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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188111095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18811109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18811109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-11
- Tag1881-11-09
- Monat1881-11
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1881
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«»scheint täglich früh 6'/, Uhr. Leß«r1i-n und Lrpe-itiou Johannrsgasje 83. -Prrchffuu-eu -rr Nrdartir»: Bormittag- 10—12 Uhr. Nachmittag« 4—k Uhr. - - LÄÄ" -* ^ Vmiatzme »er für »t« «ichftf»l,e«»e «»»»er »efti«»ten Inserate an W«chenta«en »i» » Uhr Nachmittau«, auEonn- «npFefttaae« früh »i» 7.» Uhr. 3« de» Filialen für Ins.-Annahme: Ott« klrmm, UifiversitätSstraße 21, Laut- Lösche, katharinenstrabe 18, P. «>»r »i» 7^ Uhr. ^ 'U 'chMtr.Tagcklatt Anzeiger. L1A. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels - und Geschäftsverkehr. INl Auflage L6 SSV. AdounnneutoPreio viertelt. 4'/, inci. Bringerlohn ü Mt-, durch die Post bezogen 6 Mk. Jede ernzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren sür Extrabeilaae» »tzne Postbesörderung 38 Mk. «it Postbesörderung 48 NU. Inserate Sgejpaltene Pctitzeile SO Pf. Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichnib- Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Leclamen unter den Ledarlionoskrich die Spaltzeile bO Ps. Inserate stad stet« an die tzrpedtttan »» seaden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeoumeramlo oder durch Post- »achnahme. Mittwoch den 9. November 1881. 75. Jahrgang. s» Amtlicher Theil. -ckannlmachllng. Statt de- Herrn Fabrikant Kiehle, welcher da- Amt eine- stellvertretenden Wahlvorstehers bei der bevorstehenden engeren Reich-tag-wahl zu übernehmen abgehalten ist, haben wir Herrn K«uf«a«n von BihI zum Stellvertreter des Wahlvorsteher-im 16. Bnirk, desgleichen für Herrn Pianosortefabrikant Theopbil. Franke Herrn Aff-ffor Hentschel zum Stellvertreter de- Wahlvorsteher- im 44. Bezirk ernannt. Leipzig, am 8. November 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. I>r. Georg». N. Velranntmachllug. Der aus dem Hofe des «aiserl. P«stge»äu»e- am AngnftuS- pl«tz Hierselbst befindliche Anbau aus Fachwerk mtt Pappdach soll öffentlich meistbietend gegen gleich baare Bezahlung ans sofortigen Abbruch verkauft werden. U ist hierzu ein Termin auf Domerstng, »eu Ist. November ». A-, vor«. Id Uhr, im Hose de« vorbenannten PostgeböudeS angesetzt, wozu Kauflustige mit dem Bemerken eingeladen werden, dah die Berkausöbedinguugcn ans dem Postbaubureau, Postamt 10, zur Kenntniß autliegen. Leipzig, den ö. November 1881. Die vauberwalttMg. Die Herstellung von circa 362 laus. Meter Schleusten mit theil« 30, theil« 40 Lentimeter weiten Thonrohren, sowie circa 312 lauf. Meter Belichtentzen mit IS Lenttmeter weiten Thourohre» soll sofort in Angriff genommen werden. Bewerber sind ersucht, die Bedingungen bei dem Unterzeichnete» tinznsrhen, sowie «nschlagsformulare zu entnehme». Leutzsch, am b. November 1881. Der Gemelnbe-Vorfta»». Dchmiedt. Nichtamtlicher Theil. Zm Ltichvschl. ^ * Die letzte Sonnabends-Sitzung de- sächsische« Landtag war in vieler Beziehung interessant, und vor alle» Dinge» kamen die Enthüllungen, welche sie über da- Treiben und die Ziele der heimischen Socialbemokratie brachte, zu recht ge