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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-27
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1883
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ikrfchetnl täglich früh 6'/, Uhr. Ke-aclion und Lrprditiou IohanneSgaste 33. Sprechstunden drr Hr-aclion: Bormittag» 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. »>r -t» NUck,«d« r,n,»Ia»«>cr vr»«uicri»t« »acht stch da Iird»cl»a mchr d»ld>n»u<^ Annatz«e der für dt« «ichstkolgende Nummer »estimmte« Anserate an Wochentage» bt« S Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen früh dis '/,v Uhr. 3n den Filialen für Ins.-Tinnastme-. Otto klemm, Univermät-strahe 21, Louis Lösche, Katharinenstrage 18, p. «ur dt» '/.8 Uhr Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage LS,L00. Tibonnementspreis Viertels. 4'/, Mk. incl. Bringerlohu 5 Mk., durch dir Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Lebüdren für Extrabeilage» ohne Postbeiorderung 0V Mk. mit Poslbeförderung 48 Mk. Inserate gespaltene Petitzeile 20 Pf. töroßer« Schriften laut unserem PretS- verzeichniß. Tabellarischer u. Zisternsatz nach höherm Tarif. Neclamen unter dem Nrdartionsstrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind siel- an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung i>raellumoraii!io oder durch Post nachnahme. LV8. Freitag den 27. Juli 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Thcil. Bekanntmachung. Da» 13. und 16. Slüct des diesjährigen ReichSgcseY- l'iattes sind bei uns eingegangen und werten biS zum V. August diese- JahrrS auf dem RalhhauSsaale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dieselben enthalten: Nr. 1504. Gesetz, betreffend Abänderung der Gewerbe ordnung. Vom 1. Juli 1883. Nr. 1505. Bekanntmachung, betreffend die Redaction der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. Vom I. Juli 1883. Nr. I50K. Gesetz, betreffend die Feststellung «ine» Nachtrags zum ReichsbansbaltS - Etat für daS ElatSjahr 1883/84. Vom 8. Juli 1883. Nr. 1507. Bekanntmachung, betreffend die Einsubr und die Ausfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Wein- und Gartenbaues. Bom 12. Juli 1883. Leipzig, den 23. J»li 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ör. Tröndlin. Beendet. ^Bekanntmachung^ Die zu der unterhalb dev iüuhkhurm- auS;»süh- renden Negulirung de- Kuhburger TlZafferS erforder lichen Grdarbeiten und Materiallieferungen sollen an einen Unkernebmer in Accord vergeben werden. Tie Bedingungen und BlankelS liegen in unserer Tief bau-Verwaltung. NalbhauS, II. Elage, Ziinnier Nr. 14, aus und können von dort entnommen werden, woselbst auch die Offerten versiegelt und »>it der Aufschrift: „Regulirung de- Kuhburaer NZasserS" versehen bis zun» V. August er. Nachmittags S Uhr einzurcichen sind. Leipzig, am 20. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ör. Georgi. Eerutti. BkkanlltmachllNij. Die zur Submission ausgeschriebenen Eisen»Eon- structionS-Arbeitcn (für Schmiedearbeiten, sowie für Guß- rinv Walzeisenträger w.), ferner die Klempner- und Dach decker-Arbeiten für den Neubau der 8. BezirkSschule sinb vergeben, und eS werden dabcr die unberücksichtigt gebliebenen Herren Bewerber hiermit ihrer Gebote entbunden. Leipzig, am 19. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. 