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Dresdner Nachrichten : 19.02.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192802190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19280219
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19280219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Unvollständig: S. 3-6 fehlen.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1928
- Monat1928-02
- Tag1928-02-19
- Monat1928-02
- Jahr1928
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 19.02.1928
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SS Lnr Alltag 8onnlag. IS. Februar Aebeluachl. Von Georg von der Gabelentz. Am Park de- fürstlichen PalatS Masken. Musik und Tan». Veit Jahren endlich wieder ein Maskenball! Aus hundert Sehlen jauchet Lachen auf. Aus hundert Kehlen flüstert hle Leidenschaft Worte der Llebe, die -erzen klopfen rnjcher. Hände finde» sich in heißem Druck, fröhliche Augen hotzen. locken hinter seidenen Hüllen vor. Leine der Masken ist so umworben wie die indische Vafadere. Man hat sie bald erkannt und raunt sich ihren Name» zu: Olga Krylowa, die berühmte Tänzerin. Kein Name wird so zärtlich auSgesprochem keiner klingt so „ach süßem Frauenmund, wie der Name Olga Krylvwa. Oh. sie weist, dast man sic längst erkannt hat, wie sie sich auch:-braun schminkte. Glücklich lächelnd, mit Scherz und Saun«, sammelt sie Ruse der Bewunderung, schmeichlerische Worts, Seufzer Verliebter, und spielt mit ihnen, wie man mit blitzenden Steinen uud Perlen spielt, wie sie im Tanz mit lkn Partnern der^ Bühne scherzt, tändelt, lacht. Graf Guido Revera von der italienischen Botschaft ist ihr eifrigster Verehrer, und eS scheint, dast auch sie sich für tv« interessiert. Früher soll ihr leichtcntslammtcö Herz elnem Offizier gehört,haben, dem Hauptmann Valerian Michailow. Doch der ist eines Tages verhaftet worden, er sei heimlich noch -artslisch gesinnt und in eine Verschwörung gegen die Sowjets verwickelt. Hartnäckig erhält sich das Gerücht, ein Brief, ein unglücklicher, namenloser Brief, habe ihn der geheimen Staatspolizei verraten. Wo Michailow gefangen ist, weist niemand. Olga Srylowa lacht und tanzt, ihre zierliche Gestalt fliegt von einem Arm in den anderen. Graf Revera überschüttet sie mlt Blumen, die eigens aus seiner Heimat kamen. Beide finden sich immer wieder, und sind so fröhlich, dast sie aus zwei Dominos nicht acht gebe», die sich in der Nähe Olgas Haltes« und am Treioe» der aiideren wenig teilzunehmen scheine». Ein Mann und eine Frau, Fremde, gewiss neue Bewunderer von Olgas Schönheit. Niemand kümmert sich um sie, denn zn dem Tee, den der Graf im Park des Palais gibt, ist jeder willkommen, sofern er nur eine Maöke trägt «ad heiter ist. Mit Beginn der Dunkelheit »erlaufen sich die Gäste. Auch Olga verabschiedet sich, und Graf Revera stellt ihr seinen Kraftwagen zur Verfügung, nach ihrem Landhause, brausten fenselts der kleinen Newka, heimzukehren. Die Arme voll duftender Grühc der Riviera, tanzt sie übermütta dem Auto zu. Ein Diener will den Schlag öffnen, da springt der fremde Domino dienstbeflissen herbei und hält die Nagentür. Flüchtig und erstaunt streift Olgas Blick die beiden fremden Verehrer. Sie will sie anreden, fragen, doch schon ist daS Fenster geschloffen, der Wagen gleltct davon. Bequem lehnt sie sich in die weichen Polster zurück. Ihre Gedankeu könne» sich von dem Fest und seinem Gastgeber nicht tr-Nsts:». Sie liebt Guido, ihn liebt sie wirklich, mehr als alles ändere. Jener Michailow, jener düstere Fanatiker, ach, das war eine Torheit, ein schrecklicher Irrtum. In