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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.11.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19261102017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926110201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926110201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1926
- Monat1926-11
- Tag1926-11-02
- Monat1926-11
- Jahr1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.11.1926
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Dienstag, r. November 1926 — Dresdner Nachrichten — Nr. SIS Seite 8 Die Jubelfeier der Tharandter Hochschule. Den Höhepunkt de« ganzen gestrigen Jubelfeste», wenig ften» nach außen hin, bildete -er htllerlsche Aest-sg. Trotz be» um die Mittagsstunde bei der Grundsteinlegung um JnstttutSneubau einsetzenben Regen» hatten stch viel« Lausende au» Dresden, dem Plaueuschen Grund und der «etteren Umgebung in dem Walbstäbtchen «tngefunbrn. Un unterbrochen flutete der Strom der Schaulustigen vom Bahnhos her, und vor den Hotel» fuhren ganze «utopark» und Wagen- bürgen auf. Die Gaststätten und Lass» waren gestopft voll, und auf den Straßen standen die Menschen wie Mauern. Der Zug. von Hofrat Professor OSkar Geyssert liebe- voll vorbereitet und betreut, beanspruchte fast die ganze Ein. wohnerschast Tharandt» und die Studentenschaft al» Mit- wirkende und charakterisiert« die Beziehungen de» Menschen zn« «albe i« Wandel de« Jahrhundert«. Um » Uhr setzte er stch vom AmtShof dt« Wilsdruffer Straße abwärt» In Bewegung und zog an der Hochschule, deren Konturen in Hunderten von elektrischen Lämpchen erglühten, durch die ganze Stadt. Hinter einer Musikkapelle, einer Feuer- wehr, und GanttätSmannschast kam die erste Gruppe, welche die germanische Zeit versinnbildlichte. Unsere blonden Vorfahren kehren deute beladen von der Bärenjagd heim und werben von Frauen und Kindern begleitet. Jäger ziehen mit Hunden vorüber. Männer tragen an einer Stange den erlegten Bären; ein Ochsenkarren mit Jagbtrophäen und Gerät bildet den Schluß. Di« zweite Grnppc umfaßte die Ritterzeit. Ritter und Ebelbamen au» dem Gefolge Heinrich» be» Er lauchten, der der Minnesänger und Etnführer der Falkenjagd tn Sachsen unter den Markgrafen zu Meißen war, retten von der Burg Thorand zur Falkenjagd au». Die Gruppe beschließt ein mit einem berittenen Pferd bespannter Jaadkarren, der mit Laub unkenntlich geiiiacht ist und auf dem der Trappen- und Entenjäger mit der Armbrust im Anschlag liegt. Die Renaiffaucezeit der folgenden Gruppe war wohl die farbenprächtigste. Vater August und Mutter Anna begeben stch »um Jagdfest nach Schloß Grtillcnburg und werben auf der Durchfahrt von Tharandter Bürgern und Landlenten der Umgebung begrüßt. Ein Fähnlein Landsknechte mit ihrem Hauptmann eröffnen den fürstlichen Zug. Ihnen folgen gewappnete Netter. Dann rettet Vater August im Jagbaewanbe mit zwei Rittern de» Gefolge» einher. Mit sechs Pferden prächtig bespannt folgt der fürstliche Jagbwagen, in dem von Landsknechten begleitet Mutter Anna mit ihren Kindern und den Hofdamen fahren. AlS Troß folgt wieder eine Schar gewappneter Reiter. Rat»- Herren und Bürger Tharandt» mit ihren Frauen und Kindern, al» auch junge Mädchen und Burschen, sowie Land leute der Umgebung begleiten in buntem Wechsel den fest lichen Zug. Nun folgt die Nokokozeit. Damen und Herren de» heiteren und galanten Jahr hundert», in dem auch die Jagd znm Spiel wurde, befinden sich aus dem Wege zu Jagdspicl-en und Tierhetzen, die auf dem Dresdner Altmarkt stattsindcn. Zwei Jäger mit Zopfperücke beginnen