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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188107161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810716
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810716
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-07
- Tag1881-07-16
- Monat1881-07
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1881
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« »' Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. Nel«k1ion und Lrpkditii» Johonne-gasse 33. Lurtchüundeu der Urdactiou: LormittagS 10—13 Uhr. Nachmittag« 4—6 Uhr. «« LiMgerIllMM Uuuah«, »er für »te «tchftf«l>e»de N»««er »eftt««t»» Inserate a« Wackeuta«»» «« t Uhr Nach»tt»aa«, an L««u-««» gefttaue« früh »t« <,S Uhr. I« den FUialn, für Ins.-Annahme: Ott» Kle»«, Universität-straße W. ö»»iH Lüsche» Katharinenstraße IS, p. »ur »t» '/,» Uhr. Anzeiger. V»fs>gl LS,V»G. »iertrlj. 4'/, gerloh» b Mk„ ^ st bez^e» « ML ' Nrmmrr 28 Ps. geremplar 10 Vs- Gebühre» für Extrabeilage» Oh»« Postbesärderung SS ML »tt Poftbestrderuug 48 ML Jukrutk Saespaltene Petitzeile >0 Pf Größer« Schriften lant »»sere« Preis- Verzeichnis. Satz nach höherem Paris. Organ für Politik, socalgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Kerl««» »uter de, Nedartionrstrich dt« Spaltzeile 80 Ps. Inserat« sind stell an die Erpe-ttta« z» senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praonumenuuio oder durch Post nachnahme. 1S7. Sonnabend den 16. Juli 1881. 75. Jahrgang. Jur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 17. Juli, Bormittags nur dis j-S Uhr geöffnet. LxpvSItlov Ses I^elprlxer Vaxedlattes. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Da- 17. Stück dcS diesjährigen Rcich-gesetzblatteS ist bei «n» eingegangen und wird -iS zun» L. August diese- Jahre- auf dem Rathhau«saale zur Einsichtnahme öffentlich auSHLngen. Dasselbe enthält: Nr 1436 Gesetz, betreffend die Erhebung von RcichS- stempelabgaben. Vom 1. Juli 1881. Leipzig, den 12. Juli 1881. Der Rath -er Stadt Leipzig. —vr. Äeorgi.Stoß. Bekanntmachung, Behufs weiterer Ausführung de« tz. 8 Abs. S unsere« Regulativ« vom 24. vor. Mon., die Einrichtung und Nein- Haltung der pneumatischen Bierdruckapparate in Leipzig betr., haben wir zu Erreichung größerer Gleichmäßigkeit und Ucbcr- sichtlichkeit der über die vorgenommenen Reinigungen der Bierrohrleitmrge« zu machenden Einträge in die von den betreffende» EHanMtten-Jnhabern zu führenden Revisions bücher und. weil vielfach Anfragen über di« Beschaffenheit und Bezugsquelle solcher Bücher an un« gerichtet worden sind, Revmon-bücher anferligen lasten, und ordnen hiermit an, daß sich die Wirthe nur dieser in unserer RäthSwache um de» Preiö von 20 Pf. pro Stück verkäuflich«» Bücher bedienen dürfen. ' ... Leipzig, den 14. Juli 188l. Der Rath -er Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Kretschmer. Nichtamtlicher Theil. Leipzig. 