leuchtend»» Farben uralt sie sich die Zukunft, an der Sette Guido» In »iner sonnxnbeschienenen Villa am blauen Meer, unter Palmen und Blumen,' da hält schon der Wagew vor dtztt ArchttlHde Ihrer eigenen Billa. Mtt HUfr chr»S MädchenS kleidet sie sich um. wirft ein beijaemeS Gewand Über, verteilt all die duftenden Blüten tu dl« Vasen der Halle und sagt dann der Jungfer, sie möge getrost ihrerseits auf ein kleines Tanzfcst gehen, zu dem sie «tngelaüen tst. Ein schwüler Abend senkt sich heute auf die einstige Zarenstadt und die im grauen Nebel verschmlmmende Bucht. Rasch steigt die Dunkelheit aus den Büschen des Gartens. Dir Kuppeln, Türme, Häuser versinken in Schatten, wie in der schwarzen Schlammtiese der Newa und ihrer Kanäle irnd Arme. Lichter flimmern matt von den fernen Straffen und Plätzen der Stadt anf. Lautlos zucken Fledermäuse hin und her über Gärten und gurgelndes Wasser. Bom Meere wächst eine Wolkenwand empor, und ab und zu flammt Wetterleuchten aus ihr, das zornige Ausblitzen eine» gigantischen Auges. Olga entzündet sich eine Zigarette, schaut von der Terrasse aus eine Weile diesem Wolken, ungeheuer zü, das sich hcrauswälzt, dann tritt sic an den Tisch. Sie holt sich Papier »yd Feder, um an Gras Guldo Revera zu schreiben. Sie must ihn WiedersehenI Morgen schon soll er sie in ihrer Billa besuchen dllrsen. Und sie wird t>a» neu« Gewand anziehen, das alle Schönheit thres Nackens, ihrer Arme, ihres ganzen Körpers offenbart. Während die Feder über das Papier fliegt, »verkommt sie mtt einem Male ein merkwürdiges Gefühl, als berühre st« eine kalte Hand, die thr über den Nacken streicht. Ein Luftzug vom Fensterst St« «tkft sich daS kurze braune Haar aus der Stirn, unterbricht daS Schreiben, kehrt sich um: die Fenster sind ge. schloffen,' nichts zu sehen. Aber immer deutlicher wird die abscheuliche Empfindung, dast irgendwer sie unausgesetzt be obachtet. ihr näherschleicht. Welcher Unsinn! Das ist ja vtcht-, et»« Nervensache, grundlose Erregung. Und sie beugt sich wieoer auf da- Papier. Ihre Feder fliegt von Zeile »u Zeile. »Ich erwarte Dich, Guldo, erwarte Dich ungeduldig in Sehnsucht und Liebe. Komme morgen, wenn . . / -> Was ist daS heute nur? Jetzt. — knirschten nicht Schritte «uf dem KteSweg« des Gartens? Am Ende war eS der Regen. Schwere Tropf«» klatschen an die Fenster. Ob sie yäch dem Mädchen klingelt? Doch Akultna tst ja fort, die Köchin, Iwan, der Gärtner, auch, sic sind alle zum Ball. ES hat also keinen Zweck, zu rufen. Dock brausten schleicht etwas umS Haus. Bestimmt. Nein, wie kann sie nur so ängstlich sein! Over wäre cs doch? Entschlossen steht die Tänzerin auf und tritt a»S der offenen Tür auf den Altan, von dem Stufen nach dem Garten htnab- führen. Mit geblendetem Auge späht sie hinaus. Da! Am «uße dieser Stufen lösen sich aus dem Nachtnebcl zwei Ge stalten, wle Gespenster. Sie tauchen t» den Schein des Lichtes und steigen langsam herauf. DaS sind —, das sind ja wieder diese beiden Domino«, ein Mann und ein« Frau. Sind die Zudringlichen gar nicht abzuschtttteln? Betroffen weicht die Tänzerin vor ihnen in daS Zimmer zurück. Die Gestalten folgen thr. Jetzt treten sie sogar in dt« Halle. Olga Krylvwa blickt sie an. Wer ist daS? Sie kann die späten Gäste nicht erkennen; die beiden behalten sonder barerweise dt« Masken vor dem Antlitz. Unwillkürlich macht tzlga eine einladende Beivegung gegen einige Stühle und tritt selbst hinter de» Ttsch, auf dem der angesangene Brief a» Graf Revera liegt. »WaS wünschen Sie?" fragt sie; ihre Stimme zittert, denn sie überlegt blitzschnell, dast sie >a ganz