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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188108170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810817
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810817
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-08
- Tag1881-08-17
- Monat1881-08
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1881
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Erscheint täglich früh 6»/,, Uhr. lieteNio« und LrprdUi«» Iotzannr-gajj« 8». Sprechstunden der Neductiou: Bormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 4—-6 Uhr. -in dt« NiiNa.»e -t-.-IandUr ?H»riuIc»rt« «ich» stch d« «kd«rton nicht »erbutdUch WMer.TllgMM Auuah«« »er für tie „ächftsolgende R«»«er »estiiumtr» Inserate an Wochentageii hi» S Uhr -tach«ttt»as, anSann- nn» Kefttngen früh di» ft.S Uhr. Anzeiger. Anflage L«,SSV. Ahonnr«ent»i>rei» viertelj. 4V, Mit-, incl. Bringerlohn 5 Mf., dnrch die Post bezogen S Mk. Jede einzelne Nnmmer 25 Pf. Belegaemplar 10 Pf. Gebühre» für Extrabeilage» »hu» Postbesörderung :Ä Mk. «it Poskvesürderung 48 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größcre Schriften laut unserem Preis- verzeichn iß. Tabellarischer Gap nach höherem Tarif. Keciimnl unter den Uedacttrnsgrich die Spaltzeil« 50 Pf. Inserate sind stets an die «xpehttis« z» Ott« Me»«» UniversitätSstraße 22, L»»tt Lösche, Katharinenstraße 18, p. »t«r KtSUhr. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels - «nd Geschäftsverkehr. Zahlnug prneuumarnnä» oder durch Post. Nachnahme. 229. Mittwoch den 17. August 1881. — 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Da« 22. Stück de- diesjährigen ReichsgesehklatteS ist bei uns «ingegangen und wird btS zum ». September ttefr- Jahre- auf dem Ratbhau-faale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 1444. Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Orsterreichisch - Ungarischen Monarchie wegen Ausdehnung de- Vertrage- vom 25. Februar 1580 über die Beglaubigung öffentlicher Urkunden (Reichs-Gesetzblatt S. 4) auf Bosnien und dre Herzegowina. Vom 13. Juni 1851. Nr. 1445. Bekanntmachung, betreffend die in Bosnien und in der Herzegowina bestehenden obersten und höheren Verwaltungsbehörden und Ge richte, deren Urkunden tiach Artikel l und 2 de« vorstehenden Vertrage- einer Beglaubigung nickit bedürfen, Vom 3. August 188l. Nr. 1446. Bekanntmachung, betreffend ein NachtragS- verzeichniß derjenigen höheren Verwaltungs behörden im Deutschen Reich, deren Urkunden nach Artikel 4 des zwischen dem Deutschen Reich und der Oesierreichisch - Ungarischen Monarchie geschlossenen Vertrage» vom 25. Februar 1880 (Reichs-Gesetzblatt 1881 S. 4) einer Beglaubigung nicht bedürfen. Vom S. August 1881. Leipzig, den 12. Auaust 1841. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröudlin. Stöß. Bekanntmachung. Wir machen hierdurch öffentlich bekannt, 1) daß alle in Leipzig wohnhaften Knaben, welche Ostern 1880 und Ostern 1881 auS einer der hiesigen Volks schule» entlassen worden oder vou einer höheren Schule abgsgangen sind, ohne im letzteren Falle da» 15. Lebensjahr vollendet und die Classe erreicht zu haben, welche diesem Alter, nach dem Plane der Schule entsprich^ zu dem Besuche der Aort-itd»»g-schule für Knaben verpflichtet sind; 2) daß die Auurclbung derselben, »venu sie im Bezirk der I. Fortbildungsschule wohnhaft sind, bei Herrn Direktor Püschmann, dasern sie sich aber im Bezirk der II. Fortbildungsschule aufhalten, bei Herrn Direktor vr. Stört zu erfolgen hat; st) da- auch diejenigen Knaben anzunielden And, welche an- irgend einem Grunde von dem Besuche der städtischen KortbildungS- schnlr entbunden zu sein glauben; 4) daß hier einziehenke Knaben, welche Ostern 1879, 1880 und 1881 auS einer auswärtigen Volksschule entlasten worden sind, ebenfalls zum Besuch der Fort bildungsschule verpflichtet und sofort, spätesten- aber binnen drei Tagen nach dem Einzüge bei dem Director der ForlbildungSschnle ihres Bezirks anzumelden sind; 5) daß Eltern, Lehrhcrren. Dienstherrschaften und Arbeit geber bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 30 Mark, die im Falle der Nichterlcgung in Hast umzuwandeln ist. die schulpflichtigen Knaben zu dieser Anmeldung anzuhaiten oder letztere selbst vorznnepmen haben. Leipzig, am K. August 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Tröudlin. Lchnert. Bekanntmachung. Im Grundstück deö Krankenhauses, Liebigstraße Rr. 28, sollen DteuStag den 23. ds. MtS., Vormittag- 1V Uhr, 5 Stück in Gebrauch gewesene WafferbasflnS von Eisenblech, L 2.50 Meter lang, 0.95 Meter breit, 0.83 Meter hoch, gegen Baarzahlung und unter den an Ort und Stelle bekannt zu machenden weiteren Bedingungen an die Meistbietenden verkauft werden. Leipzig, den 16. August 1881. De- Rath- Bandepntatio». T»nn«»«n», den SO. August ». I. «ormttta,» 10 Uhr solle» in den Räumen de- diesigen Proviant-AmteS (SchloßPleißeriburg) 1 Partie NoggrnNeie und Kehrmehl öffentlich an den Meistbietenden gegen sofortige baare Bezahlung versteigert werden. Die Bedingungen werden vor der Auction bekannt gemacht. Leipzig, am 13. August 1881. -Sutstliche« Praviant-Amt. Nichtamtlicher Thetl. Leipzig, 17. August. Trstz der Schlappe, welche Gambetta gelegentlich seiner Wahlrede in Belleville erlitten, muß dennoch anerkannt werden, daß dieser Politiker zur Stunde die Lage beherrscht, denn nicht nur die gemäßigten Republikaner stehen aus seiner Seite, nein, selbst die Regierung schickt sich an. Gambetta v»r dar Angriffen der extremen Parteien zu schützen. So hat. wie kürzlich berichtet werden konnte, der Ministerpräsident Ferry in Nancy ein« Rede zu Gunsten de« Kammer präsidenten gehalten, d. h. er hat sich in dem streitigen Puncte, bezüglich dessen er sich mit Gambetta zu Überwerfen im Begriffe stand, zur Ansicht de» Letzteren bekehrt. Ferry erklärt« sich — sicherlich mit innerem Widerstreben — für «ine Rrvisi»» der Verfassung, und zwar will er nur «in« Iheilweii«, keine radikale, wie sie vou den Intransigenten verlangt wird. Gambetta hat also, statt seine ganz« Kraft auf dir von link» andrängenden Gegner zu verwendet», sich einen zuver lässige» Bundesgenossen an der Regierung geschaffen. So bat er, während man ihm eine Stütz« zu nbhmen glaubte, sich zw«i neue erobert: di« Regierung und ein wirksame- Wahlprogramm. Diese» Programm mußte einen großen Theil der radikalen Demokratie — wie auch die Vorgänge in Belleville bewiesen haben — sehr verletzen, weit cs die siebenden Heere und die in Frankreich