16. Juli. Die „Augen der Welt" waren, um im Stile Victor Hugo'« zu reden, vor Kurzem auf das bulgarische Städtchen Sistowo gerichtet. ES vollzog sich daselbst daS Nachspiel der ncubearündeten neubulgarischen Herrlichkeit, der durch kolossale Opfer an Gut und Blut erkauften „Freiheit" und „Selbstständigkeit' diese- slavischen Balkanstamme«; die Er wählten der Nation haben daselbst gesprochen und dem Fürsten Alexander Alle« bewilligt, wa« zur LegaUsirung der gefor derten siebenjährigen Diktatur nach dem Erachten Seiner Hoheit nothwcndig war. Die guten Bulgaren haben nun hinlänglich erfahren, wa» eö heißt, von Rußland eine liberale Verfassung geschenkt zu bekommen. Wa» in Bulgarien unter dem Namen „Wahlen zur großen Sistowoer Nationalversammlung" vor sich ging, waren keine Wahlen, sondern eine Reihe wüster Tumulte, die offenbar angezettelt wurden, um dir Wuth der Liberalen und Radikalen, d. h. der Parteien, welche glaube», Bulgarien könne leichter den Battenberger als dir Verfassung ent behren, zu brechen und sie gefügig zu machen. Es hat sich herauSqestcllt, daß an allen Orten, wo man einen Sieg der verfassung-freund« vermuthete, bezahlte Skandalmacher er schienen sind, welche den Pöbel gegen die freisinnigen Wähler ausreizlen und Jeden durchprügeln ließen, der verfassungstreu wählen wollte. Eine Menge theil» trauriger, theil« ergötzlicher Geschichten über diese Art von „Wahlagitation", die alle amerikanischen Wahlskandale weit hinter sich läßt, sind im Umlauf. Es ist an einem Orte vorgekommen, daß die Wahlen, al« sie zu Gunsten der Verfassung ausgefallen waren, auf der Stelle wieder umgestoßen und von Neuem voraenommen wurden. Dir« wiederholte sich drei Mal, bi« endlich der Kandidat der Regierung „gewählt" war. An anderen Orten erfochten die Anhänger der Regierung ihren Sieg mit Prügeln, vielfach »nterstützt von den sogenannten Polizei-Husaren, gegen welche sich im ganzen Lande ein Sturm der Entrüstung erhoben bat, der in der verfassungstreuen Presse seinen Ausdruck findet. Man bescbwert sich in den heftigsten und bittersten Ausdrücken über die Regierung. Bemerken-werth ist. daß an allen Orten, wo dir Opposition siegte, sie auch Schwerverwundert aus zaweisen hat. Unter solchen Umständen darf man sich nicht wundern, daß die Regierung etwa eine Zweidnttel-Majorität in der Nationalversammlung gewonnen hat, und der Battenderaer konnte also annehmen, daß e« ibm gelingen werde, die ihm so lästige Verfassung abzuschütteln und an Stelle derselben seinen eigenen automatischen Willen zu setzen. Die Völker an der unteren Donau sind dann um eine Verfassung ärmer, aber auch um «me Erfahrung reicher; e« wird dann Niemanden mrhr geben, der nicht wüßte, wa« e« heißt, wenn Rußland einem Volke die „Freiheit" bringt. Von Rechtswegen — wenn man in russischen Angelegenheiten die» Wort überhaupt anwenden darf — müßte Rußland nun auch dafür sorgen, daß die Verfassung, die e« den Bulgaren ertbeilt hat. ausrecht erhallen werde. Aver diese Verfassung macht Herrn Jan atiess offenbar sehr geringen Kummer, und warum auch? Denn e< liegt doch klar zu Tage, daß diese Verfassung vo» Rußland nur gegeben worden ist. um wieder beseitigt zu werden. So haben wir die nicht überraschende aber merkwürdige Erscheinung, daß die bulgarische Regierung, indem sie die Verfassung beseitigt, im Einverständniß mit Rußland handelt, mit demselben Rußland, welche« di« Verfassung hat entiversen und m Kraft setzen lasten. Die Nationalversammlung, welch« auf die eben ve- schrieben« Weise zu Stande gekommen ist. hat nun dir ver- safiung beseitigt und da« constitutionrll« Regiment in ein absolutistische« verwandelt. Allein damit wird die bulgarisch« Frage noch nicht gelöst