allein im Hanse ist, und dast diese a,N Ende kommen könnten, sie lm nächt lichen Nebel zu überfallen und zu berauben. Mit einer un- -«wustten Bewegung fühlt ihre Hand nach der Perlenkette, dte ihren Hol» umschmiegt. Sie würde sie gern verstecken. /Rber wohin? < . . Mir suchen jemand,* bemerkt der Man«-ruhig. Pkütz. ltch fleht er den »Wlefa«--»,« «rief auf d,m Tisch«, feine Mimose«. Von Maria Rust, Dresden. In geschlissenem Kristall düstet Ihr aus weistgedecktem Ttsch und verleiht einem Hellen Zimmer alltagöserne Schön heit. Ihr zarten Gebilde einer strahlenderen Sonne — noch trag» Ihr all den Zauber tn Euch, der den Glanz italientschcn Frühlings durchflutet. Perlengleich überrieselt Ihr daS bergende Gesäst und sltestt tn unwirklicher Anmut herab aus die Weiße des TucheS — ans Eurem Atem klingende Wellen der Erinnerung sendend. Schon erheben sich die kühngestalteten Linien brauner Berge und ein türktsenes Meer flimmert unterm Gold,ich der Sonne, die es umfangen hält. Da ragt der Zupresse Dunkel zwischen silbernem Olivengcbüsch — feierlich steht ihr Schatten gegen den tiefblauen Himmel, tn dem cs wie eine selige Verheißung liegt. Unaufhörlich rollt die Brandung ans User, den zackigen Fels umspielend und zwischen Blumen, Gras und Schmetterlingen flüstert die Palme herab zur Aloe, die ihre herrliche Blüte mit dolchähn- licheni Stachel bewahrt. Vom Hauch des Windes getragen weht über Häusern und Stadt stündlich das Geläut des Cam panile herüber, sein metallisch GebetSlledlei» in die Laute frohe» Lebens mischend. Wie ein weißer Finger mahnt der Wallfahrtskirche steiler Turm am Berg, umgeben vom Kranze tiesgrüner Pinie». Der andächtige Münch aus einsamem Pfad hebt das Haupt vom Brevier — sein Antlitz ist ganz von innerem Glanz erfüllt, wie er zur »königlichen Schwester*, der Sonne, schaut. Anf blendender Scrpentincnitraße zieht der Maultierkarren ins Gebirg — lcts klingeln die Glöcklein am bunte» Geschirr tn das Peitschenknallen und die langaezogenen Ruse des Treibers. Braune Kinder betteln mit Auge und Mund am Weg und vv» irgendwoher tönt, bald ferner, bald näher, das schwelgende Lied eines Strastensängers. Ströme von Licht überfluten das Land, das, gesättigt von blüten- gesegneter Lust, im Farbenglanz verschwenderischer Schönheit ruht. Ueber allen Wohlgerllchen aber schwebt der Dust jener zarten, goldene» Frühlingsklnder, die, selbst fern von ihren Geschwistern im Glase welkend, noch immer den träumenden Sinn tn daö Paradies ihrer heimatlichen Gefilde führen. Augen heften sich an ihn, er springt zu, beugt sich vor, Olga aber reißt das Schreiben, entrüstet über diese dreiste Neu gier, an sich und schiebt eS in die Mappe. Soll sic davon- laufen, um Hilfe rufen? Es würde sie ja niemand hörctr. Eintönig rauscht draußen der Regen auf die Blätter der Bäume. „Wir suchen* bemerkt die fremde Frau, „jene, die Bale- rian Michailow durch einen Brief bet den Sowjets ver. dächtiate, und so Schuld trägt an allem.* „Schuld? Was ist denn geschehen'?* Der Tänzerin läuft es kalt über den Rücken. Ihre Liebe zu Valeria» ist längst ausgebrannt, erloschen. Ja, sie verstehi jetzt gar nicht, wie ihre Jugend sich so diesem älteren Mann hatte beuge» können. Und er hatte sie wie eine Sklavin an sich fesseln wollen. Sein Jähzorn, seine Eifersucht hatten sie beleidigt, gequält, I» ihrem Berufe gehemmt. Sie aber liebte die Frei heit. wollte heute frei sein, frei, thr Herz zu verschenken! Was haben die beiden Dominos mit der Sache zn tun, und was reden sie da von einem Briefe an die Sowjets? .. „Warum kommen Sie zu mir?" Die bemüht sich, ruhig zu bleiben.. «Mer st,ld Si« Überhaupt'?