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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188108092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810809
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810809
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-08
- Tag1881-08-09
- Monat1881-08
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1881
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Erscheint täglich ' früh «»/, Uhr. nnd Lr-edwv» g»harinc«gasse 3«.' OPrech-m»»e« der Nktertio»: vormittags 10—12 Uhr. Naihmtttags 4—6 Uhr. v» - lMLj" ^ ^ D»«t»s »er f»r »ten»»fts«l,rnp« A»«er teßi««Le« Ln »«rate a> «OcksNta»«» it« 3 Uhr Nqchwtttas-, «kVtttt.«n» »efttsgr« srü» »I»'/.» Uhr. 2« de« Filialen siir Ins.-Annah«« vu« tu««». Uulvttsiiitsstraße 22, Lots Asch«. Uathariaenftrabe 18,». »r 3t« '/,< Uhr. iWiM.Tagklilatt Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschästsverkehr. Auflage LS,SSV. Adonnnnentsprei» viertelj. 4'/, Mit., inrl. Bringerlohn 5 Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzeln« stummer 25 VI- Belegsemplar 10 Pf. Gebühren für Lxtrobeilage» atz»« Postbefördrrung »S Mk. «tt Postbesörderung 48 Mk. Inserate Kgespaltene Petitzrile 20 Pf. Gröbere Lchrisien laut unjerem Preis- verzeichnisi. rabellarischer Say nach höherem karls. tleclamen unter den Uedartionostrich die Gpallzrilr 50 Ps. Inserat« sind stets an die vr«et»rta» >» senden. — Rabatt wird »icht gegeben. Zahlung pruouumerauäu oder durch Post« Nachnahme. » LLI. Dienstag den 9. August 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Thetl. veklmulmachung. N»faU-Gtattfttk vetreffeud. Infolge einer Verördnung des Königlichen Ministeriums des Innern sind siir die Zwecke der Unfallversicherung-« aesetzaebtzng in sämmtlichen Aahrtks« und allen sonstigen Betnetz«, ti» welchen Danepsreffel oder durch «l«Me»tare Kraft (Wind, Wasser, Dampf, Ga», heiße Lust u s. w.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, in den Monaten U»g«st bi- mit November d. I. statistische Materialien über «ingetretene Unfälle zu sammeln, sowie Nachweisungen Uber di« Nlter-verhältnisse der am b. Oktober 1881 beschäftigten Betrietzstzeamten und Arbeiter auszustellen. Dir Hatz« z» diesen, Zwecke den un« bekannt gewordenen Herr« Gewerbtreibcnden der genannten Art g»r»«lare -»stillen lass«, ersuchen jedoch diejenige« Herren Gewerb. treibenden, welchen solche Formulare bi- Montag, den 3. August noch nicht zugegcmgen sein sollt«, di«se sobald als möglich in unserem statistische» Bureau, Brühl 51. abyole« zu lasten. : Zugleich fordern wir, in Befolgung ebenderselben Ver ordn»»-, all« diejenigen Unternehmer, »vrlch« bereit« tt-ster Unfall-Journale geführt haben, die ihnen die Ausfüllung de« Formular« auch sür die Vergangenheit, und zwar sowert zurück, als e« mit Sicherheit geschehen kann, gestatsen, auf, unserem statistischen Bureau hiervon Mittheilung zu mach«, Hehufß Nachlieferung der nöthigen Formulare. Leipzig, den K. August 1881. Der Ruth der Stadt Leipzig. I)r. Tröndlin. Haste. vekanutmachll«-. Dir beabsichtigen, alljährlich eine Untersuchung der Blitz» ableitunaen auf den städtisch« Gebäuden vornehmen zu lasten, «nd ersuch« deshalb diejenigen Herr« Sachverständigen, welche dies« Arbeit Übernehmen wollen, eventuell auch der Untersuch»«« und Beaufsichtigung der Btitzablritungen aus Privatgrundstücken sich zu unterziehen geneigt wären, bezügliche Offerten bi- zum 15. August er. unter Beifügung «ine- Oualification-nachweise- bei unserer Nuntiatur emzureichen. Leipzig, den 28. Juli 188l. L>«r Rath -er Grabt Leipzig. vr. Tröndlin. VekaimlMchung. Di« Arbeiten für Herstellung de- Thonberg-Stötteritzer §om»uulcation«wege- sind vergeben und werden die unbe rücksichtigt gebliebenen Bewerber hiervon in Kennt,,iß gesetzt. Leipzig, d« 4. August 1881. Der Rath der Stabt Leipzig. 