sein. Au» der ungeheuren Aufregung im Lande, au« den zahl lose» Tumulten und au« der Sprache der Presse geht hervor, daß da- Wahlresultat keineswegs Hie Gesinnung der Bevöl kerung darstellt. Wären die Wahlen frei und ohne terrori stische» Einfluß der Regierungspartei vor sich gegangen, so hätte sich zweifelsohne eine verfassungSsreundliche Majorität ergeben. DaS aber wollte man um jeden Preis verhindern und daher die Wahlskandale. Von Seiten der Mächte scheint man einen Widerstand vorauSzusehc« und deshalb wohl haben auch die Vertreter der europäischen Mächte dem Fürsten von Bulgarien erklärt, daß seine Person von den Mächten als „eine Garantie für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung und alS ein Unterpfand für die glückliche Entwicke lung Bulgarien-" angesehen werde. Wenn also die Bulgaren sich mit der Entscheidung der Nationalversammlung nicht be gnügen und dennoch dem Battcnberger Widerstand leisten oder ihn vertreiben würden, so dürften sie, wie au« jener Er klärung de- diplomatischen CorpS hervorgeht, eines Ein schreiten» der europäischen Machte gewärtig sein. Man fragt sich bei solchen Borgängen, worin nun eigent lich die Vorlhcile bestehe» solle», die den Bulgaren durch ihre Befreiung vom türkischen Joche erwachsen sind, und man wird zu dem Schluffe kommen, daß eine türkische Pascha- wirthschast auch nicht schlimmer sein kann, vielleicht nicht einmal so schlimm ist, als die Art und Weise, wie man bei Wahlen die Bulgaren tractirt hat. Jedenfalls werden sie alles DaS. wa» pe in diesen Tagen erlebt haben, »och lange in» Andenken «-behalte» und werden sich in späteren Tagen mit Wehmut- der kurzen Flitterwochen ihre« VcrsaffungS- lebcnS erinnern. Keiiie-wegö hat man einen Beweis dafür erhalten, daß die Bulgaren eine freisinnige Bcrsaffung nicht vertragen können: man hat nur den Beweis sur die gar mcht neue Erfahrung, daß die russische Politik nur mit absolutistischen, niemals aber mit konstitutionellen Formen sieb vertragen zu können selbst überzeugt ist. Die Stellung de- russischen Vasallen aus dem bulgarischen Throne ist damit allerdings noch nicht gefestigt und wer weiß, ob nicht koch noch da» zweideutige Wort BiSmarck'« in Er füllung geht. BiSmarck sagte zu dem Battcnberger, al» diescm dir bulgarische Krone angetragen wurde: „Nehmen Sie an; e» wird Ihnen eine schöne Erinnerung fein!" — Möglich, daß mit der Zeit dem jetzigen Fürste« nicht mehr bleibt' al« eine schöue Erinnerung; möglich auch, daß die Bulgaren sich zufrieden geben und sich wieder an die alte BersastongSlosigkeit gewöhnen. Wa- aber unter allen Um ständen bedeutend abnehmen wird, da« dürste da» Vertrauen der Bulgaren zu ihren ungebetenen Rathgebern, den russischen Diplomaten, sein. Die russischen Diplomaten sind dieselben Hüter für VolkSsreiheiten, welche etwa die Wölfe für «ine Schashcerde sind, und die Bulgaren, welche die- erst nach träglich einschen, werden sich bittere Vorwürfe machen, über die Natur russischer Freundschaftsbezeigungen und Geschenke sich nicht früher klar geworden zu sein. Man schreibt unS aus Berlin: Wahlkämpfe und kein Ende! Noch ist die LanttagSseision in weiter Ferne imd schon beginnt man in gouvcrncmcntalcn Kreisen mit der Thatsache zu rechnen, daß eS die letzte der GesetzgebnngS- pcriode sein würde, und daß eS auch hier