1)r. Tröndlin. Wftisck, Aff Wegen Reinigung der Locale bleiben die Gefchäsle des Leihhauses und der Sparkasse für Freitag, den 27. Juli ». auSgcsctzt. Leipzig, den 24 Juli 1883. DeS RathSDeputation sürLeikhanS u. Spareaffe. In unserer Verivahrung befinden sich zwei Pfandscheine des hiesigen Leihhauses über zwei versetzte Frauenpaletol-, welche letztere von einer Frauensperson zugestandenermaßen im Januar und bez. Februar l. I. a»S dem Ta-z!ocal der Michael'schen Herberge hier, Windmühlcnstraße 7, woselbfk sie srei daaelegen haben sollen, ent wendet worden sind, ohne daß über diese Entwendungen Anzeige hier erfolgt ist. Wir fordern die Eigentbümerinnen der beiden Paletots daher hiermit aus, sich ungesäumt bei unser« Lriminal-Abthcilung zu melden. Leipzig, den 25. Juli 1883. Tas Polizei-Amt der Stadt Leipzig. I. B.: Junck, Pol.-Rath. N. Nichtamtlicher Thetl. Armengesetzgebung. i. Die Weisheit jenes Volksvertreter», welcher di« ganze Nacht ausbleibcn wollte, um die sociale Frage zu lösen, ist schnell zu Schanden geworden, man hat längst eingesehen, daß die „sociale Frage" nur die Bezeichnung für eine große Zahl von brennenden Fragen ist, daß cS eine sociale Frage feit Menschengedenken gegeben hat, und daß die „Lösung" niemals gelingen wird, so tauge Menschen Menschen bleiben. Ebenso vergeblich wie daS Suchen nach der ablolnten Wahrheit ist auch da» Bemühen »m die theoretische „Lösung" der socialen Frage: so wenig wir aber auch darum erlahme» dürfen in dem Strebe», die Wahrheit in den einzclncn Pi»ictcn zu finden, so wenig dürfen wir ermatten in unserem Eifer, die ökonomische Lage der weniger glücklich Sitnirte» zu bessern. Einen wichtigen Theil der praktischen Losung der socialen Frage bildet daS Gebiet der Armengesetzgebung. Die Behandlung der Armen, d. h. derjenigen Personen, deren wirthschastlicker Besitz zu ihrem Lebensunterhalt nicht auS- reicht, umfaßt drei wesentlich verschiedene Elaffen, nämlich einmal die erwerbsunfähigen Armen, welche wegen Jugend, Alter», Gebrechlichkeit oder Mangel- der Sinne sich nicht zu ernähren vermögen, ferner die erwerbsfähigen Armen, welche nicht- erwerben können wegen Mangel» der Arbeitsgelegenheit oder wegen besonderer Störungen und Hemmungen der Erwerbsverhältnisse, und schließlich erwerbs fähige Arme, welche nicht arbeiten und erwerben wollen. Tie unterschiedslose Behandlung dieser Elaffen charakterisier den Anfang der Armengesetzgebung, die sach gemäße Unterscheidung derselben bezeichnet deren Fortschritt. Bon den ersten bekannten Anfängen an bat die menschliche Gesellschaft die Abhilfe der Arn.utb als Gegenstand einer allgemeinen Pflicht anerkannt. Theokratien haben dal sitt liche Gebot zu einem absoluten, göttlichen erhoben und charaktensiren sich durch die unterschiedslose Bebandlung der Armenunterstützung al» Selbstzweck. Die bekannten Bor schristen des JuventhumS bilden ein zwangsweise- Brmen- budget mit aurjülirlichcn Vorschriften Über die Pflicht, Almosen zu geben, und über da» Recht, Unterstützungen zu em pfangen. Unter den niobamedanische» Kölker» ist diese Art der Armenpflege nach Maßgabe des Koran noch heute das ojsicicll anerkannte Recht. D»e germanischen und romanischen Böller de-Mittelalter- sind bereit- zu einer rationelleren Scheidung gelangt, indem sie für die humanen Ausgaben de» Gemeinwesens einen eigenen Organismus in der christlichen Kirche bilden, der alle Elaffen der Gesellschaft unter einem streng geregelte» AmlSsysiem i» sich ausnimmt. Dem letzteren Organismus fällt die Armen pflege zu, für welche die Kirche aus ihren reichen Dotationen einen Fonds bildet, der freilich mit dein Fortschritt der Zrit durch übermäßige Eentralisation einerseits, durch die spora dische Kertheilung der grundbesitzendcn Stiftungen anderer seits, »och mehr aber durch ständische Interessen seinen ur- prnnglicken Zwecken entfremdet, in den späteren Jahrhunderten des Mittelalters mehr zu einer Ouelle als zu einer Abhilfe der Armntli wird In dieser Periode der Entartung der kirchlichen Armenpflege beginnt die schrittweise Uebernabine de humanen Ausgabe» teS