kann sicher von vornherein nicht darüber im Zweifel gcivesen sein, daß der von ihm ge- tbane Schritt eine grundsätzliche Veränderung der bisherigen Stellung seiner Partei in sich schließe. Selbstverständlich find wir nickt der Meinung, die Freiconservativen hätten in Berlin für die Eandid'atcn der Fortschritt-Partei stimmen sollen. Aber zwischen Ablehnung der fortschrittlichen Eandi- katurcn und diesem in der ausfälligsten Form vor den Augen der Welt bekundeten Zusammengehen mit den Herren Stöcker, Hciirici. Ercmer, Licbcrniann, und wie sie sonst heißen, ist ein himmelweiter Unterschied. DieS Zusammengehen bedeutet einfach, daß die srciconservative Partei sich ihre» Charak ters als gemäßigter Mittclparlei entkleidet und in da» Schlepptau einer extremen Agitation be- giebt; öS bedeutet ferner, daß sic aus die Erhaltung der Grundlagen unserer freisinnigen Gesetzgebung zu Gunsten rcaclionairer Bestrebungen verzichtet. Die Hoffnung, daß zum Mindesten ei» ansehnlicher Theil der Freiconservativen die Evolution des Herrn von Zedlitz nickt mitmachcn würde, ist nach der so überraschenden Rechtsschwenkung de» Partei- blatteS säst ganz ausgeschlossen. Wie dem aber auch sei, aus jeden Fall ist die Lage der freiconservativen Partei durch den in Rede stehenden Vorgang wesentlich verändert. Die „Provinzial-Corrcspondenz" behandelt, wie schon in telegraphischer Kürze berichtet wurde, in einem längeren Artikel den „Berliner Vertrag und die griechisch- türkische Grcnzsrage", in welchem daS halbamtliche Organ eine historische Uebersickt über den verlaus der be treffenden diplomatischen Verhandlungen giebt. Bezugnehmend ans die letzten identischen Noten der Großmächte an die Türkei nnd Griechenland, in welchen erklärt wurde, daß die letzten Beschlüsse der Botschafter betreffs der an Griechen land abzutretenden Gebiete atS eine von „Europa ge troffene Entscheidung" anzuschen seien — schließt die „Prov.-Eorr." ihren Artikel wie folgt: Beide Mächte nahmen diese lebte und seierliche Willenserklärung an, in welcher zugleich mitgetheilt wurde, daß die Vertreter jdcr Großmächte in Konstantin»;»«! zum Abschluß «ine» Vertrages er mächtigt seien, wodurch der Zcitpiinct und die Art und Weise de« Vollzuges der zu treffenden Vereinbarungen festgesetzt werden sollten Hierauf bezügliche Tonvenstone» wurden nach dem Austausch wei> terrr Noten zwischen der Psorte und den Botschaftern am 14. Juni nnd zwischen der Pforte und Griechenland am 2. Juli unterzeichnet. Inzwischen hat die thatsächliche Uebergab« der hierdurch abgetretenen türkische» Gcbietslheile unter Aussicht und Leitung einer europäischen Commission am 3. Juli in friedlicher Weise mit der Besetzung von Punta in EviruS durch griechische Truppen begonnen. Am 7. Juli solgte der Einzug der Truppen in die Tag- zuvor von den Türken geräumte Siadl Arta. Die fernere friedliche Abwickelung der Grenz berichtigung ist mit Sicherheit zu erwarten. Und so kann man heute nach drei Jahre« mit dollem Recht aussprechen, daß der Berliner Vertrag nicht nur in einem seiner schwierigsten Punctc, der gricchisch-türkischen Grenzsrage, sondern überhaupt al» Grundlage der friedlichen Beziehungen zwischen den Mächten Europa- die Probe glücklich bestanden hat. DaS all gemeine FriedenSbedürsniß hat allmälig in und mit dem Berliner vertrage seine Befriedigung gesunden, so daß die Hostnung nicht unberechtigt erscheint, der Vertrag werde auch seiner in Bezug auf die noch ossengedaltene« Fragen wie in seiner allgemeinen Bedeutung sich all da« Band de« gegenseitige« Vertrauens zwischen de« europäische« Mächten bewähren. Mil der Ernennung de« Herrn v. Radowitz rum deutschen Botschafter in Konstantinopel, die al» beschlossen gelten kann, tritt die Frage seiner Nachfolgerschaft aus dem Ge sandtschaft-Posten in