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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188109112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810911
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810911
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-09
- Tag1881-09-11
- Monat1881-09
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1881
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Erscheint täglich früh «V. Uhr. . Nedactio» und Lrpedtti«» Iohanne-gasse 33. Sprechstunden der Nedartio«: Borniittags 10—12 Uhr. Rachniiitags 4—H Uhr. tzUr di« RUck^adr ^^kiandter M-^ukn^t« «ocht ftch Annahme »er für die nächftsolge«»e Nummer bestimmten Inserate an ISachkntanen bi» 8 Uhr Nachmittag», an Sann- nn» Kefttage» früh bi-Uhr. 2» den Filialen für Zns.-Apnahm«: vtta Klemm. Universttötrstraß, 99, Lauts rische. Katharmenftraß« 18. V. nur »t» 'i.L Uhr. KiprigtrIMtilatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ^254. Sonntag den 11. September 1881. «nflage L«,»SO. Aixmnementaprei» viertelj. 4V, Mil., iacl. Briaacrloh» 5 Mk., durch die Post bezogen 6 NU. Jede einzelue Nummer Ni Pf. «elegarmplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» ahne Postvesürderung 3S ML mit PoftbesSrderuug 48 Rk. Inserate öaespaltene Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichnest. Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Kerlamri, unter de» Ledactionostrich di« Spaltzeile 50 Pf. Inserate stad stet- an die Girpedttta« z» seadea. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pmonumernnäo »der durch Poft- uachnahme. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. iirsrulliche Sitzung -er Stadtvrrordnetru Mittwoch,««14 Teptbr. m.Abend» Uhr i» Saal« der I. Bürgerschule Tagesordnung: I. Gutachten de- Verfassung»- bez. Finanz- und Oekonomie- AusschusseS über: ». die Begründung einer Rathöarchiv- directorstelle sowie die GehaltSregulirung für die Beamten der Stadtbibtiothek; d. die Reorganisation de» Copisten- wesenS beim Rathe: o. die Grundsätze bei Verwaltung der Grassi'schen Erbschaft; ä. das von der Regierung beanspruchte Bestätigungsrecht hinsichtlich dek Polizei- directorwahl; v. da» Regulativ und die Eoncesfion--- ertheilung für den Düngerexport. II. Gutachten de» Lösch- bez. Finanz- und Verfassung«- AuSschusseS über: ». die Anschaffung von Feuerwehr fuhrwerken; d. die Anschaffung von Schläuchen ,c. kür die Feuerwehr - o. die Anstellung fech» neuer Feuerwehr leute; ä. den Ankauf von Pferden » conto Marstall zur Spritzenbespannung. III. Gutachten de« Finanz-AuSschuffe» über:». die Bcrwilligung eine« Berechnungsgeld«- für Armenstatistik; d. Servis- zuschuß für mehrere Unterofficiere de» 134. Regiment«. IV. Gutachten de- Oekonomie-, Finanz- und Bau-AuSschusse- über: ». Ankauf der Postwiese; d. Verlegung der süd lichen Borfluthschleuße. Vrkanutmalhuug. Wir haben beschlossen, de» zeither..Brandweg" benannten Straßentract mit dem Namen „D»fo«r-Stra-e", den zwischen der Körner- und Schenkendorsstraße gelegenen Platz mit dein Namen „Süd-Platz" und die Straße L de» süd lichen Bebauung-plane- zur Erinnerung an den Reich-srei- herrn vom Stern mit dem Namen „Stein-Straße" zu bezeichnen und bringen die» hiermit zur öffentlichen Senntniß. Leipzig, den S. September 1881. Der Math der Stadt SaichztG. ^ De. Georgi. vr. Wangewau». Wegen Reinigung de- Locale- bleibt die Stadtcasse den 14. diese- Monat geschloffen. Leipzig, den 10. September 