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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830728
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830728
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-28
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Redaktion und Lkpeditiou JohanneSgasfe 33. Aprrchlinndril drr Uedariion: vormittags 10—12 Udr. Nachmittags 5—6 Uhr. hi« NAL>abe nnqrfandter Li«nufcrrvte «acht stch d»e Vtedacuon nicht verdmKiichy A««atz«e »rr für die nächstfolgende Ni»«mer bestimmten In» erste an Wochentagen bi» 3 Uhr Nachmittag«, a» Sonn-u«b Festtagen früh »i» V.VUHr. In den Filialen für Ius.-^nnahme: Otto Klemm, UnlversitSl-straße 21, Lonis Lüsche, Katharlnenstraße 18, v. nur bis '/,S vhr Uch)Mr.TllMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. Auflage LS,LV0. Abonnemeiitsprei» vierrelj. 4'/, Mk. incl. Brlngerlohu 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren »ür Exirabellaaen 0i»ic Postbesörderung 39 Mk. mit Posivejordcrung 48 Mk. Inserate gespaltene Prlitzeile L0 Pf. Gröbere Schristen laut unserem Pretl- verzclchnlß Tabellarischer n.Z,fsernsatz nach höherm Tarif. Keclamen unter dem Krdartionoftrich dle Spaltzeile SO Pf. Inserate sind stets an die Vxpebittou zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung proeoumerunü» oder durch Post- nachnahme. LVS. Sonnabend den 28. Juli 1883. 77. Jahrgang. Jur gefälligen Vemlstimg. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den L» Jnli, Vormittags nur bis j-S Uhr geöffnet. LxpvüMon cles I^elp/l^er Amtltcher Theil. Vekanntmachung. Das 17. Stück des diesjährige» Reichs-Gesetzblattes ist bei unS rinqeqangen und wird biS zu« IR. August dieses JahreS auf dem Rathhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich au-hängen. Dasselbe enthält: Nr. 1508. Bekanntmachung, betreffend Abänderung der all gemeinen polizeilichen Bestimmungen über die An legung von Dampfkesseln, vom 29. Mai 1871 (Reicks-Gesetzbl. S. 122). Vom 18. Juli 1883. Leipzig, den 20. Juli 1883. Der Rath der Gtadt Leipzig. I)r. Tröndlin. Brendel. Manntmaihnng. Der Gurkentnarkt wird vom DwnSlag den 31. d. M. «m auf dem Fleischerplatze gehalten. Leipzig, den 25. Juli 1883. Der Skath der Stadt Leipzig. Dr. Tröndlin. Brendel. Vekanntmachung. Die ASphaltirungSarbeiten, soivw die Liesernnq der beim Erweiterungsbau des Museums erforderlichen Walz- unb-W«Grtsen und Sshmiedeeisep sollen vergeben werden. Tie Beklilgungen »nd .-Zeichnungen für diese Arbeit und Lieferungen liegen in unserer Hochbau « Verwaltung, Rath» hauS, Zimmer Nr. 5, aus und können daselbst eiligesehci» rcsp. enlnommen werden. Bezügliche Lasierten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „MusrumSerweitrrungSbau" derseben ebendaselbst und zwar biS zum tt. August MachmittagS i Uhr einzureichen. Leipzig, am 27. Zuli 1883. Der Nath drr Stadt Leipzig. vn. Tröndlin. EichoriuS. er. Vclrannlmachnng. Die Pflasterung der Stlngstraste zwischen dem AuSgange der UniversitatSstraste und dem Grimmaischen Steinwoge macht cs erforderlich, daß diese Straße von Montag, den Utt. dief>S MonatS ab streckenweise für allen «»befugten Fährverkehr gesperrt wird. Wer sich erlaubt, die abgespcrrten Strecken unbefugt zu befahren, wird nach tz- 306,10 des Strafgesetzbuches unnach- sichtitch um Geld biS zu UU Mark oder mit Haft biS zu Tagen bestraft werden. Leipzig, am 2b. Juli 1883. Der Nath der Stadt Leipzig. ElckoriuS. 