legener Stunde. Die Mittheilungen, welche der Staats- Minister des Innern über Bebel und seine Partei machte, müssen den beiden größten Städten de» Lande» geradezu al» ein Ruf der Mahnung und der Warnung klingen, daß sie, die in diesen Tage» Nachwahlen in den Reichstag vorzu nehmen haben, bn dieser Gelegenheit zeigen sollen, wie sehr da- ganze Wesen und Trachten der Umsturzpartei ihnen widersteht, daß sie durch ihre Stimmabgabe feierlich vor aller Welt erkläre» sollen: wir mögen von der Social demokratie und ihren Helden und Führern un bedingt Nicht« wissen. Wenn ein Minister vor den gewählten Vertretern de« Volke» Enthüllungen macht, wie Herr v. Nostitz-Wallwitz vor wcnigen Tagen es gethan, so hat man solche Darlegungen sür sehr ernst und bedeutungsvoll zu nehmen; denn Dergleichen redet kein Mann in so hoher Stellung, wenn er nicht im Stande ist, jede» Wort seiner Erklärung aufrecht zu halten und die Wahrheit derselben als thatsächlich durchaus vegründet nachzuweisen. Ja es ist mehr als wahrscheinlich, daß der Herr Minister noch gar nicht das letzte Wort in dieser Sache ge sprochen, noch gar nicht Alles enthüllt hat, wo« er über da« Treiben unserer Umstürzler in Erfahrung bringen konnte. Die Annahme, daß etwa der Ada. Bebel »n der Lage wäre, die ministerielle Darstellung in ihren wesentlichsten Puncten als falsch zu bezeichnen und zu widerlegen, ist daniit von vorn herein ausgeschlossen. Gegen die heimische Socialdemokratie sind Beschuldigungen erhoben worden, wie sie schwerer kaum vorgebracht iverden können, und der bekannte und anerkannte .Häuptling dieser Gesellschaft ist — a>« Candidat zum Reichstag für di« Stadt Leipzig ausgestellt und geht als solcher morgen mit in die Stichwahl. Wie es dahin kommen konnte, daß Solche- in Leipzig sichereignete» soll jetzt nicht Gegenstand der Untersuchung sein; wir wissen ja Alle, daß eine beklagen-werthe Zerklüftung der Ordnung«- parteien die Schuld an dieser geradezu unnatürlichen Lage trägt. Ader die Thatsache liegt nun vor, mit Unerbittlichkeit verlangt sic Erledigung, und den Wählern Leipzig» ist damit eine hochbcdeutsamc Verpflichtung auferlegt worden. Leipzig- Name ist so wohl berufen in aller Welt, daß man auswärts gar nicht wird begreifen können, wie die wahl berechtigte Bevölkerung dieser Stadt vor die traurige Alter native gestellt werden konnte, zwischen vr. Stephani und dem Socialmen > General zu wählen. Ader, wie schon gesagt, die Thatsache liegt nun einmal vor unS und sie kann Nieder durch frommes Gebet noch durch patriotischen Zorn au- dem Wege geräumt werden. Die einzige Möglichkeit, von unserer guten Stadt die Schmach adzuwenden, daß sie in dem Reich-taqe deutscher Nation durch einen Mann d«S UmsturzeS, durch einen Führer der vaterlandslosen Social- demokratie vertreten werde, liegt in der Thal, in der frischen energischen Abwehr de» drohenden Unheil« mittel» allgemeinster Betheiligung aller Wähler an der tevorstehcode« Wahlhandlung. Wir wählen in Leipzig zum zweiten Male. Di« erste Wahl ergab keine absolute Mehrheit der Stimmen für einen der ausgestellten vier (!) Eantidaten und so machte sich also, nach den Bestimmungen der ReichSversaffung und de» Reichs- Wahlgesetze-, eine Stichwahl nöthig. Ob die ganze Einrichtung der Stichwahl eine Au»geburt absonderlicher Klugheit sei, darüber ist schm, Biel gestritten worden, wir aber haben keine Veran lassung. jetzt