Gemcindeivesens aus daS Laientbuin. da« wachsende Bewußtsein, daß nicht ein .zwiespältiger, sondern ei» einheitlicher Staat bcrusen sei, durch daS Zu- sammensassen aller Volkskräfte diejenigen Lebenszwecke de- Kolke- zu fördern, welche durch die Kräfte dcS Einzelnen nicht erfüllt werken können. ES scheiten sich ferner die Maßregel» des Staats, welche »nt obrigkeitlichem Zwang die Unrechte Arnicnpfleae bindern — die A r in en po lizei —, von den obrigkeitlichen Maßregeln, welche die richtige Weise der Unterstützung regeln — die Armenpflege. — ES beginnt damit eine über«»- mnsangreiche Armengesetzgebung, deren Kersebiedenkeil ans einer Scheidung verschiedener Gründe der Armutk unk aus der Kerbuidnng von Staat, Kirche und Gemeinde für die Zwecke der Armenpflege beruhen. In dein unS zugemesiencn Raum ist indessen eine Beschränkung auf die drei großen Eullurländcr Europa» geboten. Tie englische Armengesetzgebung bat bis zum Schluß deS Mittelalters die Scheidung des negativen und des positiven Element- der Armenpflege sestgehalte». Sie hat die letztere der Kirche überlaffen, während die Gesetzgebung zunächst nur die Abwehr des Betteln- und BagabundirenS zuin Gegen stand bat. Später übernimmt der Staat auch die pontive Armenpflege, indem er die Gemeinden verpflichtet, die Armen durch Almosen so zu unterbauen, daß sie nicht genölhigt sind, öffentlich zu betteln. Mit diesem Gesetz ist die später« KirchspiclSarnienpflege in den wesentlichen GrundzÜge-, lcho, sonbirt. Die nächste Beranlassung dazu lag in eer-finh» zeitigen Verwandlung der gebundenen in freie Arbeit, welche zeitweise große Fluctuationen und Nolhstände der Arbeiter vcranlaßte. Die unker de» Tudors wieder consolidirte Monarchie fühlte in dieser Epoche den Beruf, in diesem Hanplgebict die humanen Ausgaben der Kirche in sich aus- zuneümcn. Tie unniittclbar daraus erfolgende Aushebung der Klöster machte große Schwärme von Bettlern mobil und die Fürsorge der Gesetzgebung um so dringlicher. Tic massenhafte Säcularisalion deS Kirchenguts fügte noch eine moralische Verpflichtung dcS Slaalcö Hinzu. Eben deshalb blieb die Gesetzgebung aus dem einmal cingeschlagcnen Wege. Indessen Halle die Erhebung England« zuin Enkrcpol deS Welthandels volkswirlhschafllichc Verhältnisse erzeugt, welche zu anomalen Verschiebungen der Arbeilcrbcvölkernng führen mußten. Die mangelhasle Enlwickelung der Mittelklasse» balle die großartigen Einrichtungen der Sclbstrcgierung aus den unteren Sinsen vernachlässigt und verfallen lassen. Die Kleinheil der Armenbezirke Halle zusammenhängende Maß regeln für die Beschäftigung der Armen schwierig gemacht. Die Armenlast wurde schließlich eine bloße Geldfrage, ein Hauplstreitpunct der Localinkercssen, welche daS NiederlassungS- recht in unerträglicher Weise verwickelten. Aber eS bedurfte doch erst einer durchgreifenden Umbildung der SkaatSoer- sassung durch die Rcsormbill und einer völligen Verwilderung der Kirchfpielsarmenpflcge, ehe sich die regierende Elaffe ent schloß. ein neues Armengesetz anzuncbnicn. DaS englische Armcngesey vom Jahre 1834 verwirklicht die socialen Ideen der englischen Mittelstände, insbesondere der städtischen Bevölkerungen, denen in der Neubildung der Gesellschaft ein coinmunaler Gcmcinsinn am meisten fehlt. DaS neue Gesetz macht als Probirslein der Arbeitsfähigkeit die Ausnahme de- Unterstützungsuchcnkcn in ein Armen arb eil-bau- zur Regel, die HauSuntcrstützung zur Aus nahme. Der Chef dcS StaatSarmenamIS führt die Dircction der ganzen Armenverwaltung, zwölf SkaatSinspeclore» und fünfzig RechnnngSrevisoren verbinden die Erntralstelle mit der OrtSverwaltung. Nach Anordnung deS StaalSarmen- ansts wird eine Anzahl von Kirchspielen zu einer Union