gelte, „frisches Blut" in die Volksvertretung zu bringen, daS will sagen die conser- vativen Reihen in derselben zu verstärken. Welche Schritte zu diesem Zweck unternommen werde», welche Wahlparolen auSgegeben werden, und welches ihr Erfolg sein wird, das Alles, so wichtig eS ist und so bedeutungsvoll cS noch werdcn kann, tritt zunächst an Interesse zurück vor der Wandlung in den Anschauungen der Regierung, die dem gegenwärtigen Landtag nicht mehr die genügende Tragfähigkeit für ihre Projecte zutraut. Vor Allem fühlt sich Herr v. Putt- kamer in seiner neuen Stellung alS Minister de» Innern einigermaßen aenirt durch die augenblicklichen Parteicombina- tionen de- Abgeordnetenhauses; er ist zu der Uebcrzeugung gekommen, daß dieselbe starke Majorität, welche da» Eülcn- burg'scke Competenzgesctz ablehnte und die drei neuen KreiS- ordnungScntwürse schweigend im Schooße der Eommissionen begrub, von diesem ibr.n Verhalten wohl nicht abweichen werde, wenn die voraussichtlich viel entschiedener konservativen Vorlagen, die seinen Namen tragen, eingebracht werden; und er tritt, noch bevor der Kamps begonnen, den Rückzug an, indem er durch die NegierungSorgane andeuten läßt, daß die VerwaltunaSreform für die nächste Session werde ruhen bleiben müssen. In der Thal ist da« ein höchst verständiger Entschluß, durch welchen viele kostbare Arbeitszeit gespart, viele unfruchtbare Verbitterung verhütet und manche» Re nommee noch eine Zeit lang vor der Abnutzung bewahrt bleibrn kann. Wenn alle Mitglieder der Regierung die gleiche Enthaltsamkeit übten, wenn sie in weiser Voraussicht die Wahrscheinlichkeit parlamentarischen Gelingen» für ihre Pläne berechneten «nd Vorlagen unterließen, von denen sie vorher genau wissen, daß sie keine Resultate erzielen werdcn, so wäre da- ein Zustand, zu schön, als daß man hoffen könnte, er ließ sich wirklich inS Leben rufen. Einstweilen muß man sich damit begnügen, daß Herr v. Putlkamer allein so eine Art negativen parlamentarischen System« sich zurecht- gelegt hat und zwar nicht mit der Majorität, aber doch auch nicht gegen die Majontät zu regieren beabsichtigt. Nun fragt e« sich aber, wa« verlangt denn eigentlich er und seine Ministercollegen von dem neu zu wählenden Ab geordnetenhause? Worin läßt diese« plötzlich die Garantien vermissen, daß auch «in konservative« Regiment mit ihm a»S- komme? Ist nicht die Eisenbahnvcrstaatlichung mit dem gegenwärtigen Hause zu Stande gebracht worden? Hat nicht Gras Eulenburg H. sem BerwaltungSorganisationSgesetz durch zubringen vermocht? Hat der Finanzminister nicht von riner starken Majorität seinen Steuererlaß bewilligt erhalten? Und schloß nicht Herr von Puttkamer selbst die außerordentliche Session deü vorigen Sommer« mit einem Triumph seiner Politik (nach seiner Meinung wenigsten«). nämlich mit der Annahme de« FrirdenSgesetze«? Man sieht also, e« ist noch ein fruchtbare« Schaffen im Abgeordnetenhause möglich, aber wenn man die Reihe der Leistungen durchgeht, so fällt Eink auf, wodurch sie sich von allen mißlungenen und gelungenen Schrillen de« Reichstag« unterscheiden, nämlich daß über all der starken liberalen Minorität Eoncessionen gemacht werden mußten, daß keine« der zu Stanke gekommenen großen gesetzgeberischen Werke einer wirklichen canservativ - klerikalen Majorität seinen Ursprung ver dankt. daß namentlich die nationalliberale Fraktion sich, theilweise wenigsten«, den Einfluß zu wahren verstanden hatte, den sie früher »»»«geübt. Und Da« ist e», wa« die Blicke der Regimmg überdaS ^3^^'^^^Ager'hüü-nkt. weg bereit- sehnsüchtig auf de,, ^ic-präsident n welchem kem "atonalUber irgend dm.Sch.m «wecken °nn. ^L»ntt , hin in mehr be- den Schein erwecken kann, ms ^a sehr ernste rücksichtigt werden mußteES stnen ' w weil Perspectiven, d.c um kc.n ^.