aus diese« Thema einzugehen. Wir können un« der Stichwahl nicht entziehen, und darum müsse« wir mit allen Kräften bestrebt sein, ihr denjenigen Erfolg zu sicher», der allein unserer Stadt würdig, dem Vaterland« heilsam sein kann, da- be,ßt mit anderen Worten: wir müssen den Soeialdemokraten um jede» Preis besiege«, den liberale» Eandidate» der Ordnuna-parteien wühle». Diese- Motto ist da« einzig denkbare für jeden braven, dem Umsturz« abgewandten, seine Heimathstadt liebenden Wähler. Jetzt gilt keine andere Rücksicht mehr, jetzt sind Hinweisungen aus Grundsätze und politisch« oder anderweitige Bedenken lediglich windige Ausreden, jetzt ist ein Schwanken ebenso unmöglich wie die Nichtausübung der Ehrenpflicht de» Wählen-, Und wer Stephani seinen Todfeind nennte, müßte doch an die Urne treten und ihm seine Stimme geben — im Hinblick auf die Ehre der Stadt und ihrer Bewohner. Wenn aber Einer die Frage auswersen wollte: „Wie? ich habe unlängst au» Grundsatz gegen Stephani gestimmt und denselben Mann soll ich charakterlos jetzt wählen?" — so ist solcher Bedenklichkeit einfach mit der Antwort entgegen zu treten: „Ja, du kannst, sollst, mußt Stephani wählen, denn stimmst du nicht sür Diesen, so giebst du mittelbar deine Stimme dem Vertreter einer Parte:, welche dich und deine» Gleichcn nicht verschonen würde, wenn ihre fluchwürdigen Pläne in Erfüllung gehen könnten." Die Wählerschaft Leipzig» steht vor einer folgenschweren Entscheidung, aber e« kann für Keinen, der seine Stadl liebt und achtet, der der Ordnung Freund ist und de- Vaterlandes Wohl über Alles stellt, — wir sagen: es kann sür keinen wahren Patrioten auch nur eine Secunde lang zweifelhaft sein, was er zu thun, wen er morgen zu wählen habe. ES wäre nicht fein und nicht wohlgethan, sich hingusetzen aus die Bank, wo die Helden einer abgeschmackten „GesinnungStüchtig- kcit" schmollend Platz genommen habe,: mit den, herrlichen Waht- spruche: „unS ist es höchst gleichgiltig, wer die Stadt Leipzig im Reichstage vertreten soll"; es wäre auch nicht woht- gethan, sich mit dem Gedanken zu trösten: „Stephani wird ja wohl au- den drei Parteien, d,e sich zu Gunsten seiner Wahl vereinigt haben, Stimmen genug bekommen» so daß eS der deinigen nicht bedarf"; sondern das Einzige, was sicb ziemt, ist — wählen, und natürlich vr. Stephani wählen. Man glaube nicht, daß auch nur eine Summe aus den Reihen der Ordnungsparteien überflüssig wäre; leider aiebt eS ja unter den Anhängern dieser Parteien so viele Laue, Faule, Unentschiedene, während die socialdemokratischen Gegner auf erhaltene- Commando Mann sür Mann an die Urne treten und Den wählen, zu dem sie mit Ehrfurcht aufschauen. Die Socialdemokratie macht die äußersten An strengungen, um ihren Heros durch die Wahl zu bringen; wir muffen also ihren Anhängern zeigen, daß wir auch nicht zurückstehen an Begeisterung für Erfüllung - nuferer schönste» Bürgerpflicht. U«d pich^blos wählen müssen .IBvir Herr« vr. Stephani, wir müssen ihn auch mit mög- lichst großer Stimmenmehrheit wählen, wir müssen ein imposante- Zeugniß adligen für die Gerechtigkeit unserer Sache, für unsere politisch« Bildung, für unfern Bürgersinn und sür unsere Liebe zu Leipzig. Darum auf, ihr Wähler allesammt, eS fehle morgen keiner an der Urne, und keiner vergesse Da« zu thun, Wa di« Pflicht der Vaterlandsliebe von ihm verlangt! Leipzig muß den Schild seiner Ehre