1)r. Tröndlin. Gesucht der Handarbeiter Friedrich August Schulz, am 22. Mai 1843 zu HermSdorf geboren und zuletzt hier, Brandvorwerk straße 7. wohnhaft, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhaltcn ist. Leipzig, den 18 Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armen-Amt.) Ludwig-Wolf. Mr. Nöhrenlieferung. Li« Lieferung von 60 lfde. Meter innen und außen glnsirter StelnzengrSbren mit Muffen, 4äcm im Lichten weit, inel. 6 rechtwiakl. Ansätzen von 15 ow l. W., ferner von SO lfde. Meter deSgl., 50 cm im Lichten weit, incl. S recht- winkl. Ansätzen von 15 cm l. W., und von 60 lfde. Meter deSgl. von 15 cm lichter Weite soll bis zum 1k. August ii. I. franco Bahnhof hier bewirkt werden. Diesbezügliche Offenen, versiegelt und mit entsprechender Aus. schrill versehen, werden bis zum 4 August d. I. in unserem Stadlbauamt entgegen genommen. Werdau, den LS. Juli 1883. Der Ttabtrath. Nichtamtlicher Thetl. Arilieligesehgtbung. ii. . Die Armengcsetzgcbung in Deutschland zeigt schon am Schluffe deS Mittelalters die beginnende Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche. In den deutschen Städten be ginnt nach mancherlei Anfängen, die bi« i» da« dreizehnte Jahrhundert znrnckrcickcii. im Laufe LcS sünfzcdnten Jahr hundert« eine umsaffendcre Armenpflege. Auf dem Reichstag zu Lindau, i. I. 1197, wurde beschlossen, „daß jede Sladt Und sonstige Gemeinde ihre Armen ernähren und unterhalten, und keinem fremden Bettler zu betteln gestatten solle." Nur wenn ein Amt ober eine Stadt nicht im Stande wären, ihre Armen zu ernähren, so „soll die Obrigkeit dieselben Armen mit einem brieflichen Schein in ein ankere« Amt zu befördern Macht haben." Diese Vorscbrisl wnrde in den Reichs- nnd Polizeiverordiiiingen öfter wiederholt. Manche LandcSgesctze enthalten auch angemessene Vorschriften über di« Bildung eine» Collegiums von Armenpflegern au» der geistlichen und Weltlichen Obrigkeit und geeigneten Mitgliedern. Da« Haupthinderniß der Entwickelung blieb der Mangel einer geregelten Aufbringung der Arinenlasten. Ein System rationeller Steuern, welche« sich in der Zersplitterung Deutsch lands so unendlich schwer entwickelte, konnte noch viel weniger für Humanitätszwecke zur Ausführung kommen. Erst im achtzehnten Jahrhundert beginnt ein neuer Anlauf zur Be schaffung ansehnlicherer Mittel in vielen Einzelstaalcn. Die Einrichtungen Josef'S H. für Oesterreich gehören zu denen, welche sich in dauernd gutem Andenken erhalten haoen. In Preußen erging al» da« erste umsaffende Gesetz ein Ebict vom 28. April 1748. Zu einem Abschluß gelangt« die aus daS System der geschloffenen Stadlcommunen, Gutsbezirke und Landgemeinden vasirte Armenpflege in den. Allgemeinen Landrccht. Verpflichtet zur Unterhaltung sollte di« Stadt- iind Dorfgemeinde für die ausdrücklich in den Gemeindeverband ausgenommenen Mitglieder sein, ev. die Gemeinde, in welcher der Verarmte zuletzt z» den gemeinen Lasten beigetragen hat. Die Enizelhciten blieben den Provinzialgcsctzen und Reglement« überlassen. Die Biegsamkeit deS daraus