Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188111180
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18811118
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-11
- Tag1881-11-18
- Monat1881-11
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1881
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4k*fcheirrt täglich früh 6'/, Uhr. Le-attio» nud LkPtdMs» Johannesgasse 33. Sprrchstnn-k» der tiedartlo«: r «onnitüg« 10—IS Uhr. Nachmittag 4—6 Uhr. AmwtzM« »rr für »i« ,>chftf-k«e»tz« Nummer bestimmteu Inserate ,, Wache«»«,eu bis L Uhr Stach»»»»«-«, «« So««- un» Festtage« früh »t«'/,» Uhr. In »n, M«trn f»r Ins.-^nnahme: vtt« Klemm. Univerfltätsstraße 21. Laut» Lüsche, »atharinenstratze 18. p. nur »t« Ntzr. MtGigtr.TaMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. Ads»»e»ent«»rn» vierielj. 4'/, Mt., inel. Bringerlolm ü Mk.. darch dir Post dezogm 8 ML Jede einzelne Nummer SS Pf. Velegeremvlar 10 Pf. Oebührr» iür Extrabeilage» «tz«e Poftbesürberung 39 ML «tt VostbesSrdenmg «8 ML Iillerntr Saespaltme Petitzrile »0 Pf. GrSgere Schriften laut unserem Preis- verzrichnib. Tabellarischer Sa» nach h»herr« Tarif. Reklamen nnter de» Redartian,strich die Svaltzeile S0 Ps. Auserate ftud stet« au dir Grtzetzttto« zu seadeu. — Rabatt »ird nicht gegeben. Zahlung praomuuanuulo oder durch Post- ^ 322. Freitag den 18. November 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Ln unserer Realschule U. O. soll zu Oster« 1882 die mit einem JahreSgehalte von 28SV Mark dotirte Ober- lehrcrstelle für den Unterricht in der englische« und fran zösische« Sprache neu beseht werden. Akademisch gebildete Bewerber, welch« bereits an einer höheren Schule unterrichtet haben und welche die Facultas für den Unterricht in den oberen Classen besitzen, wollen nnter Angabe ihre- Bildungsgänge« und Beifügung ihrer Zeugnisse ihre Gesuche bi« zum 18. Deeember diese« Jahre« bei un einreichen. Leipzig, am 15. November 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Dr. Trvndlin. Wilisch, Ass. Lhomasschllle. Anmeldungen von Schülern, welche Ostern 1882 in die Sexta der Thomasschule eintreten sollen, werden Sonnabend, den 19. und Rouiag, den LI. November vo» 9 bi- 13 Uhr Bonn, im RectoratS- zimmer entgegen genommen. vr. Jungmann. Nichtamtlicher Theil. Vas Labinet Gambetta. Da- neue französische Ministerium hat manche Ueber- raschuagen dargeboten; einmal ist e« ein Kampfmmisterium, da- anderemal ist e« au« lauter Männern zusammengesetzt, welche, mit zwei Ausnahmen, srüherhin noch nicht Muttster gewesen sind. Die gewählten Nanien lassen darauf schließen, daß radikale Reformen durchgesührt werden sollen. Der Standpunkt einer Vereinigung der stark gemäßigten mit der vorgeschrittenen Partei ist von Gambetta vor der Hand aufgegeben. Da- neue Cabinet bedeutet die Ausscheidung aller weniger entschiedenen Elemente und da- starke Hervor kehren der sortschrittlich-reformatorischen Bestrebungen. Bon den früheren Ministern gehören dem neuen Cabinete nur der Justizminister Cazot. Mitglied der Union rLpudlieaine de« Senate-, und der Minister für Post und Telegraphen, Cocherv, an. In Nachstehendem bringen wir einige unseren Lesern sicherlich willkommene Angaben über die übrigen Cabinet-mitglieder. Die Seele de- Ganzen ist natürlich Gambetta: sein alter ego der Unterstaatssecretair Spuller, sein treuer Freund