blank und rein erhalten wie bisher, und daß Da« geschehe, dazu gelangen wir durch den einstimmigen Entschluß: »tr wählen Alle Vi». Stephani! Leipzig, 9. November. Die Berbandftmge» der Delegationen in Wien und die bei den Äerathuagen abgegebenen Erklärungen der Minister lassen die Thatsache erkennen, daß die Machtstellung Oester reich-Ungarn-, Dank der versöhnlichen und friedfertigen Politik de- Eabinet», sich im Westen w:e im Osten Europas immer mehr befestigt- Cs sind dafür sehr bedeutsame An zeichen vorhanden, d,e hier mit einigen Worte» gekennzeichnet werden sollen. Besonders in Berlin findet die beschlossene Ausdehnung de» österreichischen Wehrgesetzes aus Bosnien, dieser neue und entscheidende Schritt zur Annexion jener Provinz und zur Beendigung eine- auf die Dauer unerträglichen Zwitterzustande-, selbstverständlich die gebührende Beachtung. Man ist geneigt, anzunehmen, daß e« dem Wiener Cabinet au der Zustimmung de» deutschen Reichskanzler« zu der jetzt bewiesenen überraschenden Kükmbeit nicht gefehlt Hab«; da- Hauptgewicht der getroffenen Maßregel wird aber mit Recht darin gestützt, daß dieselbe dem Besuch de« Kvnig» Humbert in Wien unnnttelbar auf den: Fuße folgte und den Rückschluß wohl erlaubt erscheinen läßt, daß zu den Abmachungen bei Gelegenheit jene- Besuchs auf die offene und ehrliche Zustimmung Italien- zu der österreichi schen Orientpolitlk mit allen ihren Folgerungen gebürte. Die Träume der Irrebentisten mit :hren stet« uner füllbare» Ansprüchen aus Südtirol und Triest sind in Wien und Pest niemel» für gefährlich gehalten worden. Dagegen konnte e« dort nrcht gleichgiltig bleiben, daß die Staat-männrr de« Ouirinal« ihre geheimen Minen gegen die habsburgischePolilikgeradedort gruben, wo dieselbe am empfind lichsten »st. nämlich auf der Balkanhaldinsel. In den Ver handlungen der Donaucommission, in der serbischen Bahnanschlußsrage, bei der Besetzung der Herzegowina, überall hat Oesterreich bisher den hemmenden Einflug Italien- zu fühlen und zu überwinden gehabt, desselben Italiens, welche- die ruhmvolle Vergangenheit, al« die ganze dalma tinisch« und albanisch« Küste unter venetianischer Oberhoheit stand, nicht vergessen und wenn möglich zurückrusen möchte. Wenn nunmebr durch die Wiener Begegnung auch in dieser Richtung eine Klärung erfolgt ist (wie nach dem ener gischen Vorgehen Oesterreich-Ungarn- in Bo-nirn kaum noch bezweifelt werden kann), so ist Die« nicht nur im Interesse unsere- Verbündeten an der Donau mit Genugthuung zu be grüße«, sondern eS wirft auch zum ersten Male ein einiger maßen genügend«- Licbt aus die eigentlichen Ursachen und die letzten Ziel« jener Zusammenkunft, sür welche alle bi»hrr ausaetauchten ErklärungSgründe sich als nicht stichhaltig er wiesen haben. Da- scheinbar am nächsten Liegende ist auch bier tvohl im Grunde das Fernste gewesen und nicht uu: Tunis »der gar um die „Gefangenschaft" de- Papste- im Vaticau werden sicb die Gespräche Mancini'» und de« interimiftffchen Nachfolgers de- Baron- Haymerle ge dreht haben, sondern um jene Fragen der Orientpolitik, die doch immer noch den Angelpunkt der europäischen Politik bildet. Wer sich einmal die Mühe nehmen wollt«, die telegraphisch gemeldeten Verhandlungen der ungarischen Delegation m:t dem Gcsammtbiltc der Lage zu ver gleichen, wie sie noch vor Jahresfrist sich darstellte, der wird finden, daß e- sowohl sür die