„ Entscheidung zeitlich die ReichStagSwahlcampagne . nips-r Stellung der -««- wch, »»» °i"m »»»,,. >mt »» «->'>»-» «-NU»,«-«»--- 7," NcvisionSidcen resignirt m ihren Mappen behalten. 8aß der Tcrmm zu den R-ich-tagSwahlen "och rech -.WM so viel wir wissen, d-n Soc.alvemokrc.ten Nicht «nmalm der Zeit der gröbste» Ausschreitungen be.gefall-n so gegcn v.e besitzende» Elasten als AnSsauger de« armen Mann-S aufzu- letzen, wie cS jetzt die konservativen Wahlflugblätter thun. Tie Liberalen haben, als sie am Ruder waren, den armen Mann ruinirt; jetzt sind sie >n d'- Opposition gegangen weil eS ihnen nicht gelungen »st, Minister zu werden Da« ist das Thema, welch«- die reaktionären Wahlartcke in allen Tonarten und mit möglichst grellen D.S- Harmonien variiren. Möglich, daß si« Glück damit haben und den Liberalismus zeitweilig verdrängen. Dann wollen wir sehen, wie sie die Bersvrechungen erfüllen, die sie heule dem armen Manne so verschwenderisch geben. -ü! r besorgen, die Herren Junker werden, wenn sie erst da« Heft iu Händen haben, den armen Mann sehr bald vergessen. Der arme Mann selber aber wird sehr bald erkennen, daß ihm wenig geholfen ist» wenn der Staat ihm pfennigweise zeyn Mark mehr abnimmt al« bisher, um ihm dann aus r>nmal vier Mark wieder zurückzugeben. DaS ist nämlich di« eustache Formel der heutigen slaatiicken Finanzweisheit, die alle großen Gegenstände de« Verzehr« und Verbrauch« belastet und dann drei Monatsraten von den untersten Stufen der Elasiensteuer erläßt und einen Staatsbeitrag zur Unfallversicherung wiste». Hinter diese Art von Fürsorge werden die Arbeiter sehr bald kommen, und wenn ihnen da« Wesen derselben klar geworden, werden sie über die neuen seltsamen Anwälte ihrer Interessen sehr bald zu einer radikalen Tagesordnung übergehen. Dir Arbeiter vergessen nicht so leicht, waS man ihnen versprochen." Die jesuitische „Germania" wendet sick mit großer Hef tigkeit gegen da« Juli ge setz. Während sie noch kürzlich die Verlängerung diese» Gesetze» als eine GewissenSpflicht der vrcußischrn Regierung bezeichnet«, ruft sie heule die katholischen Wähler auf, „ein Verbiet gegen diejenige Politik zu fällen, weiche da« Jutigesetz ersonnen bat". Bei diesen klerikalen Politikern darf man aus solchen Acußerungen noch nicht aus eine pessimistische Auffassung der Verhältnisse schließen. Bei ihnen ist Alle» Mache und Kampsmethove. Man glaubt augenscheinlich, Herrn von Goßler gegenüber stärkere An forderungen stellen zu können. Sollte derselbe indessen den Versuch unternehmen wollen, die utlramontancn Wünsche auch nnr nolhdürstig zu befriedigen, so würde auch er die Er fahrung machen, wie diese Wünsche sofort zunehmen und ihm schließlich über den Kopf wachsen. WaS die beabsichtigte Befestigung Kiel» betrifft, so ist eine definitive Entscheidung über den Termin der Aus führung noch nicht