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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188206246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18820624
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18820624
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1882
- Monat1882-06
- Tag1882-06-24
- Monat1882-06
- Jahr1882
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1882
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Erscheint täglich früh «'/, Uhr. Ueterli»» «nt Lrpe>Uis» Joha»oe«gaffe 33. APrrchfto«Lrn der Urdactioa vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittags ö—8 Uhr. DU »z» WXß«»» n»,«t«iu»rr M«m>i<rwr» »« Nsd»cr>», ,«d« »«»tudtich. >„«h»r »er skr Dir nichstf«l,en»« Fu«««r -efti««te» Snierate »» S«ch«»t>>e» »t« S Udr Rachmttt«,«. «, S««»» uu» Sefttagrn sriih di»'/,» Uhr. In de» Filialen für Ins.-Annahme: vtt« Klemm, UniverütStSstiaße 81. Lvni« Lösche, Katharinenstraße 18, p. nur »i« Uhr. NWAtr.TagtblM Anzeiger. Anslage 17,800. Adonnrinrntsm-kig Viertels. 4 V, Mil. inel. Bringerlotm 5 Mk., durch die Bost bezogen 6 Ml. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren iür Extrabeilage» ahne Postbesörderung 39 ML Mit Postbesvrderung 48 Mk. Inserate -gespaltene Pelitzeile 20 Pf. Größere Schritten laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer »am höherem Tarif. Nerlamen nuter i>rn Ueliactionsstrich die Svaltzeile 50 Pf. Jnierate sind stekS an die tvxpeSltio» zn senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»«»u»»>ri>nao oder Lurch Post- »achnahine. ^175. Jur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag» den 2». Juni» Bormittags nnr bis >,» Nhr geöffnet. LxpeäiUov äes L-elprlAvr l'astzdlatles. Amtlicher Theil. Au« Anlaß der bevorstehenden Feier de» Johanni-feste« werden die Strafbestimmungen in tz. 337 Nr. 8 und 368 Nr. 7 de- Deutschen Strafgesetzbuchs, wonach da- unbefugte SchteHe» »it Aeuergewehr oder andere« Schieß« »eekjrug« oder da- Abbrennen von AeuerwerkS« kSrpee« an bewohnten oder von Menschen be« suchten Orten oder in gefährlicher Nähr von Gebäude» oder feuersangenden Sachen mit Geld« strafe oder Hast bestraft wird, zur Nachachtung hiermit m Erinnerung gebracht. Leipzig, den 22. Juni 1882. Da- Poltzetamt daselbst. Richter. Bekanntmachung. Die Herstellung der GrauittrottoirS an der Ein» Mündung der Jacobstraße in den Raastädter Stetaweg soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau» Verwaltung. NathhauS, Zimmer Nr. 14 au» und leimen daselbst cingcschrn resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: »Trotroirlegung in de« Raustädter Steinweg" versehen ebendaselbst und zwar bi- zum 30. Juni l. I. Nachmittag- 5 Nhr einzureichen. Leipzig, am 20. Juni 1882. De- Rath» der Stadt Leipzig Straßenbandeputatiou. Bekanntmachung. Die Herstellung von Schlcußcn Ilt. Classe in einigen Straße» der Ostvorstadt soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Di« Bedingungen und Zeichnnngen für dies« Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Berwaltung. Rathhau», Zimmer Nr. 14, au» und können daselbst eingcsehcn resp. ent nommeu werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: ,,Schleusten in der Ostvorstadt" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 8. Juli d. I., Nachmittag- s Uhr einzurcichen. Leipzig, am 19. Juni 1882. De- Rath- der Stadt Leipzig Straßenbau-Doputatlon. Bekanntmachung. Di« -irserung von KteS zur Pflasterbettung in den städtischen Straßen soll an eine» Unternehmer m Accord verdungen werden. Die Bedingungen für dies« Lieferung liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathhanS. Zimmer Nr. 14. au» und können