hervorgehendcn Verwaltung«- systems wurde zur Wohlthat. seitdem in Folge der Agrar-, Gewerbe- und Freizügigkeits-Gesetzgebungen die gewaltige Umbildung der Gesellschaft allniälig in Fluß kam. Dir Stellung der LandratbSämter »nd Regierungen vermochte ungefähr mit den veränderten Bedürfnissen Schritt zu halten. Die Regulative der Cenlralvcrwaltuug schnsen allmältg eine gewisse Uebereinstimmuiig deS Systems. Preußen blieb da durch gewahrt vor den monströsen Auswüchsen der Armen- verwallung, welche die Entwickelung der industriellen Gesell schaft in andercn Ländern bezeichnen. Im Lause eine« MenschenalterS waren die Grundsätze dieser Verwaltung so gereist, um i» den beiden Gesetzen vom 3l. December 1842 eine überaus tüchtige Grundlage zu erhalten. Für daS ArinenniederlassungSrecht werden drei Titel anerkannt: durch ausdrückliche Ausnahme als Mitglied der Gemeinde, dnrch Eciverb eine« Wohnsitzes (sog. Armcn- komicil, daS erlangt wird, wenn der Neuanzirkend« den Wohnsitz ei» Jahr lang fortgesetzt hat, ebne der öffentliche« Unterstützung zu bednr'cn) und durch dreijährigen Aufenthalt, ohne jede Vorbedingung. Der Grundsatz der Freizügigkeit ist so bereits mit dein Grundsatz der Deccntralisation der Gemeindearmenlasten »ach Möglichkeit in Einklang gebracht. Die ordentliche Armenpslege nach diesem HastungSzraad- satz liegt den einzelnen Stavtgemeinden, Landgemeinden «nd GutSbezirken ob. Di« Comniunntarmen Pflicht erstreckt sich' auf Ehefrauen, Wittwen und Kinder. Für Dienstboten, GewerbSgehilfen, Gesellen und Lehrlinge ist im Falle der Erkrankung der ArmenverbanV deS DienstorteS aus drei Monate untcrstützungspflichlig. In Ermangelung eines ver pflichteten OrtSverbantes tritt der Landarmenverband- ein, welcher auch llnverlnbgendcn Gemeinden die erforderliche Bei hilfe zu leisten hat. Den Landarmenverband bilden meistens ganze Provinzen. Die Grundsätze der Armenverwaltung sind in all gemeine» Zügen theils im Gesetz, theilS in den Statuten io gegeben, daß das Ermessen der Localbehörde nicht zu sehr eingeengt erscheint. Die auSsührendcn Organe sind die Magistrate, Armendircctionen und BezirkScoiniriissionen in den Städten, die Landräthe, Ortsvoistcher und GuISobrig- keitcn aus dem platten Lande. Soweit eS das Personal der Verwaltung betrifft, bieten selbst unsere großen Städte daS in Europa selten werbende Schauspiel einer persönlichen Mitarbeit der Gcmcindegenossen an den mühevollsten Functionen der Einzelvcrwuttnng dar. Es wird daraus entkommen, daS platte Land zu größeren lebensfähigen Ver bänden, in denen dann auch der Gegensatz von Lanv- geincinde und Gutsbezirk von selbst ansgeht, zu gestalten, was freilich ohne ein System directer Communaisteuer un ausführbar bleibt. Die Vorbedingung eines verwaltungs- fähigen Personals dagegen ist in dem größeren Theile Deutsch lands unzweifelhaft noch vorhanden. Die Schwierigkeit der Armengesctzgebung liegt in den tief- greifenden Verschiedenheiten der darin zu behandelnden Sub- jccte. Die Erhaltung der Erwerbsunfähigen erscheint zunächst als Rechtsfrage und Frage der comniunalcn Lastcnvertheilung; die Behandlung der Arbeitöunwilligen zunächst als Polizei- frage; die Behandlung zufälliger und localer ErwerbSnnfäbiz- keiten zugleich al« Frage