getroffen. ES handelt sick. zunächst um die Vorarbeiten für dieses Projekt, zu dessen Ausführung für» Erste 20 Millionen Mark erforderlich sein dürsten. Der AuS- sühruna selbst wird die endgültige Entscheidung über de» Nord-Ostfeecanat vorangchen müssen, weil dieser innerhalb de« »u bcsesNgenden Rayon» in den Kieler Hafen mündet, klebrigen» ist e< in militairischrn Kreisen schon seil längerer Zeit bekannt, daß Gras Moltke den Befestigungen von Son- derburg-Düppel keine strategische Bedeutung mehr beilegte und daß dir Bauten an denselben deshalb sistirt wurden. Die Be festigung Kiel« wurde aus Grund einer durch den Ehes de» Jngenieurcorp» General v. Biehler vorgenommenen Jnspici runadeS Terrain« beschlossen. Die neuliche Reise de« preußischen Kriegsminister« v. Kameke nach Coblenz hing dem Vernehmen nach mit den in Frage stehenden Veränderungen in einer Anzahl von ArmeecorpScommandoS zusammen. Es wird erwartet, daß wenigstens 2, vielleicht auch 3 der commandirenden Generale noch vor den Manövern aus ihr Ersuchen von ihren Stellen enthoben und durch jüngere Kräfte ersetzt werden. Neuer dings hat der Kriegs»,lnistcr einen einmonatlichen Urlaub an- aetrelen, welchen er aus seiner Besitzung Hohenfelde bei EöSlin genießt. In den letzt verflossenen Jahren haben die Wald brände innerhalb de« preußischen Staat« nach Zahl und Ausdehnung einen besorgnißerregenden Umsang ge« nommen. Allein in den königlichen Forsten sind 3V erhebliche Waldbrände im Laufe de« Jahre» 1880 vorgekommen. Hier- durch wird, wie der LandwirthschastSministcr vr. Luciu« in einem neuerding« erlassenen Eircular den Regierungsbehörden bemerk!,ch macht, der Verwaltung die Pflicht nahe gelegt, auf energische Handhabung der gesrtzlichen und polizeilichen Bor- beugungSmaßregeln hinzuwirken. Wahrscheinlich ist e« schon al» eine Folge dieser ministeriellen Vermahnung zu betrachten wenn jetzt, wie verlautet, zum großen Schmerze der ver gnügungssüchtigen Berliner daS Rauchen im Gruncwald und ,n anderen der Hauptstadt benachbarten Forsten gänzlich ver- boten w-rd«, soll. Fürst BiSmarck hat in seinem Sachsen- walde da« Rauchen schon seil Jahren verboten, ebenfalls au« Besorgnis vor Waldbränden. El-dtirol wird der Allg. Ztg." vom Mittwoch geschrieben: Heute traf die der liberalen Partei nicht un- '"""bin Aussehen erregende Nachricht rin. ö'd *,gotti rin gebürtiger Rovere- s^- österreichisch gesinnten Partei ange- ^ Ansuchen (!) mit kaiserlichem Handschreiben seine» Amte« enthoben wurde und den Eisernen L"ba?" D, (Anwartschaft auf die BarL""^ chaltcn hat. Da dessen verfassungstreue Gesinnung bekannt, und darüber, daß er gewissen klerikalen Größen ein Dorn im Auge, kein Zweifel war, bedeutet die« einen Systemwechsel in der autonomen Lande-verwaltung. ES werden al« Nachfolger der stark klerikale Graf Brandt», dessen gegenwärtige Ver hältnisse ihm eine solch« Stellung wünsckrn-werth erscheinen lassen. Ignaz Gwvanelli. der. ursprünglich da« Haupt der Extremen, seit er im föderalistischen Executivcomit» sitzt, mit taat-männischer Mäßigung Parade macht, und selbst vr. Rapp, der während der letzten LandtagSwahl für unmöglich galt, genannt. Der enthobene Landeshauptmann hat sich zwar nicht alS parlamentarische Capacität gezeigt, allein als unparteiisckcr. gewissenhasler. gefälliger AmtSleiter einen