daselbst eingesehen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift ,^ieSlieserupg' versehen, ebendaselbst, und zwar bi« zum KO. Juni «»., Nachmittags S Uhr einzurrichen. Leipzig» am 20. Juni 1882 De- Rath- der Stadt Leipzig Spritzen-verkans. Li« «ch allem System gebaute fahrbare Feuerspritze, sogenannte Stechspritze, soll mit allem Zubehör Tanner-tag. den 2». Jnni p. I . Nachmittags um .1 Uhr, öffentlich meistbietend verlaust «erden. Kauflustige werden hierzu eingeladeu. Markranstädt, den 19. Juni 1882. Der Stadt,emeiaderattz. Härtel. Nichtamtlicher Theil. Der Reichskanzler und die Steuerreform. . Seit der Reichskanzler sich mit der Pfaffenpartei, welche au- Nom di« Befehle für ihr Verhallen empfängt, verbündet hat, um seine wirthscbastlichen Pläne durchzusetzcu, seit die gut »ational gesinnten Miltelparlcien von der Regierung-Presse »it Spott und Hohn überschüttet werden, ist die Unsicher heit der herrschende Zustand unsere» politischen Leben- Ruch die Ministrrkrisi» in Berlin findet ibrr Begründnng in diesem Zustande. Niemand weih, in weicher Richtung und ans welchen Wegen Fürst BiSmarck die Frage der Steuerreform wieder auszunebmen gedenkt. Es bleibt die sem Grheimniß, und der Rücktritt Bitter » trägt in hohem Grad« dazu bei, die beklagcnöwerlhe Unsicherbeit über Ziel und Richtung aus diesem Gebiete zu vermehren. Da ist denn guter Ralb theuer. WaS unS anhetrisst. so vermögen wir un« nur dann eine erfolgbringcnde Steuer- rcsorm in versprechen, wenn mit dem bisherigen Erstem, ganz »»gemessene Bedürfnisse und unerträgliche Üebclstände in den Finanzen der Einzelstaaten und der Gemeinden al» vorhanden binzustellen und zu deren Befriedigung und Beseitigung ebenso »»gemessene neue Einuahmen im Reich zu fordern, gründlich gebrochen wird. E» hat sich au- dem bisherigen Verlauf der Etruersrage Sonnabend den 24. Juni 1882, 76. Jahrgang. ' rrauögestellt, deck keine einzige Partei geneigt ist. ans diese« Boden ewer maßlosen Uebcrtreibung zu treten, und daß ein System, welche- dermaßen in« Blaue und Grenzenlose schweift, auch denjenigen Bestrebungen in der Steuerresormpolitik des ! lkeich-kanzler«. die einem wirklichen Bedürfniß rntgegenkommc» und darum einleuchtend und annehmbar sind, nur schädlich ein kann. Der angekündigten Wahlagitation betreffs der Steuer rag« wird man in liberalen Kreisen mit größter Ruhe e»t- egensehen ; sie wird, wenn sie nicht ganz neue Bahnen ein- chläat, die Sache der Conservaliven und der Regierung ebenso wenig fördern, wie die letzte Frucht der Verbindung der konservativen mit der Psafsenpartei: da» kirchenpvlitische Gesetz, der jüngste verhängnißvolle Schritt des Reichskanzlers aus dem Weg« nach Eanossa. Aber da- allgemeine Bedllrsniß nach Ruhe vor neuen umwälzenden Steuerplänen ist noch viel größer al- der Druck einzelner Uebelstände. Gleichwohl müssen die letzteren, wenn auch gewissen Uebertreibungen entgegengetreten werden muß, bis zu einem gewissen Grabe anerkannt werden; und auch in liberalen Kreisen ist man bereit, soweit ein wirkliches Bc- dürsniß vorhanden und erwiesen ist, au einer Reform mitzuwirkcn. Allein eben die Grenze de» wirklichen Bedürfnisse» darf, wenn der Steuerkarren nicht immer schlimmer versabren werden soll, nicht überschritten werden. Hier gilt e« Maß ^u halten und auf dem richtigen Wege zn bleiben. Es dürfen nicht wieder Verwendungszwecke ausgestellt werden, zu deren Erreichung man 300 Millionen neuer Einnahme» im Reich bedürfen würde. Man muß davon auSgehen, daß. nachdem die Matricular- beiträge tbatsächlick, wenn auch nicht der Form nach, beseitigt sind und da- Reich aus eigene Füße gestellt ist (ja bei dem naturgemäßen