188l. De» Rath» Atnanj-Depntatio». Weitzer-Slster-Verbllil- zu Wahren. Die durch den Fluthrinnenbau unmittelbar betroffmcn pp. Grundstücksbesitzer event. Pächter werden auf das Drin gendste ersucht, sich des unpfleglichen GebahrenS aus der fettig gestellten resp. noch im Bau begriffenen Fluthrmne nchst Gräben. Böschungen und Krone, insonderheit des Befahrens derselben mit Schiff und Geschirr selbst zu enthalten, a»ch solche» nicht geschehen zu lasten. Alles Reiten. Fahren und sonstiges Spoliren der Fluthrinne nebst Zubehörungen durch Unbefugte wird hingegen mit einer Strafe von Itt Mark geahndet. Möckern-Wahren, den S. September I88l. Baron Fuchs-Nordhoff, Vorstand. Berichtigung. In der in voriger Numiner veröffentlichten Bekannt machung de- Rath-, die Grundstücke auf der Süd-Straße betreffend, muß es am Ende der linken Abtheilung statt LI—155 Diverse Besitzer vielmehr heißen: 31—63 Diverse Besitzer. 65 Frau Auerswald. >7—155 Diverse Besitzer. Da- am 14. Män 1881 hier ausgestellte Dienstbuch für Lrlma Gabler aus Stößen ist, nach erstatteter Anzeige, in hiesiger Stadt verloren worden und im AusfindungSsalle hier abzugeben. Leipzig, den 9. September 188.. " Ta» Polizei-Amt -er Statt Leipzig. vr. Rüder. Trink-. Königliche Akademie der bildenden Künste und Kunstgemrbeschllle zu Leipzig. Die Studie» im Winterhalbjahre 1881/82 beginnen Ma«ta», de» 8. Oktober ». e„ die la ieScurse früh 8 Uhr. die Abendkurs« um 8 Uhr. Anmeldungen zur Aufnahme sind in der Zeit vom 18. bi- »». September in der Expedition, westl. Flügel der Plettzenbnrg II. Etage, Nachm, zwischen 4 «mb 8 Uhr zu bewirken. Leipzig, am 94. August 1881. Der Dlreetar: Nieper. In dem Gesetz« vom 1. Juli diese- Jahre-, betreffend die Er Hebung von Reichsftempelabgaben, ist bestimmt, daß alle p«r dem 1. October 1881 — als dem Tage de- Inkrafttretens de- vorer- wöhnten Gesetzes — ansgegedenen «»»löubischen Actien, Renten «nd Schuldverschreibung«» einer Stempelabgab« von 50 beziehentlich 10 >4 pro Stück unterliegen, Hafer» »lese Werttzpaptere bt« -»« Etz. Decewber 1881 z»r Stemp«lu»g vorgelegt werde». Unter Hinweis aus die Eingang« gedachten gesetzlichen Be stimmungen werde» alle diejenige» Personen, welche» als Bormün der» oder in sonstiger Eigenschaft die Lrrwaltung von bei der unter zeichnete» Behörde deponrrtem Vermögen obliegt, andurch ansgesor dert, die Werttzpaptere »«rbezeichnelrr Art zum Zwecke der Ab- stempelung sich «-händigen za lasse». Es wird siib aber empfehle», di« Empfangnahme in den frühe» Bormittagsstnnoe» z» bewirke», damit die Siedereinlieserung der abgestempeltr» Papiere, wen» möglich, noch a» demselben Tage erfolge» kann. > Leipzig, am 9. September 1881. Königliche« Amtsgericht, Abt heil»»g V Raaa«seld. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 11. September. Tie Kaiserbegegnung in Danzig füllt die Spalten der in- und ausländischen Presse, und alle Welt zerbricht sich den Kops darüber, welche Beweggründe den Zaren ver mocht haben, daö dem Selbstherrscher aller Reußen unsym pathische Deutschland aufzusuchen. Eine Wiener Corre- Pvndcnz der „Times" bringt über die Umstände, welche dieses Ereignig vorbereitet, „Enthüllungen". Danach ist die Zu sammenkunft da» Ergebniß eines säst plötzlichen Entschlusses ans Seiten Alexander'» III., dem deutschen Kaiser einen Besuch abzustatten. Es war einleuchtend (so heißt eS), daß der Zar einen Großfürsten oder irgend einen hochgestellten mili- tairischen Würdenträger entsenden würde, um den deutschen