herkömmliche Ccutrali- satiou der RegieruugSgewall beibehalten will: in den andern Puncten aber scheint cs unS schr geschickt zu sein. Ohne unS auf eine Kritik dieses Programms heut« näher einzulasscn, geben wir hier seinen Inhalt. Die Verfassungsänderung soll in der Aufhebung de» Recht» der Auflösung der Teputirtrnkammer, welche» Senat und Regierung gemeinschaftlich zusteht, sowie in einem anderen Wahl» moduS für den Senat bestehen; sodann wird die Listen wahl wieder verlangt. Desgleichen werden verlangt: Reform deS RickterstandeS (Unabsetzbarkeit), dreijährige Dienstzeit für daS Militair, unentgeltlicher obligatorischer Schulunterricht, politische Centralisation und Deoentralisation der Verwaltung. Sodann VereinSsreiheit, Ausbildung der SyndicatSkamineril und staatliche AllerSpensioiiScafsen; zuletzt noch Strascolonien. — DaS Programm ist allerdings nickt dasselbe, welche- Ganlbetta im Jahre 1869 in Belleville vertreten hat. Ader e« scheint unS den Umstanden angepaßt, und wenn c« von dem ersten Redner Frankreichs mit der Gewalt seiner rheto rischen Kunst rertreten wird, so ist eben doch sehr wahrschein lich. daß ihm Belleville wieder zufallen wird trotz aller An strengungen der Intransigenten. IuleS Ferry rics in seiner Schutzrcde für Gambetta daS Land aus, sich an die Dienste zu erinnern, >velck>o die 363 Frankreich geleistet haben, indem sie Mac Mahon stürzten und die parlamentarische Republik fest begründeten. Man pflegt in dem leichtlebigen und wankelmüthigen Frankreich solche Dinge leicht zu vergessen. Somit steht denn zu er warten, daß auch diese Wahlen der gambettistifchen Partei einen großen Sieg bringen werden. Dennoch könnte die Möglichkeit eiutreten, daß der Führer erst in einer Nach wahl in die Kammer gelangt, ein Mißgeschick, daS freilich einen für Gambetta fatalen Eindruck mache»! würde. Bel Lickte beleben, ist seine Wabltaktik keine neue: sie ist den Verhältnissen geschickt angepaßt, aber sie wird trotzdem nicht lange mebr Vorhalten, denn sie verspricht sehr viel und erfüllt im Grunde genommen sehr wenig Lilaire hie weltlich« PolA Minister- '->»»,« dagegen Fürst B'Smack snerse,- vom sranz ^ht ^ ^ Präsidenten Ferry lernen, der dl« C zu ^1«! gänzlich in b«wundernSw«rth-r W«lse von^r 5.^anmchen Preich«,, da- abgezogen hat In.d-n' °°rw-cSsnd prmcst°w>^en^p da» durch den Kürzere» gezogen. .^ ,r» ag,mal Sieger im Denn wer seine «»ecke durchs ^n KÄ. N -ÄSckÄA-L. «-'HKN-r L N'L'ZSZ'LL'L-°.«»«-»>"»»< -» MMUFDWMs Götte'r z^Zeug.n"ri!A -«-.r-lk...».,,.».. r-«-.. den Eharakter de- C-ntrums als Regierung-Partei erhalten wir noch die folgende mtere„a>ite Zuschrtst auö den RcichStagSwahlterinin herrscht nach "'» vor Un gewißheit. indessen gewinnen neuerdings doch w'-der mchc und mehr die Bcrmuthnngen an Boden, nach welchen die Sohlen aus die zweite Halste des Oktober fallen we^en. Der Regierung siegt offenbar Hora.., daß die Tha,suche 'hres ^gegenfommenS aus kirckenpolittschem Gebiet der katholischen Wahcnchaft tics und nachhaltig zum Bewußtsein komme, »nd dag somit die ultrainon- ^ Parteileitung der veränderte» BolkSftrömung Rechnung zu Wer dem Laufe der Wahlen m Frankreich in den letzten U?» De7"Bersüch."dem'Lentrum die Wurzeln seines Tnseins abzngraben, ist schon einmal gemach, und schon einmal gescheitert: Herr v. Puttkamer ließ b.