fortschreitenden WackSthum seiner Einnahmen noch über die Matricularbeiträge hinau- Zuschüsse an die Einzelstaaten wird zahlen können), im großen Ganzen die indirecten Steuerquellcn de- Reiche- erschöpft sind. Innere Steuerreformen in den Einzelstaaten, vor Allem in Preußen» müssen also ohne weitere Berechnungen aus Reich-- Zuschüsse au« sich herau» und in sich abgeschlossen vorgenommen werden. Bor Etwa» aber kann nicht dringend genug gewarnt werden: man büke sich, den herrschenden-Nothstand zu siber- treiben, da» ganze bestehende Svstem der direkten Stenern all nichtsnutzig und verfehlt hinzustcllen und dem Reiche Leistungen zuzumulhen, die eS nicht erfüllen kann. Im Wesentlichen sind nach den Bewilligung« von 1879 di« Einnahmequellen de- NeiibS erschöpft; auf noch diel lärkere Ausnutzung der letzteren sollte keine Steuerresormpolitik mehr rechnen. Nnr wenn Die» anerkannt und dann gerecht geprüft wird, wie unter dieser Voraussetzung Schäden und Uebelstände im Steuerwesen der Staaten und Gemeinde» abgestellt werden können, vermögen wir un» eine ersprießliche Wiederaufnahme der Steurrresormfrage zu versprechen. DaS war auch der Grundgedanke der neullchen Au-führnngen de» Führers der nationälliberalen Partei. Indessen Herr von Bennigsen ist heute da- Stichblalt der Ncgicrungöprcsse und seine Steuer politik ein Stem de» Anstoßes auf dem Wege, welchen der Reichskanzler wandelt. Leipzig, 24. Juni 1882. Da- Lerhältniß zwischen dem Hofe von Berlin und dem Ouirinal in R o m ist bekanntlich ein vortreffliche-. Wie schon gemeldet, hat der Herzog von Aosta bei seiner jüngsten Anwesenheit in Berlin unserem Kaiser ein Hand schreiben de- Königs von Italien überbracht; dem Ver nehmen nach hat König Humbert in demselben neben den herzlichsten Glückwünschen zu dem frendiaen Ercigniß in der kaiserlichen Familie zugleich sein lebhaftes Bedauern darüber au-gesproche«, daß er verhindert sei, der an ihn er gangenen Einladung persönlich Folge zu leisten und damit längst gehegten Wunsch, dem Berliner Hose einen . uch aozufiatten, in Au»sUhrung zu bringen. Daraus ist von unserem Kaiser ein in den herzlichsten Ausdrücken abge faßte- Antwortschreiben ergangen, in welchem Derselbe dem Könige von Italien skr dessen Wünsche besten» dankt und zugleich die Hoffnung au-spricht, daß König Humbert den geplanten Besuch binnen Kurzem abstatten werde. Die Be stellung diese- kaiserlichen Handschreiben- hatte gleichfalls der Herzog von Aosta übernommen. An unserem Kaiser-Hose glaubt man daher, dem Besuche de» italienischen Herrschcr- paarrS noch im Lause diese« Jahre« mit Bestimmtheit ent gegensehen zu können. Die Angelegenheit de« Kieler Lande«verrath« legt die Frage nabe: wie hat sich die russische Botschaft in Berlin dabei Verhalten? In allen bisher verbreiteten Mittheilunaen über den tief beklagcnswerthen Streich VeS Deck-OtsicierS Meiling fehlt jede Andeutung darüber, durch wessen Hände die russische Regierung die« Dieb- stahltkunststück (ander« kann man e- wohl nicht nennen) hat au«sühren lassen. E« bleibt im Unklaren, ob sie ihre eigene Botschaft in Berlin derart preiSgegebcn hat, um ihr die Leitung de« schmutzigen Geschäft« ausiutragen, oder ob sie zu diesem Zwecke besondere Leute von Petersburg nach Berlin gesandt hat. Man ist behuf« der Aufklärung über diese bei der ganzen Sach« sehr wesentliche Frage bisher nnr au Vermuthungen und halb« Andeiitungen angewiesen geblieben Nach einer gegenwärtig durch die Presse gehenden Darstellung könnte e« scheinen» al« ob in der russischen Botschaft Unter den Linden die Fäden der Angelegenheit zusammcngelausen wären; denn e« wird rin Unterbeamter der Botschaft al« Werkzeug der Entdeckung bezeichnet, von anderer Seile wird nicht bloS diese Lelart. sondern überhaupt der verdacht bestritte», al« ob einer der in Berlin ansässigen Russen »n höheren Stellungen, sei ei da» Eivilpersonal» fei e« da- militairische Personal der Ber tretung de« Zaren in Berlin, auch nur entfernt mit dem Karten- und Pläne-Diebstahl in Verbindung stände, oder selbst nur vor dessen Entdeckung davon gewußt habe. Eine Bestätigung dieser Behauptung will man in den unvermindert guten Beziehungen finden, in denen Herr v. Sabuross zu den höchsten Kreisen unserer Gesellschaft, voran dem Hose, steht; und e» wäre in der Thal nicht gut denkbar, daß die- verbältniß ungetrübt geblieben wäre, wenn auch nur rin Schatten von Zweifel sich an die Persönlichkeit de-Botschafter« hätte hasten können. Aber was von Herrn v. Sabnroff selbst gilt, braucht Ieine<weg» aus alle seine Rathe und Hilfsarbeiter Bezug zu haben. Auffällig genug ist e» jedenfalls, baß gleich zeitig mit dem Mciling'schen LandeSvcrralh die Nachricht von »ei» Rücktritt de- Herrn von Araboss, de- langjäbrigeil ersten Ralb» der russischen Botschaft, kommt, und daß der russische Marine-Attachü Newakowitsch von Berlin ab- beruscn werden solle. Die letztere Mittheilung gebt unS von glaubbaslcster Seite zn und sie leitet sich mit Einzelheiten ei», welche e» nahe legen, daß die ganze Angelegenheit noch ein vielleicht ernste» diplomatisches Nachspiel zwischen Berlin und Petersburg haben könnte. Der Gesundheitszustand des Meiling ist, wie verlautet, einsehr bedenklicher. Nach der urchlbare» Aufregung, in welcher dieser Mann Wochen und Monate lang gelebt haben muß, hat ibn der ThpbuS bc- allcn, der ihn leicht seinem irdischen Richter entziehen niag. ES hieß am Donnerstag in Berlin, der Kaiser habe bereits das Entlassungsgesuch de- FinanzministerS Bitter cenehmigt und den StaatSsecrctär im Reichsschatzamte Herrn Scholz zu seinem Nachfolger ernannt. Im Anschluß daran verlautet, daß der Posten de- Staatssekretärs im Schatzamt vorläufig nicht besetzt, sondern interimistisch verwaltet werden oll. Von einer Verschmelzung deS preußischen Finanz ministeriums mit dem NeichSschatzamte sei leine Rede. Zur Erledigung von Petitionen ist der Reichstag in der Fülle sich drängender wichtiger Arbeiten während der gegenwärtigen Sitzung überhaupt nicht gekommen. und doch enthalten die eingelausenen Petitionen gerade diesmal ein reiches und nach manchen Seiten bin beachteiiSwerlbcö Material. Wir heben hierbei die Vorschläge hervor, welche in einer aus Thüringen abgesandten Petition zur Reform der Mititair- trasgcrichlsordnung gemacht werden und die von dein chwcrlich zu bestreitenden Ersahrung-satz auögehen, daß nur die wenigste» der Fälle von Dienstvergehen der Vorgesetzten "egen gemeine Soldaten zur Kenntniß kommen, weil die Miß andeltcn sich scheuen, eine Anzeige zu erstatten. Ganz vrr »ünstig wird nun gefordert, daß dem gciiirinen Soldaten die 'Anzeige von Ausschreitungen in der Amtsgewalt zur Pflicht gemacht, »nv daß ihm der Weg zur Anzeige aus jede Weise erleichtert werde. Daß hierfür die Ei»sühri»ig deS öffentlich mündlichen ProceßversahrcnS nach dem be währten bairischen Muster die erste Voraussetzung bildet, ist selbstverständlich. Leider liegen die Verhältnisse so, daß alle Wünsche, die in dieser Richtung gehen, aus unbestimmte und recht lange Zeit vertagt werden müssen. Seitdem im Sonimcr v. I. die Jmmediat-Eommission zur Ausarbeitung einer neuen Militcirstrasproceßordnung ihr« Arbeiten abgc- chlossen, ruht die Sache gänzlich, die wie so manche andere Reform bis dahin zu verschieben sein wird, wo ein liberaler Geist wiederum in die ReichSregiernng kommt und mit seinem rischeren Hauche erstarrte Formen und »»berechtigte vor- urtheile i»S Wanken bringt. Der vom BundeSralh vor Kurzem enigenonimeiie Entwurf eines Gesetze», welche» den Milltairbchörden die Zuständigkeits-Einrede gegen die Ber ingung von Militairpersonen durch bürgerliche Gerichte ge- taltct, zeiigl von so auffallender Absonderlichkeit, daß au« olchon Anschauungen heraus eine ersprießliche Behandlung dieser und ber einschlägigen Fragen überhaupt nicht zu er warten ist. In den durch staatliche Absetzung ihrer Oberhirten be raubten preußischen Sprengeln ist der 22. Juni von der katholischen Geistlichkeit und der ultramontan gesinnten Menge Ähnlichst hcrbcigcwünscht worden, denn mm tritt da« kirchenpolitischc Gesetz vom 3t. Mai d. I. („Ultimo- Gesetz" wird eS mit leichtem Spott von dem '„Schwarzen Blatt" genannt) in Kraft und giebt dem Könige von Preußen das Recht, die abgesetztcn Bischöfe zurückzusühren. ES fragt sich nur, wie weit von diesem Recht Gebrauch gemacht werden soll. Bei den Bischöfen von Münster »nd Limburg, die allerdings nicht allzu stark bezichtigt erscheinen, ist eS wohl kaum zweifelhaft, daß sie in Kürze zurtsikkehren werden; der von Limburg hat ja sogar, wie ultramontane Blätter zu berichten nnssen, bereit- über die Art seiner Einholung Vorkehrungen getroffen, und e» wird ihm zum Verdienste angerrchnet, daß er durch den Verzicht aus eine prunkvolle Feier einen Beweis seiner Friedfertigkeit giebt. Schwieriger liegt die Sache bei dem Erzbischof von Köln; so schwierig, daß die Pfasfen-Presse daran zu verzweifeln vorgicbt, daß auch er „begnadigt" werden würde. Der Widerstand, welchen Herr Melcher» den Staatsgesetzen gegenüber geleistet hat, ist aller dings ein bei Weitem thatkrästigerer gewesen als der der Herren Brinkmann und Blum; aber dennoch glaubt man. mit der Wahrscheinlichkeit rechnen zu dürfen, daß die Eingabe der rheinischen Katholiken beim Kaiser Erfolg haben und der Erzbischof zurückkebren wird, wenn er ferneres Wvhlvrrhalten verspricht. Nur Cardinal LcdochowSki wird sich bescheiden und trösten müssen; eS steht fest, daß er unter keinen Um ständen aus den erzbischöflichen Stuhl von Posen-Gneseu zurückkehrt. AuS Anlaß de» ProcesscS Di-marck gegen Mommsen hat Professor Adolf Wagner, der bekannte Kathedersocialiss an Professor Mommsen ein Schreiben gerichtet, worin er an fragt, ob Dessen Acußerungen vom 24. September wirklich den Professoren der Staat»- und Nationalökonomie gegolten und welche einzelnen Personen er gemeint habe. Daran erwiderte Professor Mommsen» daß er eine oder einige „ein zelne Personen" nicht gemeint habe; er habe nur an Die jenigen gedacht, die diesen Richtungen folgen, aber an Keinen persönlich. Professor Wagner erklärt sich in einem dritten Schreiben mit dieser Versickerung, daß er nickt persönlich gemeint sei, zufriedengcslcllt; die Sache ist also beigelcgt. Ein verruchter Mord« «schlag aus da- Leben dr» Zaren ist entdeckt worden. Wir haben darüber bereit« gestern berichtet. ES wurde, nach den vorliegenden Depesche» am Sonnabend Morgen im Wassili-Ostrow-Sladttheile von St. Petersburg aus per elften Linie eine Werkstätte zur Anfertigung von «Sprenggeschossen aufgehoben. Der Micther der Wohnung, Tbierarzt Pribylow, zwei andere Männer und die Köchin deS Micther» wurden verhaftet. Der eine der Männer trug Frauenkleider und hatte, da er jung »nd schmächtig ist. die MaSkc der Frau de- Pribylow durch Zu fuhren vermocht. Die Polizei hatte den Pribylow schon längere Zeit überwacht und beschlossen, nunmehr zuzugreifcn e» gelang Die» auch durch Uebcrrasckung, indem sich Geheim Polizisten in der Verkleidung von Zimmcrbohnern eiusührten und die Gesellschaft, ehe sie etwa- Schlimme- bcsürchlete, geknebelt hatten. Nach einem Berichte de« „Berliner Tgbl kommen aut zu verbergen; einzelne sollen mit Acksielbändern versehen sein, dazu bestimmt, dieselben umbängeu und da» Geschoß selbst unter der Achselhöhle verbergen zu /könne». In der Wohnung Pribylow'» erschien gleich nach der Ueberrumpelung der Ober-Polizci»ieisier KoSlosf, später verschiedene Artillerie - Ossiciere der galvanischen Batterie, der Marine, Techniker und Andere alS Sachverständige, nm da« Vorgefundene Material zn untersuchen. Von den weiteren Verhaftungen berichtet man der „vossischcn Zei tung". Danach war ein in der Malaja-Masierskajastraße verhafteter Marineossieier Ostrowski Leiter der Terroristen, wie einst Kibaltschitsch. Bei der Haussuchung fand man unter der Diele Pläne der Moskauer KrönungS .Kathedrale und Anweisungen zur Anfertigung neuer Sprengmittel. Die in Reval vorgekoiniiienen Verhaftungen von zwei Sccossieiercu standen mit diesen Verhaftungen in unmittelbarer Bcr- hindung und fanden aus Grund ausgefangcner Briese statt. Die Staatspolizei, so schreibt man dem Blatte, kannte alle Anschläge dieser Terroristen, welche für die Zeit der Krönung geplant waren, hatte aber durch sorgfältige Umstellung und Bewachung jederzeit Gelegenheit, die Ver kostung vor der in» Wert gesetzten Tbnt durchzusühren." Jedenfalls soll die Krönung in diesen» Jabre auch unter den veränderten Ministerverhältnissen nicht stattsinden und bat die neue Polizcileitiing den Beweis ihrer Energie und Vor sicht alsbald dem Zaren zn erbringen Gelegenheit gehabt. Bei dieser Gelegenheit darf man den Wunsch wiederbcle», c« möge, wenn dennoch früher oder später eine Krönung des Zaren stattsindet, unser deutscher Kronprinz nicht nach Moskau gehen, um sein theures Leben zu gefährden. So kurze Zeit auch da» Regiment Jgnatiefs'S währte, o ist dennoch unter demselben da« Deutsch! hum in Rnß- and sehr übel gefahren. Er war eS, der die panslavisti- chen Hetzer aus die Sonderstellung der Ostseeprovinzen Liv-, Esth- und Kurland, als eine der Majestät deS russischen Reiche« widersprechende förmlich aiismerksain »lachte. Aus diese Weise wurde eine lettische und esthiiische Agrar bewegung i»S Leben gerufen, deren Ende noch gar nicht abzusehcn ist. Freilich ist diese Bewegung — vcn Änsängen »acb — älter als Jgnatiesj'S Regiment, aber sie ist erst ii» letzten Jahre vollkommen arff den Weg der Scldstvcrnichtung acrathen. Es gibt für die Agitatoren keine» Rückzug und Zetbst für die Nachfolger Jgnaticff'S kein Cinlenken mehr. Nur Hinhalten und Zögern kann äußerlich noch die Ruhe erhalten, bis di« baltischen Deutschen selbst sich der Aengsttichkeil ent- schlagen, welche seit l8 Jahren da» Wesen ihrer Politik ist, »nd »lindesten« in versuche» einer freisinnig-» Landtagsresorin die Leitung wieder in die Hand nehme». Es würde freilich ein wirklich freisinniger Beschluß die Genehmigung der Regierung kaum erhalten, so lange dieier »och nicht die Ein sicht gekommen ist. daß die Ccntralijation und die aufgc- zwungcne Gleichheit zu den wesentlichsten und gefährlichsten liebeln de« großen russische» Reiche« gehören. Aber schon ein aus- ricbtigeS Bekeuntniß r» freisinniger Hebung der Verhältnisse, ein klar anSgcsprochener Witze zur Erweiterung der bäiierlichenÄrechte, »nd ein Beweis de« Vertrauen« zu Letten und Eslhcn trotz ihrer agitircndcn Advocaten, Schreiber und Küster — Da« würde sicherlich den Beweis geben, daß zwischen Deutschen einerseits und Letten und Eschen andererseits ein festeres Band der Interessen, de« Gcmüthö und der gemeinsamen Enltnr besteht, als zwischen den Russen und diese». Der den I schc Charakter der Bildung träte dann auch bei Letten und Eschen zu Tage, und die Einsicht erwachte, daß die jetzt vorhandenen Gelüste, Alle« russisch zu »lacken, eine nationale Selbstzerstörung sind. Für die Weltgeschichte bedeutet aber jene von Rußland her ge schürte, von Jgnaticfj zu besonderer Hitze geführte Agitation die Frage: soll dre Ostsee eine ringsum von ger manischer Eultur umgebene See bleiben oder soll der Germanismus mit dem auStchllnngösnchtigett Slaven- thum sich fortan in den Besitz dieses Meere« Geilen? Peter nahm da» Land von Schlüsselburg bis zur Düna; aber er verbürgte ihm die Grundbedingungen seiner deutschen Eultur, die es unter polnischer und schwedischer Herrschest zu wahren gewußt hatte. Katharina dehnte die Grenze Rußlands bis nach Nimmersatt (Ostpreußen) auS; aber auch sie tastete nicht an den deulsche» Eulturcharaktcr Kurlands. Diese beiden Herrscher, denen Rußland seine politische Bedeutung in Europa zumeist verdankt, wußten den Besitz eine» Landes niit reicher Eultur »nv den Vortbcil eines AnlhcilS an den Küsten eine» germanischen EullnrmecrcS zu schätze». Ihre Nachfolger hielten diese» Vermachlniß hoch, nur ehrgeizige Demagogen drängten von Zeit zu Zeit aus eine Politik der vollkommenen Verschmelzung. Sie batten dabei immer da« eigene Interesse, durch Ausstacheluug zu Popularität zu gelangen. Auch Jgnatiefs hat Drachciizäbnc aus einem Boden gesäct, der zwar nicht de», deutschen Reiche, aber der deittschen Eivilisation und al» hochwichtiger Theil jenem Küstenstrich angchört, der ringsum die Ostsee mit germanischer Eultur und Sitte umspannt und gegen die Stürme slavischcr A»S- dehnungSgclÜste schützt. Es ist bekanntlich versucht worden, die Miltheilungen über die grausamen Judenverfolgungen in Südrußt and. insonderheit über die Excesse in der Stadt Balta, alS stark übertrieben und unwahr hinznslollon und eS hat unter Ander,» in einer in der Woche nach Pjingston in Leipzig abgchaltencn Persainmlung von evangelisch-lillborischon Geistlichen ein Pastor au» Odessa veranlassiiiig genommen, die belrcffcndcn Berichte der Uovertreibung n»v Entstellung zn beschuldige». Ter geehrte Herr scheint aber dock nicht genügend unlcrrichlet gewesen zu sein, den» der bekannte Schriftsteller Dr. Karl Emil FranzoS veröffentlicht ilciicrdingS in der Wiener „Neuen Freien Presse" den Inhalt nichrcror ibm vom Vice» Bürgermeister der Statt Balta, Iwan FallinSki, übermittelten amtlichen Aclenstuckc, au» denen erhellt, daß jene früheren Schilderungen über die a» der israelitische» Bevölkerung in Balla verübten Bestialitäten nur zu wahr gewesen sind. Wa« dieser Schreckcn-nacht von Balla und dem Tage, der ihr folgte, in der ttzeschichle der bisherigen iüraucl den traurigen Vor rang sichert, daß hier da« Schlimmste geschehen, ist nicht so sehr die Masse de« cUeraublen. als die shslemattsch geübte Zerstörung, von der auch nicht Line jüdische Wohnung deS ganzen großen, von min desten« 9000 Menjche» bewohnten Etadtlheiles verschont blieb. Nicht so sehr die Z«hl der Verwundeten und Tobten, al« da- kanniba lische Wüthen gegen Mädchen und Frauen. Hier vcrtheilten sich , die Plünderer nicht planlos durch alle Straßen, so daß jibnen s; I dies und jenes HauS denn doch entgehen konnte: hier wurde plan- I mäßig „gearbeitet". Der Verlaus war überall derselbe; zuerst wurden bat man >00 Pfund Dvnamit und eine größere Menge von I sgmmilich« Fenster durch Eteinwürle zerschmettert, dann siochie» die Sprenggeschossen gesunden; dieselben sind klein, flach und voll- > Plünderer an die Thür und begehrlcn Einlaß; gehorchten di» Ve-
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