Kaiser, wenn er sich der russischen Grenze nähere, ru bewill kommnen; allein der Kaiser Alexander sehnte sich danach, seinen Großonkel und sreundlichen Nachbarn persönlich zu begrüßen, da er ihn seit seiner Thronbesteigung nicht gesehen und nicht im Stande gewesen, sein« Absicht, ihm einen Besuch abzustatten, auözuführen. Er fragte demnach an. ob ein Besuch in Danzig bei dieser Gelegenheit angenehm fein würde, welche Anfrage natürlich bejahend beantwortet wurde. Die Berliner Officiösen, welche bis jetzt noch kein Wort zur Begrüßung de« Zaren gesagt haben, setzen auch heute ihr Schweigen fort, sich einfach auf die Wiedergabe einiger Telegramme au» Danzig beschränkend. Wahrhaft frappirend wirkt eine Erklärung diese» Verfahrens, welche die „Norddeutsche Allae- meine Zeitung" giebt. DaS Regierungsblatt schrewt: E» hat zu vielfachen Bemerkungen und Angriffen in der Presse Veranlassung gegeben, daß die Wahl Danzig» für die Begegnung der Kaiser Wilhelm und Alexander, wie von anderer Seite, so auch von uns bezweifelt und bestritten wurde. Die leider nur zu oft erprobte Rührigkeit der inter nationalen Mörderbande rechtfertigt unser Verhalten in den Augen jedes besonnenen und patriotisch denkenden Mannes. Wir sind stolz darauf, gegenüber den Indi-cretione«, die, «»er Wichtlgthuerei zu Liebe, den Banditen von ganz Europa in Danzig Rendezvous gegeben habe», »»ser« Pflicht gethan und die Zuverlässigkeit der reportirte« Nachricht bestritten zu haben. Ueberall wurde die Begegnung im friedlichen Sinne gedeutet. In Wien hat bei dem Kaiser Franz Iösef und den einflußreichen Mitgliedern des Kaiserhauses insgeheim schon lange der W u n s ch beherrscht, wieder zu einem guten Einvernehmen mit Rußland, ja, womöglich zu einer Wiederherstellung des Dreikaiserbündnissc» zu kommen. Heute stimmt dasjenige ofsiciöse Blatt, in welchem die Anschauungen des Auswärtigen Amtes hin und wieder niedergeleat zu werden pflegen, einen Ton an, der ganz genau aus das Nämliche hinäuSkommt. Auch in Paris wird die Danziger Zusammenkunft über wiegend in friedlichem Sinne besprochen und als eine neue Garantie des Friedens betrachtet. Nichts desto weniger laufen daneben im Publicum und in der Presse die ver schiedenartigsten Gerüchte über den Grund, die Bedeutung und die Tragweite der Begegnung »m. Sicht man einerseits darin einfach einen Act der Höflichkeit des Zaren gegen seinen Großoheim, den Kaiser Wilhelm, und legt demnach der Zu sammenkunft mehr Familienbeweggründe als Staatügründe unter, so glauben Andere, daß aiigesickls der gewissen Spannung zwischen Rußland und Oesterreich Fürst 'Bismarck diese neue Annäherung Deutschlands an Rußland herbei- aesührt habe, um Deutschland seine dominirendc und neutrale Schiedsrichterstellung in Europa zu bewahren, indem es bald Rußland in seiner gegenwärtigen nationalen panslavistischen Politik, bald Oesterreich in feiner nach der Baikanhalbinsel gerichteten Politik unterstütze. Die anti-republikanischen Kreise vittern natürlich in der Begegnung die Anfänge einer mon archischen Vereinigung gegen da» demagogisch-republikanische Frankreich. In England gilt die Zusammenkunft deS Kaisers mit den Zaren für kaum mehr als ein Familienereigniß, da« keine weitgehende politische Bedeutung hat. Man wie derholt sich dabei, daß Alexander HI. seine» Sinn geändert und aus die deutsche Freundschaft eingegangen ist; man schließt VarniS auf ein FaÜciilaffe» der anti-österreichischen Pläne Rußands und auf einen Stillstand