Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188112026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18811202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18811202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-12
- Tag1881-12-02
- Monat1881-12
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1881
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ne-irlion und Lk»editi«u IohanneSgaffe 33. Sprechstunden der tledactiou: BormittagS 10—12 Uhr Nachmittags 4—6 Uhr. dttr »i, «tlckb-d- ei,„el«ntter M-EM« gch die Stctuctio» m»t ««It«»ch Annahme »er für »te nilchfts«l«e»»e Niuumer »estimmteu Inserate an »ochentagen dis S Uhr «achmittaa«. an San«, nn» Kcstlaaru frnh »t« '/,S Uhr. 3u den Filialen für Ins.-Äuuahme: Ott» Ulr««. Ilniversitättstraße 21, LsutS Lösche, Kaiharinenstraße 18, p. nur »iS t,S Uhr. AiWM.TaMM Anzeiger. Lrgau fiir Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschLstsverkehr. Auflage L?,LV«. ^douue»e»t»»rri» vierlrlj. 4'/, Ml.» ioel. Brinaerlohn b Mk.. darch dir Post bezog»» S PA. Jede einzelne Nummer 3ü Df. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» ahne Postbesörderung 39 Mk. «it PoftbesSrderung 48 ML Inserate «gespaltene Petitzeile L0 Pf. Gröbere Schriften laut unserem Preis. Verzeichnis. Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Leclauttu unter den Nedactiouostrich die Spaltzeile bO Pf. Inserate sind stets an di« Erzmsttt«» zu ieadeu. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prusuumenmöo oder durch Post» Nachnahme. 33k. Freitag den 2. December 1881. ?5. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekanutmachung. Wie wir in unscrer Bekanntmachung vom 29. November vorigen Jahres zur öffentlichen Kciinlnist gebracht haben, hat der am I I. Novcmvcr vor. IS. verstorbene Herr Franz Dominic Grassi in seinem unter dem 27. Januar 1872 errichtete» Testamente die Stadt Leipzig zur Erbin seines »ach Abzug einer Anzahl Legate verbleibenden Vermögens mit der Bestimmung ernannt, „daß dieses Vermögen nicht aus Gegenstände des Bedarfs, zu weichem die Eommune die Mittel auszubriiigcn hat, sondern auf Annehmlichkeiten und Verschönerungen unserer Stakt zu verwenden sei". Nachdem nun die eingesetzten Herren Testamentsvollstrecker, Herr -hosrath Itr. Gustav Hoffman» und Herr Max Meyer, Chef des Hauses Mevcr L Co.. den Nachlaß regulirt, und hierüber Rechnung abgelegt haben, auch solche von uns für richtig befunden worden »st, so wollen wir nicht Unterlasten, hierdurch weiter bekannt zu geben, daß der Bestand des Nachlasses zu den Coursen der AblicscrungStage nebst den bis zu den letzteren gerechneten Zinsen auf 2,827,42» Mk. 1L Pfg. festgestellt worden ist. In Gemäßheit von tz. 1 uliu. 3 des Testament», wonach die Art der Verwendung, weiche mit thunticher Beschleu nigung von unS scstzusetzen und auSzusühren. sowie durch das Localblatt bekannt zu machen ist, von unS selbstständig bestimmt werden soll, bringen wir ferner zur öffentlichen Kenntniß, daß wir beschlossen haben, von der Grassi'schen Erbschaft ». 