Athen in den Vordergrund. Diese Stelle ist schon längst nicht mehr der unwichtige Ruheposten sur ältere oder der DurchgangSpunct für jüngere Diplo maten. al« welcher sie vor dem letzten russisch-türkischen Kriege angesehen wurde, vielmehr wird Fürst BiSmarck di« Bedeutung derselben aller Voraussicht nach dadurch aner kennen. daß er eine, dem abtretenden Herrn v. Radowitz eben bürtige Kraft bei dem Hose de» König» der Hellenen be glaubigt. TaS Gerücht ist in engeren diplomatischen Eirkcln oereit» geschäftig genug, die Namen der möglichen Eandidaten zu sichten und unter ihnen Diesen oder Jenen al» den Mann der Wahl de» Reichskanzler» zu bezeichnen. Wir glauben aber, dev Wahrheit zu entsprechen, wenn wir bemerken, daß eine solch« schon bezeichnet« Persönlichkeit nicht existirt und daß diese Personensrage schwerlich zur Entschei dung gebracht werde» wird, bevor nicht Fürst BiSmarck von seinem Sommeraufenthalt zurückgekehrt ist. Auch Herr v. Radowitz dürste kaum eher al» in einigen Wochen in der 'age sein, seine Beglaubigungsschreiben al» Nachfolger de- Nrasen Hatzseldt in Konstantinopel zu überreichen. Leider cheint e» nicht, al» ob er au» Athen die Genugtuung mit ortnrhnien solle, ein deutsche« FricdcnSwerk, an welchem alle Gebildeten der Nation warmen Antheil nehmen, zum glück lichen Ende geführt zu haben. ES handelt sich darum, die friecbische Regierung zu bewegen, daß sie, über den Inhalt e« Olympiavertrages bmau». einige der ausaesundenen Statuen an Deutschland geschenkweise oder gegen Kauf über- asie, un, hierdurch dem Lande sich erkenntlich zu zeigen, da» elbstlo» und opferbereit da« große Werk der olympischen Ausgrabungen unternommen. Bisher hat man sich aber diesem Ansinnen gegenüber in Athen ziemlich kühl verhalten. vom Lech wird der „Allg. Ztg." geschrieben: „Der Münchener (Korrespondent der „Perseveranza" berichtet diesem I statt unter dem 8. d. M.: „Trotzdem daß die osficiösen ! Zlättcr, wie auch die „Alla. Ztg.", eS in Abrede stellen, daß der CultuSminister v. Goßler nach Kissinaen gereist se>, um mit de», Fürsten BiSmarck über den Eulturkamvf zu verhandeln, kann ich Ihnen meinerseits verbürgen, daß der Besuch Goßlcr'S beim Fürsten BiSmarck keinen anderen Zweck bat, al« über gewisse Schwierigkeiten, die sich in den Unterhandlungen mit dem vatican seit der Abreise de» großen Kanzler» von Berlin, gerade am Vorabend der Wahlen, erhoben habe», mit ihm ,n Berathuna zu treten, da BiSmarck sehr daran gelegen ist. sich die Ultramontanen geneigt zu stimmen. Sie werden in der That bald von der Ernennung eine» neuen Bischof» hören, und so wird e» fvrtgehen «ach dem Sprich wort: „6bi v» piano va rano s r» lcmtano." (Zu deutsch: „Erle mit Weile!" D. R. v.iL.T.) Im Uebrigen hat drrEulturkampf, wa» man auch GegcntheiligcS behaupten möge, seit einigen Monate» an Heftigkeit nachgelassen und e« ist Hoffnung vorhanden, daß diese Frage binnen kurzem zum AuStrag gebracht sein wird, waS ja eben so sehr im Interesse der Regierung wie de» BaticanS liegt. Der Umstand, daß Msgr. Roncetti, der »Lpstliche Nuntius in München, gegenwärtta in Rom «eilt» teht mit den im Zuge befindlichen Unterhandlung» über die Ernennung der in Preußen noch fehlenden SussraganbischLf« und mit den weiteren Berathungen über die bevorstehende Abänderung der Maigesctze nicht außer Zusammenhang." Bestätigung bleibt abzuwartcn. Wenn noch Jemand daran zweifeln könnte, daß die Neu besetzung höherer Verwaltungsstellen, wie sie in üngsier Zeit mehrfach vorgekommen ist. lediglich dem con- crvativcn Partcnntercffe dienen soll, so muß er sich jetzt durch da» eigene GestLndniß eines der betreffenden Herren überzeugen lassen. Der neu ernannte Regierungspräsident von Magdeburg» Herr v. Wedell-PieSdorf, der in rüherer Zeit einmal Landralh gewesen, seit