in den vorwärtStrcibenden Kräften, die gegen de» Orient gerichtet sind. Die „Times" ist unstreitig am vorsichtigsten, wenn sie sagt: .Keine neuen Kriech, keine neuen Allianzen, keine neuen politischen Strö mung», sind zu erwarten. Der bestehende Zustand der Dinge wird bestätigt, und Europa wird »ach der Ziisammenkuust so bleiien, wie eS früher war." Die afsiciöse Presse hat der Verfassung den Krieg erklärt, heim immer neue Angriffe erfolgen von dieser Seite auf den .Parlamentarismus". So veröffentlicht die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" unter der Maske der Abioelr gegen angebliche Forderungen und Bestrebungen der Fortschritt-Partei seit längerer Zeit Schmähungen, hinter denen nachgerade auch der vertrauensseligste ein System wittern mu^. Immer von Neuem bemüht sich das Regie rungsblatt den Beweis zu führen, daß die „parlamentarische Doctrin" in letzter Folgerung zur Abschaffung der monar chischen Gewalt, zur Republik, zur Volk-Herrschaft führen müsse. Vergeben» wird von allen Seiten darauf erwidert, daß in Deutschland keine irgendwie nennenSwerthe politisch« Rich tung sich mit chrartigen extremen Bestrebungen trage, ver geben» wird atz» dem unmittelbaren Leben heran» nachge- wiesen, wie auch der vorgeschrittene Liberali-mus dem Kaiser haufe mit unbeditzgter Treue und Ehrerbietung ergeben ist. Die StaatSmänntzc der „R A. Ztg", sie, di« sonst nicht ge- nua über die „Gaffe Theorie" z« spotte» wissen, bestehe« auf ihrem Scheins was kümmern sie die thatsächlich«» B«- wcise au» der Wirklichkeit? — sie klammern sich an ei» paar mühsam htrbeigescbafftc, au» de« Zusammenhang« gerissen« Belege au« constitütionellen Schxiftstelleru n«d verlange«, „wissenschaftlich" widnlegt zu werde» Ein Zweifel übe, den Zweck diese» hartnäckig fott- gesehten Spiel» ist nicht möglich. Es handelt sich nicht mchr. wie bei frühere» Maßen, a»r darum, die selbstständig« s Liberalen anzuschwärzen, um so zu^erner^ ^NutionelleWr- ReaierungSmehrhelt zu gelangen, , herabzuwürdigen sasfnng als solcke ^^/»e Y „ LL Beliehung^ ab« ^ dies?Weist di- Grundlage unsere« LÄ wiedenuaeben - jeder Bürger erkennt, daß wir hier emcu «nmH auf einem Hauptpunct unserer Staatsordnung gegen- übStehen. Ja wohl, die Tbeilung der gesetzgebeu^nM»^" zwischm den, durch seine Rcg.er>mg vertrclenen Monade und der Volksvertretung und die Berstäud,gunzbe,derTH«le als aleickbcrechtigter Factoren — da- »st di« Grundlage, aus welcher da» Fortleben unseres StaatSleben» im Rahmen der zu Recht bestehenden Verfassung beruht. Statt desien wird heuä die Gleichberechtigung der VolkSvertretuag bekänipft weil sie mit Naturnothwendlgkelt zur Bolksherrschaft, zur Republik führe, während doch alle Welt weiß, daß gerade m Deutschland daS konstitutionelle Recht mit ,u der Absicht ein- geführt worden ist, eine republikanische Umwälzung zu ver hüten. die Stellung der Monarchie zu sichern. Nicht ohne Kämpfe freilich ist die moderne Staatsordnung bei un« in» Leben getreten; aber kein unbefangener Beobachter kann verkennen, daß, nachdem die Anfänge überschritten, bei uns in Deutschland sich ein ganz eiae»tyümi»cher, durchaus nicht schablonenhaft nachgeahmter EomntutioaaliSmu- ent wickelt hat, ein Berfaffungsleben, m welchem nebm nner^un Allgemeine» befriedigenden Stellung der.Volk-Vertretung dem Wirche» «i» sehr bedentmde« «aß starker »»torität ge- wahrt bleibt. Und die« verhältniß trägt man heute kein Bedenken zu erschüttern — warum? weil e» e»nem Minister