diese schöne Gruppe. Dann wird in einer Sänfte eine Dame getragen. Es folgen Herren mit ihren Damen zn Pferde in eleganter Jagbkletdiing der damaligen Zeit. Zwei sahrbare Chaisen, in denen Damen mit gepuderten Turm- perttcken sitzen, schließen den Zug. Die Biedermeierzeit oder die Zeit vor hundert Jahren, da die Gründung der Forst- akabemie zu Tharandt erfolgte, ist zu einem HuldigungSzug für Heinrich Cotta, dem Begründer und Altmeister der Forst- akademie, auSgcstaltet. Lühower Jäger reiten voran». Dann folgen junge Mädchen tn Bicdermeicrtracht al» Ehrendamen. Herren in alten Forstuniformen, ehemalige Schüler Cotta», schließen sich an. Es naht der Hiildigungswagen. Aus ihm thront in Form eine» Denkmal» die Büste Cotta», ein Werk aus Nictschels Hand. Vor ihr huldigen Studenten tn Bieder meiertracht, und im Hintergründe befindet sich al» Abschluß da» Banner der Forstlichen Hochschule, von drei Studenten ge halten. Dem Wagen schließen sich ausländische Studierende, vor allem Bulgaren in Nationaltracht, an. Hinter einer zweiten Kapelle kommt dann die Neuzeitliche Gruppe, an ihrer Spitze eine Anzahl Parsorcejäger in ihrer roten Tracht mit einer Meute echter Barsoyhunde. Neben der Jagd findet auch die ernste Arbeit de» Forstmannes, die sich au» Gründung. Aufziehung. Pflege und Ernte der Bestände zu sammengesetzt, im Festzug Ausdruck. So reihen stch al» au», führende Kräfte Waldarbeiter und Kulturfrauen mit ihren hauptsächlichen Geräten in den Festzug ein. Inmitten dieser Schar wandelt das in Tharandt bekannte alte Waldarbeiter- Ehepaar Herzog. Durch HandwerkSburichen. eine Postkutiche und Erntewagen mit lustigem Landvolk sowie Wandervögel wird der Verkehr im Walde zur Darstellung gebracht. Durch unvorsichtige« Feuermachen und Abkochen ist nicht selten «tn Walbbrand entstanden, dem die Feuerwehr nur durch Ziehen von Gräben Einhalt gebieten konnte. Auch ein Omnibu» mit Gesangverein und Popanz wirb mttgesührt, und man sieht Pilz-, Beeren-, Zapsen. und Brennholzsucher. Ebenso trifft man die Köhler, ihren Meiler und Hütte im Walde sowie ihre heimlichen Freunde, die Gnomen und Wichtelrnänner. Auch da» Rotkäppchen wandelt einsam mit Kuchen und Wein im Körbchen zu ihrer kranken Großmutter durch den Wald. Ein anderes Bild zeigt eine am grünen Waldesbana sich lagernde Gesellschaft, der da» Mahl im Freien trefflich mundet. Auch die kindergescgnete Familie zieht Sonntags in» erauickende Wal. deSgrttn. Und bann kommt tn höchsteigener Person der Winter; Kinder tragen Rodel und Schier, und auch Knecht Rupprecht rüstet sich zur WcthnachiSbcscherung. Fleißige Frauen tragen Leseholz, und Nutzholz wird abgefahren. Im Jagbwagen fahren schließlich auch die Jäger de» Winter» zur Treibjagd Einen farbenfrohen, lustige» AnSklang fand die neuzeitliche Gruppe durch die Darstellung de» Tharandter Studenten lebens. Der Farkelzug. Der Abend war in Tharandt naß und neblig, Dunst und fetnrteselndcr Regen füllten das Tal. Aber immer lebendiger wird schon nach 0 Uhr HauS um Haus. Wo sonst nur hier und da ein Fenster mit gelblicher Behaglichkeit blinzelt, strahlen mehr nnd mehr Ltchterreihen aus — Illumination, wie wir sie tn der Großstadt kaum mehr kennen. Kleine Talg- schüsselchen stehen brav gereiht zwischen den Doppelfenstern: auch lange Lichter aus Flaschen und ähnliches. Köstlich schimmern die weißen Gardinen dahinter. Und pünktlich schmettern auf einmal srohe Märschweisen — der Fackelzug zieht durchs Städtchen. Dicht besetzt sind die Straßen von Dchanlnsttgen, die, znm Teil tn ganzen Familien, auch von HainSberg und Freital und von den