00,000 Mark ocm yiefigen OrchesterpensionssondS behusS Gründung von 20 neuen pensionsberechtigten Stellen beim Stavtorchester zu überweisen, d. behufs sofortiger Erbauung eines neuen ConcerthauseS der Direktion der Gcwaiidbausconcerte eine Garantie summe bis zur Höhe von 400,000 Mark al» zinsfreien Vorschuß und unter der Bedingung späterer allmäliger Tilgung zu gewähren, 0. ein „Museum Grassi", zunächft zur Ausnahme deö Museums für Völkerkunde und des Kunstgewerbemuseums bestimmt, zu errichten. Leipzig, den 30. November 1881. Der Rath h«r Gtadt Leipzig. vr. Georg». Vr. Wangemann. RklkRINljU-HUUA, UafMUDattfttk betreGeah^ Unter Bezugnahme aus unsere Bekanntmachung vom 8. August d. I. ersuchen wir alle Aabrikauteu und alle Gewerbtreibeaden, in deren Betrieben Tampfkcstel oder durch elementare Kraft bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen, die ihnen durch unser statistisches Bureau zugestellten Erhebungsformulare über die vom 1. August bis 30 November 188t cingctretencn Unfälle sowie über das Alter der am 5. Oktober 1881 beschäftigten Belrieböbcamtcn und Arbeiter rechtzeitig auSzusüllen bezw. mit Vacat- bemerkungen zu versehen und derart bereit zu halten, daß sie am 3. December d. I. Vormittags durch unfern Boten abgebolt werden können. Leipzig, den 28. November 188l. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Gcorgi. Haffe. Vekanutmachung. ES wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß wir sowohl die Lützowstratze als auch die Dufourstratze (bisherigen Brankweg) in städtische Unterhaltung übernommen Hab«. Leipzig, den 26. Nodcmbcr 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wilisch, Aff. Selchiiftslocal-Vermietkung. In der 1. Etage beS der Stadtgcmeinde gehörigen Hauses Sellier'S H»of sollen die zeitber von Herrn Kauf mann Emil Hedler innegehabten, aus eine« Dorfaal, 2 zweifenstrigen Stnde« nach der Rcichtzstraße heraus und einer Hammer bestehenden GeschüftSlocalttüiten »»« I. April L882 aa gegen eiahalbjährltche Kündigung anderweit vermiethet werden. Mielhgcsuche werden aus dem Rathhause, 1. Etage. Zimmer Nr. 17, entgegen genommen, auch können daselbst die LermietbungSbedingungcn und da» Inventarium der zu vermiethcndcn Lokalitäten eingeschen werden. Leipzig, am 28. November 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Dr. Gcorgi. Stoß. Durch erfolgte Reeognition hat sich die unter dem 25( h. er lassene Bekanntmachung, die Auffindung eine» männlichen Leichnams in der Pleiße betreffend, erledigt. Leipzig, am 29. November 1881. Da» V»lizei-A«t der Stadt Leimt,. vr Rüder. Vr/Berger. Nichtamtlicher Thetl. Der Kanzler und das Lentrum. Die Sitzung des Reichstages vom Mittwoch hat endlich die gewünschte Klarheit über die politische Lage verbreitet. Es war ein denkwürdiger VcrhcmdlungStaa de» neuen Parlamentes, aus welchen die Parteien und die Presse noch oft Bezug nehmen werden. Die „nachgebolle General debatte": so riesen, wie c» heißt, 'die Reichsboten einander zu. Geschmackvoll mag diese« Witzwort nicht sein, aber bezeichnend ist eö gleichwobl für den Charakter der Debatten, von welchen der Saal der Volksvertretung jetzt Tag für Tag widerhallt. Man erwartet die gleich-,ltigsie Brrathnng, und urplötzlich mitten in der lähmenden Lange weile, wie sie nur die untergeordneten Ziffern der allerunter, geordnetsten Specialetat» um sich verbreiten können, bricht die verhaltene Glutb der parteipolitischen Leidenschaftlichkeit überall, aus der Linken, im Eentrum, bei de» Eonservativen und nicht zuletzt am Bundesratb-tisch, d. h. beim Fürsten Bismarck, in Hellen Flammen hervor. Noch niemals hat der Reichstag ein Bild geboten wie in diesen Tagen: Jeder im Aufruhr gegen Jeden! Welche politischen Gestattungen aber auS diesem Chaos sich los» ringen werde», ist und bleibt verborgen, so sehr sich auch Centrum und