Red« de- Herrn v. kallav» wie durch diejenige de-Grafen Andrassh wre ein vernehm bare« Ausathmen der'Erleickteruna hindurch geht, als ob man sich nunmehr von Besorgnissen befreit wisse, d:e schwer aus den Gemiilhern gelastet haben. Man hegt in den maßgebenden Kreisen Berlin- nur Einen Wunsch: daß nämlich die Genugthuung. d:e sich allen Meldungen nach über di« Ergebniffe der Begnung auch :n Rom ausspricht. ebenso dauerverheißend fein möge, al- sie enthusiastisch erscheint. Gewiß würde den Sntereffen Italien«, aber auch den des europäischen Friedens am besten gedient sein, wenn man sich im Ouirinal ehrlich und endgütig ent schließen wollte, die zweideutige und doppelzüngige Politik auszugcben und das Heil im Anschluß au die deutsch-öster reichische Gemeinschaft zu suchen. Die Vorgänge in Baiera könne» un« einen Vor geschmack von Dem geben, wa« die reactionair-klaikale Ver brüderung, wem: sie einmal zum völligen Abschluß und zur parlamentarischen Mehrheit gelangt sein wird, im Reich und in Preußen erstrebt. Der Annahme des Antraas, betreffend die Aushebung der Simultanschulen, ist die Aufforderung an den Cuttusminister und leitenden bairischen Staatsmann, Herrn von Lutz, gefolgt, sein Entlaffung-gesuch einzureichen. In derselben Richtung bewegt sich der Antrag aus Beseitigung der Eivilehe, während ein anderer Antrag aus Einführung der zweijährigen Dienstzeit noch charakteristischer für die Bestrebungen der ultramontan-conservativen Allianz ift. Daß diese letztere in Kirche und Schule reactionaire Spiele Verfolgt, dem Geiste der Unduldsamkeit und der Priester-Herrsch sucht huldigt, kan» nicht Wunder nehmen; auf diesemBoden treffen auch in Preußen Hochconservative und Ultramontane zusammen. In München ist aber die Aktion gegen da- Ministerium Lutz unverkennbar auch gegen den nationalen Charakter der dortigen Regierung gerichtet; man braucht nur die Kammcrverhandtungcn zu lesen, um zu erkennen, daß die Stärkung des bairischen ParticulariSmus die Schwächung der Reichsgewatt den Münchener Klerikal-Conservativen noch weit mehr am Herzen liegt al- dir Aufhebung der Simultanschulc und Crvilehe. Der Vorgang ist überaus lehrreich und kommt als Einleitung zu einer ReichstagS- Gesetzgebungsperiode, in der aus eine uttramontan-conservatlv« Mehrheit zu positivem Zusammenarbeiten mit dem Reichs kanzler gerechnet wird, recht zeitgemäß. Der bairische Ultra- ßuoatapi-uu»- hat sich schon wiederholt da» Verdienst erworbeu^iurch seine unverfrorene Maßlosigkeit handgreiflich Hu beweisen) wohin die unverrückbaren Ziele dieser Partei, wenn man sie auch anderwärt- di-weuea etwa- zu ver schleiern liebt, im Grund doch überall gehen und wie gänzlich unmöglich es ist, mit solcher Unterstützung «ine nationale Politik treiben zu wollen, auf die doch weder der Reich-- kanzlcr noch die preußischen Conservativen jemals zu ver zichten im Stande sein werden. Ob Herr Lutz dem Ansturm weichen wird, wissen wir nicht; die Verhältnisse in Baiern sind nicht derart, daß man es als wahrscheinlich annehmen müßte. Aber auch so verdient dieser Angriff mit seiner offen gegen da- Reich und eine nationale dairische Politik ge richteten Spitze al- Warnung an die Eingangspforte zum neue,, Reichstag geschrieben zu werden. Wie man hört, wird die Vorlage, betreffend die Er richtung de« Reichstagsgebäude« am Königsplatz, dem Bundesratb binnen Kurzem zugehen. ES dürste die« eine