der Communal- wie der Staat«, wirthsckast. Die reichste Erfahrung zeigt, daß nur daS systematische Jneinandergreifen von Armenpolizci und Armen pflege heilsame Zustände zu schaffen vermag. Kein Tbeil der öfsenllichen Verwaltung bedarf in dem liRaße der Jndivi- dualisirung. Da» Aufgehen der Armenpflege in ein Buch haltungssystem von Gelvunterstützungen mutz einem System von Arbeitsnachweis»»'». Beschäftigung bei öffentlichen Ar beiten bezw. in Arbeitshäusern, HauSbcschäftigung. Natural- llntcrstützungcn. unter strenger Scheidung von ArbcitSsähigkeit und Arbeitsunfähigkeit, Platz machen. Kein anderer Zweig der Verwaltung bedarf also in gleichem Maße der Decen- tralisatioil und der genauen Kenntniß der localen und individuellen Verhältnisse. Andererseits bedarf dieselbe Ver waltung der strengsten Normativbestimmungen, vor Allem auch einer gesetzlichen Regelung der Armenlast, die mit dem fortschreitenden System der Geldwirthscbaft unvermeidlich zur dircctcn Sleuer werden muß. Sobald dieser Sleuerfuß ein gleicher geworden, die Urbezirke der Armenlast dem Sysiem der Freizügigkeit entsprechend nicht allzu klein gestaltet sind, sobald der größere Verband den kleineren zu ergänzen hat, wenn dessen Armenlast einen gewissen Procentsatz überschreitet, läßt sich eine Decenlralisation der Armenlast festhalten, in welcher alle Betheiligten ein lebendiges Interesse an der spar samen Verwaltung behalten, ohne das Bestreben einer gegen seitigen Abwälzung, welche« die schwersten Mißbräuche' der Armenvcrwaltung erzeugt hat. Die nächste Aufgabe deS deutschen Reiche« konnte nur die Verallgemeinerung der Preußischen Gesetzgebung über daS NicdcrlassungSrecht sein, welche« als ein entwickelte« Freizügigkeit-recht den, Durchschnitt der Neinstaatlichen Gesetz gebung voranaeeilt ist. Da« RcichSgesetz über den Unter- stütziingSwohnsstz vom 6. Juni 1870 hat an die Stelle de« namentlich in den süddeutschen Staaten noch vorherrschenden „HeimathSreckitS", welche« durch die ausdrückliche Ausnahme in den Gemcindeverband begründet wurde, die dem System der Freizügigkeit entsprechende UnterstützungSpflichl nach dem Wohnsitz gesetzt, welche durch einen zweijährigen ununter brochenen Aufenthalt begründet wird und weiche in dem „Bundesamt für da« Heimalhwesen" ein Central- organ gesunden hat. An« der Praxi« einer öffentlichen, Verantwortlichen Selbst verwaltung bilden sich auch die richtigen Grundsätze für eine angemessene Organisation der Privatwohlthätigkeit. Es ist wahr, daß die amtlich« und private Wohlthäligkeit Selbstverwaltung immer lauter '' wesen durch wobei man „ ^ . ob»e den Balken in der heule L HÜLL .Almosenwirtbschaft--. welche man -'"^^n ^ßs'^ttsch-n Armenverwaltunqen vorwerfen mag. würde unter de täten der freiwilligen Armenpflege und mit dem lndivlduellen Eigensinn nach deutscher Weise i" Z^hrenb«' und En arluna enden Dem Sinne der romanischen Volker mag die G^mächlichkett der kirchlichen Nrn'-npfleg- mchr rusa^ m dem kirchlich gespaltenen Deulfchland würde diese chuerreyr '»m Alte» nur neue Elemente deS Zwiespalts >n daS ^ olk- ben ineittrag n Der herrlichste Charakter;»» unsere« Volkes, der Sinn für die mühevolle Arbeit deS öffentliche" Leben« kann umgekehrt nur zur vollen Enlwickelung