Rechte unter dein Zwang der Verhältnisse einander zu nähern scheinen. Am Montag und Dienstag hatte man den Guerillakrieg der Fractionen. am Mittwoch glich der Reichs tag eher einem Concil alö einem Parlament, und der Cultur- kainpf in seiner allgemeinsten Auffassung beherrschte die Debatte. Die deutsche Art kann sich nun einmal auch in diesen durchaus praktische» Fragen der Kirchenpolitik, in dieser eigentlichen „Machtsrage", wie Fürst Biömarcl sie nannte, nicht verleugnen. Von dem realen Boden schweifen die Reden ab zu den größeren Gesichtspunkten von humaner und christlicher Weltanschauung, von Autorität und Indivi dualismus, von moderner Cultur und religiöser Gebundenheit. Was die TiScussion damit an Interesse gewann. Das verlor sic aus der andern Seite an politischer Schneide, und cs gilt Dies in gleicher Weise von den Ausführungen der "erren Hänel und Eugen Richter wie von denjenigen der errcn v. Kleist - Retzow und der Abgg. Winbthorst und eickcnsperger (Creseld). Einer freilich wich von der Bahn der allcrnüchternsleil Realpolitik auch am Mittwoch nicht ab, und dieser Eine war der Reichskanzler. Offener kann man in der That das Bündniß mit dem Centrum nicht verkünden, als wie er es in den wenigen Worten that. mit welchen er aus eine entsprechende kurze Anfrage deS Abg. Virchow erklärte, daß die Errichtung einer preußischen Gesandtschaft beim Balican in feste Aussicht ge nommen sei, daß die Erweiterung dieser Vertretung zu einer solchen deS Reichs nickt principiell abgclehnt, sondern nur von dem Beitritt anderer deutschen Staaten abhängig ge macht werde, daß er den Culturkamps beendigen muffe im Hnler- effe der katholischen Unterthanen, daß ihm endlich daö Ccntrum als Stütze der Regierung unendlich genehmer sei als die Fort schrittspartei. da die letztere grundiätzlich gefährlich wirke, die ersterc höchstens einmal unbequem werden könnte. So spricht man nickt, wenn man erst um BuntcSgenoffcn wirbt; so spricht man nur, wenn bas Bündniß bereits verbrieft und besiegelt ist. WaS sofort als der eigentliche Kern deS Wahl ergebnisses hingestellt wurde, nämlich die Annäherung de» Fürsten Bismarck an die Ultramontancn, sie ist eine ge gebene Thalsache, über die nicht mehr gedeutelt werven darf, sondern zu welcher praktisch Stellung zu nehmen ist. Wie am Mittwoch der Kanzler sprach, muß man es al» eu» Märckcn aus verschollenen Tagen ansehen. daß jemals zwischen ihm und der Partei Winbthorst ein Krieg di» ausS Messer geführt worden. All« haben sie ihn bekämpft, die Fortschrittspartei grund sätzlich und methodisch, die Nationalliberalen aus dem Gelüst der Herrschaft, die Conservativen ans dem Standeseigennutz heraus, nur da» Ccntrum hat ihn rein sachlich und ohne die Forderung einer Gegengabe unterstützt, damals, als mit dem Zolltarif die Grundlage zu der neuen Politik gelegt werden sollte! So mall sich jetzt in der Vorstellung des Fürsten Bismarck die politische Welt, so und nickt ander» soll sie nach seinem Willen angesehen werden. Ob die Rechnung stimmt, darüber wird freilich erst die Frühjahrssitzung mit ihren bestimmten Vorlagen der Unfallversicherung, des Tabaks- moncpols re. entscheiden können. Leute mit seinen Sinnen sind der Meinung, daß hinter dem Phrascnmantcl von Gläubigkeit und AntimatcrialiSmuS, in welchen sich am Mittwoch die praktischen Ccntrumssührer wider ihre Gewohn heit hüllten, nur die Verlegenheit der Cntschlußunsähigkeit stecke, und daß die