sehr günstigen Ruf erworben, und specrell in Wälschtirol wird sein Rücktritt bedauert." In dem Berichte de« Prager akademischen Senat« über die abgeschlossene DiSciplinar-Untersuchung wird die Be hauptung im Ausrufe de« EzechenclubS, daß die deutschen Studenten die Excesse provocirt hätten, direct al» Verleumdung erklärt. Die durchgesührte Untersuchung Hab« da» Gegentheil erwiesen. Selbst czechischc Studenten sagten an«, daß die Deutschen sie nicht hervorgerusen hätten. Erwiesen wurde ferner, daß Mitglieder de« czechischen akademischen Verein« in Kuchelbad ihre BercinSabzeichen einem Wirthe zur Aufbewahrung gaben und sich dann unter die Excedentcn mischten. AuS Rußland werden wieder einmal erheiternde Ding« gemeldet. Die Scnatoren-Revision im Gouvernement Tam« bow hat sehr originelle Verhältnisse ausgedeckt: so wurde B. in dem Gefängnißthurmc eine verschlossene Räumlichkeit vorgesunden, zu welcher der Schlüssel sich in Händen emc« Sträfling« Namen» Iwanow befand. E« wurden hier Kleidungsstücke und dergleichen gefunden, außerdem aber eine Niederlage von Branntwein, Tavak und anderen Gegenständer» entdectt, mit welchen der benannte Sträfling Handel trieb. Iwanow übergab dem untersuchenden Beamten zu feiner Rechtfertigung eine Menge von Schriftstücken, auS welchen hervorging. daß nicht nur Beainte de« Gefängnisse«, sondern auch ein großer Theil der Osficiere des Commando« regel mäßige Abnehmer de« schlauen Häftling« waren. Der Ober inspektor de« GesängnisscS ist gegenwärtig dem Gerichte über geben. einige >« Ossicleren ist die Weisung geworden, um ihre» Abschiev nnzulvmmen; fast alle Fähnrich« de« Regiment« waren Schuldner Iwanow'-. „Bor Ssax nicht« Neues!" Die Besetzung biese tunesischen Platze« zieht sich in die Länge und man ist in Paris sehr verstimmt darüber. Die Zahl der J»s»r» genten soll beträchtlich sein und sich noch täglich vermehren. Da» Bombardement zerstörte zwar die Außenwerke, aber die Insurgenten befinden sich außer dem Bereiche der Flotten geschütze. Tie Landung ist äußerst schwierig wegen de« schlammigen Meeresgründe». Auch vertheidigen sich die Aus ständischen sehr gut — wie man vermuthet, unter der Leitung europäischer Ingenieure. Dem „TempS" wird au» Tuni» telegraphirt, daß die Stämme auS dem Innern gegen Ssax Heraufziehen, in der Uebcrzeugung. daß die Truppen de« Sultan« ihnen Unterstützung leihen würden. Auch Gabe soll sich in voller Empörung befinden. Der Avisodampfer „Corsc" ist von Bizerta nach Mehedia abgesegelt, wo gleichfalls eine Empörung befürchtet wird. Ueber da» Pariser Nationalfcst wird der „Boss. Ztg." au« Pari» vom DonnerStaa berichtet: Da» heutige Fest ist vom herrlichsten, nur etwa» heißen Wetter begünstigt. Pari» schwimmt in einem Meere heiterer Garben. Im Lenirum giebt c» kaum ein Hau», da» nicht vom Dachfirst bi« zur Kcllcrluke mit französischen und sremdrn Fahnen so dicht be deckt wäre, daß die Fanden unter der Tecoration verschwinden. An vielen Stellen spannen sich Triumphbogen au» Laub und Blumen quer über die Siraßcn, an deren Eingängen sich Mastbänme und Fahnenstangen erheben. Lämpchen, Garsterne, Trophäen sind ver- sckMenderilq angebracht. In zahlreichen Quartieren sind Statuen »nd Büsten der Republik mitten in Fahrdämmcn ausgestellt, umgeben von Reisig, Blumen und bunten Teppichen. Alle