und vertrauter. Eugen Spnller, der im Jahre 183» in Scurre (CSte d'Or) geboren wurde, ist Recht-gelehrter und Publicist. Er hat mit Gambetta am 7. Oktober 1870 Pari- mittelst Ballon verlassen und später in Tour» und Bordeaux wesentlichen Antheil an der Regierung der nationalen Vcr- theldigung genommen. Im November 1871 gründete Spuller im Vereine mit Gambetta die „RLpublique Fran^aise", deren Chefredakteur er durch mehrere Jahre war. Seit 1876 gehört er al» Vertreter von Pari- der Deputirten-Kammcr an, wo er insbesondere als Berichterstatter über da- Budget de- Ministerium- de- Aeußern sich bald al- eine Autorität auf dem Gebiete der auswärtigen Politik bewährte. Auf den Minister de- Innern, Waldeck-Roufseau, werden große Hoffnungen gesetzt. Obwohl Derselbe erst 34 Jahre zählt, war er einer der gewandtesten und elegantesten Redner de- Parlament«. Als er im vorigen Jahre für die Reform der Magistratur mit großer Wärme sprach, nahm er Gambetta vollständig für sich em. Seiner politischen Gesinnung nach ist er fortschrittlicher Liberaler. Eine der hervorragendsten Persönlichkeiten des neuen Ministerium« ist der Unterricht-minister Paul Bert. Sein Ruf al« Physiolog übertrifst noch denjenigen als Politiker, obwohl er auch al- solcher und al« ehrenhafter Charakter in den weitesten Kreisen bekannt ist. Erst mit dem 4. September 1870 trat der damal- 37 jährige Paul Bert in da« politische Leben. Er wurd« zum General-Gecretair der Präsectur de« Bonne-Departement- ernannt, welche- Departement ihn auch tm Jahre 1874 al- seinen Vertreter in die National-Per sammlung entsendete. Er gehörte stet- der Union röpubli caine an und betheiligte sich in lebhafter Weise ans den Arbeiten de- Parlament-, in-besondcrc wenn e- sich um UnterrichtSfragm handelte. Er war abwechselnd Präsident, Mitglied, Berichterstatter aller UnterrichtS-Commissionen, und e« «xrstirt wohl kein neuere-, auf da« Unterricht-wesen bezüg liebes Gesetz oder Elaborat in Frankreich. bei dessen AuS arbeitung er sich nicht ein hervorragende« Verdienst erworben hätte. Paul Bert'« Berufung zur Uebernabme de« Unter richtS-Portcscuille« hat insofern eine große politische Beden tung, al« derselbe al« erbitterter Gegner der Klerikale» bekannt ist und daher rücksichtslos Vorgehen wird, um deren Einflßß aus Schule und Erziehung zu beseitigen. Der Krieg-minister General Campen on ist im Jahre 1819 in Tonnerre geboren. Er diente in Algier, machte den italienischen Feldzug mit, ebenso den Krieg in China und war 1870 Generalstab-chcs der Division kegrand. Im drutsch- franzvsischen Kriege wurde er verwundet und in Metz ein- aeschlosjen. gefangen genommen und in Aachen internirt. Bei »er Reu»Organisation der Armee wurde er Generalftab-che de« ersten Armeekorps zu Lille. 1875 wurde er Brigade general und 1879 Divilionair der fünften Infanteriedivision »u Pari», wo er seine Geschicklichkeit al« Trnpvenchef darthat. Wc »st ein Soldat im strengsten Sinn« de- Worte«. Der Finanzminisler Allain-Targh war Journalist. Er gebürt seit zehn Jahren al« Pariser Depulirter der vor geschrittenen Union rLpublieaine an, allem Targh ist ein Mann von starren Grundsätzen, von welche» er unter keinen Umständen läßt. Schon in der „Röpublique Franeaise" hat er den Kamps gegen die großen Eisenbahn-Gesellschaften ge führt. Die« wird auch da« Hauvtziel seiner Tätigkeit