Ultramontanen, indem sie die Entscheidung binauSzögern, durch die bloße Allgemeinbeit ihrer FreundschaslS betheuerüngcn de > Mangel an saclischen und greifbaren Zu sicherungcn verdecken wollen. Fürst BiSmarck aber ist augenscheinlich in einem Irrthum befangen, besten Erkenntniß nicht lange ausbleiben kann, bis wieder eine ernste Probe auf Wesen, Charakter und Ziele des CentrumS gemacht wird. Dann wird der Boden wieder für gesündere politische Verhältnisse frei und empfänglich werde». Windihorst hat sich sichtlich bestrebt, seine Partei dem Reichskanzler und der Rechten in möglichst günstiger Beleuchtung vorzusühren; er eröffnet«:, wenn auch mit starker diplomatischer Zurückhaltung, lockende Aussichten aus die Zustimmung rn wirlhschafllichen Liebiingsplünen de» Reichs kanzlers. Allein darum bleibt cS deck eine unumstößliche, wenn auch vielleicht kurze Zeit verdunkelte Thatsache. daß in Deutschland und Preußen keine ultramontane Politik getrieben werden kann. Leipzig, 2. December. In einem Artikel über „Die deutschen Fürsten und das deutsche Volk" betont die „Prov.-Corr." daS per sönliche Eintreten deS Kaisers, wie dasselbe sich in der Allerhöchsten Botschaft ausgesprochen bat. Sie weist daraus bin, daß während der Wahlbcwegung die Fortschrittler gesagt baden: „Wir wollen von den Hohenzollern regiert werden, nicht von BiSmarck." Und nun auf die Botschaft über gehend. bemerkt da§ ministerielle Blatt: „So ist denn im vollsten Maße geschrhe», was die vorgeblichen Hüter des Hohcnzollernsche» Fürstenthum- verlangt hatten: der Kaiser, statt da- Wort nur seinem Minister oder Kanzler zu über lassen, hat selbst gesprochen und seine persönliche Ansicht kundaethan. — Nur Eines hatten die Fortschritt«!«»»« rc. noch dem Ausfall der Wahlen nicht vorauSgesehea oder nicht für möglich gehalten, daß nämlich der Kaiser, der angeblich geknechtete, jetzt aber durch die „große liberale Partei" befreite Hohenzoller sich im Sinne seine« Unterdrückers, im Sinne der BiSmarck'schen Reformen gegen den Liberalismus aussprechen und sich ganz unumwundeu für die per- meintlich abgethane Politik erlläreu könne. Da» konnte und durste nicht sein, und al-dann besannen sich die Männer der „großen liberale» Partei", daß sic eigentlich etwas verlangt, was »war wahr- hast monarchisch, aber gar nicht .parlamentarisch" sei. „Ter Monarch spricht im konstitutionelle» Staate nicht eigene Ansichten, nur die seiner Minister aus", ertönt e» von denselben Leuten, von denselben Blättern, die kurz vorher verlangt hatten, der Kaiser solle den Reichstag selbst eröffne» und durch sein Erscheinen die Politik des Fürsten BiSmarck verleugnen." Und zum Schluß schreibt die „Prov. Corr.": „Sollte es nicht bei den Meisten schwer ins Gewicht fallen, wenn der glorreiche und ehrwürdige Gründer d«S Reich« versichert daß bei der bisher befolgten viel angefochtenen Politik seine B« strcbungn, daraus gerichtet seien, dem Vaterland« neue und danernde Bürgschaften de« inneren Frieden» zu geben, und daß er dereinst das Bewußtsein mitnehmcn «olle, in dieser Beziehung feine kaiserliche Pflicht getkon zu hoben. Je mehr man bnn Volke getagt ha», nnr der Kanzler versolge jene Plan» »nd-schädige dadnrch die Herrschaft dir Hohenzoller», desto bedeutungsvoller ist es, daß der ehrwürdige Hohenzoller aus dem Throne, zu dessen Einsicht daS Volk daS größte Vertrauen hegt, sein eigene- volles Einverständniß mit jener Politik aussprichl und