mit gemeinsamem Armenhaus und Beamtenperscnal vereinigt, deren zur Zeit über 700 besteben. Nach dreißigjähriger Arbeit ist c« dem Armcnamt gelungen, kiese Verbände zu größeren Gesanimlgrmeinten fortzubilden, in welchen alle Kirchspiele die Gesammtkosten der Armenpfleg« durch gleich mäßige Gemeindesteuer zu tragen haben. AuS dein Gebiete deS GesammtverbandeS können jetzt nur nock Personen ans- gcwiesen werden, welche sich noch nicht ein Jahr darin aufhallen. Die Hauptschwierigkeiten der Uebcrlastnng einzelner Kirchspiele und deS grundsatzlcsen AlmosengebenS sind mit diesem System anscheinend überwunden. ES wird aber darauf ankummen, dem jetzigen Mechanismus die Selbst ständigkeit der Selbstverwaltung wieder zu geben und damit auch die noll-wendige Jndividaalisiruna der Armcnpfleg« zurückzufiihrcn. Die Armengesetzgebung in Frankreich beschränkte sich während deS Mittelalters im Wesentlichen auf Betlelvcrbote. Eine positive Fürsorge blieb Sache der Kirche und der Privatwohllbätigkeit. Im Jahre 153K erließ Franz I. eine Ordonnanz für Paris, welche de» Kirchspielen befahl, die angesessenen Armen zu unterstützen; 1547 wurde eine allgemeine Arnienstencr eingcsührl. Später bildeten sich in vielen Stadt- gemeindcn „WobttbätigkeitSbureauS" aus Geistlichen und Notabel», deren Einkünfte sich aber mehr auS Colleclen al» auS Steuern zu bilden pflegten. Ludwig XIV. erläßt ver- schärsle Vorschriften gegen daS Betteln und stellte Normativ- bestiinmungen auf für den Anspruch ans Arinenuntrrstützung in der Behausung und über die Aufnahme in Wvhlthälig- keitsansiallen. Nack dem AuSbrnch der Revolution erneut die National versammlung den Grundsatz der SlaatSaussicht. Seit 1789 wurden in Pari- und in den Provinzen mit großen Konen „Nationalwcrkstätten" gegründet, welch« als nutzlose Unter nehmungen später wieder verschwanden. DaS BcrfassungS- geletz von 17!»l will eine Ecntralanstalt zur Unter stützung der arbest-uniä lügen Arincn, zur Beschaffung von Arbeit für die Arbeitsfähigen und zur AnsciZiehung der ver lassenen Kinder für daS ganze Land begründen. Ter Convent zieht folgerecht die Güter aller Stiftungen und HoSpitäler ein, incorporirt sie dem Staat-Vermögen und erlheilt jeden» Armen ein Recht aus Unlerflützung gegen die da» Armcnwcsen verwaltenden Staatsbeamten. Diese extra vaganten Pläne blieben indessen zum größten Tkeil unaus geführt. Schon l79k wird den WolilthäligkeitSanstalten ihre juristische Persönlichkeit wietergegeben. zur Unterstützung der HauSarmcn sollen WohllbätiglcilSbureauS acbildel werden. Die stehenden Armen- und VerpflegungSanstallen stehen unter Aussicht der Gemeindebehörden; die Gemeinde hat zu unter stützen Diejenigen, welche durch Geburt oder einjährigen Ausentkall der Gemeinde angehören. Ein rechtlicher Anspruch der Armen aus Unterstützung wird indessen nicht anerkannt. — Dürftig stellt sich nunmehr da» Untersttitzungssystem der HauS- arme» dar, reichlich ist dagegen die Ausstattung der stehenden HoSpiläler und Krankenhäuser, deren Einkünfte aus >50 Millionen Franc» angegeben werken. Mit besonderer Liberalitäl sind die Findelbäuler bedacht. Als allgemeine Wohtthäliakctt»-Einrichlil»g besteht in der Mehrzahl der Departements eine »liicntgelllich gewährte ärztliche Pflege. — Die durchschnittlichen Jahresalmosen der HauSarmcn betragen jedoch nur 9—14 Franc-, Man rühmt diese Einrichluiige» wegen ihrer Sparsamkeit Ivie ihrer wohl- Ihäligen Rückwirkung auf die Arbeitsamkeit der Bevölkerung und belrachiel es als einen Vorzug Frankreichs, baß der trotzige Geist der Reiornialion, der >n der Zeit der Hnge- nvltenkämpfe ans dein Wege war, Frankreich eine Zwangs-- armenpflegc und Armensteuer aufzubürden, später wieder dem System