^ der B-mchun^ de^Iul,- Jahren aufmerksam gefolgt ist, kor wird bemerkt haben, daß Gambetta jedesmal vou seine» srühcren Versprechungen einige al- „nicht opportun", als nicht mehr zeitgemäß über Bord wirst. Immer mehr und mebr bröckelt von de» alte» Sätzen ab: jetzt, zum ersten Male, hat er auch die Ab schaffung der stehenden Heere gestrichen. So wird nach und nach alle- DaS hinwogsallen, waS Gambetta früber als Hauptsache hiiigeslcllt und was ihn zun, „Dauphin" der Republik gestempelt hat. Biel versprechen und wenig halten, daS ift ein Manöver, welches selbst die hinreichend leichtgläubigen Franzosen auf die Dauer nicht vertragen können. Man wird die Bergangenbeit prüfen, man wird endlich sehen, waS sich bis jetzt erfüllt hat, und man wird zu der llcberzcugung gelangen, daß von den im neuen Programm enthaltenen Versprechungen selbst unter einer Regierung Gambetta'- nur der kleinste Theil sich verwirkliche;, würde. So denkt man — trotzdem er noch Herr der Lage ist — rechts und links von Gambetta und so argumenlirt man heute bei den Masten gegen ihn. Diesmal wird e- noch gehen. Wenn aber Gambetta der Sieg zusälll, bann ma^ er endlich damit beginnen, „positive Politik" zu treiben, um fich als ein wirklicher Staatsmann zu erweisen; sonst dürfte der Zauber seines NamciiS nicht mehr lange Vorhalten, ttn ö aber in Deutschland, die wir die Dinge mit nüchternen Augen anschen, erscheint eS sehr fraglich, ob Gambclla'S „positive Politik" zum Heile Frankreichs ausschlagcn wird, denn der Grundgedanke derselben ist, trotz aller Vertuschungen, die Grenzberichtignug zwischen Deutsch land und Frankreich. Die „Majestät deS Rechtes" wird Elsaß-Lothringen dem „Mutterland?" nicht wieder zusührcn; um sich an der Gewalt zu behaupten, bliebe also dem ehr geizigen Manne als ultimo ratio nur der Appell au daS Schwert übrig .... Diese Möglichkeit faßt die ossiciöse Presse bereits iuS Auge. Wir aber wünschen ausrichtig frcimdnachbarlichc Beziehungen zu Frankreich zu pflegen und zu befestigen und werden — darin stimmen wir mit der „Nvrdd. Allg. Ztg." überein — jedem Versuch, sie al» provi sorisch darzustellen, pflichtmäßig entgegen treten. Die „Allgemeine Zeitung" seht ihre Polemik gegen die Beendigung deö EulturkampfcS fort. Den beiden v. S. aczcichuete» Artikeln „In Canossa" läßt da» Augs burger Blatt einen Artikel mit der Neberfchrist: „Zur neuesten Pbale der preußischen Kirchenpolitik" folgen, welcher besonder» die Haltuim der „Allg. Ztg." während deS CullurkampfcS Varlegt. In diesem Artikel yeißt eS: Daß wir „in Canossa" angclangt sind, dürfte sich avmälig als unleugbare Thatsache Herausstellen: minder klar wird eS leider für die Meisten sein, wie wir deS Weges gekommen, weshalb wir nolhwendig dort gelandet sind. Den osficiösen Trompetern freilich, die mit gleicher Bravour zum Angriff wie zum Rückzug' blasen, kann weder die Thalia che noch deren Begründung jemals zum Be wußtsein kommen, um deren Belehrung handelt cs sich ckuch gar nicht. Wohl aber möchte eine kurze Erörterung des Warum nicht ohne Nutzen für einen großen Theil der Freiwilligen im 'Cultnr- kämpfe" fein. Man hat kürzlich irgendwo gelesen: der Protestantismus sei nicht im Stande, mit der röitlischen