deren unbefangene Erwägung, ohne Unterschied der Parteistellungen, dem Reichstag nochmals an« Herz legt. In diesem Liane hat unsere Regierung auch die weiteste Verbreitung der Bot- chast angcordnet, welche nicht eine Deckung des Fürsten BiSmarck durch den Kaiser, wohl aber die Aufklärung eines vielfach ins Bolk geworfenen Zweifels über die Stellung des Kaisers ist. und welche trotz der staatsrechtlichen Verantwortlichkeit deS Kanzlers daS vollste moralische Einverständniß unsere« Kaiser- bekundet. Wir glaubten uns zur Wiedergabe der vorstehenden Aus führungen verpflichtet, weil die osstciöse Presse in eine immer schärfere Polemik gegen den gesanimten Liberalismus eintritt. Ueber die denkwürdige Sitzung des Reichstage- vom Mittwoch äußert sich die „Magdeburgische Zeitung" wie folgt: Di« Situation hat sich vollkommen geklärt: Der Reichstag ivriß seit heute aus dem Munde des Fürsten Bis marck, daß di« Regierung entschlossen ist, mit dem Lentrum zu gehen. Ter Kanzler erklärte ausdrücklich, di« ultramontane Partei hätte ihm 1879 beim Zolltarif Dienste geleistet und deshalb schlöffe er sich jetzt den Herren Windthorst und Franckenstein und Genossen an. Der Bruch mit den Liberalen ist ein vollständiger; Fürst Bismarck glaubt, die römisch-katholische Partei diene den Staats- interrffen besser, als der Fortschritt, und unter Fortschritt versteht er Alle«, was liberal heißt. Dem Bündniß des Reichskanzlers mit den Klerikalen tritt die altconservative Partei begeistert bei, «nd so unbändig war Sleist-Retzow'S Freude über die Er- klärungen de« Fürsten BiSmarck. daß er sich sogleich anschickte, „die Herrn vr. Birchow und vr. Hänel anzunaaeln, wie inan gewisse Thiere an die Thür nagest." Seit heute wissen auch die protestan tische» Orthodoxen, daß der Kanzler nur gezwungen dem Livilehc- Gesetz zustimmte: Die Falk, Leonhardt, Camphausen, Achenbach, Friedenthal und Kamecke würden andernsall« sämnttlich ihren Ab- schied gesordert hoben. Au- dieser Erklärung werden die Römisch- Katholischen wie die protestantischen Orthodoxen den Schluß ziehen, daß der Kanzler ganz aus ihrer Seite stehe. Die Letzteren fühlen sich Eins mit Rom. . . . Was wird man draußen dazu sage«? Wir erinnern an die Leopold Ranke'sche Frage in seiner Geschichte bei „Fürsten und Böller SüdFLuropas": „WaS war und ist mächtiger in Deutsch, land, als der religiöse Gedanke?"' Nie und nimmer wird der pro- trstanttiche Geist den Druck Roms ertragen, und unwillig wird er von sich abzuschütteln wissen, was heute im deutschen Reichstage geplant worden ist. Das Bündniß deS Reichskanzlers mit den Lonservativen und Ultramontanen kann den Liberalen unbequem werden, aber da- Bündniß ist durch und durch unnatürlich, weil allen LebenSbedin-nngen deS deutschen Reiches widersprechend, und hat kein« Dauer. Dessen gewiß zu sein, bedarf es keiner Propheten gäbe. . . . « Das Eine ist jetzt alle« Liberalen klarer als je vor die Seele gestellt, daß »s heute keine Losung Wester giebt und geben kann, als Einigkeit gegen die mächtig und schrankenlos sich erbebende Reaction, die mittelalterliche Zustände wieder herauf- zubeichwören trachtet unter der Devise eines Zerrbildes unseres Christen thums. . . . Wie man auS Regierungskreisen erfährt, wird der An kunf't deS deutschen Gesandten in Washington, -Herrn v. Scklözcr, noch vor Weibnachten mit großer Bestinimt- beit enlgegcngesehen. Weiterhin gilt eS als eine auSgcmackte Sacke, daß Herr