un Reife gelangen, wen» wir m dieser Thätigkeit selten Nor- mativbeslimmuiigc», d. h. Gesetzen, gehorchen , denen sich die angemessene Begrenzung und Beschränkung der öffentlichen Wohlthätigkeit sicherer ergiebt, als auS dem bloßen Zug und Derständniß des Herzens. Leipzig, 28. Juli 1883. * Nickt in dem BedÜrsniß. eine u»sruchlbare ZeitungS- polemik zu führe,,, sondern lediglich in der Avliätt soviel wie möglich zur Gesundung unserer inneren Verhältnisse bel- zutragen. kommen wir auf einen vor einigen Tagen von der ..Norddeutschen Allgemeinen Zeitung- veröffent lichten Artikel zurück. Da- Regierunasblatt "neuert den Versuch, für die heutige innerpolttische Lage Deutschland« die nationalliberale Partei verantwortlich zu macben. diesmal mit dem Vorwurf, daß sie „d,e Politik der RetchS- rmierung nicht nur nicht unterstützt, sondern dm Kamps, den Dieselbe in, Bunde mit ihnen gegm da« Emtrum 'führte, aulzubeuten versucht haben, um die HtlsS bedürfligkeit der Regierung zu Erpressungen zu be- nutzen". Also dieselben Nationalliberalen, welche ein Jahr zehnt und länger von links her wegen ..Compromißsncht", wegen „Schlepplrägerei gegenüber dem Fürsten Bismarck", wegen „VerrathS an den Freiheiten de« Volke«" geschmäht worden sind, werdm jetzt angeklagt, die Regierung „ach dem sauberen Necept einer Erpresserbande behandelt zu haben! An cvncreten Belegen für diese geschmackvolle Beschuldigung läßt es die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" wiederum fehlen. Aber der «»«druck ist bezeichnend dafür, wie Fürst BiSmarck sein Verhältnis; zu den Nationalliberalen ausgesaßt hat. Jhnl ist diese Partei immer eine lästige Fessel gewesen; was Wunder, daß jedes Zugeständniß, welches er au« Rück sicht auf ihre Unentbehrlichkeit an einen ihm persönlich wenig sympathischen politischen Standpunkt machen inntztr, ihm nach träglich wie eine Erpressung erscheint! Eine objektivere Geschichtsschreibung wird freilich zu einer sehr anderen Auf fassung gelangen. Wir sind weit entfernt von der Behaup tung, daß die Tactik der Nationattiberalcn stet« fehlerfrei gewesen sei; im Großen und Ganzen aber haben sie, frei von einer engherzigen FractionSpoiitik. die Linie eingchatten, unfern nationalen Staat in den Formen eine» ehrlichen Constitutio- naliSmuS auSzubauen und zu befestigen. In der Auffassung dieses ConstitutlonaliSmuS lag das eigentlich trennende Moment zwischen der nationalliberalen Partei und dem Kanzler. Sagen wir e« offen heraus: Das Verbrechen der National- liberalen ist, daß sic sich nickt zum Werkzeuge eine« absolu tistischen, oder besser: cäsaristischen Regiment» hergeben wollten. Von den großen Entwürfen, welche den Fürsten BiSmarck in den letzten Jahren beschäftigt haben, hätte er da« wirklich Wesentliche mit Hilfe der Rational- liberalen zum größten Theil durchsetzen können, wenn er nur einigermaßen die ihm in der auswärtigen Politik so leicht ankommende Rücksichtnahme und Geduld auch in den inneren Dingen hätte anwenden wollen. Aber ihm war die Fessel unerträglich geworden; er schüttelte sie ab, um auf anderer Seile eine bequemere und bessere Unter stützung zu finden. Mit welchem Erfolge, haben wir neulich gezeigt: er ist, um e« trivial auszudrücken, aus dem Regen in die Traufe gekommen. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" giebt di« so gekennzeichnete Uncrfreulichkeit der gegenwärtigen Lage zu; nur meint sie. nicht um die Eonstatirung dieser Thatsache handle e« sich jetzt, sondern um die Erkennung drr Ursachen. auS Venen sie hervorgegangen. Un« scheint um- gekehrt die Nächstliegende Ausgabe darin zu liegen, wie auS augenblicklichen, für unsere weitere nationale Entwicklung der verderblichen, in erster Linie aber für die ReichSregierung un- erträglichen Lage herauLzukommen ist. Auch der offic,vsen Publicistik dürfte e« nicht unwürdig sein, endlich einmal An- deutungen Uber den au« der heutigen Sackgasse zu findenden Ausweg zu machen. Jedenfalls aber wird man in den libe- rasen Kreisen die Zeit der parlamentarischen Muße benutzen müssen, uni über die durch die Verworrenheit unserer poli tischen Zustände gebotene Haltung in« Klare zu kommen. * Der Bescheid, welchen der preußische Minister de« Innern auf d,e Beschwerde de« Liberalen Verein« im Wahlkreise L re den w erba-T orgau wegen der langen Verzögerung der Ersatzwahl zum Reichstage ertbeilt hat. Ist ge- ''fl"''- "" höchsten Maße zu befremden. Mit der Vorschrift deS Wahlreglement«. daß. wenn der Reichstag eine Wahl "kl«". d.e zuständige Behörde „sofort- e,n, neue Wahl zu veranlassen hat. ,st r, nach der «nssafluna Wnk^«?°md""k"wer sehr wobl verträglich, daß dw am ,3. Februar vom Reichs- Ät - """ ^8 Nleickwobl „zur Z it Ende Jul, — noch nicht angängig erscheint, den utteNen"* * ?/""^>t,aen Ersatzwahl s6>°n jetzt definitiv fest. > a ^ cr k"rke Ausfassuna begründet der Minister damit sewn ^atzwahlen vorzunekmen muß'in d?r 'Elementar.,ck nutzt ses,gestellt sei. Man d" Tbat erstaunen. w,e ein Wort, dessen Bedeutung bt.lang Niemandem zweifelhaft schien, so elast.sch gebeutet ^ /es"«" Unsere« Erachten« sagt llck e? ' "'V fliehen soll, daß e« weiterer qesetz. reglementanscher Fnstbest.mmungen in keiner Weise bedarf, und mit einer Au«legung. welche die angeführte Bestimmung einfach al« inhaltslos oder als überhaupt nicht vorhanden hinstellt, wird man sich schlechterdings nicht be- "—" ZU ruhigen können. Erwägungen wegen der Möglichkeit für lankivirthsckastliche Bevölkerung, sich an der Wahl betheiliaen, würden vor dem Beginn der Feldarbeiten nicht haben Platz greisen können. Und wenn der Minister daraus hinweist, daß der Wiederzusammeutritt deS Reichstags nicht in naher AnSstchl stehe, !o mag auch dieS bei einer weiteren Hinausschiebung der Wahl allenfalls mit in Betracht kommen können, aber e« entschuldigt doch in keine», Falle, daß man dem betreffenden Wahlkreise nicht die Möglichkeit gegeben hat, noch für den letzten Theil der beendigten Session einen Vertreter in den Reichstag zu sende». Doch auch jetzt liege» Gründe vor. die Ersatzwahl nickt weiter zu verzögern. E« scheint un« keineswegs zutreffend, wenn der Minister die Analogie mit der für die allgemeinen Neuwahlen im Falle einer ReichSkagSanslösnng festgesetzten Frist mit der Begründung abweist, daß die Veranlassung zu dieser Vorschrift in anvercn Erwägungen zu suchen sei. als bei den Ersatz wahlen maßgebend seien. Den» dieselbe» Erwägungen, welche auch dann, wenn der Wikderzusaminenlntt deS Parlaments — der