der ersten Materien sein, mit welchen sich der Reichstag nach vollzogener Zusammensetzung und nach der Präsidentenwahl zu befassen haben wird. Da außerdem an bereits fertig ge stellten Entwürfen zunächst nichts vorlicgt als der Etat, so muß die Besürchtung gerechtfertigt erscheinen, daß gleich im Beginn der Sitzung sich eine unliebsame Leere in der Form einer; Vertagung auf vielleicht mehr al« eine Woche ergeben wird. Daß Fürst BiSmarck zur Eröffnung de- Reichs tage« nach Berlin zurückkehren wird, gilt al» feststehend, wie eS auch des Weiteren in Aussicht genommen wird, daß die Vorlesung der Thronrede durch ihn erfolgen dürste. Wenn je, so bedarf man wohl jetzt auf die« bedeutungsvolle Aktenstück gespannt sein. Von liberalem Hauche, auch in der allerbcscheidensten Verdünnung, wird es nicht durchweht sein, das ist leider schon heute sicher, und gerade heute sicherer als noch vor Kurzem. Denn was nach den, Er- aebniß der Wahlen zu erwarten war, ist geschehen: Fürst BiSmarck zeichnet mit aller Bestimmtheit die Scheidelinie zwischen sich und der Linken, und die „N. A. Z." ist es, welche ,n der Form einer Erwiderung auf ein Versöhnungswort der .Köln. A." diese Zerschneidung de« TaseltuchS mit gewohnter Derbheit vollzieht. Nickt nur die Fortschritt-Partei und die Seccssionisten sind hiernach absolut regierungsunsähig, sondern auch die National liberalen verdienen denselben Vorwurf, weil sie die Sache deö Liberalismus zu hoch gestellt haben. Daß die Partei Bennigsens nur im unbedingten Anschluß an die Regierung noch ihre Rettung finden kann, hat sür die ofsi- ciöse Weisheit fast die Kraft eine« über allen Beweis er habenen religiösen Dogma«. Man wäre versucht, an einen schlechten Scher, zu glauben, aber diese ganze Beweisführung hat doch zuviel Aehnlichkeil mit dem neulichen Appell an daS Centrum, die Rolle der Nationallibcralen zu über nehmen. al- daß man nicht aus eine gemeinsame Quelle, die recht hoch liegt, schließen sollte. Wie jene ältere LiebeS- werbung, so wird auch die neue schwerlich von dem Adressaten angenommen werden. In Bre-lau haben bei der Stichwahl die beiden Sorialbemokraten die Candivaten der Fortschritt-Partei geschlagen. Es wurde im Ostbezirk Hasenclever mit 8457 Stimmen gegen Beblo (Fortschritt) 6788 Stimmen gewählt; im Westbezirk wurde Kraecker mit 8359 Stimmen gegen Freund (Fortschr.) 7887 St. gewählt. Die Stadt Bre-iau dankt dieses wunderbare Wahlergebniß der antisemitisch- sreicouservativen „Schlesischen Zeitung": da« Blatt empfahl seinen Freunden ni den engeren Wahlen Wahlen thaltun g. Sie schrieb zur Begründung dieser Empfehlung u A.: Mag die große Mehrzahl unserer Freunde auch der Ueberzeugung sein, daß auaesicht« der concreten Perhiltnifse di« Wahl der soc,al. dem »kratischea Landidaten da« kleinere Nebel sein würde und daß die Bcvölkcning-schichten Breslau», welche sich beim ersten Wahlaonge für dieselben entschieden habe», zumeist nur harmlose Menschen ausweisen, denen jeder Gedanke an Republik, Tocialismus uud Atheismus fern liegt, so eracht eu wir ei» aettves Eintreten zu Gunsten der socialdemokratischen Partei aus priucipielle« Gründen dach nicht a» zalösslg. »udererseti« aber liegt auch kei» Anlaß »ar, bei der Stichwahl unsere »rsprüugliche Parole: „Gegeu den Fort schritt uud sein Secessionistengefolge!" zu verleugnen! Das Opfer, »u dem wir uns «ach den Atteutateu angesichts des