* Fast klang ihr die Stimme ÜeS Mannes vertraut. Der Dbmino tritt näher, nimmt sich die Samtmaskc vom Gesicht. „Balertan?!* schreit Olga auf und streckt die Hände gegen die Gestalt. „Du? Was willst du noch von mir?* „Bälerian ist tot,* sagt der Domino, „ich bin Kostja Michailow, sein Zwillingsbruder. Und hier unsere Mutter.* Die Tänzerin prallt entsetzt zurück. „Was? Valerian tst tot'?" Sic kehrt sich seiner Mutter zu. Diese hat gleichfalls die MaSkc abgenommen. Olga Krnlvwa starrt in ein hartes, wle aus wclstem Stein ge meißeltes Gesicht. Und wie Steine, die in einen Abgrund rollen, fallen die Worte der alte» Dame: „Mein Valerian hat sich selbst das Leben genommen. Die Aussicht, durch die Treulosigkeit einer Frau vielleicht lebens lang lm Kerker schmachten zu muffen» hat ihn in den Tod getrieben." „Durch die Treulosigkeit einer. Frau?" Olga schlägt die Hände an die Schläseiu Wankt der Boden unter ihren Füßen? Sie nimmt allen Mut zusammen. Wohl hatte sic sich non jenem Mann lösen wollen, sie hatte ihn ja eigent- lich nie geliebt, hatte gedacht» man wtrd ihn einige Monate in Haft nehmen, aber oteS Ende, nein, bei Gott, das war ihr Wunsch nicht gewesen, dleS Ende war ihr nie in den Sinn gekommen. Doch nun heißt «S, stark bleiben, Theater spielen, wie sic es noch auf keiner Bühne gespielt, um nichts in der Welt sich verraten oder etwas etngestehen. Kostja Michailow sieht thr scharf und gerade ins Gesicht. „Wir wissen bis heute »och nicht, wer den Verhängnis, vollen Brief schrieb. Wir vermuten nur, daß eS ble Frau gewesen sein könnte, die Valerian zu seinem Unglück liebte." Aha, sic wisse» nichts Genaues. Olga atmet tief ans, schöpft Mut, so gefährlich auch die Lage tst. Mtt bebender Stimme wirst sie die Worte hin: „Soll das eine Erpressung sein? Ich bitte Sie» wo anders zu suchen. Wohl habe ich Valerian gekannt, aber tst eS meine Schuld, dast er sich tu mich verliebte? Und mit einem Brief, mit seiner Verhaftung, nein, nein, habe ich nichts zu tu».* Und sie fügte hinzu: „Wie kommen Sie Über- Haupt a»f einen Brief an die Sowjets?" „Weil ich ihn bet mir trage," antwortete Kostia Michai low. Er zieht aus der Tasche ein Schreiben, faltet es aus- einander uird legt eS auf den Tisch vor die Tänzerin hin mit den Worten: „Da ist Ihr Brief!* Genau das Antlttz, die Stimme Valcrians. Olga Krylowa tst aschfahl tm Gesicht geworden, sie sinkt in einen Sessel und ihre Augen heften sich auf die Schriftzüge. „Das schrieb ich nicht,* beteuert sie mit tonloser Stimme. „Das hat jemand anders geschrieben." Immer unentrinnbarer flicht daö Verhängnis seine Arme um sie. BaleriattS Mutter schaut sie unverwandt an. Haß glüht ln diesen BUcken. Olga möchte thr zu Füßen sinken, sie bitten, ihren Verdacht fallen zu kaffen, Mitleid zu haben, diesen schrecklichen Minuten ein Ende zu machen. Aber die Züge der alten Frau bleiben unerbittlich hart. Ehe die Tänzerin cs bindern kann, greift Kostja Michailow schnell zur Mappe, öffnet sie, zieht den angcfangenen Brief an Graf Guido Revera hervor und legt ihn neben das ander« Schreiben. Kein Zweifel, dieselbe Hand! Ein Kind kann daS sehen, auf den ersten Blick. Alles Leugnen wtrd thr nichts Helsen. „Sic haben meinen Bruder beiseite geworfen um eines anderen willen,* sagt Kostja, „Sie haben Ihn seinen Feinden verraten. Nun, Sic haben sich heute damit selbst gerichtet." Während die Tänzerin wie eine Tote tm Stuhle liegt und mlt entsetzten Augen die beiden anstarrt, unfähig, etwas zu erwidern, nimmt Kostja Mtchatlow ein Glas von einer Kredenz, füllt es halb mit Waffer