Omnibu», Tramwaywaagon» und viele Droschken sind mit Fähnlein geschmückt und denselben Schmuck tragen selbst die Pferde. Die Bewegung tn den Straßen ist schon letzt am frühen Bormittag eine ungeheure. Hornbläser, die truppweise umher zogen, und heitere» Yansarengeschmetter haben nn» au» dem Schlafe geweckt, von Zeit zu Zelt steigen zahlreiche Arbritergruppen aus den Vorstädten aus die Boulevards hinab, sahnenschwenkend und die Marseillaise singend. In den HSseu aller Mairien werden gegenwärtig an di« Armen Unterstützungen vertheilt. Jeder ein geschriebene Dürftige, der sich meldet, erhält 2 Franc«. Bor den Theatern, die Mittag« um zwei Ubr Bratiövorstelliuigei» geben, stehen bereit« lange Reihen Einlaßharrender; besondrr» stark ist der Andrang vor brr Oper, wo „Robert der Teufel" ge- geben wird, vergleichsweise still und ungeschmückt ist nur ein Theil de» achten Stadtbezirk«, da« Hauptquartier der Reactionaire, dir Pari« verlassen haben, um dem Feste nicht anzuwohnen. Die Lrmern viertel sind am prächtigsten decorirt. In Batignolle», Bclleville, Montmartre giebt e» buchstäblich kein Fenster obnr Fahne und Lämpchen, kein GLgchen, da» nicht mit Schnüren voll Lampions »nd Fahnentücher und mit Laubbogen förmlich überspannt» und überdacht wäre. Jede» Quartier, jede Straße, jede» Hau» wett- eifert mit den benachbarten, und all' da» ist Privat-Initiative, u». bccinslußt von amtlicher Programm - Machecei. Die Bevölkerung selbst hat diesmal die Anordnung de» Feste» in die Hand genommen, und die Zahl der localen Bälle, Tavalcaden, Eonccrte, Fackelzüge, die sich um da< osficielle Festprogramm ranken, welche» in der Militatr-Revue culminirt, ist einfach unübersehbar. Zahlungen, die in allen Quartier- zur Deckung der localen Festkosten statifandeu, ergaben überraschende Resultate. Schlichte Leute, die von den Nochbarn nicht für reich gehalten wurden, schickten große Summen, damit auch kleine und entlegene Straßen ihren Aittheil am Festschmuck erhalten sollten. Die meisten Läden lsind geschlossen. Gearbeitet wird nirgend-, selbst in den Druckereien nicht, weshalb die meisten Blätter morgen früh nicht erscheinen. Der Postdienst ist von Mittag ab ebensall« unterbrochen. Der Zufluß aulläudischer Besucher ist vielleicht geringer al- im Vorjahr, dagegen hat dir Provinz Hundertiauiende hierher gesendet, die jetzt al» wahre Völkerwanderung zur Revue hinautströmen, welche Mittag« beginnt. Die Stimmung der Bevölkerung ist begeistert und von der charakteristischen Uebrrschwenglichkeit, welch« di« Pariser an großen Tagen an-zeichnet und deren Wirkung sich selbst der kälteste Skeptiker nicht entziehe» kann. De« Kaiser-Napoleon M. ehemaliger Ober-Ceremonien- meiflrr. Herzog von CambactrSS, ist in hohem Alter ge- storben. Am 20. September 1798 zu Montpellier geboren, hatte er seinem Oheim (dem Erzkanzler de« ersten Kaiser reich«) zu Liebe die Rechte studirt und 1823 sich unter die Abvocaten von Pari» ausnehmen lasten. AlS er 1838 in dir PairSkammrr getreten war, unterstützte er die letzte» Ministe rien der Regierung Ludwig Philipp'«. Bei der Februar. Revolution >848 verschwunden, kam er mit dem Staatsstreich 1881 wieder »um Vorschein und wurde Senator, Obcr- Ceremonirnmeifler de- kaiserlichen Hose« und Großofficier der
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