nicht gelungen ist, die Volk-Vertretung al« allezeit gefügige» Werkzeug benutzen zu können. Wir meinen, nicht nur unter den Liberale», «em, unter allen vernünftigen Patrioten sollte dem bodenlos leichtfertigen Treiben der „Nordd. Allg. Ztg." gegenüber nur Eine Stimme sein. Die Ultramontanen, die sonst so geschickt in der Ein leitung ihrer Politik sind, haben sich keinen besonders günstigen Zeilpunct für die Veröffentlichung ihres Wahlaufrufs, den heute die „Germania" bringt, ausgesucht. Tenn die Danziger Saisertage thun dem Interesse an dm inneren Vorgängen doch einigermaßen Abbruch, und da» Programm des Centrums hat unter dieser Zwiespältigkeit der Theilnahme fürs Erste zu leiden. Freilich gilt Das nur von den Massen; in ernsthaften politischen Kreisen wird man nicht umhin können, dem politischen Glaubensbekmntniß, wie es Herr Windthorst hier ablegt, die peinlichste Aufmerksamkeit zuzu- wcnden. Der ultramontane Wahlaufruf bestätigt durchaus, wa» wir schon vor Wochen zu melden in der Lage waren, daß nämlich angesichts der Wendung im Culturkampf von Mit gliedern der Partei darauf gedrungen wurde, die schroffe Sprache des unmittelbar nach Schluß des Reichstages ent worfenen und unter ganz anderen Bedingungen sestgestellten Programms zu mildern. Schien e« vor einem Monat noch fraglich, ob die Führer diesein Ansinnen Raum geben würden, so zeigt sich jetzt, daß sie e» doch für gut befunden haben, Wasser ,n ihren feurigm Wein zu mischen und der Regierung ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen. Herr vonGoßler müßte sehr schwer zu befriedigen sein, wmn er nicht den Wahlaufruf de- CentrumS als eine nach Lage der Sache genügende Gewähr der Versöhnlichkeit betrachte re. Alle bestimmten Forderungen werden von den Ullramontanen sorgfältig bei Seite gelassen; da ist nichts von Dem enthalten, was in früheren Jahren die Programme dieser Partei so scharf betont machte, da ist nur ein allgemeiner Hinweis auf den Wahlaufruf von 1878, dessen Wiederholung besagen soll, daß wohl „die beklagens- werthen Zustände wesentlich (also doch nicht ganz) die selben geblieben sind," daß man aber keine» Anlaß finde, eine »e»c Elegie über die alten Beschwerden anzustimmen. DaS Gefühl wirklichen Drucks macht sonst erfinderischer in beweg lichen Klagen, als daß e» sich begnügen sollte, sich selber zu citiren. Was der Wahlaufruf über die socialpolitischru Aus gaben der nächsten ReicbstagSgesctzgebungsperiode sagt, spricht gleichfalls nicht dasiir, daß das Eentrum bei seiner ableh nenden Haltung beharren werde; zwar verspricht es. sich der Gefahren bewußt zu bleiben, welche ein Uebergreisen der Staatsgewalt über ihre berechtigte Machtfphäre hinaus aus allen Gebieten nach sich zieht. Aber diese» Versprechen hat sich erst zu erproben an den wirklichen Vorlagen, und wenn man die Wandlungsfähigkeit bedenkt, mit welcher die Gesolg- lchast des Abgeordneten Windthorst das Unsallgesetz erst radikal amehnte und dann in seinem Sinne abänverte. mit der ernst lichen Abjicht. eS bei nur einigermaßen genügendem Entqeqen- kommen des Kanzler» anzunehmen, so wird man finden, da» in dem Programmpunct. welcher die Socialpolitik behandelt, mehr aus das Verbindende, als aus das Trennend« Werth zu lcqen sein möchte, und daß da- Letztere mehr decorationSweise in den Vordergrund gestellt ist. Dekoration und Coulissen- reißern find es auch, wenn v»n der Rothwendiakeit. Vie Aus- gaben für da« Heer ru vermindern, die Rede ist; denn nach der