und schüttet «in Pulver hlnetn. Dann stellt er «- auf den Ttsch und steckt den un- hetlvollcn Brief ruhig wieder tn dt« Tasche. „Trinken Sie bas," sagt er. „wir warten und geben Ihnen eine Viertelstunde Zeit. Bis neun Uhr. Ist die Frist um. sind Sie meiner Pistole verfallen." Kostja Michailow verschließt die Türen des Raumes, dann verschwindet er mtt seiner Mutter nach der Terrasse. Der Regenguß hat ausgehört, bleicher Mondschein schwimmt auf einem Nebelkahn über den Stränchern des Gartens. Kaum sieht sie sich allein, fährt Olga empor. Ein Ge danke blitzt auf: ihr bleibt nur eine Rettung, sofort den ge liebten Mann anrufen. In zehn Minuten kann er mit dem Auto da sein. Er wtrd kommen, wtrd sie retten. So lange kann man diese schrecklichen Menschen schon Hinhalten. Sie späht hinaus, die beiden lehne» draußen, beobachten die Fenster der Halle und schauen sic, die Geängstigte, au. Doch das Telephon tn der Ecke beim Schreibtisch können sie nicht sehen. Schnell an den Apparat! Guido wird kommen Sie liebt ihn rasend jetzt, er wird ja ihr Leben retten. Sein Auto fliegt. Sie ruft ihn an, nennt ihren Namen. Gras Guido möge »m Gottes willen sofort zu ihr eilen. Die Stimme deö alten Dieners antwortet, der Herr Gras Revera sei meggesahren. Weg? Wohin? Er wisse eS nicht, aber er vermute, zu Marchcsa Caraffa; man sage doch, dast er sich mit der Tochter des Botschaftsrates verloben wolle. Das Hörrohr fällt Olga aus der Hand. Sie taumelt vom Apparat zurück. Sie stürzt an die Tür; die schwarzen Wächter stehen regungslos auf dem Altan und schauen sic an. Ein Blick nach der llhr auf der .Kommode. Der Zeiger rückt, rückt langsam, rückt unerbittlich. Nur noch vier, nur noch drei Minuten bis neun Uhr. Dann kracht der Schuß, der sie inö Herz treffen wird. Schreien? Wer würde sie hören? Rings Nebel auf ein samen Gärten, und die schweigende, fließende Newka. Sie wankt zurück an den Tisch, aus dem das Glas steht, hebt es an die Lippe», stößt es erschauernd wieder weg. Da fällt ihr Blick auf den angefangenen Brief an den Geliebten. Der tst jetzt bei der kleine» Marchesina Carasfa. Oh, sie hat wohl von ihr gehört, der reichen Erbin. Sic soll einen Palast in Nom haben. Und Olga sicht im Geiste Guido bet jener sitzen, hört ihn dort dieselben süßen Worte flüstern, di« er ihr vor wenigen Stunden zuraunte. Und die Kleine fliegt ihm als Braut um de» Hals. Sie küssen sich . . . Valerian rächt sich grausam. Bitterer Haß. auf Guido, auf Valerian, auf alle Männer kocht empor, bitterer lieber- druff Ihres Lebens voll Traum und Trug und Flittertand fällt sic an. Sie zerreißt den Brief und schluchzt aus. Ihre zitternde Hand hebt noch einmal das Glas. Bald, bald wtrd alles zu Ende sein. Es ist ja schon alle- zu Ende. Einige Worte noch in der Zeitung, einige welkende Kränze und dann . . . vergessen. Eine ausgclöschte Flamme. Sie setzt den Trank an die bebenden Lippen. Die Uhr schlägt, schlägt neun klingende Schläge. Plötzlich verschwinden die beiden Schatten draußen tm Dunkel. Ein Signal gellt durch die Nacht. Sin AutP? Die Tänzerin schnellt empor, wirft das Glas klirrend zik Boden. Scheinwerfer blitzen auf, stoßen blendende Kegel über die Bäume und Büsche, bohre» sich durch die Nebelwand. Jetzt gleitet ein Wagen vor die Treppe, hält. Graf Revera springt heraus, läuft die Stufe» empor. Er steht Olga in der Halle stehen, blaß wie ein Gespenst, die Augen starr nach der Tür gerichtet, .... - Mit einem fragenden Rnf stürzt er auf sie zu. „Olga, was ist dir? Ich wollte dich überraschen, wollt«...