Lirchendiplomatie fertig zu werden. Ist darunter jener Protestantismus verstanden, der in seinem Käm merlein den Herrn anruft, sonst aber von der Ktrchengeschichte Nichts versteht; jener Protestantismus, der sich etnbildct, Mit etwa- Röucrie der Curie beizukommen, wie etwa einem Minister oder'Gesandten: dann ist die Behauptung richtig, und Rom wird stets über Witten- berg den Sieg davontragen. Ist aber der Protestantismus eine wiffenschastliche Tendenz, ist er die Ncubelebung des im Mittelalter einaesargten Geiste-, ist er der Anwalt historischer Kritik und de» pofitioen Staats- und FreiheitSgedanken«, dann dürften alle Finessen und Cabalen Roms an einem solchen Panzer wirkungslos abprallen. Fichte meinte einmal: die Stelle des Herrschenden gebühre einzig dem Lehrer: wenigstens kann man sagen, daß es nicht übel wäre, wenn alle Regierenden etwa- Tüchtiges gelernt hätten und so vor der Geiahr bewahrt blieben, die ältesten Jacken per Intuition als neue Kleider anzustaunen und anzuvrcisen Für gewiß erklärten wir schon längst, daß der „eneraiichste und rücksicht-toteste Staatsmann der Neuzeit sich in der Aggressive geirrt, die Position de- Gegüers nicht richtig reeognoScirt" Hove, und „daß Iwr Mottle de- geistige« Feldzug« noch nicht gesunden" sei. Eine »ene Emnpagne letzten wir dabei voran-, die aber von höherer Gtralegik und Taktik und mit besserer Ausrüstung geführt werden müsse. Italien hat doch eine viel schwierigere Position und ist viel radikaler durchgesahreu; gleichwohl behauptet die römische Regierung ihre Positivs, well sie den Latholicismus kennt, gleichsam aus einem ^ese^ wiederholt dnrchblicken. daß cr iwn de» Aß-imgen desselben erwarte. erstaunlich. —7 „ . . wird für die Regierung nickt auSbleiben, aber sie wird mit einer tiefgehenden Erschütterung de» sittlichen Gleichgewicht» der Nation erkauft werden müssen. . ^ ^ . Ei» namhafter Politiker äußerte dieser Tage: „Beinahe möchte man wünschen, daß sich von unseren Conservativen und der jetzige» Parteircgicruilg sagen ließe, waS von den Bourbonen galt: sie habe» Nickt» gelernt und Nicht» vergessen; denn dann wurde ihnen wenigstens die Anerkennung der Consequenz nicht versagt werden können. So aber läßt sich leider nur sagen, daß sic Nichts gelernt und Alles vergessen haben, daß sic trotz drei-, vier-und mehrfacher Eriahrnngen vergessen dabcn, wie die Kosten eine- Friedensschlusses mit Nom und seinen Anhängern aus deutschem Boden stets von den protestantische» Preuße» gezahlt wurden." Im Regierungslager weist man mit Genugthuung ans die veränderte Wahltaklik des Ccntrums hi», welches noch vor wenig Wochen den Deutsch- eonscrvativen den Fehdehandschuh zuacschlcudert und sich jetzt zu Comproinissen geneigt zeige. DaS sei, so heißt eS, die erste Frucht der Goßler'schcn Politik; man lasse nur den Dinge» die Zeit zur Reise und man werde erkennen, daß eine starke, nicht erdichtete conservatw- klerikale Mehrheit in der Bildung begriffen sei. Wenn die Ultra- montanen daS hören, so nehmen sie eine ernsthaft wohlwollende Miene an. Wenn sie aber untrr sich sind, mögen sic wohl nach den altrömischen Auguren recht herzlich über solche Vertrauensseligkeit lachen. In der That unterstützen sic die Candidaten der Rechten, d. h. eine Regierung, die ihnen