v. Schlözcr im Januar etwa nach Nom zurückkehrt, um dort die abgebrochenen Verhandlungen wegen eines Ausgleichs sortzusctzen. Trotzdem erhält sich aber immer noch die Behauptung, daß Msgr. Spolvcrini in München mit besonderen Aufträgen nach Berlin hin versehen sei. Tic Budgetcommission setzte am Mittwoch die Be- rathnng des Militairetats fort und gelangte dabei zu den Forderungen für Kascrnenbautcn. Die erste Rate für eine Jnsanlerickaserne in Rudolstadt im Betrage vonüä.ttOOMk. wurde gestrichen. Desgleichen die erste Rate. 50.000 Mk.. für eine Dragoncrkaserne in Stendal. Der letztere Bau wurde schon deswegen nicht slir dringlich erachtet, weil seitens der Elendaler Bürgerschaft seit längerer Zeit mit nickt geringen Kosten KascrnementSeinrichtunqcn getroffen sind. ES lag denn aucb der Commission eine Petition auS Stendal um Ab lehnung der RegierungSsorderung vor. Die nationalliberale Fraction de» Reichstag» hat sich coustiluirt und in ihren Vorstand gewählt: die Herren von Bennigsen, von Benda, Stephani, Hobrecht, Büsing, Vr. Buhl. vr. Blum. Die national liberale Partei hat durch den plötzlichen Tod des Aba. Gymnasialdirector von Heinemann einen schmerzlichen Verlust erlitten. Der Verstorbene hatte früher dem norddeutschen Reichstag angehört und war jetzt wieder für Wolfenbvttel-Hclmstedt in den Reichstag gewählt worden, «, den eS ihm nickt vergönnt gewesen einzutretcn. Bei der Nachwahl in Wolscnbüttel wird zuerst da« Augenmerk daraus gerichtet werden, einen landeSangehörigen Nachfolger zu finden ; sollte ein solcher nicht gesunden werden', so würden von national- liberaler Seile anderweite Vorschläge gemacht werden. ES könnte z. B. der in Hildesheim unterlegene Römer in Vorschlag kommen. Ignatiew läßt, wie auS Petersburg gemeldet wird gegenwärtig, um den unangenehmen Eindruck, den der neueste Mordansall erzeugte, zu verwischen, daS Gerückt verbreiten. Sankowski und Neloikow seien wahrscheinlich keine Nihilisten. Elfterer sei ein leichtsinniger Wüstling, der sich daS Leben habe nebmcn, vorher aber noch einen ander n um bringen wollen. Warum aber der Mörder, um dieses zu thuu, extra nach Petersburg gereist ist und sich gerade den Gehilfen Ignatiew'S. den Leiter de» Ausschusses für die Ver schickung auf administrativem Wege, ausgesucht hat, DaS w»rd nutzt erklärt. Die Nihilisten »oerden übrigen» gar nicht uazusrieden mit dieser Auslegung des Vorfalles sein' und sich damit zu trösten wissen, daß außer ihnen in Rußland auch tchon andere Menschen auf die Spitzen der Behörden zu schießen anfangen. Der AuSweg. den die Regierung ergreifen zu wollen scheint, würde also einen recht ungeschickten Vertan nehmen. Infolge de- Mordansall« wurden ungefähr 30 Per sonen beiderlei Geschleckt» verhaftet. Zu dem Artikel der „TimcS", betreffend den angeblichen Widerspruch zwischen den Vorschlägen Rußland» in Kon- stantinopel, betreffend die KriegSentschäkiguna. und dem Berliner Vertrage bemerkt da» „Journal de St. PoterSbourg". Rußland habe keineswegs zuerst die Frage einer Regelung der Schulden der Pforte aufgeworfen und yab« noch weniger beabsichtigt, seine Forderungen aus dem Wege von Privatver bandlungen zu sichern. Die „Times" befinde sich ans völlig falschem Wege, wenn sie meine, den Interessen der Bond- holder« dadurch zu dienen, daß sie die türkische Regierung zum Widerstand gegen die Verstellungen Rußland» ermnthige. Mittheilungen, die über daS letzte Co»sistorium unter