siebeniährigen Festlegung des Militairetat«. den aller- Lv'lligte, steht dem i-ht zu wählen D^>Än N 2'nstuß m dieser Rschtung Äsen De^tzatM. ch »ferner, wen» nicht Steuervermehrung. so^em Steuerreform, d. h. ..Verminderung und gerechte wird. Da» hat die Regie- auch die Sonservativrn uu- ReLLgnsse'find ' ""beweglich in diesen Dingen da, Tmt^R °b"e wenn va, »entru« in fairem Wahlprogramm von kem Tabak»! monovol Act genommen und so in einem bestimmten Fall seine An- u»d Absichten geäußert hätte. Aber Herr Di»dt- borst hält e« nicht für zweckmäßig, sich für dasselbe verbind lich zu machen, und wie sollte er e» auch in einem Augen blick, wo da« unbegrenzte Meer rosiger Hoffnungen sich vor seinen Augen aufthut? Zu diesem „Manifeste" bemerkt die „Nat.-l>b. Espd."r Der Wahlaufruf de« Eentrum- ist ein ungewöhnlich matte« und nichtssagende- Actenstück. Der kirchenpolitische» Frage wird nur mit der Wiederholung einer Stelle an« einem Wahlaufruf von 1878 gedacht, welch« einfach die Ab schaffung der aus diesem Gebiete ergangenen Reich-gcsehe fordert. Die seitdem vor sich gegangene gründliche Verän derung d«r kirchenpolitischen Lage kommt in dem Manifest auch nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck. Da« Eeutrum zieht «- vor, einfach nicht zu beachten. waS alle Welt bewegt, als sich irgendwie die Hände zu binden. Dagegen beruft sich die Partei aus ihre Verdienste uin Wahrung de« bundesstaatlichen Grundgedanken« der Reichs- Verfassung. Die sogenannte Franckenstein'sche Elausel und die Streichung de- StaatSzuschuffe« bei der Unfallversicherung bürgen dafür, daß die Verdienste de- Centrum- in dieser HiMht niemals verkannt werden. Bei Hervorhebung der Mlwlrkuna der Partei bei den wirthschafts- und s»cial« putschen Plänen der neuesten Zeit wird ver Wink von den Gefahren eines Uebergreisen» der Staatsgewalt über ihren berechtigten Machtbereich hinan» nicht vergessen. Auch die alte Forderung au« feiner demokratischen Rüstkammer, Be schränkung der AuSaaben für da» Heer, wieder zu erheben, hält da» Centrum für angezeigt. Wenn e- die Sicherheit d«S Baterlande» galt, hat man sich freilich bisher beim Eentrum stet» vergeblich um Hülfe umgesehen und wird e« auch ferner thun. Sonst enthält der Wahlaufruf nicht« al» leere Phrasen." Die „Germania" bemerkt zu der Nachricht von der Errichtung einer preußischen Gesandtschaft bei dem Vatikan: „Ein Fortschritt auch in dieser Frage ist nicht zu verkennen. Zuerst sollte die Gesandtschaft in Rom nur errichtet werden nach praktischer Bethätigung derAnzeigepflicht seiten« der Kirche. Daraus »ar nur im Allgemeinen an einem Preis« kür Wied»h«rstellimg de« regelmäßig» diplv- matlfche« BchUhrs die A»«. Ohne solchen „Preis" feilen des päpstlich» Stuhl« sollte aber nicht mehr die Red« sei» von einer Gesandtschaft in Rom. Jetzt ist diesrlbe von Berlin au» augeboten worden, und di« „Nordd. Allg. Ztg." erklärt ausdrücklich, diese Thatsach« Hab« mit Concessionen an de« römischen Stuhl oder von demselben Nicht« zu schaffen. Da ist ein Standpunkt, den wir vollauf billigen." Diese Bemer kungen de- ultramontanen Blatte-, gegen deren Richtigkeit kaum Etwa- einzuwenden sein wird, sprechen deutlich genug für sich allein. Die „National-Zeitung" beleuchtet die Haltung, welch« die preußische Regierung in dieser Angelegenheit früher eingenommen, indem sie Folgendes auSführt: „Wir müssen constatiren, daß mit der obigen Ankündigung abermals di« Staatsgewalt eine früher mit Nachdruck osficiell