Wahrscheinlichkeit nach — „nickt in naher Aussicht steht", da» Vorhandensein de« Parlaments bedingen, lassen es auch als niigekvrig erscheinen, daß in dieser Zeit da« Wahlrecht eine« Wahlkreises ohne absolut zwingende Grünte rubt. Unter scheidend aber komml wesentlich in Betracht, daß für eine Ersatzwahl da» BedÜrsniß möglichster Beschleunigung während der Session ein viel größere- ist, als im All gemeinen für die Neuwabl der gesamnilen Volksvertretung. Und darum die Vorschrift, daß die Ersatzwahl sofort zu veranlassen ist. eine Vorschrift, deren Vernachlässigung durch den Bescheid deS Minister« im vorliegenden Falle nicht im mindesten gerechtfertigt ist. WaS un« in dem Schriftstück am bedauerlichflen scheint, ist der ofsepp Hinweis darauf, daß die Executive überall durch gesetzliche und reglementarische Be stimmungen gebunden werden muß, wenn die genaue Befolgung der Intentionen der Gesetzgebung wirklich gesichert sein soll. » » » * Der vatikanische (Korrespondent der Wiener „Poli- tffchen Cvrrespondenz" bringt dir folgende Meldung au« Rom V"M 22. Juli: Angesicht» de« Umstünde«, daß drr allsaklslge Einfluß, welchen da« neue ktrchenpolitlsche Gesetz in Preußen aus den Stand der zwischen dem heiligen Stuhle und der preußischen Regierung schwebenden Streitfrage genommen, vielfach irrig be- messen wird, erscheint es opportun, die gegenwärtige Snuation und den Entwickelungsgang der Dinge, welche zu derselben führten, vo» Neuem klarzustellen. Als Grundlage der Unterhandlungen zwischen der Curie und Berlin wurde, wie allgemein bekannt, das gegenseitige Concedlren pari paam angenommen. Diese Basis wurde nicht vom heiligen Stuhle, sondern von der preußischen Regie rung tn Vorschlag gebracht. Die Curie ging hieraus ei», da ihr auch eine solche Berelnbarung, ohne daß dieselbe die commerzlelle Form eines Vertrage» erhielte, al« ein Mittel erschien, das die Erreichung de« angestrebten Ziele« in wirk- samer Welse fördern könnte. Nachdem diese Basis der Negotiationen einmal sestgestcllt war. erwartete der heilige Stuhl fortwährend, daß dir Berliner Regierung jene Loinessloiien machen werde, welche für die ihrerseits an den heiligen Stuhl gestellten Forderungen alelchwerthlge Compensationen bieten würden. Als nun dle preu- tzlsche Regierung das neue kirchenpolitische Gesetz einbrachte, wurde vo» gegnerischer Seite behauptet, daß die preußisch« Regierung mit diesem Acte Nachgiebigkeit an den Tag gelegt habe, während der heilige Stuhl in bedauerlichem Starrsinn verharre. Dies« Urtheil ist ei» durchaus ungerechtfertigt««. Der heilige Stuhl ist sicherlich »a Zugeständnissen bereit, jedoch innerhalb der Grenzen de» MSgllche». Die Berliner Regierung hat e« leicht, Toncessionen — man gestatte den Ausdruck — brockenweise etnzu- riumen, da die Punkte, in Bttrefs deren sie sich mit den Forde rungen der Gegenpartei auSgleichen kann, zahlreich und verschiedener Natur sind. Der heilige Stuhl befindet sich dagegen nicht tn der gleichen Lage. Er hat nur in einer einzigen Angelegenheit, jedoch l» einer höchst wichtigen, vitalen und sozusagen unthellbqren, der Frage der Anzelgepstlcht, eine Conccssion zu machen. Würde er aber die Anzeigepflicht vollständig zugeben, so würde er sich allzu sehr von der