kaiserliche» Appells au die Nation schweren Herzen» entschlösse», kann, im Hinblick aus die gänzlich ver- üuderte Situation, nicht wieder gebracht werde». In Bezug auf die Stichwahl zwischen Herrn v. Cuny und dem Secessionistrn vr. Sello schreibt Herr v. Bennigsen nach Dessau: Haunover, den 2. November 1881. Hochgeehrter Herr! Hoffentlich gelingt es unseren dortigen Freunden bei angestrengter THStigkeft, Herrn v. Luny in der Slichwahl den Sieg zu verschaffen. Durch Lauheit uud Mangel au Betheiligung bei der Wahl haben wir leider eine Reihe von Sitzen verloren. Eine um so größere Energie werde» daher unsere politischen Freunde in der großen Zahl von Stich, wählen bethötigen müssen. Nach Allem, was ich bis dahin über Ihren Wahlkreis und die in demselben überwiegend vorhandene politische Richtung erfahren habe, ist doch die Wahl eine« links von der nattoaalliberalen Partei stehenden Laadidate» kein Bcdürfuiß. Gerade i» der jetzigen politischen Lag« sollte daher ein solcher Wahl kreis an seinem bisherigen nationalliberalen Vertreter sesthalteu, »elcher sich der allgemeinen Hochachtung erfreut, mit seiner gemäßigt- liberalen Richtung große Gelehrtheit und Tüchtigkeit und eine reiche wissenschaftliche Durchbildung verbindet, so daß er bei der Bearbei tung wichtiger gesetzgeberischer Ausgaben unserer Partei immer «tue sehr werthvolle Hilfe gewesen ist. Die Generalversammlung de» Verein- der ideutscheu Fortschritt-Partei sür den Wahlkreis Osfenbach- Dieburg hat der „Franks. Presse" zusolge beschlossen, de« Mitgliedern und Gesinnungsgenossen anheim zugeben, ihr Ver halten bei der am 8. d. M. bevorstehenden Stichwahl zwischen dem nationallibcralen Hallwach- und dem socialdemokratischen Liebknecht lediglich nach ihrem eigenen Ermessen einzurichten. Zur Charakteristik der Stich wahlen und der Haltung der Fortschrittspartei gegen andere liberale Richtungen der.eichnen wir auch diese» Beschluß. In Hanau haben dj: Vorstände der Volks« und Fortschrittspartei beschloss n, in der Stichwahl sür den socialdemokratischen Candivaten gegen den conservc»- tiven einzulreten. Nachdem fick die fortschrittliche Presse über die Haltung gewisser conservativcr Kreise gegenüber einer ocialdemokratisck-sortschrittlichen Stichwahl, trotzdem wenig- len» in Berlin die „Bntifortschrittler" nicht formell ve- chlossen, für den socialdemokratischen Candivaten einzutreten, mit Fug und Recht heftig ereisert, wird es ihr schwer werde», die Haltung ihrer Partei im Hanauer und ganz unmöglich» die im Offenbacher Wahlkreis zu rechtfertigen. In der „Germania" lesen wir: „In Betreff der b» vorstehende» Etichwachlen in Ohlau-Strehlen-Limptsch und Nam-lau-Brieg fordern die Organ« der Centrum-parta aus, für die seccss,onistischen Eandidate» Direktor Gold» schmidt-Bcrlin und v. Hönicka-Herzog-walde zu stimmen und die freiconservativen Grafen Pücklcr und Frankenbera-Tiklo- witz zum Falle zu bringen. Goldschmidt und v. Hönicka geben Garantien; sie erklären sich gegen die Maigesetze." Wir machen auf diese Corrcspondenz de- ultramontanen Blattes nur aufmerksam, um einen Widerruf dieser befremd», licken Nachricht hcrbeizuführen. Nack einer Meldung de« „Frankfurter Journal" sind di« acht vom Großherzog von Baden neu ernannten Mit glieder der ersten Kammer sämmllick Nationalliberale. Auch der neue Präsident de« badischen Oberlande-gcricht- gehört der liberalen Richtung an. — Ohne