Vorsitz deS Papstes aus Rom nach Deutschland Zangen, heben die Bedeutung hervor, die nian aus die uSmahl deS Raumes für jene Ceremonie diesmal im Vatican gelegt hat. Da» Consistorium sei in einer Capelle abgehalten worden, die hauptsächlich durch zwei große Gemälde geschmückt sei: durch da« Frescobild mit dem büßenden deutschen Kaiser Heinrich IV. im Schloßhofe zu Canossa und durch die Darstellung de» KniesallS, den Friedrich Barbarossa nach der Schlackt von Leanano behusS Abbitte vor dem Papste that. Die Wahl dieses OrteS für die erste größere päpstliche Ceremonie nach der „Verständigung" mit der preußischen Regierung wäre allerdings nicht ohne charakteristisches Interesse, zumal bekannt ist, daß eine solche symbolische Sprache für Diejenigen, die e» angeht, oft hundertfach beredter ist, als das gesprochene oder geschriebene Wort. Die von Gainbetta in der ministeriellen Erklärung an gekündigte Verfassungörevision soll sich, lvie in einem offenbar durch den neuen Conseilpräsidcnten inspirirten Artikel der „Rspubl. Fran^aisc" hervorgehobcn wird, nickt blo» auf eine Reform te- Senates, sondern auch auf die Tepu- tirtenkammer beziehen. Da die Frage bezüglich de» ListenscrutiniumS, aus welche» Gainbetta daS größte Gewicht legt, vom Senate l», ablehnenden Sinne entschieden worden ist, erachtet der Conseilpräsident c» für da» beste Aus kunftsmittel, den aus beide» Kammern gebildeten Congreß di« Listenwahl votiren zu lassen. Während nämlich bisher nur der WahlmoduS für den Senat verfallungSmäßig festgesetzt ist, soll nunmehr auch eine bezügliche Bestimmung über die Depu- tirtenkammer in die Constitution de» Jahres 187.', eingesührt werden. Da die republikanische Kainmermchrheit derartig angewachscn ist, daß sic im Verein mit de» gambettistischen Senatoren im Congreß bei weitem den Ausschlag giebt. käme eS also nur daraus an, de» Senat überhaupt dazu zu be stimmen. grundsätzlich in die VersaffungSrevision einzuwilligen und die Einberufung der Nationalversammlung zu ge nehmigen. Freilich macht sich in dieser Hinsicht eine starke Gegenströmung geltend. An der Spitze dieser Bewegung steht InleS Simon, der soeben die Leitung des Journals „Le GauloiS" übernommen hat, um im Verein mit den übrigen Dissidenten deS linken Centrum« die Revision der Verfassung zu bekämpfen. Da« von diesem Blatte veröffentlichte Pro gramm läßt darüber keinen Zweifel bestehen. Die Sehnsucht der Spanier nach Wiedergewinnung Gibraltars ist wieder einmal in einer Anfrage zum Aus druck gelangt, welche ein kubanischer Senator an die Regierung gerichtet hat. Derselbe, vermuthlich anknüpsend an die lüngst angeregte freiwillige Subscription zur Aus bringung der Kaulsunime. wünschte zu wissen, ob die Re gierung bereit sei, mit England wegen der Abtretung Gibraltars in Unterhandlung zu treten Ter Minister de» Auswärtigen, MarguiS de Vcga Arinijo, erwiderte darauf, daß er sich aus die DiScussion dieser Angelegenheit nicht cin- lasicn könne, daß aber die Regierung so handeln würde, wi es daS Interesse deS Landes und die Aufrechtcrhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zu den befreundete» Nationen erforderten. Die Regierung von Columbia hatte die Staaten von Südamerika zu einem Congreffe nach Panama cin- gcladcn. auf welchem die Grundlagen für ein inter nationales Schiedsgericht sestgcstcllt werden sollten, daS in Streitfällen zwischen den betreffenden Staaten zu entscheiden habe. Nun baden