Bergdörfern hinter Tharandt gekommen sind. Die jungen Studenten tn buntem Wich» tragen stolz die Fahnen, dazwischen auch eine Abordnung der Freiberger Studentenschaft in Bcrg-Festtracht — dahinter tragen die Korporationen, meist in farbigen Pekcschen, eine kleine, aber hellstrahlende Ltchtslnt. Zur Wohnung des alten Rektors geht'ö zuerst — „Horrido!)" grüßt hinauf — dann zur Hoch schule. In einfachen Linien sind ihre Umrisse durch Licht streifen betont, und am Balkon schimmert seltsam blau die Schrift: „110 Jahre — aima niste,-." Zwei lodernde Becken lecken ans und schleudern Funken empor. Zur Wohnung deö neuen Rektors flammt der Zng weiter durch die nasse Nacht, die von den tausend Lichtern tn den Fenstern wunderlich schimmert. Auch beim neuen Rektor schallt dreimal das „Horri- dvh" und „Vivat Akademia" töat'S hell von der Wohnung herunter. Wunderschön strahlt durch das schwarze Dunkel Höhenfeuer aus, Kirche und Ruine prächtig heranShebend. Mit dem Deutschlandlied werfen die Studenten die Fackeln zusammen. Mit lebhaftem Begrüßen sammelt sich gegen 9 Uhr die frohe akademische Gemeinde, von Aktiven, Alten Herren und Ehrengästen -um Kommers im Sladtbad. Gr wird geleitet von Forstreferendar Schmteber vom KorpS Hubert!«. Zu seiner Rechten sitzt der Rector rnagnikicus Geheimer Forstrat Professor Dr. Groß, an den einzelnen Tischen nach der Ehrentafel zu die Alten Herren, an den unteren Enden die AttivitaS. Goethe eröffnet die KommerSfrenden: „Hier sind wir ver sammelt zu löblichem Tun," kltngt's stark und gesund durch den Saal. Im Anschluß daran begrüßte der KommerSletter den Rektor, die Ehrengäste und die Rektoren und Professoren der verwandten Hochschulen, den Bürgermeister Tharandts, die Vertreter der Studentenschaften der forstlichen Hochschulen EbcrSwalde und Hannoversch-Minden, der Technischen Hoch- schule Dresden und der Bergakademie Freiberg. Er legte das Gelübde der jüngeren Generation ab. der Gründer »nd der Geschichte der Hochschule würdig zu sein, und schloß mit einem freudig aufgcnommcnen Salamander ans die ^Ima inatvr. Dann erklang da» Lied von der alten Burschenherrlichkeit. Der Rektor Geheimer Forstrat Professor Dr. Groß dankte für die warmherzigen Begrüßungsworte und gab seiner Freude über die Treue und Anhänglichkeit Ausdruck, mit der so viele den Weg zu dieser Feier nach Tharandt ge funden haben. Er begrüßte das Gemeinschaftsgefühl der Kor porationen, die sich zu dieser Feier geeint hätten. Auch ein so Alter wie er nnd viele Gäste könne sagen, daß er bisher noch immer ein juaendfrohcr akademischer Bürger geblieben sei. Wer sich diese Jugend nicht wahre, den könne die Jugend mit Recht bei aller Gelehrsamkeit als einen im Philistertum beschränkten Menschen ansehen. Aber er fand auch warme Worte für den Ernst des Studiums für das Leben und baS Pflichtgefühl, daS der Studierende im Studium finden solle. Gr schloß mit dreifachem „Horrtdoh" auf die akademisch« Jugend. „Der Gott, der Eisen wachsen ließ," brauste durch den Saal, VaterlandSrcbe und manche» heiße Gelöbnis ideal- flammender Jugend und manches frohe »nd scherzsreudige Erinnern junggebliebenen Alters reihten sich aneinander. Nach altem Brauch: studentisch brausender Abschluß eine» akademischen Feste»! «lderl - Aweigverein Arauenverein vom »ölen Lireuz, Dresden. Der Verein hat vor kuvzem Frau v. Boxberg getz. v. BurgSdorss al» Vorsitzende und den Bankier Rechtsanwalt Windisch als Schristslihrcr gewählt. Frau Oberbürger meister Bl üher ist, wie bisher, stellveitretende Vorsitzende. Die Geschäftsstelle des Albcrt-Zwetgverctnö Dres den. Frauenverein vom Noten Kreuz, befindet sich in Dresden- Altstadt. Scheffelstraße 9. 