so unendlich bereitwillig di« Wege ebnet. Aber daß sie ihre Selbstständigkeit aufgeben, sich für ein Programm verbindlich machen und sich als Regierungsvartei erklären sollten, das Alle» liegt ihueu so fern, daß sie eS nicht einmal für der Mühe werth Hallen, es ausdrücklich vou sich abzuwelsen. Die Führer find zu klug, um nicht einzusebcn, daß da» Ccntrum mir durch die scharfe Lost der Opposition sein Leben erhält. Dir wissen, daß jede wirklich« Nachgiebigkeit gegen den Fürsten Bismarck eine sofortige Secession in Ihrer eigenen Reihe zur Folge hätte, wie denn auch jetzt ».B. die welsischen Particularistcn drohend genug vor dem Uebertritt in da» Lager de« Fürsten Bismarck warnen. Wenn eS möglich wäre, die Ereignisse de« Tages mit dem objektiven Blick des Geschichtschreibers zu umfassen, könnte man etwas Tragisches darin finden, wie der gewaltige Staatsmann, der so Große« schon überwunden, sich vergeblich abmüht, daS Centrnm, dieses tobte Gewicht an dem nationalen Organismus, zu sprengen, bald durch Lockungen bald durch Drohungen. Und doch ist Eines klar: es giebt gar keine Politik mit den Ultramontanen, weil diese elbcr nur in der Verneinung ihren Bestand wahren können; eS siebt nur eine Politik gegen die Windthorst und Genossen und olglich eine gesunde und leistungSkrästige Mehrheit nur mit AuS- chluß deS CcntrumS. Die Folgerunge» liege» auf der Hand und eS ist auch noch nicht allzu lange her, daß sic zum Schaden des Reichs und seiner Entwickelung so oedauerlichcrwcisc verlassen wurden. Unsere Zeit ist raschlebig und vergißt schnell. So erinnern sich auch nur noch verhältnißmäßig Wenige von Denen, welche inl öffentlichen Lehen stehe», wann der Geheime Ober- regieruugSrath Tiedemann, dessen Ernennung zum Re gierungspräsidenten dieser Tage publicirt werden wird, in den „unmittelbaren Dienst des Reichskanzlers" getreten ist. Fürst BiSmarck wurde aus seine spätere „reckte Hand" in derLandtagSlegiSlaturprriodc von 1873—1876 ausmerkfam. Herr Tiedemann vertrat in derselben den nämlichen Wahlkreis dessen Abgeordneter er noch jetzt ist. nämlich Mettmann .m Düsseldorfer Rcgierung-bezirke. und fand Gelegenheit, dem Reichskanzler seine Anschauungen über die BerwaltungS- oraamsatton in den ReichSlandcn darzulcgen. Der Kanzler ließ sich durch die Auslassung de- Landraths de« Kreise- Mett mann nur durch daS geschmeidige Wesen de- damals schon der srclcoiiservatwcn Partei zugehörcnden Abgeordneten derart gewumen. dag er »hu noch vor dem AuSaana der Gesctzqebuna»- periodc alS HütfSarbeiter in-S taatSminifterium berics. und sobald !°"^?^lauscn war, rum Geheimen Rath beförderte. Im Mai der Genannte schon vor dem Fürsten BiSmarck einen anderen mächtigen Gönner und zwar keinen geringeren als den jetzigen Statthalter von Elsaß-Lothringcu, Feldmarschatt v. Man- tcussel. ES war im Jahre 1865, als General Manteufsel alS Gouverneur in Schleswig ein strenge- Regiment führte, wozu u. A- auch die schärfste Ueberwachung der Augusten-- burgischen Wühlerei gehörte. Die Verwaltungsorgane hatten die bündigste Anweisung, namentlich über die Auzustcnburgischcn Vereine ein wachsame« Auge zu haben, und mit zu diesem VerwaltungSorganiSmuS zählte auch Herr Tiedemann, der zu jener Zeit dre Aeutter eine» Land- vogteS und