al« Minister fein. Luch ist er den Plänen der Einführung der Rentensteuer, von Altersversicherungen rc. günstig. Seine Ernennung macht da« meiste Aussehen. Seinetwegen wollte Freyeinet da» Portefeuille de« Aeußern nicht annehmen, obwohl «r definitiv zugesagt hatte und sich schon al« Minister betrachtete. Da« Portefeuille für Handel. Colonien und Merkantil- Marine hat der Deputirte Mauriee Rouvier erhallen Derselbe wurde 1842 in Aix geboren und ist Advoeat. Er hak sich diel mit wirthschaftlichen, kommerziellen und finanziellen »ragen beschäftigt. Der Marineminisier Goujeard ist Schifföcapitain in Pension, SlaatSrath, Eommandeur der Ehrenlegion, «in Mann von seltener Energie. Er hat im Krimkriege an dem Bombardement Sebaftopot« theilgcnommen und die ganze Welt bereist. 1870 war er Commandant einer Division der Loire-Armee und kämpfte bei Man«. Er wird al« ein außer ordentlich unterrichteter Mann von unbeugsamem Willen geschildert. Paul Devs«, bisher Obmann der republikanischen Linken, hat da« Ackerbauministerium übernommen. Der Name de« Ministerium« für schöne Künste wurde in Ministerium für Gewerbe, Industrie und schöne Künste um- gcwandelt Da« Portefeuille erhielt Antonin Proust, seine« Zeichen« Journalist. Er hat eine große Anzahl von Schriften, insbesondere kunsthistorischen Inhalts, und dann l876 auch ein Werk, „I-s krinev äs Uismarclr, m correspcm- cknnco", veröffentlicht. Ai« Unter - StaatSsecretaire fnngiren Spnller unter Gambetta im Ministerium de» Aeußern. Martin Feuillöe im Justizministerium. Develle im Ministerium de« Innern, Eisenbahn-Dircctor Lesauillier im Ministerium für öffentliche Arbeiten, Care im Ackerbauministerium. Gambetta hat jedenfalls mA sehr bedeutenden Schwie rigkeiten zu kämpfen; sein RegierungSproaramm wurde von der Deputirtenkammer keineswegs mit Begeisterung, vom Senate sogar mit eisigem Schweigen attsgenommen. Grevy, der Präsident der Republik, hält sich klug zurück, um abzu- wartcn. ob sich die persönliche fachmännische Bedeutung der einzelnen Mitglieder de» Cabinet« in der Praxi« bewähren, ob die Leistungen ihrem Rufe entsprechen werden. Bei den Klerikalen hat die Ernennung Paul Bert'« starke« Erschrecken hervorgerusen; zumal da« EultuSamt bisher mit dem Ministerium de- Innern verbunden war, nunmehr aber wieder mit dem Unterrichtsministerium vereinigt ist. Eine eigentlich« Versassungßrevision ist nicht direct in da» unmittelbar durchzusührrnde Programm mit ausgenommen worden, ebenso wird die Verstaatlichung der Eisenbahnen nur indirect berührt. Dennoch gilt eS als gewiß, daß Gambetta bereit- den in großen GrundrUgen feft- zestellten Plan bezüglich de- Rückkauf- der Eisenbahnen ,ertia hat. Eine Revision de« Senate« und die Einführung der Listenwahl wird beabsichtigt; der Senat ist über diese Pläne Gambetta'« lebhaft verstimmt und schmollt besonder« über den geringen Antheil an den Portefeuille-, der ihm zu- arfallen. An Schwierigkeiten also fehlt e« nicht; e« wird vn dem neuen Ministerpräsidenten sein, durch seine Einsicht und sein Talent dieselben zu beseitigen und sich dadurch am Ruder zu behaupten. Gambetta macht wie so mancher ehrgeizige Mann die Erfahrung, daß man nicht ungestraft unter Palmen wandeln darf. Leipzig, 18. November. Ein schwacher Licht- und Hoffnungsstrahl ist in da« die innere Politik de- deutschen Reiche- beherrschende Dunkel