1., und ist Dienstags. Donnerstag» und SonnaßendS von 10 bis 141 Uhr geöffnet. Die vom Ver ein betriebene Wäschestütze iMitielstandohIlfei ist Diens tags von 4 bi» 6 Uhr und Donnerstags von 10 bis 12 Uhr für Annahme von Bestellungen geöffnet »nd befindet sich eben falls Scheffelstraße 9, 1., in -er Geschäftsstelle des Albert» Zwetgvereins Dresden. Die Poliklinik in DreSden-N., Wilhelmplatz 1 lPavtllonj wird vom Albert-Zwcigverrin Dresden unter halten. Sanitätsrat Dr. Eulitz steht Montags und Don nerstag» von 12 bis 1 Uhr ftbr allgemeine Krankheiten, d. h. chirurgische und innere, zur Verfügung, Generalarzt a. D. Dr. Bur dach Mittwochs und Sonnabends von 1412 bis 14l UHr sür allgemeine Krankheiten. Dr. Geis Montag» und Donnerstags von 140 bis 1410 Uhr vormittags liir Augen, krankheiten, Dr. Rösler Freitags von 8 bis v Uhr vor mittags sür Ohren-, Nasen- und Halskranklicitcn, Dr. Hau« bolb Freitags von 1410 bis 1411 Uhr kür Frauenkrankheiten. In, Interesse der Allgemeinheit bittet der Albcrt-Zweig- verein Frauenverein vom Roien Kreuz, sein gemeinnützige» Unternehmen tatkräftig zu nnberstützcn. — Der Ortsverband Dresdner Künstlerinnen gab am 28. Oktober seinen fördernden Mitgliedern einen T c e in den Räumen des Franenklubs, zn dem auch sein Ehrenmitglied Prinzessin Mathilde erschienen war. Der Tee wurde sehr zahlreich bcsiuht. Durch bas Entgegenkommen der Kammer- sängcrin Frau Weberin-, Piauistin Frau von Platen, Scharr- sptclerin Frau Zimmermann-Fricdrich und Fräulein G. Stcinbach, die alle mit fein-kitnstlerischcu Darbietungen er freuten, verlief diese Festlichkeit sehr anregend nnd stimmungsvoll. —» Der Gchmucksachendieb festgenommcn. Wie kürzlich be» richtet wurde, waren am 20. Oktober 1920 aus den Schau fensterauslagen eines Goldware ngeschästes tn der Ziegel st raße wertvolle Schmuckgcgcnstände, Uhren und Ferngläser gestohlen worden. Der Dieb, ein 20 Jahre alter Arbeiter von hier, konnte nunmehr von der Kriminalpolizei er. mittelt und sestgenommen werden. Sämtliche gestohlenen Gegenstände, die er teils noch km Besitz, teils verkauft oder in leichtsinniger Gesellschaft verschenkt hatte, konnten wieder herbeigeschasst werden. kn Sckirme äenken keikt: kn pslscklrs äenken! Vs»» vsn,sn-^o«L«sek1>7>n /I LLtz 12te>Iix mit iinopk vsn vsmsrr-jVtocresckIrrn L VLX ILteiiix. 1a,d>8 diacco 0s>7 vsinsn-IV1o«1sseiAl»'n» L 8LX 12 teilte, iialbreiäe ^uvorckem un,er« »Itbelrannten »olicken HuaiitSten unck prelslsAen. L. /X. Wiener Tage. Von Charlotte Bast 6. »Wien — Wien nur du allein", summt« e» mir in den Ohren — im Rhythmus der rollenden Räder, im Takt der Schwingungen unsere» Coup^S. Wien! Wie kannte ich dich! Wie werde ich dich Wiedersehen! In deinem ganzen Reichtum durfte ich auch dein« ganze Schönheit genießen. Welche Erinnerungen steigen tn mir aus! Ein internationaler Prcßkongrcß. Empfang beim deutsche» Gesandten iein entzückendes Stündchen mit Berta von Sutt ner, Ludwig Fulda und unserem Gesandten an kleinen Tischenj. Ein Abend in den Prunksälen des Rathauses — mir gegenüber Lueger — heute sozusagen der Nationalheilige der Oesterretcher. Neben mir der Statthalter von Niederösterreich, mit dem kostbaren Brtllantkrcnz auf der Brust, dem kirschroten und kirschengroßcn Rubinring, dem Abzeichen seiner hohen geistlichen Würde. Dieser bildhäßliche Mann war der char- mantrste Causeur, der mir — neben dem alten Singer, dem „Nationalhciligcn" der Wiener Presse — sozusagen im Leben vorgekommcn. So a'schcit und bezaubernd kann halt nur ein hoher