Dcicharasen in Slapelholm irme hatte. Auch i» seinem Bezirk «xistirte ein solcher Augustenhurger „Verein", den der Herr Landvogt in etwa« übeneisriaer Befolgung seiner Dienstanweisung eines Tage- ftrrxr Hand auflöste. Er hatte seine Befugnisse dienstlich offenbar überschritten, und die Folg« war, daß er, um einen Verweis entgegen zu nehmen, nach Schleswig beschicdcn wurde. Der Herr Gon- veruenr trat ihm al- Vorgesetzter gegenüber, erklärte ihm» daß er die Grenzen der gegebenen Dicnstanwcisuna verletzt habe und daß ihm dafür ein Verweis zu Theit werde,, müsse. Al» sein Vorgesetzter entdeckte er ihm nun mehr den Verweis. Kaum aber war Die- gesck>ehe», so änderte sich die strenge Vcrgeschten-Miene deS General- in die de- wohlwollendsten Freundes um. und er fragte den soeben erst „Gcmaßrcgelten", ob er nunmehr sein Gast sein wolle. Ans diese Weise traten sich der General v. Manteufsel und Herr Tiedemann nahe, und der Letztere wurde im Jahre darauf al» Polizcimeister nach Flensburg und 5 Jahre später als Decernent »n die RegiernngS-Abthcnlung de- königlichen Polizci-PräsiviumS zu Berlin versetzt. Die „Nationalliberale Corresp." verspricht sich von den Llersuchen, die liberalen Parteien für die bevorstehende ReichStaaSwahl zu einigen, herzlich Wenig. In klarer Erkenntnlß der wirklichen Lage schreibt da-genannte Parteiblatt: In West Preußen ist aus einer Versammlung in Marien burg zum ersten Male ein praktischer Versuch von größerem Umfange gemacht worden, die liberal«, Parteien für die be vorstehende ReichStagSwahl zu einigen. Wir bringen diesem Versuch unsere volle Sympathie entgegen und wollen hoffcu, daß die Schwierigkeiten, die sich naturgemäß bei der Aus führung ergeben iverden, die Verständigung nicht zum Schei tern bringen. Dies« Schwierigkeiten werden sich schon bei Abfassung eines allen Überall« Richtungen gerecht werdenden Wahlaufruf» »eigen, noch mehr aber b« der einmütWG»Aus stellung von Kandidatur« und der Verständigung darüber, welche liberale Richtung in de» einzelnen Wahlkreisen den gemeinsamen Gegnern fgegenüber Aussicht hat, die meisten Stimmen auf sich zu vereinigen. Doch wir wollen hoffen, das anerkenncnSiverthe Unternehmen der wcstvreußischenLiberalen werde diese Schwierigkeiten überwinden. Ob eS auch anderwärts »och Nachahmung findet? Wir möchten eS wünschen, haben aber in dieser Beziehung keine großen Erwartungen. Der Kamps unter den verschiedenen liberalen Richtungen ist in sehr vielen Wahlkreisen schon zu weit gediehen, und zwar vorzugsweise durch die Schuld der Fortschritt-Partei, welche in Dutzenden altuationalliberaler Wahlkreise ihre Candidaten ausgestellt hat. auch wo nicht die geringste Aussicht ist, sie durchzubringen. Mit einer ehrlichen und loyalen Ver ständigung über diejenige liberale Kandidatur, die am meisten Aussichten hat. über konservative, ultramontane, social- demokratische Gegner zu siegen, wären wir wohl einverstanden gewesen; aber wo, außer fetzt in Westprenßen, ist auch nur der Versuch dazu gemacht worden? Vor Monaten schon be gonnen, auf einen größeren Umfang berechnet und ehrlich durchgeführt, hätte ein Unternehmen, wie e< jetzt in Wcstpreußcn versucht wird, von großem Erfolg sein können; jetzt wird die liberale Versammlung in Marienburg eine mehr