gefallen. Fürst Bi-marck, der am Scheidewege stand, deckt nunmehr seine Karten auf; aber selbst seine er gebensten Anhänger werden eingestehen müssen, daß er dem neuen Reichstage gegenüber keinen Trumpf in der Hand hat. Da« mag schlimm für unseren großen Staatsmann sein; indessen Fürst Bismarck erntet nur, wa« er gesäet hat. Für daSLand aber, für die Liberalen und für den Gang der Politik in der nächsten Zukunft ist eS nicht« weniger al» schlimm. Die officiellc Kundgebung, welche gestern die „Nordd. Allgem. Ztg." über die jüngste KanzlcrkrisiS brachte, enthält offenbar vie allerpersönlichsten Meinung«- und Willensäußerungen de« Fürsten Bismarck. Daß hier wieder einmal die Meisterschaft überrascht, mit welcher die politischen Aussichten zurecht ge rückt und erklärt werden, bi« sie in dem Lichte erscheinen, wie Fürst Bismarck sie angesehen wissen will, ist doch nur von untergeordneter Bedeutung In der Hauptsache kann der Kanzler trotz seiner stolzen und fast drohenden Sprache die Verlegenheiten nicht verbergen, deren ganze« Gewicht er auf sich lasten fühlt. ES wird angekündigt, daß nach eingeholter Ermächtigung de- Kaiser« mit den beiden Seiten der voraussichtlichen „katholisch-liberalen" ReickStagSmehrheit Unterhand lungen darüber gepflogen werden sollen, ob und unter welchen Bedingungen sie vereint oder getrennt bereit sein würden, die Leitung der RcichSregierung in die Hand zn nehme». Wohl verstanden, der Kanzler will au« diesen Berechnungen au«- scherden: nicht an seine Person soll sich die neue Mehrheit anschlietzen, aber wenn die Verhandlungen scheitern, dann be absichtigt er nicht etwa zu gehen, keineswegs! sondern er wird p-ine Stellung im Kamps gegen die Opposition behaupten und der letzteren die Verantwortung zuwälzen, wenn er al« Leiter einer Minoritäl-reqierung uner wünschten Krisen begegnen sollte. Da» ist sebr deut lich, aber e» ist trotzdem nicht erschreckend. Wir wollen un« jede« charakteristrenden Wort- für ein Verfahren enthalten, bei welchem Conflicte und Krisen al« die gleich- gütigsten Dinge von der Welt behandelt werden; aber Fürst Bismarck muß sich doch sagen, daß eine Nation, die soeben erst die Mündigkeit ibre« Nrlbeil« bewiesen, sich wahrlich nicht in Furcht setzen lassen wird durch die Aussicht einer Mino ritäts-Regierung, d. h. einer Wiederholung de- Conflicl«- reaimtntS in Preußen. Tic Geschichte liebt wohl Ähnlich keiten, aber nicht Wiederholungen, und selbst beim genaurstcn Hinblick fehlen die Grundbedingungen für eine derartige Wiederholung der preußischen Aera von >862 bi- 1866 Sind die social- »nd slcuerpolitischen Probleme und Pläne de- Kanzler- schon so durchacarbeitet, daß ihre Durchführung schlechterdings geschehen mutz, obgleich die Wahlen gegen diese Pläne gesprochen haben? Selbst die gemäßigteren Cv„serva- tiven haben dnrch den Mund der „Post" eine Paule der Be- rubiauag und de« Verzicht« aus allzu weittragrnke Reformen empfohlen; aber e« scheint, »aß ihre Mabnung nicht gehört werden soll. Denn darüber täuscht sich wohl Niemand, daß da- erste „Entweder-Oder", welche» der bedeutung«- volle Artikel der „N. A. Z." hinstellt, nämlich eine liberal- ultramontane Mehrheit, rin Unssing ifl, daß ferner ein selbstständige«, erklärt liberale-Regiment unter den obwaltenden persönlichen Verhältnissen in den oberen Regionen al< unzweckmäßig bezeichnet werden