der „Freiwilligkeit" Platz gemachl habe. Allein diese- System der Freiwilligkeit ist doch zugleich der Ausdruck einer sehr enge» Auslastung von dem Beruf des NachbarverbandcS und der Entwöhnung der Bevölkerung von einer persönlichen, wirklich mit verantworklichen Thaligkeil im Gemeinveleben. Ein gewisser universaler Geist der Wohlthätigkeil wird durch die dominirenke Stellung der katholischen Kirche erhallen. Die neue Republik insbesondere hat i» den Wohllhäligkeits- burcauS der Geistlichkeit einen sehr weitgehenden Einfluß ge währt, der den stetigen Machtznwachs der römischen Kirche auch aus diesem Gebiet gefördert bat. Als Element der Selbstverwaltung aber, zur sittlichen und politischen Bildung der Nation, zur Kräftigung deS GemeinsinnS, ist die Vcr- waltung de- ArmcmvefenS einflußlos geblieben, wie daS Wesen der Selbstverwaltung in Frankreich überhaupt. Aus die Armengesetzgebung Deutschland» kommen wir in einem zweiten Artikel zurück. Leipzig, 27. Juli 1883. * A»S Wildbad Gastein wird vom 25. Juli gemeldet: Se. Majestät der Kaiser Wilhelm hat die Cur »iiiunler- brochcn mit bestem Erfolge fortgesetzt, daS Befinden desselben ist ein vorzügliche-. Vorgestern und gestern Abend nahm der Kaiser den Thee bei dem Grase» Lchndvrf-Steinort ein. heule hat derselbe zu Fuß der Fürstin Hohenlohe im Slraubingcr'- Gasihose einen Besuch abgestattet. Auf daS vorgestrige ^chneewcttcr ist sehr schöne Witterung gefolgt. * Tie bevorstehende Entrevue zwischen Kaiser Franz Josef und Kaiser Wil Helm besprechend, bclonl die ossiciöse Wiener „Presse", daß den Kernpunkt aller europäischen Politik für heute und für lange hinaus daS Frelintschaslsverbältniß zwischen den beiden inächligen Cenlralstaalcn bilde, und dieses finde seinen Ausdruck im herzlichen Verkehr der beiden Monarchen. Daß derselbe der Anwesenheit der leitenden Minister entbehren kann, beweise die unveränderte und den schwebenden Fragen entrückte Fortdauer der allen Jntiinilät. Wie wirksam diese den Flieden verbürgt und welche gcmclnsame Errungen schaft deshalb für alle die Ruhe ja so eifrig ersehnenden Völker die ösierrcichisch-dcutscke Allianz al« Garantie des Friedens ist, laste sich in jedem Jahre von Neuem constatiren. Nach einem Hinweise aus die verschiedenen Fragen und Erscheinungen in Eurcpa, welche die ösfentliche Meinung beunruhigen könnte», schließt daS Blatt seine AuSsührungen mit den Worten: „Wenn alle diese Gefahren vorläufig und hoffentlich für lange hinaus »ur Drohungen sind, so ist eS doch niemals unnütz, daß die Begegnung der mächtigsten Monarchen Europas an den festen Wall der mitteleuropäischen Allianz erinnert, an welchem sich die Anläufe zur Friedensstörung brechen wüsten. In diesem Sinne ist die Monarchcnzusainmcnkunft ohne Minister und ebne politisches Programm schon an und für sich ein politische- Ercianiß, dessen Bedeutung von den Freunden wie von den Gegnern de- europäischen Friedens gewürdigt wird." * Wie bekannt, hat Minister v. Putt kam er jüngst die Eifel bereist und iianieiilllch diejenigen abseits der Heer straßc belegenen Gegenden der Kreise Adenau, Witllich Prüm und Daun ausgesucht, die ihrer charakteristischen Eigen- thümlichkcilen wegen Berücksichtigung verdienten unv Lurch den Nothstand des vorigen Winter- besonders hart betroffen worben waren. DaS obere Ahrthal, daS sogenannte Exlhal und die Gegenden zwischen Adenau, Kcinpcnich und Virne burg, bei Manderscheid, die sogenannte Schneifel und daS hohe Venn im Kreise Malmcty sind besonders eingehen der Besichtigung unterzogen, die Berichte der örtlichen Hilsscomitöö über die Sachlage direct entgcgcngenoinmen und zum Gegenstand« von Besprechungen gemacht worden, welche in die Einzelbeilen der localen Pustänve und Bedürf nisse gingen. Als Summe der aus diese Weise gewonnenen Eindrücke hat sich, der „Prov.