Zweifel werde« derartige Nachrichten in Varzin mit großer Freude ausg«> nommen; wenn die liberale Strömung in gewissen Bundes staaten selbst von der Regierung begünstigt wirb, so erleichtert dieser Umstand dem Kanzler ja sehr erheblich die Rückkehr zu einem liberalen Regime, von der er jedenfalls jetzt schon ein- sieht, daß sie unvermeidlich ist. Man schreibt uns aus Berlin: „Den Gerüchten von dem erneuten Anstauchen de« Plane- einer Annexion von Elsaß-Lothringen an Preußen wird an wohlunter richteter Stelle jede wirkliche Bedeutung abgesprochen. Man hat eS hier vermutblich nur mit einem Nachhall der ge drückten Empfindungen zu thun, welche der antideutsche Aus fall der Wahlen in den NeichSlandcn Hervorrusen mußte, und au- denen wohl vorübergehend der Gedanke Nahrung gewinnen konnte, daß e« doch wohl bester gewesen wäre, vor zehn Jahren schon Elsaß-Lothringen zur preußischen Provinz zu machen, atS e« zum Object aller möglichen staatsrechtlichen Versuche auszuwählen. Die« Gefühl der Reue macht aber die begangene Untertaffungssünke nickt wieder gut. Würde man heute zu dem vorgcscklagenen Heilmittel greifen, so bieße e« nur, das Uebel vergrößern, statt eS zu mildern. Den Reichslanden kann nichts Helsen al- Ruhe und Stetigkeit, und eS ist überdies wirklich nicht einzusehen, weshalb sich die dortige Bevölkerung leichter in die neuen Verhältnisse binein- lcben sollte, wenn sie preußisch ist, als jetzt, wo ibr bei elniger- rnaßen gutem Willen und politischem Verständnis; daS höhere Ziel einer relativen Selbstständigkeit nicht unerreichbar erscheinen sollte. (?) Alle jene wohlgemeinten OrganifationSideen, nach denen bald eine Personalunion mit Bade», bald eine Annexion an Preuße», bald eine Zerschneidung des Landes in ein verkümmertes Elsaß und ein noch inebr verkümmerte- Lotbringen in Aussicht genommen wirb, leiden übrigen- an einen Fehler, der »ach Lage der Sacke als entscheidend gelten muß: sie haben nämlick nickt die Genehmigung de- Reichs kanzler-; sie haben dieselbe nie gesunden und werden sie auch nienial« finden. Fürst BiSmarck versiebt die schwierige Aus gabe der Gewinnung der Elsaß-Lothringer bock etwas ander« als seine Dolmetscher, die mit der Parole des UnitariSmuS daS Deutsche Reich au- allen Nötben besreien zu können sich einbildcn. Er mag mit der Errichtung der Statthalterschaft und mit der Entsendung des Freiberrn v. Manteufsel nach Straßburg Fehler begangen haben, aber in da-andere Extrem einer Radicalcur durch die Anglicderung an Preußen war er sicherlich nicht verfallen." An Stelle de- verstorbenen Msgr. Roncetti ist bekanntlich Msgr. Angelo di Pietro, Erzbischof von Narianzo i. p. i.. zum Nuntiu» in München ernannt. Derselve, im Jahre 1828 in der Diverse Tivoli geboren, war seither apostolischer Internuntiu« in Brasilien. Er hat eine rasch« Carri-re ge- macht und gilt al- ein versöhnlicher Charakter. Sowohl zur Regierung der argentinischen Republik, bei welcher er vorder beglaubigt war, wie auch zur brasilianischen Regierung hat er sich in gute Beziehungen zu setzen gewußt. Da- bairische Landgericht München I hat eine sehr wichtige Entscheidung getroffen, die in den weitesten Kreisen Interesse erregen wird. Es ist im höchsten Grade streitig, ob zwischen Baiern und Oesterreich Gegenseitig keit bezüglich der Vollstreckung von Urtheilen besteht. Der
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