muß, und daß demzufalge Nichts übrig bleibt, al« aus den Kern der Lage, wie er schon oft geschildert worden, nämlich auf die ultra- montan-conservativr Verbindung, zurückzukommen. Nur diese allein kam» «- sein, von welcher angekündigt wird, daß die Entscheidung de« Kaiser- Über dieselbe zu erwarten sei. sobald sich der Reichstag versammelt habe. Obwohl also die Lage, äußerlich betrachtet, einfach genug ist, so macht sich doch fast durchgehend« ein Gesübl der Bangigkeit geltend, wie e» von so dramatisch zugespitzten Krisen wie die gegenwärtige schwer zu trennen ist. Nachdem die Vermittelung de- Kronprinzen in den schwebenden Fragen offen eingestanden ist, verändert sich ohnehin die Lage noch mebr al- zuvor. Mit Sorge wird die Frage erwogen, ob der Thronerbe de- deutschen Reiche« wirklich seine Zu stimmung ;» einer Politik Windthorst gegeben haben könnte. Wer die in Betracht kommenden Persönlichkeiten und vor Allem wer die Auffassung kennt, welche derKronprinz von den hohenGaben und der Unentbehrlichkeit de« Fürsten BiSmarck hegt, der wird sich hüten, diese Frage zu bejahen, und er wird andererseits an« dem demnächstigen Eintreten der klerikalen Regierung nicht den Schluß ziehen, daß die Ansicht de- Kronprinzen in dm gepflogenen Conserenren unterlegen sei, sondern daß die Politik de« Thronerom sich zum Lvwarten verstanden habe und eine UcbergangSfrist annehme, au« welcher hoffentlich einfachere und klarere Verhältnisse in Zukunst hervorgehen werden. An dm Liberalen aber ist e«. ohne sich Etwa« zu vergeben, dem Kanzler in dem Bestreben dir Hand zu bieten, mit diesem Reichstage wenigsten» au-zukommen und Alle« zu vermeiden, wa» neue Eonsticte Hervorrufen könnte. In ähnlichem Sinne wie wir äußert sich die national liberale „Kölnische Zeitung". Der Kanzler Hab« nunmehr den Plan, rin parlamentarische- Cabinet zu bilden. Nachdem die Conservativen, die Freiconservativen und die gemäßigten Nationalliveralen, welch« die bisherigm Stützen der Bismarck'schcn Politik bildeten, au- vm letzten Wahlen so geschwächt herausgekommen sind, daß mit ihnm allein die Negierung den gegnerischen Parteien gegenüber Nicht- mehr durchzusetzen im Stande ist. liege die Entscheidung nunmehr bei den beiden in den letzten Wahlen sieghaften Parteien: dem Centrum und der au- Nativ nal» liberalen, Secessionisten und Fortschrittlern zu sammengesetzten großen liberalen Partei. Ln diese also werde der Reichskanzler herantreten und mit Persönlichkeiten dieser Parteien über deren Eintritt in die Leitung der RegierungSgeschäste verhandeln. Dem Centrum sei durch die letzten großen Erfolge der Kamm sehr geschwollen, und e« sei sehr wohl möglich, daß es, trvh seiner un leugbaren Gewandtheit und Klugheit, in der ueberschätzung seiner Kraft Forderungen aufstrllt, die nicht erfüllt werde« können. Die Aussichten für Vie liberale Partei wärm kenn auch, wenn diese besonnen und maßvoll auftrilt, nach Lage der Sache nicht ungünstig. Denn thatsächlich stehe der deutsche Mann BiSmarck, wenn er auch in den letzten Jahren al- entschiedener Widersacher der Liberalen aufgetretm sei, dieser Partei doch unendlich näher al« jener andern, die Interessen verficht, welche nicht auf deutschem Boden er wachsen. Die Nutzanwendung daran- ergebe sich von selbst. Die Entscheidung des Kaiser- ist nach dem Zusammentritt de- Reichstage» zu erwarten- wir