-Eorrefp." zufolge, ergeben, daß die acuten Nothstandöerscheinungen de» vorigen JahreS als zur Zeit gehoben angesehen werken dürfen und daß die Gunst der dicSnialigen Ernteaussichten eine gedciblichcre Ge staltung der nächsten Zukunft der Eifelgegend hoffen läßt „Immerhin bleibt übrig, daß die allgemeine Lage dieser von der Natur vcrhältnißmäßig und namentlich im Vergleich zu den gesegneten Landstrichen derselben Provinz wenig begün stigten Landschaft eine außerordentlich schwierige ist' und daß dir wirtkschastliche Hebung derselben den Gegenstand dauern der Fürsorge der StaatSrcgierunq bilden wird. * Die Mittheilung, daß die ReichSregierung neuerding» in Erwägungen über eine höbere Besteuerung de« Tabak« eingetrcten ist, welche den Uebergang zum Monopol anbahnen soll, lenkt die Aiisnierksamkeit wieder einmal aus die Steuer reform in Preußen. Aus diesem Gebiete haben sich mehr nock al- ans jedem anderen die diplomatisirrnden Zickzack züge der Regierung-Politik in ibrem nachtheiligen Einfluß geltend gemacht. Erst nachdem diese Politik eine Reihe der schwerste» Niederlagen erlitten bat, sind wir in der letzten Landlagssession auS der traurigen Acra der VcrwendungS- gesetze und Steuererlaste hera»-gclomnien und auf einen Pnnct gelangt, an welchem sich dock wenigstens die Aussicht aus ein bessere« Fortsckroilen der Reform zu eröffnen scheint. Die aus völlige Beseitigung der directen Steuern gerichtete Finanzpolitik, welche in dem EiilführnngSprogramm dcS neuen FinanzministerS »och einmal in unverhülllester Weise Tage trat, hat durch die Verhandlungen der letzten !?andlagssession einen Schlag erlitten, von dem sie sich schwer lich erholen wird. Ter Finanzministcr sah sich gcnvkhigl, zu erklären, daß eine „Wendung" in der Steuerpolitik der Regierung erforderlich geworben sei, unv daß die Regierung cS „als ihre Ausgabe werbe ansehen müssen, die Personalsteuern o zu gestatten, daß sie in befriedigender Weise beibet-alten verden können". -Nach dieser Zusage hätte inan eher erwarten olle», etwa» von den Vorarbeiten für die von allen Parteien de- Abgeordnetenhauses einhellig geforderte Vorlage wegen einer organischen Reform der direclen StaalSsteucrn, al- von neuen Erwägungen über die zum Tabak Monopol nunmehr einzuschlagenken Wege zu vernehmen. Der provisorische Zustand, welchen da» letzte Sleuergesetz in Preußen herbeigesührt bat. kann doch uilinöglich lange Bestand haben, unv die Regierung muß die dringende Verpflichtung fühlen, ihre viel- achen Versprechungen »unmchr, nachdem der bisherige Weg der sielen Anweisung aus neue indirecle Steuern dcS Reichs sich alS ungangbar erwiese» hat, aus dem Wege einer zweck mäßige» Ncsorm der direclen Stenern soweit a!S möglich zu erfüllen. Mit Hilf« einer angemessenen Progrefsivscata und einer Capitalrenlcnstcucr läßt sich nicht nur der ungleiche und deshalb an vielen Stellen zu schwere Druck der directen Steuern aus ein leicht erträgliche- Maß zurUckf'Ühren, sondern e- lasten sich zugleich Mittel für manche Zwecke gewinnen, welche bisher haben im Hintergründe bleiben müssen. Daß zur Befrietmung aller dringenden Bedürfnisse aus dem Ge biete der ^oinmunalbestcucrung, de- Schulwesen- u. s. w. fernere indirecle Abgaben nicht werden entbehrt werten können, wollen wir nicht bestretten. Aber abgesehen davon, daß die Reform der birrclen Steuern doch eine nähere Sorge ist, kann man e» nicht für rathsam halten, wieder beim -sabak cinzusctzen und die Existenz der Tabakinkustrio weiter zu be drohen. Da- fortwährende offene oder versteckte Hinzielen auf da» nun einmal völlig aussichtslose Tabakmonopol ift der