* Sie stößt einen Schre! aus, sinkt ihm in die Arme und gleitet ohnmächtig zu Boden ' Zwei Monate später wurde tn Petersburg viel von der Verlobung der schönen Tänzerin Olga Krylowa mit einem italienischen Diplomaten gesprochen. Wohl war sie »roch immer schön, aber ein Ncrvcnsicber hatte ihr daö Haar an den Schläfen gebleicht. Sie hätte eö sich in einer Ncbelnacht geholt, so erzählte man. Die Glocke von Jamada. Ein japanisches Märchen von Ernst Herbert Petri. Voll und dröhnend schwangen die Töne der Glocke liücr die leichte» Häuser von Jamada. „Sakatsa," sang die eherne Stimme. „Sakatsa, kaisa, katsa . . ." klang sie aus. Unten im Tempel kniete Josano, der junge Priester, vor dem Bilde Buddhas: „Verzeih, du Weiser, verzeih deinem Knecht, der den Schwur gebrochen hat, den er dir leistete! Sakatsa hat mein Herz gewonnen. „Saikatsa!*. singt die Glocke, — „Satkatsa!" flüsterte der Wind, — „Sakatsa!" ranne» die Wellen am Strand, Sakatsa zieht mich zu sich, st«, die schönste unter den Kirschblüten von Jamada!" Josano sprana auf und lief hinüber in sein Haus. Da warf er das Prtcstcrgewand von den Schultern und kleidete sich i» den seidenen Kimono des Samurai. Er stieg hinunter zu Sakatsa, die stärker war als Buddha. Er trat in daö große Haus, das Ruytaro gehörte, bas Sakatsa mit ihrer Hellen Stimme belebte, das ihr willenlos zn Füßen lag. Sic war die Herrin dort, und doch lebte sic nur für ihn. für Josano. Tic empslng ihn mit dem süßen Lächeln ihres Kirschcnmundes, und ihre dunkle» Pupillen leuchteten In den weiße» Mandeln unter den feinen Seiden- wimpcrn. Den Kops hielt sie leicht gesenkt, wie unter der Last der schweren schwarzen Haare, die sich künstlich über dem Scheitel türmten, und verneigte sich vor Josano. ihrem AuS- crivählten. Dann bereitete sie ihm mit ihre« weißen, schmalen Händen den Tee, der so bitter war und doch be rauschte, der hinweg führte über die Hemmniffc de» Dasein« und alles vergehen ließ außer Sakatsa: alle Mühe, alle Sorgen des Lebens. Prtesterpfltcht und Buddha schwanden, und nur sie war für Ihn da. Sakatsa. die ihn liebte. Da brach daö Vcrhänanis über die Liebenden herein. Denn Sadako, die einst die Königin tm Hause Ruytaro» gewesen war und Sakatsa um der Gunst des Herrn willen haßte, trat in den Tempel Buddhas, ihre Kupfermünzen zu opfern. Da erkannte sie im jungen Priester, dem dte Sorge für die Glocke oblag, Josano, den Samurai. Frohlockend verriet sie Ruytaro ihre Entdeckung. Wieder trug am Abend die Glocke ihr „Sakatsa. Sakatsa* als Botschaft des Liebenden hinüber zur schönsten Kirschblüte von Jamada. und wieder beaehrte der verkleidete Josano Einlaß in RuntaroS HauS. Da öffnete der Herr selbst die leichte Tür: „Betritt nicht mein HauS, Josano! Du gabst vor, ein edler Samurai zu sein, doch du bist ein Priester des Buddha, und es geziemt dir nicht, meine Schwelle zn überschreiten!" Da flehte Josano, Abschied nehmen z» dürfen vyn Sakatsa, »nd Rnytaro ncmährte ihm dte Bitte. Der Priester trat zu Sakatsa, und sic flüsterten zusammen. «Verzage nicht, Sakatsa!" raunte der Jüngllng. „Morgen, wenn die Glocke gesungen hat, eile nach der Hohe» Brücke über den Snmlda. Dort erwarte ich dich, «nd wir wollen zusammen hinüber- fliehen nach Tokaido. wo uns niemand kennt, und nur uns lebe», uns allein!" — Sakatsaö dunkle Augen leuchteten, als Josano daS HauS verließ. Doch Sakado, die Feindin, hatte hinter den dünnen Papterwänben des Zimmer» gelauscht un- den Plan der Liebenden vernommen. Sie verriet ihn Ruytaro, und der Herr beschloß, den Priester, der ihm di« Königin seines Hanse» rauben wollt«, p» Ulten
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