katholischer Geistlicher sein! Lueger, der Junggeselle war, wurde von seinen beiden Schwestern, die ein strenges Regiment führten, betreut. Lachend vertraute mir mein Nach, bar, daß der Bürgermeister von Wien, wenn er etwas spät tn der Nacht nach Hause komme iso etwa» kann ja bei einem Bürgermeister vorkommenl —) die Stiesel auf der Lreppe ausztehc, um — — nun ja c» waren halt »wet Schwestern. Lueger bestritt diese Unterstellung «nd be hauptete: er habe Mut — sür zwei! Dann ein Festabend im Neuen Bnrgtheater. — Paul Schlenthcr, der damalige Direktor, führte mich durch da» Vestibül und die Wandelgänge, erläuterte mir die Gemälde und Büsten der lebenden und toten Schauspielgrüben aus dem Vorhang, an den Logenbrüstungen und im Foyer, die. ihnen und Wie» zur Ehre, von Künstlcrhand zu bleibendem Ge dächtnis geschaffen waren. — Ein Tag tn der Wachau auf bunt- bewimpelten Schiffen. Der Semmering durch Augen geschaut, die von edelstem Weine funkelten, — Schönbrnnn — diese» Kleinod — und da» sagenumsponnene Heim der Katharina Schratt, der Beherrscherin des Beherrscher» Oesterreich», an die sich selbst die gekrönte Kaiserin hielt, wenn sie „beim Kaiser waS' erreichen wollte". Ei» entzückender Klatsch nnd Tratsch um alle, die man liebte. Ueppige, schöne nnd fesche Frauen, „Zeugerin" wie von Zucker, die Pserdcrln mit Bcin- chen wie Gemsen und ebenso schnell — so sah ich Wien. Ein unerträgliches Gehupe, ein abscheuliche» Benzin er- schreckte mich, als ich den häßliche» und engen SttdVahnhof ver l ließ. — Daß der Gepäckträger sich Zeit nahm, da er zehn Per sonen zugleich bedienen wollte, versteht sich von selbst. — End> Itch aber betrat ick Wien» Pflaster. ES war noch da» alte — und sicher nicht besser geworben Aber was war daö? — Welche vorsllndslutlichen Vehikel warteten draußen?! Wo hatten die Wiener nur diese Typen her!? Ich sah, da» kann ich be schwören, da» Droschkenautomobtl, das einst als erstes zum Staunen der Menschheit in den Straßen sichtbar wurde: ein Landaulett, das der Chauffeur vom erhöhten Kutfcherbock lenkte, als hätten seine Pferde Tarnkappen oder wären davon- gelaufen und die Kutsche, einmal im Lauf, führe nun ohne sie weiter. Jede Farbe, jede Marke, jeder Typ, der je gebaut, ist heute auf den Straßen Wiens zu sehen. Die Taxe für ein ganz gebrechliches, beginnt aber auch dafür mit 20 Groschen (etwa 18 Pfenniges, die übrigen mit 00 Groschen — und da gibt'» keine „Widerred'I" — Oh — wie war das elegante Straßenbild dadurch verändert! Dafür aber der Lärm und da» Getöse um so größer. Das einst allererste Hotel „Zum goldnen Lamm" an der Praterstraße, nahm die Gäste des Schrtftstellerverbande» liebe voll auf nnd — Wiener Lust umwehte un»! DaS Ellen — schlecht kann man ja in Wien gar nicht kochen — war vorzüg- lich wie einst, die Kellner vorbildlich wie stet». Ein sichtlicher Eifer beseelte alle, den Fremden die letzten Mängel vergessen zn machen, ihn zn gewinnen — viel, viel mehr noch als einst im reichen Wien, denn — e» ist nicht mehr reich — o Gott — nein! Sie sind stolz aus das, wa» sie schon erreicht haben und daran gerade erkennt der Norddeutsche, wie schlimm e» au», gesehen hat. Man arbeitet hart, man ringt um sein Bestehen nnd hofft ans Besserung und auf — Hilfe! Aber seine Leben», lust »nd seine Genügsamkeit steckt ihm halt im Blut, dem Wiener, nnd unter welchem Stern hinfort der „Republikaner" auch geboren wird, dieses Blut bleibt Ihm! Ihn stört ev nicht, baß die Fenster nicht soganz schließen, daß die eine Uhr gar nicht, die andere ein klein biftl — mein Gott — falsch acht daß das „fließende