bekundete Auffassung preiSgiebt. Der unwiderlegliche Beweis liegt in den im vorigen Jahre amtlich veröffentlichten kirchenpoi,- lischen Depeschen vor. Im Frühjahr 1880 war dem römi schen Stuhl die Wiederherstellung der diplomatischen Be ziehungen angcboten worden gegen die Erfüllung der Anzcigeps licht. Mit Bezug hieraus schreibt der Bot schafter in Wien, Prinz Reuß, am l5. April 1880 an den Kanzler: „Ich habe bemerken können, daß, wenn cs auch der Curie von hohem Werth« fein wird, nach heraestelltem Frieden wieder in regelmäßigen Beziehungen mit Preußen zu leben, sie doch kaum geneigt sein dürste, für diesen Bortheil einen Preis zu bezahlen." Darauf erwidert Fürst BiSmarck am 20. April: Wenn die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen für Rom keinen vortheil bildet» für den ein Prei« gezahlt werden würde, so werden wir darans verzichten» dieselbe nochmal« anzubietrn, und darauf nicht wieder zurückkommen. Mit dieser Erklärung vergleiche man die Ankündigung, daß die Wiederherstellung einer preußischen Gesandtschaft beim Vatican jetzt beschlossene Sache ist, und daß dies eine Maß regel sei, „welche niit Eoilcessionen an de» römischen Stuhl oder von dein selben Nichts zu schaffen hat und kein Gegenstand zweiseitiger Verhandlungen ist!" Schritt für Sckritt weicht die Staatsgewalt vor dem Widerstande der Hierarchie zurück. Falk wurde entlassen, Herr v. Puttkamer handhabte die Gesetze im Sinne der „milden Praxis", da» Jnligesctz wurde gegeben, zwei BiSthuinSveriveser wurden eingesetzt und in ihren Div ersen die Gehaltssperre ausgehoben, ein neuer Bischof von Trier wurde ohne Eid und ohne thatsächlichc Unterwerfung unter die Gesetze zugelassen, jetzt wird osficiell die Wiederher stellung der Gesandtschaft bei», Vatikan angckündigt — die Hierarchie aber keharrt bis zu diesem Augenblicke in ihrem Ungehorsam gegen die Gesetze. AuS einer längeren Unterredung mit einem einfluß reichen Mitglied der Cent rum spart ei, die in den letzten Tagen über die kirchenpolitische Lage von eine»! Be richterstatter der „Tribüne" geführt wurde, wird die Ler- muthuna bestätigt, daß die Unterhandlungen, welche von der preußischen Regierung mit der Curie durch Vermittlung de» Herrn von Scbloezcr gesührt werden, ihrem Abschluß nahe find. Der Umstand, dag diese Unterhandlungen direkt und über die Köpfe de« CcntrumS hinweg eingcleitct und fort gesetzt worden, schließe keineswegs auS, dag einzelne hervor ragende Führer der Ccntrumüpartei befragt und über den Gang der Unterhandlungen auf dem Lausenden erhalten worden sind. Die Trierer Bischosssrage bat'« gezeigt, wie leicht man sich bei gutem Willen über die Personensragen vemändigen könne. Auch Über die Besetzung der anderen Bischofssitze sei bereits im Princip eine Verständigung erzielt, kne srbr bald zu praktischen Conscqucnzen führen werde. Ebenso verursach« die anderweitige gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht unter Wahrung deS beiderseitigen principicllcn Standpunkte« keine Schwierigkeiten. Dagegen besteht die Curie aus der Aufhebung de« kirchlichen Gerichts höfe«, dessen Einsetzung nach ihrer Meinung den Conkiict Zwischen Staat und Kirche verschärft Hab« unv dessen Aus sprüche nach kanonischem Recht schlechterdings von der katholischen Kirche niemal- anerkannt werden würden. Die preußische Regierung soll auch in diesem Puncte nach- gegeben haben und die neue kirchenpolitische Vorlage»
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