sehen derselben mit Ruhe entgegen, denn seine Wei-Heit hat sich stet«, auch in den schwlengsten Lagen zum Segen de« deutschen Volke« vollauf bewährt. Die Stichwahlen haben die Lehre der Hauptwahlen, die Abwendung de« deutschen Volke- von rückschrittlichen Be strebungen, mit verschärfter Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Da« ist ihre erfreuliche Seile. Aber auch zu recht betrüben den Wahrnehmungen haben sie Anlaß geboten. Die Wider natürlichkeit der Bündnisse, die schon am 27. Oktober hie und da hervorgctreten war. hat sich in ihnm bi« zur Widerlichkeit gesteigert. Wenn Ultramontane und Fortschrittler bczw. Secessionisten zusammengegangen sind, so kann da« heute an sich freilich nicht Wunder nehmen. Zu jener Zeit, da Fürst BiSmarck dem Centrum dm Mordgesellm Kullmann „an die Rockschöße" heftete, hätte sich jede andere Partei ge schämt, mit dm Ultramontanen öffentlich gemeinsame Sache zu machen; hmte indeß, wo die osficivse Presse dem Eentrum längst — wenn auch einstweilen nur theoretisch — die Regierungs fähigkeit zuerkannt hat, liegen di« Dinge vollständig ander«. Trotzdem ist ein Handelsgeschäft, wie e« z. B. Fortschritt und Cmtrum in Bezug auf Dortmund und Bochum abge schlossen habm, bi« jetzt in Deutschland etwa« Unerhörte« gewesm. Ader da- Alles reicht noch nicht entfernt hinan an die mehr oder wmiger unverhttllte Unterstützung, welche Con» servative, Cmtrum und Fortschritt derSociaidemokrati« bei km Stichwahlen gewährt habm. Die Socialdemokratie verwirft die Grundlagen der bestehenden Staat»- undGesell- schast-ordnung. Für die Förderung einer solchen Partei giebt es keine Entschuldigung. Man wende nicht ein, daß e» zweckmäßig sei, wmn die Gahrung gewisser socialer Schichten im Reichstage ein Sicherheitsventil finde. Wer ehrlich sein will, muß bekennen, daß diese Rücksicht bei den in Rede stehenden Stichwahlen nirgend« maßgebend gewesen ist. Nicht» al« maßloser Parteifanatismus ist für die verschiedenen Par teien die Triebfeder gewesm, bi» zu diesem Amßersten der politischen Schwarzsehern zu schreiten. Und da« Widerlichste ist, daß di« Presse dieser Parteien überall da, wo ein Ean- dibat ihrer Richtung mit einem Socialdemokratrn in der Stichwahl stand, nicht genug moralische Entrüstung gegen die Unterstützung der „geschworenen Feinde de« Staate«" auszuwendm wüßte, während ihre eigene» Leute sich zur selben Zeit an einem andern Orte genau der gleichen Sünde schuldig machten! So haben die Stichwahlen die tra»rige Thatsache an« Licht gestellt, daß die politische Sittlichkeit in Deutschland tief erschüttert ist. In dem nmm Reichstage werden die Beschwerden über diesen Punct nicht auSbleiben. Aber damit wird wenig geholfen sein, wmn nicht aus allen Seiten die Erkmntniß Play greift, daß aus diesem Wege unser öffentliche« Leben dem Abgrunde mtgeam^eht. Aus allen Seiten — darunter in erster Linie auf Selten der Regierung! Dmn eine Regierung, deren oberster konstitutioneller Grundsatz ist, „die Unterstützung zu nebmm, wo sie sie findet", dar» fick» nicht darüber beklagen, wenn die Parteien ihre Unterstützung in der Weise gewähren, wie sie e» für i h r e Zwecke am wirksamsten erachten. Man hat sich zur Ausgabe gemacht die Selbstständigkeit der politischen Parteien zu zerstören, und der Erfolg ist gewesm. daß sich ein unerhört rücksichtsloser Partei-Eaowmu« auSaebildet