Grundlage der pari pwuni fortschreitenden Zugeständ- nisse entfernen, da er dann eine ungleich bedeutendere Loacession machen würbe, als die preußische Regierung e< gelhan. Wenn man nun verlangt, daß die Curie sich zur partiellen An erkennung drr Anzeigevslicht bequeme, so übersieht man, daß auS einem solchen Zugeständnisse nnr unüberslelgbare Hnidcrulsse er wachsen würden. WaS sollte als Kriterium sür dle Bestimmung der Grenzen einer solche» partiellen Coiicesslo» dienen? Für welche Dlöcrsen z. B. sollte die Anzeigepflicht bestehen, welche sollten da- gegen von derselbe» besreit sein? Und wenn etwa aus alle Diö «seit de« Lande« die Befreiung thellwelse angewendct werden sollte, welche Parochlen sollten von den Bischöfen für die Besreiung von der Aiizeigepsticht vorgeschlagrn werden? Die Schwierigkeiten wären keine geringeren, wenn die preußische Regierung die bezüglichen Bestimmungen selbst treffen würde, da in jenen Parochien, welchen im Gegensätze zu anderen dle Anzelgepstlcht auserlegt werden würde, eine tiefe Unzusriedenhclt Platz greisen würde. Der preußischen Regierung sowohl wie dem heiligen Sluhlc würden daher au« der partiellen Zulassung der Anzeigepflicht selten« de« letzteren nur »rsü» Verlegenheiten erwachsen. Der heilige Stuhl kann dle Anzelgevfllcht nur ln voller Aus dehnung zugesteben, er verlangt daher von der preußische» Regierung, al« Compensatlvn und Garantie, Freiheit des vorbereitenden Unterrichte« des Klerus und Freiheit de« kirchlichen Dienste«. Nur wenn diese Forderungen zugestande» werden, kann von einem Lan- eedlren pari p»«u gesprochen werben. Man ist in den vatikanischen Kreisen überzeugt, daß der erleuchtete Geist de« deutschen Kaiser« und die StaatSweitbkit de« Reichskanzler» (I) den Slandpunct de« heiligen SluhieS angesichts der gegenwärtigen Lage der Dinge zu würdigen Wiste», und hegt die feste Zuversicht, daß dle Berliner Re gierung dle Unterhandlungen aus der gegebenen Grundlage fort- seyen werde. * lieber die Ereignisse in Albanien wird au« Scntari vom 18 Juli geschrieben: Dle unterworieuen Stämme legen gegenüber den Forde rungen und Wünschen der Regierung eine so ausfällige Bereitwillig keit an den Tag. daß man ln die Aufrichtigkeit dieser Hslning Zweckel zu setzen berechtigt ist. Die Sergbewobner beeilen sich, der Regierung nicht nur dle den Truppen adgcnommenen, ssudern auch jene Waffen zurückzustellen. weiche ihnen während de« russisch- türkischen Kriege« »ab zur Zelt der Umtriebe der albanefckchen Liga zur Lerfüanng gestellt worden waren. Ja mehr al« da«, die Stämme sühren gegenwärtig dle Häaserstcurr ab, mit welcher sie seit einigen Jahren lm Rückstände waren. P»sber hattcn sie die Leistung dieser Abgabe unter dem Vorwände verweigert, daß dle Regierung ihnen noch jene Leben«wlttel schuld«, aus welche sie sür ihre wäbrrnd de« Kriege« mit Monteae^o fletschten Dienste «ulpruch hatten. Allerdings wch« der MiUtatrrommandont Haslz Pascha den Bergbewohnern nach, daß die Regierung die ihnen gebührenden Lebensmittel ihren Führern übergebe» habe; allein trotz dieser Aufklärung würden dle Albanesen wohl kam eine solch' überraschende Tugendhastigkett im Steuerzahler! eutwlckela, wa»
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