al« provinzielle Bedeutung schwerlich gewinnen; doch wünschen wir ihr auch in dieser Beschränkung Glück. In Berliner Regierungskreisen behauptet man natürlich, nicht auf dem Wege nach Canossa zu sein; man will von den Vermuthungen bezüglich Revisionen der kir chen- politischen Gesetzgebungen Nicht-wissen; man behauptet im Gegentheil, daß dw Regierung von der Grundlage der bisherigen Gesetzgebung nicht abzuweickcn entschlossen sei. Inzwischen verlautet, die Curie habe weitere bestimmte Forderungen gestellt und bestehe namentlich aus Beseitigung de« kirchlichen Gerichtshöfe-, Wie weit Die- richtig ist. bleibe dahingestellt; so viel aber steht fest, daß schon im letzten Winter hervorragende Mitglieder des CentrumS, welche bezüglich dieser Angelegenheiten für sehr unterrichtet gelten, jede Gele genheit wahrgenommcn haben, zu erklären, die verlangte An- zeigepflicht ser kein Hinderniß für den FriedcnSschluß, allein ohne Beseitigung des kirchlichen Gerichtshofes könne davon nicht die Rede sein. E« wird vielfach vcrmuthet, daß die erwähnten, jetzt »u erwartenden Bestimmungen des Reichs kanzlers auch diese Fragen berühren werden. Der „Elberfelder Ztg." wird über einen recht phantastischen „ZukunstSplan sit'r Hamburg" von dort geschrieben: Bon wohlunterrichteter Seite geht unS die Mitthcilung zu, daß zur Zeit der Verhandlungen wegen de- Zollanschlusses der Stadt Hamburg an maßgebender Stelle in Berlin cm Projekt vorgclegt worden ist, welches wohl auch in weiteren Kreisen auf größeres Interesse Anspruch machen dürfte. E» handelte sich um nichts Geringeres al» die Erhebung Hamburg» nach vorhergeganaener Einverleibung in Preußen zur zweiten Residenzstadt deS Reiche-, wodurch dann auch die derzeit noch schwebenden Zollanschlußverhandlungeu ihre gewiß allseitig befriedigende Erledigung gesunden haben würden. Und wirklich dürsten sich wohl kaum günstigere Momente für die Verwirklichung eine- derartigen Projects finden lassen. Ein große- Reich sollte thunlichst einen Hasenplatz zur Haupt- stadt haben, und Hamburg mit seinem Welthandel und seiner großen 4ftdeutung würde sich gewiß in jeder Beziehung zur Residenz eignen. Die Lage der Stadt ist eine gesnnde, die Ausdehnungsfähigkeit unbegrenzt, die Bevölkerung wohlhabend, ein Proletariat säst nur dem Namen »ach vorhanden, und eS ift anzunehmen, daß als Hauptstadt des Deutschen Reichs Hamburg mit der Zeit eine Rivalin Londons als Welthandelsplatz werde» würde und kür Deutschland selbst von unabsehbarer Bedeutung. Da» Heiligengciftseld dürfte sich zur Erbauung eine» Palais sür da- jeweilig in Hamburg reftdi- rende Mitglied der königlichen Familie ausgezeichnet eignen. In der Mitte zwischen Hamburg und Altona gelegen, aus dem höchsten Puncte der Stadt, hat da» Heiligenqeiflftld einen größeren Flächen inhalt al« da- MarSseld, und mithin ift genügender Raum sür die Errichtung sämmtlicher notbwendigc» Gebäulichkeiten vorhanden. Für die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung Hamburg- würde die Verwirklichung deS angeregten Projekt» derartige Bort Hesse bringe», daß au eine allseitig günstige Ausnahme desselben wohl kaum zu zweifeln sein wird, falls in Berlin sich dafür ein Entgegen kommen findet.
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