Jahren aber aus dem Staatsdienste au-geschicden war, hat am vorige» Sonnabend in einer Wäblcrversammlung in Artern offen erklärt, daß eö ihm als Landwirth und Industriellen schwer geworden sei, den Antrag der Staatsregierung, Regierungs präsident in Magdeburg zu werden, anzunehmen, doch Hab« er eS für eine patriotische Pflicht und ersprießlich für da» Parteiinteresse gehalten, den Rus nicht abzulcknen. Die Art, in welcher Herr Stumm in Neunkirchen die Bekämpfung der Socialdemokratie betrieb, ist in der letzten parlamentarischen Session wiederholt Gegenstand lebhafter Er örterungen gewesen und sie hat auch aus solcher Seite, aus welcher inan der socialistischen Bewegung mit Energie be gegnet zu sehen wünscht, Mißbilligung erfahren. Jetzt hat Herr Stumm auch die Gewerkvcreinr proscribirt und init Bezug daraus «ine Reihe von Geschäften und Wirth- schastcn in die Acht erklärt. Die Ansichten über die Vorzüge oder Mängel der Gewerkvereine mögen gethcilt sein und wir haben nicht den Berus, für dieselben einzutreten; wir wollen auch abwarten, wie da» Vorgehen de» Herrn Stumm au» den örtlichen Verhältnissen begründet wird. Aber wir können doch nicht verhehlen, daß die Sache ein zienilich bedenk liche» Aussehen hat. Bon der wirthschastlichen Abhängigkeit de» Arbeiter» vom Arbeitgeber kann leicht nn Gebrauch ge macht werden, der nicht nur einen unstatthaften Eingriff in die politische Freiheit und in da» Selbstbestimmung-recht de» Arbeiter- darftrllt, sondern auch zugleich Mißtrauen und Haß erzeugt und die Arbeiter, anstatt sie vor dem Einfluß anarchi scher und revolutionairer Einflüsse zu bewahren, denselben erst recht zusührt. Herr Stumm, einer der Haupttonangeber der neuen Socialpolitik wird die Arbeiter von den wohl wollenden Absichten derselben nur schwer überzeugen, wenn er sic einem politisch - wirthschastlichen Bevormundungssystem unterwirft. Sie werden leicht zu der Ansicht gelangen, daß die« der Geist der geplanten Reformen sei, und dafür werden sie sich wohl bedanken. ES ist vielfach ausgefallen, daß über die Ursache de» Un glücks bei den Grcinvenzer Schießversuchen bi» jetzt amtlich nicht da» Mindeste >n die Oeffentlichkeit gedrungen ist. Wir e» heißt, hat di« Untersuchung die Schuld mehrerer betheiligter Militair» ergeben. Bei der Erörterung der Frage» ob eine Vereinigung aller liberalen Richtungen unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich und wünschenSwerth sc,, wird der eigentliche Kern der Sache zumeist verdunkelt. Daß sich die Stimmen der verschiedenen liberalen Parteien je nach den Verhältnissen aus einen Wahlcandidaten vereinigen können, ist ja auch nicht auSgeschlosien, wenn eine Vereinigung behusS gemeinsamer parlamentarischer Action nicht herbngesührt wird. In dieser Beziehung haben wir abc? bisher noch Nicht- von der Hand wahrgenommen, welche die Fortschritts partei den Nationalliberalen entgrgengestreckt haben soll. Statt dessen sahen wir die Frage mit geschickter Dialektik verschieben und den Nationalliberalen eine Hand entgegen- halten nicht zur Verständigung, sondern um di« National- liberalen zu fesseln und zum Fortschritt hinüber zu ziehen. Eine solche Hand zu ergreifen werden sic sich sicherlich nie mals entschließen. Die Pariser Tagespreise liefert wahrhaft erheiternde Proben sranzvsischer Eolonijation-politik und die Krage, ob Mrlitair- oder Eidtlregieruna in Algier vorzuziehen sei. ist immer noch an der Tagesordnung Eigentlich kommt e» wohl weniger darauf an. ob ein Eivilist oder ein Militair an der Spitze der Eolonie steht, al» daraus, daß nach vernünftigen, ehrlichen Grundsätzen regiert wird. Gerade gegenwärtig, wo ein großer Theil de» Lande» in offenem Ausstande ist, wäre allerdings dem General wohl der
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