aber Mexiko und Uruguay die Beschickung deS Congreffe« überhaupt ganz bestimmt ab gelehnt. Chile und Peru sind wegen deS zwischen ihnen ob waltenden Kriege- noch nicht init dem Congreß einver standen, und Argentinien macht gleichfalls Einwendungen, so daß die Anregung Columbiens ins Wasser gefallen ist. Reichstag. In der am Mittwoch stattacfundenen Sitzung de» ReichStagS wurde die zweite EtatSberathung fort gesetzt. Bei dem Etat deö Auswärtigen Amte» richtete der Abgeordnete Bircbow eine Anfrage über die gegen wärtigen Beziehungen zu Rom an den Reich »kanzs er, eine Anfrage, welche die Debatte mitten flinein in da» unerschöpfliche Gebiet de» Culturkampses führte. Abg. Birchow: Ich erlaube mir, an den Herrn Reichskanzler die Anfrage zu stellen, wie eS mit den Verhandlungen mit Rom steht. Dieser Umstand, der mit einer gewissen Unruhe nicht nur im Land« und Volke selbst Anlaß zu weitgehenden Conjecturen giebt, bclchöftigt ja seit Kurzem auch die osficiüsen Blätter sehr lebhaft. Ich geh« nicht so weit, daß ich von dem Herrn Reichskanzler verlange oder erwarte, er möge unS seine geheimsten Gedanken hier mittheilen, möchte ihm aber dankbar sein, wenn er uns Mittheilungen machen möchte, die vielleicht geeignet wären, die gehegten Besorgnisse zu mildern. Der sogenannte RcligionSkrieg ist ja zu einer solche» Bedeutung herangewachsen, daß dieser Krieg auch durch unsere gelammte innere Politik sich hinzieht und eS höchst wünschenSwerth wird, wenn wir über den inneren Frieden unseres Lande- aufgeklärt werden. Verschiedene Gerüchte, welche sich ln den Zeitungen breit gemacht haben, will ich hier nicht vorsühren, es würde uns ober sehr angenehm sein, vom Herrn Reichskanzler Aufklärung zu erholten» in wie weit die Entwickelung dieser Angelegenheit aus unsere Intern« von Einfluß ist. Reichskanzler Fürst v. BiSmarck: Obwohl sich ln dem zur DiSeuIsion stehenden Etat eine Position nicht findet, tvelche zu einer Interpellation über Beziehungen de« Reiche» zum Papst Anlaß gebe» könnte, kann ich besten ungeachtet die Frage dahin be antworten, daß Verhandlungen de« Deutschen Reichs mit dem römischen Stuhle überhaupt nicht stattsinden. Ich kann de» Vorredners Ansicht nicht theilen, daß eS dem Lande oder dem Reiche nützlich wäre, die Beziehungen, in denen etwa das Königreich Preußen oder auch ander« deutsche Staaten zu Rom stehen, hier zum Gegenstände der Diseussion zu machen. Die ron- selfioneve» Fragen gehören nicht zu den in Art. 4 der Retchsver» sassung ausgesührte» und ich halte cs für nützlich, den Streit darüber in die sachlich engsten Grenzen einzuschränken. Die Beziehungen, die dem Herrn Vorredner vorschweben, sind wohl mehr diejenigen Preußens, and ich wäre gern bereit, näher im preußischen Landtage auf eine ähnliche Anfrage einzugehen. Der König von Preußen sowohl wie andere Bundesftaatrn haben ein welent- liches Interest« daran oder fühlen die Pflicht, die Interessen ihrer katholischen Unten honen in Rom und beim römischen Stuhle auch vom Standpunkt weltlicher Gewalt wahrzunehmen, und desdalb ist es die Absicht, demnächst in das vreußiche Budget eine Position einznfügen, die den Zweck Kat, directe Beziehungen und Verstand- lungen über die vielen Personal- und Loealsragen. auch über wich tigere principielle Fragen möglich zu machen. Die Aushebung der- jenigen Geinndtichast. die von Preußen ans den Nord deutschen Bund
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite