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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188209094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18820909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18820909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1882
- Monat1882-09
- Tag1882-09-09
- Monat1882-09
- Jahr1882
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1882
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Urterti» »nt Lk-e-iti«» IohauueSgasie Ä. SPrechilnutkn der Nrdarli««-. vormittag- 10—IS Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. DA »u „««ri.ndtrr M-oukmn« »acht stch t« tt«»ctu>» »>a,l »crtwtUch. »er für »te ,ich»tt»I,e»»« Kummer »efttmmte« Inserni« a» «scheu»«,e» 3 t» S Uhr Nach«,«,»». ,» Ls» u>3Kestta,ru srützhi«'«,» Uhr. Zu de» /Malen Wr Zus.-Zlnoatzmr: Otts Ulk««. UniversititSftr-ße 31. Lsuti Lösche. Katharinenftraße 18,». uur di« '/,» Uhr. riWger Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage »7,»00. Abonnrmrnisvrkts vienelj. 4'/, Eli., iacl. Brmgerlodn ä Mk.. dura, die Post bezogen 6 Mk. Jrve einzelne Nummer 2s Ps. Belegexemplar 10 Pf. Bebüdren iür Lxkrab»ilaq>su ohne Postdesörbcrung 39 Mk. mit Postbesörvening 48 Mk. Inserate Sqesvaltene Petitzeile -0 Pf. Größere Schriften laut unserem Kreis» veneichmß. Tabellarischer Sud naa> höherem Taris. Reriamkn unter den Urdartionsltrich die Svallzeile 50 Pf. In,erste sind ste:S an die öexpe»rtto« zu jeaoen. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prneuumernimo oder durch Post- Nachnahme. ZS 252. Sonnabend den 9. September 1882. 76. Jahrgang. ^ . - 4.4 . .. » Wie di« Dinge heute liegen, ist e« sehr wünsckcnswerth. M gkslllllgkN vtllltjlMg. anatisch« und wenig gewählt« Sprache der Impsgegner aus alle Unbefangene wirken mag. man darf darum doch nickt verkennen, vag diese Agitation in unserem Volke immer mehr Boden gewinnt. Aus die noch zu kurze Wirksamkeit de» Ge- etze- zu verweisen, wie die- 1376 und 1877 geschehen, wurde >eute um so weniger anaehen, als inzwischen für die Be- urtheilung eben diese- Gesetze- in der That neue Momente gewonnen sind. WaS die Schutzkraft der Impsiinz aniangt, o steht freilich di« Ueberzcugung. von welcher man 187 t auSgegangen, noch unersckütlert. Tie Jmpsgegner haben, trotz ihrer unermüdlichen Anstrengungen, nicht- beibringen können, wa- dieselbe vor dem Richtcrstuhle einer unparteiischen Prüfung ru entkräften vermöchte. Ihre Laclik ist, den Imps- rcunven Behauptungen unlerzuschieben, die sie nicht gemacht haben. Wenigsten- den Befürwortern de- Jmpsgesetzes im Reichstage ist e- nie in den Sinn gekommen, für die Impfung eine unbedingte Schutzkraft in Anspruch zu nehmen; sie behaupten nur, daß durch sic sowohl die Ansteckungsgefahr bei Pockenseuchen wie die Sterb lichkeit bedeutend vermindert werbe. Sic geben auch zu, baß für diese Thalsacke eine zwingende wissenschaftliche Er klärung noch nicht gesunden sei, und begnügen sich lediglich mit den in der Erfahrung gemachten Beobachtungen. Auch in dieser Beziehung gestehen sie die Mangelhaftigkeit deS bisher vorhandenen statistischen Material- zu und verlangen elbst. daß für brauchbarere Erhebungen gesorgt werte. Immerhin aber können sie sich aus die unleugbare Thalsache berufen, daß die Pockenkrankheit im Allgemeinen nicht cnt- crnk mehr die Verheerungen anricktet, wie >,n vorigen Jahr hundert. daß insbesondere aber während de- letzten deutsck- ranzösischen Krieg- da- deutsche Heer inmitten der da maligen französischen Pockenepidemie in ausfallend geringer Zahl von der Seuche ergriffen worden ist. Bemcrke»-werth ist jedensallS, baß trotz aller Beschwerden der Gegner über die „unverantwortliche Uiiwissenschastlichkeil" der Zmpsthcorie keine einzige wirkliche Autorität der medicinischen Wissenfchast in den Reihen der Antiimpsbcwegungen zu finden ist. Und anderer seits ist unzweifelhaft, daß auch die große Mehrheit deS Volke» noch an die Schutzkraft der Impfung glaubt. Der hier und da gemachte Versuch, da- Impsgesey wie ein libe rale- Pa-reimachwerk darzustellen, ist gänzlich unbegründet: in der PetitionS-Eommission sind konservative Männer mit größter Entschiedenheit für die Ausrechterballuna de« Impfzwanges eingetretcn. Sind demnach die Grund lagen de- Gesetze- von 1874 al- uncrschütlcrt zu betrachten, so hat sich aber die Sachlage doch insofern geändert, al- sich durch einige überau- bcklagcnSwcrtbe Vor kommnisse deutlicher als je gezeigt hat, wie leicht durck die Impfung andere gefährliche Krankheiten übertragen werden können. Eine gröglmögliche Sicherung gegen solche Gefahr kann nur durch die allgemeine Anwendung von Kälberlyinphe erreicht werden. Es fragt sich, ob die Hindernisse, welche dem bisher entgegcnstanbeii, beseitigt werden können. Kann die- geschehe», so muß e- auch geschehen Am allerwenigsten dürfen kleinliche finanzielle Rücksichten davon abhalte». Außer dem wird es sich darum handeln, wie eine schärfere Beaus sichtigung de- JmpsgeschäftS Lurchgeführt werden kann. Diese Fragen, nickt die Impfung an sich, sind e-, welche die öffenl- iicke Meinung erregt haben. Eine allseitig« Erörterung der selben im Reichstage wird jedenfalls viel zur Beruhigung beitragen. Leipzig, 9. September 1882. Lei dem iu BreSlau am Mittwoch Abend von den Turnvereinen dargebrachlen Fackclzug empfing Se. k. k. Hoheit der Kronprinz in Vertretung Sr. Majestät des Kars er» die von den Turnern abgcsantte Deputation und erwiderte aus deren Ansprache, Se. Majestät der Kaiser würde fick außerordentlich gefreut haben, der Deputation den Dank für die dargebrachte Ovation auszusprechen, Se. Majestät der Kaiser sei aber bereit- dem Diner fern geblieben, weil er der Ruhe bedürfe, und könne zu seinem Bedauern die Depu tation nickt persönlich empfangen. Der Fackelreigen wurde von 256 Turnern unter Leitung de- vr. Fedde in 8 Auszügen auS- aesübrt und gewährte ein außerordentlich prächtige- Schauspiel. Bei dem Empfang der Turnerdeputation unterhielten sich Ihre k. k. Hoheiten der Kronprinz und die Frau Kron prinzessin eine Viertelstunde lang aus da» Huldvollste mit derselben und gaben da- eingehendste Interesse für die Sache de» Turnen» und dessen Bedeutung für da- Voikswohl kund. Der von den Turnern im Saale des EoncertbauseS veran staltete Eommer» verlies in der gehobensten Stimmung. — Donner-taq Nachmittag um 5 Uhr fand im königlichen Schlosse zu BreSlau ein Distier statt, zu welchem die an- wesenden Fürstlichkeiten, die Spitzen der Civilbehörden und andere Persönlichkeiten geladen waren. Se. k. k. Hoheit der Kronprinz brachte einen Toast aus das Wohl der Provinzen Schlesien und Posen auS. Sc. Majestät der Kaiser wohnte dem Diner nicht bei. weil ihm ärztlicherseits mög lickste Schonung anempsohlcn war. Se. Majestät hat übrigen- im Laufe diese- Tage- eine Reihe von Vorträgen entgegengenommen und auch längere Zeit mit dem Wirkt. Geh. Legation-rath v. Bülow als Vertreter de- Auswärtigen Amte- conserirt. — Wie noch ein Telegramm au- BreSlau meldet, ist die für Freitag angesetzle Parade de-VI. EorpS abgesagt und findet am Sonnabend statt; der Kaiser hofft dann der Parade beizuwohnen. — lieber den Grund dieser Anordnungen gehl der „Rat.-Ztg." die folgende Erläulerung »u: „Der Umstand des Fernbleiben» Sr. Majestät de- Kaiser- von dem Parade-Diner in BreSlau und von einem Theile der schlesische» Manöver sei keineswegs dazu angrthan, Besorgnisse über da- Befinden de- Kaiser» zu erwecken. Es handle sich lediglich um eine dringende Vorstellung der Acrzte an den Kaiser, sich, gegenüber der großen AuSveh nung der Manöver de» königlich sächsisch Unsere Expedition ist morgen Tonntag, den 1«. September Bormittags nur bis Uhr geöffnet. Expedition des L,eipr!xer ^»xedinttes. Amtlicher Theil. vcklmnlmachllng. Durch die Pferdebahn ist die Abhaltung de» Woche» marLte- tm Brühl sehr erschwert, und wir haben daher beschlossen, diesen Markt aus den Töpserplatz zu verlegen, da in der inneren Stadt ein geeigneter Platz für denselben nicht vorhanden ist. Da jedoch ein so Keiner Theil de» Markte» aus einem von dem übrigen Markte entfernten Platze nicht bestehen kann, und die Verthcilung de- Markte- aus zu weit auseinander liegende Orte vermieden werden muß, andererseits aber der Wochenmarkl in den Straßen der innern Stadt überhaupt in Folge de- gesteigerten Verkehr» mehrfache Uebelständr mit sich brmgt. haben wir weiter beschlossen, auck auS der Katharinen- und Nicolaistraße die Marklstände zu verlegen und mit denen aus dem Brühl auf dem Töpfcr- Platze zu vereinigen. Der Markt aus dem Nicolai» und TbomaSkirchhose bleibt bestehen. Die neue Einrichtung beginnt mit dem Ablauf der bevor stehenden MichaeliSmessc, so daß also vom DirnStage den 10. Oktober d. I. ab außer der Zeit der Messe« der zettber tm Brühl, tu der Katdartnen. straße «ad -cUolaistraße untcraebrachte Lüochcn- »arkt auf dem Tövserplatz« geyalten wird. Leipzig, am 30. August 1882. Der Rath der Stadt Leimig. vr. Geo Harrwitz. Dcktnlntnmlhung. Wir bringen hiermit zur allgemeine» Kenntniß, daß die Expeditionen der Stadtwasscrkunst wegen Reinigung der Localitäten am 11. lausenden Monat- für da- Publicum geschlossen werden. Leipzig, am 7. September >882. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Eichoriu». Bekanntmachung. Bezüglich der am 30. vor. MonalS zur Versteigerung gebrachte» Instrumente ist der Zuschlag dem Höchstlirrenden ertheilt worden, und werden daher di« übrigen Bieter hiermit ihrer Gebote entlassen. Leipzig, den 6. September 1882. Der Rath der Stadt Letprt, vr Georgi. Wmscb, Ass. Ausstellung -er Entwürfe für die Börse. Die Loncurrenz-Entwürfe für den Börlrnbau sind vom 6. bis 10. d. M. in der Aula der Universilät öffentlich an-gesteLt, und zwar am 6., 7. und 8. von 10 bi- 1 und 3 3tS 5 Uhr, am 9. nur von 10 bi- 1 Uhr, am 10. von '/,11 bi- 4 Uhr. Leipzig, den 5. September 1882. Die Handelskammer. vr. WachSmuth, Vorsitzender, vr. Gensek, S. Anction t» der Vsde'schea LoneurSsach« Montag, de» 1t. Eetztember d. A., vormittag« von S Uhr und Nachmittag- von 3 Uhr ab i« «rundftück «lbertstraße Nr. SO Hierselbst. Zur Versteigerung gelangen: 1 Pferd, Wallach, 1L Jahre alt, 1 Prrschwageu, 1 Kastenwagen 1 Wasserwagen, 1 Rungenwagen, 1 Kastcnkarre, 1 Schlitten, Pferde» «ichirre, 1 Futterkasten, I Pserdckrippc für 8 Pferd« aus festen Stempeln, mehrere Schellengeläute, 1 Geichirrbock, 1 Trockenschuppen auf Abbruch, 1 Rammbär, 1 Tau, 100 Ellen lang. 2 kleiuerr dergl., Hobel», Füge» und Schmiedcbänke, 1 Werkzeugschrank. Hobel, Sügeu »ud dergl. Werkzeug, 100 Stück unbearbeitete Wagendeichsel» »d Aageabalken, 2 Doppellhürea ic., ferner: größere Partien Brennholz, Fußbodentaseln, Deckenlchakbreter, Balken und Pfosten, Stämme, Vceter, Latten, Stangen, Karre», und Steif. dSlzrr, gedrehte Trepvcndockrn, eiserne Treppenverzierungr», Nägel, Schranken, altes Eisen rc. rc. Plagwitz, ani 7. Scpleiiiber 1882. Die OrtSgerichte. Uhlig. Nichtamtlicher Theil. vie Bewegung gegen den Imphwang. Die Wahrnehmung» daß die Petitionen gegen da» ReichS- Impfgcsetzvon 1874 sich neuerdings mcbren, kann nicht über raschen. War doch vorherzuseben. daß die große Majorität, welch« die neuiicke schweizerische Volksabstimmung gegen den Impfzwang ergeben, in Deutschland nickt ohne Wirkung bleiben würde. Dir fragliche Agitation ist bei un» so alt wie da- Gesetz, gegen wrlchr- sie sich richtet. Nachdem da- letztere am 1. April 1875 in Wirksamkeit getreten, war der Reich-tag schon m der nächsten Session in der Lage, sich mit zahlreich Unterzeichneten Bittschriften um Wietrraushebung desselben beschäftigen zu müssen. Sowobl 1876 wie 1877 hat eine Debatte über diese Petitionen im Plenum de» Reichs tag» startgesunden; beide Mal« ist man gemäß dem Anträge der PetltwnS-Eommission mit großer Mehrheit zur Tage», erdnuna üdergeganqen. Auch >878. 187S und 188l hat die Eommission über ähnliche Petitionen Bericht erstattet; eine Berathuna im Plenum inbrß ist wegen vorher eingctretenen BesfionSschluffe- nicht erfolgt. en Armeecorp«, die nöthige Schonung angedeihcn ru taffen und möglichen Folgen von Ueberan« strengunaen vorzubeuoen. Da» Allgemeinbefinden de» Kaiser» lasse nicht» zu wünschen übrig." Mit nicht geringer Verwunderung wird man die letzten Betrachtungen der „Provinzial-lLorrespondenz" über die Elassensteuer lesen. Ganz im Widerspruch zu früheren Au-sührunaen de» Reichskanzler» wird darin der Gedanke znrückgcwiescn, da» sunbirte Einkommen, da- große Capital tärker zu den StaatSlasten heranzuzicken. „Wollle der Staat," läßt sich nicht clwa em Börsenblatt, sonder» da» halbamtliche RegicrungSorgan vernehmen, „seinen Bebars überwiegend dem großen Capital entnehmen mittelst hoher progressiver Vermögenssteuern. Erbschaftssteuern, procentnaler und progressiver Besteuerung der Börsengeschäfte u. s. w., o würde er den größlcn materiellen Hebel jeder eigentliche» Üviiisalion, nämlich die Eapftaibildung und daS zu der- elben gehörige Operalion-selv de- CapitalS aus seinem Bode» zerstören. Die Folge einer solchen Steuerpolitik würde sein, daß da- deutsche Volk zum Theil sich der Eapllalbildung entwöhnte, um wirthsckasliich und ebenso in allen andere» Beziehungen unaufhaltsam auf die Stufe tcr Bar baren zu sinken." Wir haben eS immer für einen, wenn auch »och nicht zur vollen AuSreisung gelangten Grnndzug der Steuerpolitik de- Reichskanzlers gehallcn, der in den indirccicn Steuern entbailenen Belastung tcr unteren Eiasien rinc lärkere Heranziehung des Eapilaleinkominens an die Seite zu iellen, und sind den in dieser Richtung geschehenen Anlansen zur Reform der direclc» Steuern, Lein Entwurf einer Eapilal- rentcnsleucr u. dergl. mit großem Interesse gefolgt. Jetzt werden wir belehrt, daß daö socialisiisch, culturwidrig, bar- barisch sei. Man vertiert nachgerade völlig da- Versläntniß elbst für die Grundrichtung, in der sich die NegierungSpolllik ans dem Gebiete des Sieuerwcscns wie aus anderen Gebieten bewegt. Und dabei sollte die Steuerpolilik der Angclpunct ein, um den sich nach de» Ankündigungen deS Reichskanzlers die preußische» Neuwahlen drehen sollten. Wir wünschen vietGtück.— Tie conservativen Blätter sind durch diesen Artikel der „Provinzialcorresponkenz" in nicht geringe Ver legenheit und llebcrraschung gesetzt worden. Die „Nordd. Allg. Ztg." bemüht sich vergebens, die Spitze» deS Artikels abznschicisen und seinen Inhalt mit früheren Ausführungen deS Reichskanzler- in Ucbercinstimmuug zu bringen. Die „Kreuzzeilung" und „Post" hüllen sich in dichte- Schweigen. Ofsenhcrziger und ehrlicher aber sind die conservativen Blätter, die sich mehr Selbstständigkeit gegenüber der Regicrungspolitik bewahrt haben Der „Neichsbolc" meint: „Welcher ernsthafte Soeialpolitikcr wurde in unserer Zeit, wo ohnehin schon so Viele-, wie der ganze Geschäfts betrieb durch Maschinen rc., auf Vernichtung eines wohl- stehenden Mittelstandes hinarbeilel, auch noch einer Steuer Politik daS Wort reden, welche das Proletariat vermehren Helsen würde? In der Thal, auch >v,r stehen staunend vor diesem Wirrsal sich durchkreuzender Stimmen auS dem Kreise "der Neuerung. Zur Stärkung für sie cjenen dieselben wahr lich nicht." Und daS „Deutsche Tageblatt" sagt, der Artikel enthalte so viel sonderbare Dinge, daß man feinen Augen kaum traue, solche Lobreden aus EapitaliSmuS und Börse in den Spalten de- Organs der preußischen Negierung zu lese». DaS Blakt erklärt, eS könne noch keinen Reim aus den Ar tikel finden. Der reactionairen Agitation-Presse ist durch den Artikel mit einem Mal eines ihrer wirksamsten Schlagwörter geraubt. Wie können sic fernerhin noch gegen de» LiberaliS muS als den Beschützer von EapitalisinuS und Börse eisern — Zur Sache wird u»S noch ans Berlin geschrieben: ,/Dieser sonderbare Erguß der „Prov.-Eorr." zu Elimste» de» Capitiilisniiis, dem Herr v. Bennigsen angeblich anS Lebe» will, und dessen Bcrthcidigimg plötzlich zu des Fürste» Bismarck'S Leben» ausgabe gehöre» soll, legt die Frage nahe, aus wessen Berank Wortung denn eigenllich dies Gemisch von Unwahrheit, Uilkennlniß und Kopflosigkeit in die Welt gesandt worden ist. Naitirlich wird eS keinem Verständigen ciniallc», irgend einen der Minister für den Wortlaut des Machwerks zu engagiren, aber eine Verbindung zwischen Anschauungen an leitender Stelle und dem Artikel des hochossiciösen Organ» muß doch vorhanden sein, wenn auch das letztere für die Ungeschicktheit der Fassung die alleinige Schuld m tragen hat, denn unmöglich konnte eine der leitenden Persönlichkeiten wollen oder veranlassen, daß die Steuerreform vorichläge des Herrn v. Bennigsen, die derselbe in der Monopol Debatte deS Reichstags entwickelte, in so perfider Wehe, wie geschehe» verdreht würden. WaS aber die nackte Proclaniirung des Satze-? betrifft, daß nur in indirecten Steuer» daS Heil zu suche» sei, so wäre cs interessant zu erfahren, ob dieselbe etwa aus de» Personen- Wechsel im Finanzministerium zurücksührt. In diesem Falle könnten sich die Liberalen nur Glück wünschen zu einem Finanzminister, der alle nicht dem Eapitalistenstande angrhörenden Wähler gegen die Politik der Regierung «innimmt und sie in da» Lager der Linke» al» einer Partei führt, welche den gerechten Ausgleich der Steuer- lasten al» ihr oberste- Ziel hinstcllt und den Reichen stark, den wirthschastlich Schwachen schwach in Anspruch nehmen will, nicht aber umgekehrt. Man schreibt uns au» Berlin vom Donnerstag: „Herr von Puttkamer kann sich rühmen, einen Sieg errungen zu haben. Schon vor Monaten hatte bekanntlich auf sein Anbringen, da- wieder aus die vielerwähnte Petition des conservativen Central-EomitLS sich gründete. daS SlaatS- ministerium beschlossen, beim Könige'den Antrag zu stellen er wolle aus Grund deS tz. 79 der Städtcordnung vom Jahre 1853 eine Verordnung erlassen, durch welche die Auflösung der Berliner Stadtverordnetenver sammlung ausgesprochen werde. Sobald der Magistrat von diesem Beschlüsse erfuhr, wandte er sich in einer Immediateingabe an den Monarchen selbst, um anSsührlich die Gründe zu entwickeln, auS denen er die vom Ministerium vorgcschlagene ganz ungewöhnliche Maßregel, die man allgemein al- eine Art von Bestrafung der Bcr liner städtischen Behörden ansehcn werde, unmög lich für opportun halten könne. Lange Zeit durste man glauben, daß diese Eingabe Erfolg haben Werve; colportrrte man doch angebliche Aeußerungcn von compctenler Stelle, wonach gegen den Willen der Stadtverordneten versammlung dieselbe niemals aufgelöst werten würde. ThatsächUH ist auch die königliche Verordnung bi» heute nicht erschienen, an ihrer Stelle ist aber im Laufe de» gestrigen Tage» beim Magistrat rin Schrnben de« Ministers de» Hnnern cingegangcn. in welchem der städtischen Behörde eröffnet wird, daß die von ihr erhobene» Einwcndunqe» gegen die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung nickt vaoen anerkannt werden können, dagegen solle aber dem Magistrat nickt da- Recht bestritten werden, selbst die Fest stellung der Wahlbezirke vorzuncbmen. Der Magistrat wird zugleich aufgesordert, nunmehr schleunigst mit der Wahlbezirks Einlheilung vorzngehen, damit dann aus Grund dieser Ein theilung die Neuwahlen vorbereitet werden könnten. Bon der Auslösung selbst ist in dem ministeriellen Schreiben nickt« gesagt; aber au- dem Angeführten ist wohl ersichtlich, daß die betreffende königliche Verordnung erscheinen soll, sobald die Vorbereitungen de- Magistrat- beendet sind Man wünscht offenbar, daß nur ein möglichst kurzer Zwischenraum zwischen der Auslösung der Versammlung und der Einführung der neugewählten Stadtverordneten liege. Da die Nrucinsührung deS alle zwei Jahre au»scheidenden Drittels der -rtadtver- orknctcnvcrsamnilung bisher regelmäßig in der ersten Woche des Kalenderjahre- statlaesunden hat, so darf man tmnehmen, daß auch diesmal derselbe Dermin in- Auge gefaßt ist. Aus der anderen Seite nehmen die Wahlvorbereitungen de« Magi- trat- doch immerhin einiqe Zeit in Anspruch, und so läßt sich mit einiger Sicherheit Voraussagen, daß die Aus lösungsverordnung erst im November erscheinen und die Neuwahl nicht vor dem folgende n Monat tattfindcn wird. Aus eine wüste Agitation besonders der Antisemiten darf man sich gefaßt machen." — ^jur Sache chreibl noch die „Nat.-Ztg.": „Nachdem vom Ober-Präsidenten von Berlin vor elnft-en Monaten dem Bert in er Magistrat von dem Beschluß des Staats'ministeriumS Kenntniß gegeben worden, wonach da« Ministerium beim Könige die Auslösung der Stodtverordneten-Bersanrmlung be antragen wolle, mit der Aufforderung, dinnen 3Wochen einen Plan der Nrueinthcilung der Communal-Wahlbezirke einzureichen, batte der Magistrat in einem ausführlichen Schreiben an den Ober- Präsidenten aus die rechtlichen und faktischen Llcdcnken hin gewiesen, welche einer Auslösung behufs Neueintheilmag der Wahl- bezirke entgegen ständen. Dagegen hatte der Magistrat nicht innerhalb der gestellten dreiwöchentlichen Frist den eingesor- derten Neueintheilungsvlan eingereicht. Aus eine wiederholte Anf orderung deS Oberpräsidenten, einen solchen Plan eftizureichen, er widerte der Magistrat, daß er mit dem schwierigen und zeitraubenden Werk einer Neueintheilung der Wahlbezirke sich erst dann eingehend befassen könnte, wenn die Auslösung der Stadtverordnetenversamm lung in Wirklichkeit erfolgt wäre; eine vorhergehende Neueintheilung würde leicht bei einer sodann einiretenden Verzögerung der Aus lösung in Folge der sorlwährende» Beweglichkeit der Berliner Bevölkerung zwecklos werden und einer erneute« Umänderung unterworfen werden müssen. DaS StaatSministeiäum beschloß in voriger Woche, auf die Einreichung eine« SdeueinthelluagS- Plans seitens des Magistrat- vor der Auslösung der Stadt- verordneten-Versammlung zu verzichten und nunmehr beim Könige den Erlaß einer die Auslösung auSsprechendeu LabinetSordre zu beantragen. Von diesem Beschluß wurde dem Oberpräsideute» ftr. Achenbach Kenntniß gegeben, welcher vor einigen Tagen seiner- eits von dieser veränderten Sachlage dem hiesigen Magistrat Mit- «Heilung machte. Da anzunebmen ist, daß da< Staat-Ministerium vor der Fassung seine- jüngsten Beschlüsse» über de» Willen de» Monarchen sich unterrichtet hat, so wird täglich der Erlaß der dom Staat-ministerium beantragten LabinetSordre erwartet." Nach diesen Mittheilunaen scheint der Stand diese» An gelegenheit noch sehr der Aufklärung zu bedürfen. Da« preu ßische Abgeordnetenhaus zählt 48S Mit glieder. die Majorität beträgt sonach 2l7. In dem jetzt erlöschenden Abaeord, etenhausc zählten die National- liberalen 86. die Fortschritt-Partei 37 Mitglieder^ „tei keiner Fraktion" waren 23 Abgeordnete liberaler Richtung (darunter die „liberale Bereinigung"). Di» gesummte libe rale Seile de- Hause» zählte somit 146 Mrtaliedrr und es fehlten 71 Stimmen an der Mehrheit. Diese müssen ge wonnen werden, wenn die conservativ-klerikal-e Mehrheit ge sprengt werden soll. Daß man auf Kosten de« Centrum» wesentliche Eroberungen nicht erhoffen kann, liegt bei der unnahbaren Sicherheit der meisten ultramontanen Wahlkreise aus der Hand; eS kann sich höchsten» in vereinzelten Wahl kreisen um Verdrängung de« Centrum- handeln. Die libe ralen Siege muffen der Hauptsache nach auf Kosten der Eonscrvativcn, am liebsten natürlich der am weitesten recht» stehenden, errungen werden. Die conservative Fractio» zählte in der letzten Session 109, die freieonservative 49 Mitglieder, zusammen also 158. Diesem eon- sorvativcn Besitzstand die Hälfte, 70 bi» 80 Mandate zu ent reißen, scheint freilich eine sehr schwierige Ausgabe. Aber man darf dabei nicht vergessen, wie Überaus günstig im Jahre 1879 die Verhältnisse für conservative Wahlen lagen, wie gering in sehr vielen Wahlkreisen die antiliberale Majo rität war, in wie vielen Kreiirn, die damals conservativ, sonst aber meistens liberal gewählt hatten, sich inzwischen ein Umschwung zu Gunsten der freisinnigen Parteien vollzogen hat. Wir erinnern nur daran, daß in der nächstvoran- gcgangencn 13. Legislaturperiode daS ganze conservalive Lager auS 32 Frei-, 26 Neu- und 9 Altconscrvaliven, zusammen also 67 Mitgliedern bestand, und in der 12. Legislaturperiode aus 34 Frei-, 24 Neu- und 3 Altconscrvaliven, zusammen also 61 Mitgliedern. ES wird sich nun zu zeigen haben, ob die letztgenannten Zahlen daS normale Berhällniß darstellten oder die Zahlen de« Jahre« 1879. Die „Kieler Zeitung" bringt gegen die bekannte Er klärung Richter'« und seine Taktik in der schleSwig-hol- steinisckenW ah la »gelegen heit eine scharfe Erwiderung, die als Meinungsäußerung Hänel'S bezw. deS Kieler Aus schusses ausgefaßt werden muß und mit folgenden Worten schließt: „Die Richter nahestehenden Parteiorgane verkün digen täglich, daß die große Majorität Richter'« in den Fort- schritt-sractioncn die Ausscheidung der Minorität Hänel'S bewirken werte. Darüber streiten wir keinen Augenblick. Aber wir finden darin die wcrthvolle Anerkennung der Thal sache: Die Richtung Hänel'S laßt sich auS dem FractionS- verbande der deutschen Fortschritt-Partei hcrauSdruckon, aber sie läßt sich innerhalb der Fraclion nicht an die Wand drücken". Man kann diese Worte nur so verstehen, daß Herr Hänel und seine Anhänger die Unmöglichkeit cincS Verbleibens im Fraction-verband der Fortschrittspartei nach dein Vorge fallenen anerkennen. Ter schauspiclerhafte Zorn deS „Neicb-boten" und seiner bekannten Hintermänner anläßlich der M > schehen frage hat die Wirkung nicht gehabt und konnte sie nicht haben, die Herr Stöcker sich versprach: tcr Bcvötterung nämlich zu zeigen, daß die orlhodox-kircblicben Conservativen nickt unbe dingt im Fabrwasscr der Curie schwimmen, und den prote stantischen Wählern da» Vertrauen zur äußersten Rechten zurückzugeben. Der Eindruck ist vielmehr ganz offenbar der entgegengesetzte gewrscn. indem sich in iinmer weiteren Kreisen die Ueberzcugung befestigt, daß eS gerade die Stöcker'sch« Richtung ist, welche daS Wiedercrslarken deS UltramontaniSmu« begünstigt, und dgß die nachträglichen Declamakionrn jener Herren vom extremsten reckten Flügel daS begangene schwere Unrecht weder verschleiern noch gutmachen können. Die Conservativen sind die einzige Partei, welcher der Misch- ebcnstreit schon jetzt gesckaret bat und in den bevorstehenden Wahlen noch ganz bedeutend schaden wird. Oder sollte Herr v. Minnigerode »och einmal den Muth finden, seinen west preußischen Wählern den Frieden mit dem Centrum als di« weiseste aller politischen Maßregeln zn predigen? Sollten einzelne conservative Abgeordnete au« Westfalen wiederum so geschmeidig und gefügig sein, fick die katholischen Stimmen zu sickern, indem sie wider ihre Ueberzeugung daS Eentrum als «ine positive, zum dauernden Zusammenwirken taugliche
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