bat. So lange wir nicht einm Zustand bavm. in welchem die Regierung sich mit einer vernünftig zusammengesetzten Mehrheit ehrlich ver ständigt und sich alsdann an diese Verständigung moralisch gebunden betrachtet, muß unser constitutioneueS Leben krank hafte Erscheinungen hervorbriagm, wie wir sie jetzt in wahr- yast erschreckender Gestalt vor un« sehen. In dm Borräumm de« ReichStagSgebäude« war e« am Mittwoch Abend so belebt wie nur je in den Zeilen der Hochfluth der parlamentarischen Saison. Ungewöhnlich zahl reich habm die Abgeordneten sich zu dm Fractionsslyliiigeil eingesunden, der Emst der Lage vereinigt sich zunächst in der Frag« der Präsidentenwahl, Vie mit Eifer besprochen wird. Wie man un« schreibt, hat die Combination Levetzow- Frankenstein-Bennigsen insofem die meisten Aussichten, al« sie von der Rechten ausgestellt und vom Cmtrum di« jetzt zwar noch nicht mdgiltig genehmigt ist. voraussichtlich aber doch angenommen iverden wird. E- braucht nicht ge sagt zu werden, daß die Liberalen nicht nach der Ehre geizen, im Präsidium vertaten zu sein, und daß am wenigste» Herr von Bennigsen sich vereit finden wird, anders in dasselbe einzutreten, als wenn der Hauptton auf die rein aeschäftSmäßige, so zu sagm dureaukratische Leitung der ReichtkaaScmgelegenheiten gelegt wird. I» erster Linie richtet sich das Interesse der Volksvertreter ans di« Thronrede. Daß dieselbe eine Tabaksmonopolvorlage ankündigm uud aus da« A und O de« Reichskanzler« die Ersetzung der direetm durch indirekte Steuern, resp. die Ermöglichung dieser Reform in den Einzelstaatm durch die Eröffnung weiterer Reichseinnahmen zurück- kommm werte, wird bestimmt von Personen behauptet, welche Gelegenheit hatten, den Fürsten BiSmarck zu sprechen. Die Unterhandlungen mit den Parteiführern der Liberalen und Ultramontanen, von deren Au«sall nach der einen oder der anderm Richtung die Beilegung der schwebenden Kris« abhängig gemacht werden soll, habm zur Stunde noch nicht stattgesunvm. Daß sich dir in Rede stehenden Abge ordneten in ihren Leußerungm sehr zurückhaltend verhalten, erklärt sich hinlänglich durch die Pflicht gesellschaftlicher DiS- cretidn, da die in Aussicht gmommmen Besprechungen «ft dem Fürsten BiSmarck wohl kaum eher Gegenstand der Er örterungen in der Oeffentlickkeit sein können, al« bi« sie ihr« Abschluß gefunden und ein Ergedniß, sei e« ein negative« oder positive«, ergeben habm. Wir zählen im neum Reichstag die nachfolgend«» Mitglieder der nationalliberalen Partei: 1. »on Bennigsen-Neuhau«, 2. v. Beautieu-Marcvnnay-Eniden, 3. v. Bmda-Wanzlebm. 4. v. Vemuth-Halberüadt. 5. Blum» Heidelberg, 6 Bolza-GermerSheim, 7. Bostelmanu-Rotmdurg ^Hannover). 8. Böttcher-Walveck, 9. v. d. Brelie-Cell«, 10. Buhl-Homburg (Pfalz), >1. Vüstng-Schwerin, 12. und 13. Vr. Falk-Bunzlau und Worm», 14. Gerwig-Villingm, 18 Grieninaer-Rothenburg a. d. T-, 1k. Groß-Speier, 17. Ha«- macher-T>ui«burg, 18. Heinemann-Wolfmbüttel, IS. Heyde- mann»Güstrow, 20. und 21. Hobrecht-Marimwerder und Holzminden, 22. Holtzmann-Annaberg, 23. Jacvbi-Grün- berg, 24. Janson-KaiserSlautern. 25. Klumpp-Pforzheim, 26 Krämer-Zweibrückm, 27. Lmschner-Glauchau, 28. H. H. Meier-Bremen, 29. vr. Meyer-Jena, 36. vr. Müller- Sangcrhausen, 31. Niethammer-Auerbach, 82. Stoppel- Konstanz. 33. Oechelhäuser - Bernburg. 34. Petersm- Landau, 35. Psähler-Saarbrückm, 3S. Poage-Mecklenburg- Strclitz. 