Wasser" nicht grab' immer funktio- niertl — DaS alle« sicht er als Schäden nicht an. Beneidens wert glückliche Naturgabe, die sie eben halt so liebenswert, so duldsam auch gegen andere macht. Mo warsn aber die feschen „Möhlspelsen-Wienertnnen"? — Schmal und schlank sah Ich die wohlhabende, die elegante Frau ldie übrigen» an» dem Straßenbild völlig verschwunden istj. schmal nnd blaß da» Mädel mit der Ledermappe! Ach — »nd sic schleppen es fast alle, diese» gräßliche Abzeichen ihrer Hörigkeit. Und der Wienerin steht sie noch weniger gut, der leichten, lebensfrohen, al» unseren strengeren norddeutschen Frauen. Früher — ja früher! Wenn d a eine so daherging, mit der Mappen unterm Arm — da wußte man: Die singt!! — Heute aber birgt dieser Moloch nrrventötenbe Heimarbeit, «Handarbeiten, die man zwischendurch macht, trockene Akten- stücke, ebenso trockene Frühstücks- ober Mittag-Ersatz-Rrote und schließlich noch alles. waS man aus dem Nachhauseweg sür den kommenden Tag kauft. Kaum, daß man mal ein liebes Brics'l Die begüterte Wienerin ist schlank vom Trainieren und sieht sich kaum mehr ähnlich. Mehlspeisen? „Ha. die gibt'» nöt mehr!" Die anderen neunzig Prozent Frauen sind mager vom Turnen, Arbeiten und — Entbehren. DaS „süße Mäbl" — die typische Wiener Schönheit mit dem weichen runden Gesicht'!, sah ich nickt mehr! — Die ging tn Sorgen und mit den fehlenden zehn Kilo dahin. — Eines aber hatten alle gemeinsam: den bis ans die Nase gezogenen Helm. Früher konnte man über ein „Wiener Modell" ein Feuilleton schreiben und da» Budget der norddeutschen Frau zeigte ans Sehnsucht zum Wiener Modell oft bedeutende Zeichen der Zer rüttung. Und heute? Fast zweifelte ich daran, daß e» „nur mehr ein Wien" gebe! — Als Ich aber den Semmering wieder im Sonnenglan» vor mir liegen sah, den man mit dem Auto jetzt in einer knap pen Stunde erreicht, wenn man den Wiener Wald und de« Prater mit seinem Leben und Treiben zu Fuß. zu Pferde und zu Auto sieht, wenn man auf Beethovens »nd Schubert» Wegen gewandelt — draußen in Döbling — nnd dabei bemerkt, wie eigentlich hier eine Großstadt die andere gebiert, wie der Ver kehr stundenweit Im Umkreis wogt, wie sonst mir in den Zentren, wenn man kurz daraus hoch oben auf dem „Kvbcnz'l" sitzt, unter den „Neichen", wo eine lange Reihe eleganter AntvS den Weg säumt, einen Wiener Kaffee trinkt — mit Schlagobers und dem märchenhaften Gebäck, die weite herrliche Landschaft von der Gebirgskette nmsänmt — den Kahlenberg sich gegen- über, oder wenn man. müde vom Schauen all der köstlichen Kleinodien in Kirchen und unwahrscheinlichen Barockbantcn. im Bürgergarten ein Leben und Treiben findet, als ob eine JahreSschau eben eröffnet sei. wenn man die Museen. daS Kloster Neuburg mit dem „Altar von Verdun" — eines der Weltwunder nnd baS „Kostbarste der Welt" scS lehrte vor 800 Jahren »nd länger die Religion in Bildern von Gold und Emaille, die später die Heilige Schrift uns übermittelte» wenn inan daS, sage ich. und mehr, lehr viel mehr noch. waS von Oesterreichs alter Kultur, seiner jungen Kunst, seinem festen Unternehmerwillcn zeugt, gesehen, wenn man den Drang die ses nrkrästigen BolkvstammeS fühlt, vorwärts zu kommen, dann muß man ihnen recht geben, wenn sie auch heute noch singen: „O bn mein Oesterreich!" Nnd — wenn inan schon heute, da Länder verschwunden. Throne gestürzt, Umsturz die Losung hieß, über einer Tür im Prater plötzlich staunend liest: Polizei — De Positur — was macht daö? „Wenn'S Hcerz nur g'sund IS!" Und — da» ist'» noch, da oben Im schönen Wien!
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