1)r. Tröndlin. CimoriuS. Sir-ßahls-Vekaimtmachimg. Gestohlen wurden all hier erstatte:» Anzeige zufolge: 1) Ein weißletnenes Betttuch ohne Naht, aus dem Hosrau« des Wächter-Grundstücke- im Iohannapark, am 28. ». M.; 2) eia M»««sr«ck von duakelgraumelirtem Dtosf« mit einer Reih« von Knöpfe» und schwarzem Wollatla-suttrr, aus einer Woh- nuua in Vir. 4? der Lutritzscher Straße, am 2. d. M.; ») et» Loupon weißer Ltztrtiag, 4 Met» haltend, rin Rest Weißer, schrvarzgetnpfler Pique, S Meier Hallrad, einer tze-ßletchen mit rochen Tupfen, von gleicher Längt, «in «tzensolcher mit rochen Blümchen, gleichfalls 8 Meter hallend und 2 Meter desgleichen mit blauen Blümchen, aus einem Beschästslocal« i» Nr. 3 der Loch- straße, am 4. d. Ml-.; 4) ein ovale- Mrdaikl«» von mattem Gold«, mit blauem Steinchen, enthaltend eine Herren-Photographie, nebst seingliedriger Kette vvn mattem Gald«, sowie ein Paar -olde« vtzrrtUße «ll blauen Steinchen, au- einem Küchealocal« i» Nr. 13 der Bairischen Gttaße, m>« L. bis 6. d. Mts. 5) eine silberne Ltzli»tzeruhr mit Seeund« und geriest» Rück- seit«, »ebtz kurz« Messtugtette, au» einer Wohnung t» Nr. 38 der Ho-piialstraß« am 6. ds«. Mts.; 6) eine eiserne Plumpe, sogen. Lbyssinier, grüngestrichen, nebst einem vin Meter langen eisernen Rohre, au» ein« Gartcnadtheillmg aas dem nordvvrftädtischen Schrebcrplatze, am 1. dss. Mts.: 7) ein rothledernes Seltztaschchk«, enthaltend circa 18 Mark in Zweimark- und Fünfzigpfennigstücken, sowie zwei goldene -nöpf- chen, Vitt Briefmarke» a 10 H und eine schwarzskidene Schnur, mittelst Tckschentztetzstatzls in einem Restauration-local im Rosen thal, am 3. d. M. Abend«:- 8) ein arauleinener Tack, ge». enthaltend circa vier Schock Gurkt», au- einem Handwagen, welcher auf dem Waage- plad gestanden hat. am 8. d. M. Abends: »I ein Paar Hefen von graugrstreistem, roth melirtem Stoff, mit wetßem, blau und schwarz gestreiftem Bundfutter, au- dem Lorsaal ein« Wohnung in Nr. 77 am Brühl, am 7. d. M. Mittag«. Etwaig« Wahrnehmungen über den »«blieb btt gestohlene« Sachen oder den Thüter sind ungesäumt bei unserer Kriminal. Ablk^lnng zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 8. Aimust lk8i. Sk«» Polizei-Amt »er Ltatzl Leipzig. Vr. Rüder. Hohlfeld. Nichtamtlicher Thetl. Leipzig, S. August. Die Aaiferzusammenkunft in Gastei« veranlaßt un«. einen Blick auf du allgemeine politisch« Lage zu Wersen. Das innige FrrundschastSverhältniß zwischen Deutsch, land und Oesterreich, wie e« in dem Besuche de» Kaiser- Franz Josef bei feinem erhabenen Buude-genvsien zu Tage tritt, ist durch die Verfolgungen, denen die deutschen Elemente in Oesterreich seit einiger Z«t au-g«s«tzt sind, nicht beeil,- trächligt worden. Oesurrnch- Kaiser zeigt vielmehr durch seine weiter«, Begegnungen mit verschiedenen audercn deut schen Fürsten, daß er sich mit Deutschland« Fürsten und Völ kern nach wie vor »n treu» Stamiue-gawssenschast und Freundschaft verbunden fühlt. Die zu, Erhaltung de« Frie dens verbundenen beiden Kaiserreiche in der Min« de- Erd- theil« bittze» daher den Pol, ui welche» bi, all« übrigen Mächte, sofern sie dieselben Frieden-Ziele verfolgen, je läng», um so entschiedener aravitiren. Der Kaiser von Rußland sucht freilich gerade jetzt seine innere Stütze tt »sn altrussischen, dem Westen abgewendeten Elementen seine« Neich««. Aber e« geschieht die« offenbar lediglich «u« Rücksichten der Selbsieryaltung, z»m Schutz gegen die nihilistischen Bestrebungen, nicht, »m etwa Angriffe auf das AuSlaud Vorzuberriten. Denn Alexander m. bat sich in weiser Erkenntnis seiner Lage und seine- VorthcilS au- freien Stücken den beiden anderen Kaisermächten ange- schlosscn und würde nicht blo« falsch, sondern geradezu selbst mörderisch bandeln, wenn er den Haß gegen den Westen unter seinen» Volke ansachte. Frankreich, welche« bi-her al« der eigentliche Stören- sricd der Zukunft galt, ist durch seine Unternehmungen in Nordafrika aus lange Zeit von der Befriedigung seiner RcvanchegelUstr abgchalten. Mag er auch eine Thorheit sei», zu meinen, Fürst Bismarck habe den Wünschen der Franzosen ln Bezug aus Tunis absichtlich Vorschub geleistet, um sie dort aus Jahre hin festzulegcn, so steht doch fest, daß nickt» der Erhaltung de» Weltfriedens förderlicher sein wird, al- die französische Expedition nach Tunis. Tenn Frankreich ist durch dieselbe nicht nur für längere Zeit mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, sondern auch Deutschland sür dessen wohlwollende Haltung zu Dank »»pflichtet. Tic Politik Frankreichs in Nordasrika hat zugleich dazu beigelragen, die beiden anderen, den Kaiserreichen bisher etwa- ferner stehenden Großmächte näh» mit denselben zu verbin den. England und Italien begreifen nämlich mehr und nichr, daß sie daS sichere Gewicht gegen eine allzu große Ausdeh nung des französischen Einflusses im Mittelmeer nur in einem Anschlüsse an diejenigen Mächte finden können, welche Inter- esse daran habe», den bisherigen Zustand der Dinge möglichst aufrecht z» erhalten. Wie daher der englische Botschafter in Konstantinopel, Gosche», nach seiner Rückkehr in die Hcimath sich beeilt hat, daS gute Vcrhältniß seiner Regierung zu allen Mächten, besonder- aber da- zu Oesterreich, zu rühmen und damit das berüchtigte Wort Gladstone'S an Oesterreich: „Hände Wegs" amtlich auSzulöschen. so baden die svmpathi- schen Kundgebungen, mit denen England- Panzergcschwader in Kronstadt und Kiel sowohl wie in Triest empfangen worden sind, gezeigt, daß die Kaisermächte gern bereit >>nd, einen reuigen Sünder ü, ihre Arme zu schließen. Auch Italien thut augenblicklich notorisch Schritte, um in die große Friedensliga, welch« sich um die Kaiser von Deutschland und Oesterreich grupp'.rl, ausgenommen zu werden, und eS verzichtet speciell Oesterreich gegenüber uni so mehr auf die Befriedigung irredcntistisch» Gelüste, als eS gerade jetzt Ursache hat, d»e katholischen Habsburger nicht aus die Seite de- Papste- zu treiben. Die Ränke, durch »velche der Mann im Vati« an die gegenwärtige friedliche Lage der Dinge zu stören stickt, werden unter diesen Umständen ihr Ziel vkn« Zweifel verfehlen. Da- Liebäugeln de- „Unfehlbaren" und seines Trabanten, des Cardinal« Ledochow«ki, mit den Slave» in Polen und auf der Balkanhalbinsel, wobei Oesterreich daS Zuckcr- brod der Führerschaft unter den katholischen Slaven vvraehatten wird, kann nur dazu dienen, die drei Kaiser mächte noch enger mit einander zu verbinden, um sich gegen den gemeinsamen Feind zu schützen. Zudem ist die römische Curie, deren Staatskunst bisher in dem Worte gipfelte: „Nnr die Revolution kann un- noch Helsen!" gerade im gegen wärtigen Augenblick von einer höhere» Hand sür ihren Ucber- mutb in empfindlicher Weise dadurch gestraft worden, daß sie sich vor ihren Kindern und nächsten Glaubensgenossen nickt mehr zu helfe» weiß und die fremden Mächte vergeben- um Schutz und Beistand anrust. Die allgemeine politische Lage wird daher trotz der Würgereirn de- VaticanS wohl noch auf lange Zeit so bleibe», wir l«e kürzlich von einem ossiciösen Blatte geschildert wurde: Der politische Himmel glänzt in ungetrübter Reinheit! Zur Parteilage wird »nS aus Berlin geschrieben: Die Ungewißheit über den Termin der NcichstagS« Wahlen wird nicht lange mehr andaucrn. Wir können mit- thcilen, da» die Regierung entschlossen ist. binnen kürzester Frist den Wahltag zu proklamier», von der richtigen Voraus setzung au-gebend, daß sie mit der Geheimhaltung desselben ihre eigenen und die Interessen ihrer Anhänger zum Minde sten ebenso schädige wie diejenigen der Opposition. Sobald der Wahllermin bekannt gegeben ist. wird die innere Politik den letzten Rest de- Sommerschlafes adgeschüttelt haben, in welchem sic bisher gelegen, und der trotz oder vielleicht gerade wegen der Nervosität und Ueberanspannung, unter welch» unter öffentliches Leben leidet, so tief wie nur je zuvor ge wesen. Schon halten die geschäft-führenden Leiter aller Fraktionen die Wahlaufrufe in Bereitschaft, die Namens ihrer Parteien am Tage nach der Ausschreibung der Wahlen der Presse zur Veröffentlichung übergeben werden sollen. Keine »nscrcr leider allzu zahlreichen Fraktionen wird sich diesmal von dem Wettstreit der Bewerbungen um die Gunst der Wähler auSschließen, da- eigentliche Interesse aber richtet sich auf die Programme oder programmartigen Erklärungen der Nationalliberalen und de« CentrumS. Äan täuscht sich arg, wenn man in Rücksicht aus die erstercn glaubt, die bevorstehende Kundgebung würde eine geschäfts mäßig kühle und partei-diplomatisch unbestimmte sein. Nichts Wenig» al- daS. Vielmehr wird uns von Personen, die es wissen müssen, versichert, daß sich das nationalliberale Pro gramm „durch eine große Entschiedcnbeit de« TonS auSzeichnc» werde". Gegenüber dem Wahlaufruf der badischen Rationalliberalen wird eS einen Vorzug haben, der jenem bei aller Anerkennung seine- Inhalt- äbacht: eS wird sich durch schlagende Kürze auSzeichnen. So unser Gewährsmann. WaS nun die Haltung de» CentrumS belrisst, so ist eS überaus charakteristisch, daß sich die Führer desselben durch die jüngste Wendung in der Trierer Frage nicht veranlaßt sehen, nachträglich einen versöhnlicheren Ton in ihre schon seit Monaten fertig vorliegende Erklärung hinein zu bringen. Zum Pactiren ist >a immer noch Zeit, und je schroffer und selbstbewußter Fon» und Inhalt, desto bereitwilliger ist die Regierung, entgegen zu kommen. So denken die Windt» Horst und Genossen, und leider läßt sich nicht sagen, daß sie falsch calculiren. ES ist dieser Tage von einzelne» nltramon- tanen Abgeordneten, die ihre Sympathien für den „Rebellen" Crcmer unter dem Despotismus der Parteileitung schüchtern verbergen müsse», der Versuch gemacht worden, aus eine Ab änderung de- Wahlaufrufs im Hinblick auf die Trierer Ereignisse binzuwirken. Nach der Antwort, die ihnen von leitender Parteistelle geworden, ist indessen schwerlich anzuncbmen. daß sie den Versuch wiederholen würden Wir sehen alS bestimmt voraus, daß die „Germania" mit ihren kecken b'.x -ratdeckra- Manieren sowohl jene Anregung al» die erfolgte Zurück Weisung ableugnen wird. Solchen Dementirungsgclüsien gegenüber halten wir schon jetzt unsere Mittheilung in ihrem ganze» Umiang ausrecht. Inzwischen sucht aber da« Cenlrum, weiche- ossiclelt in seinem Programm die schroffe Sprache von ehedem führen wird, sich wenigsten« offtcivS aus einen besseren Fuß zu den Deutschconservativen zu stellen, denen noch kürzlich in der BrrSlauer Parteiversammlung der Fehde- Handschuh hingeworfen wurde. Bereit- reagirt da- Fraktion»- oraan aus die erneuten Liebe-Werbungen der Rechten, indem e» nittNt, eS werde der Regierung nicht unbekannt sein, daß die Stellung der EentrumSparlei zu den Eonscrvalwen bet dem Wahlkampfe so wohlerwogen, naturgemäß und fest sei. daß sie durch angenehme oder unangenehme Zwischenfälle eine wesentliche Aendening nicht erleiden könne. Sollten aber etwa die Schritte der Regierung die in Betracht kommende» konservativen Kandidaten veranlassen, zu den Kulturkampf- fragen endlich die Stellung einzunchmen, welche die Katho liken verlangen müssen, dann würde natürlich die Lage in den betreffenden Kreisen geändert werden. Sehr viclver- hcißcnd, aber auch so unverbindlich wie nur möglich! Den Liberalen kann e« freilich recht sein, so wie eS ist. Da- herrschende russische Regierungssystem gleicht einem Manne, der mit verbundenen Augen am Rande eines tiefen Abgrundes wandelt. Der Fehltritt, der ihn in die gähnende Tiefe schleudern wird, i>l unausbleiblich. Und er macht keinen Versuch, die Binde abrureißen. So tappt der russische Absolutismus im Dunkeln umher und sa,t steht eS au», al» wolle er alle- Mögliche thun, um eine Katastrophe herbeiznführe». In ganz Europa weiß man, daß die alte autokratische RegierungSsorm sich »un auch in Rußland über lebt hat; nur in den russischen NegierungSkreisen weiß man dies nicht und Herr Katkow predigt in seiner nunmehr wieder tonangebendc» panslavisiischcn „Moskauer Zeitung", daß eine Theitung der Gewalt „unmöglich" sei, daß man also in Rußland an die Einführung einer Constitution, die dem Zaren einen Theil der Gewalt adnähme und diesen in die Hände von gewählten Volksvertretern legte, aar nicht zu denken sei. „Da steh' ich nun, ich armer Thor, »nd bin so klug, al» wie zuvor", wird sich so mancher russisch« Staatsmann sagen, der von dem Regierungs antritt Alexander III. eine Aendcrung der alten un heilvollen und unhalldaren Zustände zum Besseren er wartet hatte. Wenn man weiter Nicht- bieten wollte als di« Verdrängung von LoriS-Melikosf durch Ignatiesf und Katkslv, dann hätte man wenigstens vor einigen Monaten nickt da- große Geschrei machen sollen, welche« ankündigen sollte, daß die vielerschnte große Reform im Anzüge sei. Statt dessen kam das bekannte kaiserliche Manifest, welche» alle Hoffnungen auf eine Wendung zum Besseren völlig nieder schlug und daun kam die Entlastung deS Armeniers Melikvfs und »ach ihm Ignatiesf. Ignaliesf gilt sür einen ganz besonder- schlauen Kops; aber ein guter Diplomat sein heißt nvck nicht ein guter Staatsmann sei». In einem Briese be zeichnet«: einst Ignatiesf den Unterrock als die „ultima r»ti<O rer Diplomaten. DaS mag ganz richtig sein, aber jetzt wird iln» kein Unterrcck Helsen können. Und so zeigt eS sich denn auch, daß Ianaticst' keineswegs einen an Hül>s»iittel>! reichen oder gar schöpferischen Geist besitzt. Man war sehr gespannt a»f den ersten Beweis seiner Schlauheit, auf die Probe seiner staatS- männischen Gewandtheit. Wie gcwöbntich kreißten die Berge und die MauS kam zum Vorschein. WaS that Herr Ignatiesf? Aus die fortwährenden dringenden Dünsche und Bitten, der Nation eine Vertretung zu gebe», hat Ignatiesf nun endlich ein Stück seiner Weisheit zum Besten gegeben. Dieser „schlaue" Herr hat die guten Eonstitutioncllen in Rußland belehrt, daß daö Reich sa schon längst eine Vertretung besäße und zwar eine solche, die reichlich mit Rechten a»S- gestattct sei; sie habe mir bisher von diesen Neckten keinen Gebrauch gemacht und die» müsse sie nunmehr thun. Und wav ist dies für eine sonderbare Volksvertretung, welche die von ihr Vertretenen bisher nicht gekannt haben? Es sind die ScmstwoS, die Vertretungen der russischen Landgemein den, deren Rockte sehr »inheteuiend sind, so unbedeutend, daß in der That kein besonderer Gebrauch davon zu machen ist. Ohnehin weiß Herr Ignatiesf recht gut. daß die SemstwoS dem bestehenden RegierunaSsystem nicht so leicht gefährlich werde» könne». Sie sind fast ganz au» Vertretern d«S alten Regime- zusammengesetzt und dürften sonach für die Resvr- mirten nicht so zugänglich sein als man glaubt. Deshalb setzt man auch in Rußland keine besonderen Hoffnungen aus diese Repräsentationen der Landgemeinden, die ohnehin de» gebildetste» und wichtigste» Theil deS Landes, die Städte, gar nicht repräsentiren; man verlangt eine neue Vertretung deS gesainmten Volkes, die nicht ernannt, sondern mit Majo rität gewählt ist. Und da kommt Ignaticss statt mit einer neuen Idee mit de» alten SemstwoS, die in Folge ihrer ländlichen Einseitigkeit nicht einmal den Nahmen für eine neue Vertretung zu bilden im Stande sind! Ob aber Ianaticfs wirklich glaubt, daß eS ihm gelingen werde, auf solche Art und mit solchen Mitteln die Resorm- bcwegung in Rußland hmlanzuhalten? Ignatiesf ist ein Mann der kleinen Mittel: er gehört zu jener Art von Leuten, die sich schmeicheln, mit Ränken und Kniffen, mit Intrigne» »nd Verstcckspielcn DaS erreichen zu können, waS Andere mit großen Ideen und kübnen Tbaten zu Wege bringe». Tie Männer der kleine» Mittel eignen sich sehr gut für eine untergeordnete Stellung in einem Ministerium für den glatten Boden eine« Hose- unv für da» Dunkel geheimer Cabiiiete, niemals aber sür die Durchführung einer kräftigen Politik mit großen Züge». Es ist unschwer, daS Schicksal zu erkennen, dem Rußland unter der Acgide eine» Minister- wie Ignatiesf rntaegenaeht. Der innere ZcrsetzungSprozrß wird sich immer mehr beschleunigen; aber man wird eS verstehen, dem Ganzen einen äußeren Firniß zu geben, der die innere Fäulniß verbirgt. Herr Ignatiesf gehört zu den Leuten, denen man nie ansieht, ob sie ihrer Sache sicher sind oder nicht. ES werden jetzt Untersuchungen angestellt. Gesetz« rrvidirt » s. w., aber im Ganzen regiert Herr Ianaticfs eben doch mit den alten Mitteln weiter und da» Einzige, wa» sich Klare- au» den Lobreden der ibm ergebenen Zeitungen beonu»- lcsc» läßt, ist. daß er eine ganz vortrrfftich organisirte Polizei hat. Eine solche besaß man allerdings schon bevor Herr Ignatiesf allmächtiger Minister war. und eS dürste Niemand cm Gchcimniß sein, vaß gerade die Art, wie sich diese Polizei benabm. sehr viel dazu beigelragen bat. die Aufregung in Rußland zu schüren und jener Partei, welche die schrecklichsten Kampsmittel zu den ihrigen gemacht hak. Anhänger in die Arme zu treiben. ^Mit einem Wort: man bleibt völlig bei dem alten System stehen und He« Ignatiesf hat nur die Ausgabe, diese bedenkliche Thatsache so mundgerecht al» möglich zu machen. Wie er da» ansänat. haben wir ge sehen ; aber vor allen bisher angewendeten Methoden ist diese sicherlich die schwächste. Die ultramontanen Blätter machen gute Miene zum bösen Spiel, wen» sie jetzt sich den Anschein gebe», al- bilde dir Berufung de- Straßburger MUnsterpsarrcrS zum Bischof von Trier einen befriedigenden Abschluß deS durch die Nichtbcstätigung deS erwählten CapitelvicarS de Lorenzi bervorgcrujenen Zwischenfall-. In Wahrheit lieben sie viel fach französisch gesinnte clsässische Geistliche, die nach dem eigenen Gcstänvntß eine- rheinischen klerikalen Blatte« „be kanntlich" ihren deutschen Eolleacn nicht gewogen sind, ebenso wenig wie da- der Kleru- der Diöcese Trier thnt, aber beide werden sich fügen müssen vor der Allmacht deS Papste«. Er hat eS so bestimmt und sein Wille sei gepriesen! Aber eS fragt sich, wie di« Staatsgewalt bei diesem Handel fahren wird. Sie hat mit all den Bischöfen, welche sie gegen den ausgesprochenen Willen de« zur Wahl berechtigten Collegium-, hinter dem Rücken de- DomcapitelS, durch Vereinbarung mit dem Papste in Amt und Würden gebracht hat, recht trübe Erfahrungen gemacht. Man braucht nicht blo- auf den Freiherr» Clemens August von Droste - Bischcring zurückzn- achen, der seiner ganzen Natur nach dem leichtlebigen rheini schen KleruS zuwider war, aber trotzdem ihm oclroyirt wurde, eö genügt, an daS Beispiel des Cardinal LcdcckowSki zu erinneni, dessen Ernennung zum Erzbischof von Posen- Gnesen die allbekannte Abneigung de« polnischen KleruS und der polnischen Laicnwelt gegen ihn nicht hindern konnte. Auch Herr Melcher- und Herr Conrad Martin verdanken ihre Berufung auf die bischöflichen Stühle von Köln rcsp. Paderborn lediglich dem staatlichen Einflüsse. der zu ihren Gunsten gespielt hatte. Welchen Dank sie später dafür der Regierung abaestattet haben, ist bekannt genug. Daß die Ausgaben für die Heeresverwaltung die Tendenz zur Steigerung haben, »st leider zu ivohl bekannt. Erfreulich aber ist, wenn einmal eiu Fall vorliegt, wo man sich von jedem Parteistandpunct au- mit solchen neuen Aus gaben befreunden kann, weil sie der physischen Kräftigung und Gesundheit de- Volke- dienen. Eine solch« Gelegenheit liegt jetzt vor. Da- preußische KrieaSministerium nämlich hat aus Grund grneralstabSärztlicher Gutachten die Einrich tung von Badeanstalten in den Caser»»en sür obligatorisch erklärt. Dir An-sührung wird jedoch erst allmälig erfolgen können, da sich nur vei Caserneu-Neu- oder Umbaute» die Möglichkeit hierzu bieten wird. In München steht ein Nuntiu-wrchsrl bevor. Wie nämlich der römische Correspondent der „Germania" meldet, hat sich die Krankheit (Luckerruhr) de« gegenwärtig auf Ur laub in Tivoli weilenden Nuntius in München, Monsignore Roncetti, in einer Weise verschlimmert, daß derselbe nicht mehr nach der Isar zurückkehrcn wird. Als muthmaßlickcr Nachfolger wird Monsignore Domenico Iacobini genannt, der mehrere Jahre hinburch Secretair sür die außcrordcn'- liche» kirchlichen Angelegenheiten war und seither das Amt eines Bice-BibliothekarS de-Heiligen Stuhl- bekleidet, welches der Bruder de» regierenden Papste- bis zu seiner Erhebung zum Cardinal inne hatte. Dieser Monsignore Iacobini. der auch Studienpräsect im römischen Seminar von St. Apollinare ist, steht mit dem StaatSsecretair Iacobini in keinem Ver wandtschaft-Verhältnisse. Dem Besuche de» österreichischen Erzherzog» Engen bei dem König von Rumänien in Sinai wir» eine politische Tragweite beigemessc». Der König reiste seinem Gaste bi« nach Pcrisior entgegen und bei dem Empfange iin Schlosse zu Sinai richtete der König in Gegenwart der an wesenden Herren die folgenden Worte an den Erzherzog: „ES tbut mir unaussprechlich wohl, daß ich daS Glück habe, ein Mitglied jener mächtigen Dynastie begrüßen zu könne», welche mein Land auch in der allerletzten Zeit mit so viel Gutem, mit so viel Gunst überhäuft hat. Ich drücke meine ausrichtig ciiipsundene Freude darüber au-, daß ich ein Mitglied jener Dvnastic begrüßen kann, welcher ich und mein Land so viel Dank schulden und aus deren Freundschaft ich sür die Zukunft io viel Gewicht lege." Bei der weiteren DiScussion der Donausragc wird e« sich zeigen, ob die» nicht bloS Worte waren. In Betreff de- Verlangen- der Pforte, »ach dcrUebe» gabc der zweiten Sektion der an Griechenland adzu- tretenden McbietStheile die weitere Regulirung der grieckisch- türkischen Grenze bi« gegen den 15. September d. I. hinauS- znschicbcn, sind unter den Vertretern der Mächte mehrere Mittheilungcn auSgctauscht worden. Ii» Anschluß an die selben hat der italienische Botschafter Graf Cor ti der Pforte eine Collectivnote überreicht, in welcher die Gründe sür die Ablehnung de« Verlangen« der Pforte auSeinandergesetzt werden. Namentlich wird in der Note der Vertust eine» ganzen Monat» bervoraehoben und die Pforte gebeten, so bald al- möglich den Ort und den Tag für die Wiederauf nahme der GrenzregulirungSarbeiten zu bestimmen. — Der Minister de» Auswärtigen, AssvmPafcha, und der griechische Gesandte. CondurrotiS. sollen demnächst die Ratificationen der direkten griechisch-türkischen Grenzregulirungö-Convention aus tausche». Der russische „RegierungSbote" veröffentlicht ein Relcript de« Kaiser» an den Großsürften Michael Nikol aicwitsch, in welchem der Kaiser demselben seinen Dank auSfprickt sür die so langjährige tbatenreickc Wirksamkeit als Statthalter de- Kaukasus. In dem Rescripte heißt c» sodann: „Wie immer von besonderer Hochachtung erfüllt sür die dem Throne und dcni Vaterland von Ew. Hoheit geleistete» Dienste, habe ich eS jetzt sür gut befunden. Sie durch Ernennung zum Präsidenten de« RrichSratheS zu meinem nächsten Mitarbeiter in den höchsten Staat-angelegenbeitrn zu berufe»." — Die Entscheidung de« Minister- de- Innern vom 8. d., durch welche dem „Goto-" die dritte Verwarnung crtheilt und dessen Erscheinen auf 6 Monate untersagt wird, ist crsten« durch einen Artikel gegen den Fürsten von Bulgarien veranlaßt worden und wird damit begründet, daß derartige Verletzungen de» Anstande- gegen daS Haupt eine- fremde» Staate«, welcher mit Rußland m freundschaftlichen und ver wandtschaftlichen Beziehungen strbt, nickt geduldet werden könnte». Ferner sind die erwäbnten Maßnahmen veranlaßt durch unziemliche und beleidigende Artikel gegen die russische Flotte. Eine Mittheilung de« französischen Krieg-minister» er klärt die beunruhigenden Gerüchte, betreffend Algier und Tunis, sür unbegründet. Die in Ssid. Kreide» und Meckeria befindlichen Truppen würde« jeden weitere» Nufstand-versuch
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