37. v. Reden-Hameln, 88. Sander-Lahr, 39. Schläger- Rinteln, 40. Schneider-KarlSrube, 41. Schreiner-DinkelSbühl. 42. Schnck-Offenbura, 43. Slephani-Leipzig, 44. TäglichSbeck- Ottweiirr. Da« Resultat der Stichwahl in Jauer ist augm- blicklich noch nicht vollständig bekannt, doch scheint die Wahl von 45. (Gneist) gesichert. Bon dem Aba. Paasche-Rostock ist u»S die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei nicht mit Sicherheit bekannt. AIS der nationallideralen Fraktion sehr nahestehend, wmn auch zuletzt derselben formell nicht an- gehörig, können hinzugesügt werden: v. Bockum-Dolff«-Hamm und Feustel-Baireuth. Nachwahlen mit sichern Aussichten sür die nationalliberale Partei sind in Worm» und Holz- mindm vorzunehwm. Die jüngsten Stichwahlen in Graudmz, Scbwetz, Wirsttz und Fraustadt sind für die Polen günstig auSgefallm; Wahlkreise, die stet« deutsch gewühlt hatten, sind damit au die Potm verloren gegangen. Dieselben haben jetzt 18 Sitze statt der im vorigen Reichstag besessenen 14 inne. Dies« Thatsache ist tief veschämend und betrübend; sie findet ein Seitmstllck nur in dem lleberqang von Flensburg an die Dänen. Wmn die Partriwuth so weit geht, daß Deutsche in der Stichwahl nicht einmal gegm Polen und Dänen Zu sammenhalten könnm, dann nehme man überhaupt da- Wort Vaterlandsliebe nicht mehr in den Mund. Für den dritten und fünften Wahlkreis Berlin sind die Nachwahlen für Richter und Saucken-Tarputsckm auf dm 28. November anberaumt worden. Tie liberalen Wähler de« fünften Wahlkreise« haben in einer am Dienstag Abend im Borsig'scben Saale stattgehablen. sebr zahlreich besuchten Versammlung den bisherigen Abgeordneten für Nürnberg. Professor Günther, einstimmig al« Candidaten ausgestellt. In der unter dem Vorsitze de« GlaatSminister« von Boetticher am 15. d. M. abgebaltrnen Plenarsitzung de« Bunde-rath« wurden zunächst zwei Vorlagen, betreffend die Verlängerung der Bcsuaniß der Notenausgabe der Danziger Privat-Lctimbank, und betreffend die AuSführungS- bestimmungm zum Gesetz über die Abwehr und Unterdrückung der Viehseuchen dem Au«schusie für Handel und Verkehr überwiesen. Sodann ertheiltr die Versammlung auf Antrag de« Au«schusse« sür Äustizwesen die Ermächtigung zur straf rechtlichen vrrsolaong wegm einer Beleidigung de« Bunde« ratb«. Hiernächfl wurden die Berathunaen Über die Etat« fortgesetzt und zum Abschlüsse gebracht. Auf die Berichte bei Ausschüsse wurdm die Entwürfe der Specialetat« für 1882/83 der Marineverwaltung, der ReichSeismbahnm, de« AuSwärti- gm Amt», de« Reichsamt« de« Innern, de« Reicd-schatzamt« und der Reichsschuld, sowie endlich der Entwurf de« Reich« hc»u«halt«.HauptetatS mit nickt wesentlichen Abänderungen genehmigt. Auch dir Entwürfe eine« Gesetze«, betreffend dir Feststellung de« ReichshanShaltsetat« für 1882'83 und eine« Anlriheaesetze«. fanden die Zustimmung der Versammlung Schließlich wurdm di« Commissarien für die Berathung der letzteren Gesetze im Reichstage gewählt. Au« Hannover, 15. November, »ird der „Voss Ztg." geschrieben: Der Vrovluziollaudtag hat heute Abend in besonder»« Sitzung die Vrovinzlalvrtznung mit 3l gmen 30 Stwnuen genehmlal. Dafür stimmten sämmtlühe ländlich« Abgeordnete, und die meist«« Bürgermeister der Städte, dagegen sämnmlche Mitglieder
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