Haupt grund aller Schwierigkeiten, welche sich ein VvrwärtSkomnien in teil Steuersragen bisher cnlgegengesicllt haben, und wir fürchten sehr, wenn man diese» „Jvral" nicht endlich einmal eine Weil« ernstlich bei Seite läßt, werken wir auch noch manche fernere Session mit unfruchtbaren Arbeiten auf diesem Gebiete ver schwenden. Die von Herrn v. Scholz angckündigte Eonsum steuer aus Tabak und geistige Getränke scheint nach der gründlichen Niederlage, welche die entsprechenden Liceuzsteuer- Vorschläge der Regierung im Abgcordnetenhause erlitten haben, wieder anfgegebcn'zu sein; wenn nun aber die Re gierung dem Tabak in anderer Richtung ihre Aufmerksamkeit znwcndet, so sollte sic doch auch den Spiritus nicht ver gesse», der selbst nach den Zugeständnissen entschiedener Agrarier noch recht viel niehr eliitragen kann, ohne daß die Interessen der Landwirtlffchast dabei gefährdet würben. Vor Allem aber wird eS die Negierung an ernstlichen und baldige» Schritten zur Reform des directen Steuersystcuiö nicht fehlen lasten dürfen. Andernfalls würde sie mir dem Glauben Boden verschaffen, alS besitze sie nur so lange eine lebhafte Einpsiiidung für die in jenem Systeme liegenden Härten, als dieselben sich für die Erreichung neuer indirccter Steuern und in letzter Linie dcS TabakmonopolS erfolgreich in die Waagschale Wersen lasten. * Sehr interessant ist, daß die Organe der freiconser- valiven Partei die Nationalliberalen gegen die ofsiciöscn Vorwürfe in Schutz nehmen, sic, die National- liberale», hätten den jetzigen parlamentarischen Wirwarr ver schuldet. Ueberciiisttminend lautet das srcicoiiscrvative Urtheil dahin, daß die Regierung mit den Parteien nicht mehr auS- zukommen vermag, seitdem durch Fürst BiSmarck daS Centrum zur leitenden Partei in unseren Parlamenten erhoben worden ist. Seitdem erfreuen wir unS zwar eines parlamentarischen Regime», aber keiner erfreulichen. Die Regierung hat so wenig Freude daran, wie die übrigen Parteien, denn sie ist genölhigt, Tag für Tag gegen das Ccntrnm polemisiren zu lasten und besten Insolenzen zurückzuweisen. Mit kein Eentrum liegen außerdem nickt blo-5 die Liberalen im Streit, sondern auch die Altconservativcn sind über den Hochmut!) und die Ausdehnung der EentruluS-Prälensionc» erstaunt. Co vereinigt fich Alles gegen diese eine Partei, und doch beherrscht sie unter der Zustimmung deS Kanzler« die Situation vollständig. Man hat schon gesagt, daß Alles wäre gar nicht möglich geworden, wenn Fürst BiSmarck den parlamentarischen Verhandlungen bcigewohnt bätte und Zeuge der stetig anwachscndcn Eentruins-Begehilicktest ge wesen wäre. Seitdem er sich über jede Sitzung kurze Draht- ovcr Telephon-Notizen zugehen läßt, bleibl ihm daS parla- nientariscke Lehen in seiner bramalischcn Entwickelung ver borge». Lcssing läßt die Orsina sage»: „Könnte lch ricien Blick vor Gericht stellen . . .!" Es wird eben nickt IlvS mit Worten, sondern mit Gcberden. mit zündenden Augen, mil leidenschaftlicher Stimme geredet. Ter draußen Stehende, der blos vom Redner sich berichten läßt, hat keine Adnung davon, was im Ganzen im Parlament vergebt »nv weicko Schlußfolgerungen aus den unniillelbarcn Eindrücken der lebendigen Rede möglich sind. „Ich kenne meine Pappen heimer!" Ja, der dies sprach, der war mit ihnen in sieter Wechselbeziehung, der kannte sic in der Ruhe wie im Kamps, iin Scherz, wie in der Leidenschaft. Es gehl jedem Minister und Staatsmann die Fühlung inil dem Parlament verloren, der dem Parlament fern bleibt; er verlernt damit die Fähigkeit, die Parteien je nachdem von sich abznstoßen oder sic zu gewinne». Wie viel kommt auf die AnSnutznng eines eiiiziacn Augen blicks an! Ter leitende Minister folgt den Verhandlungen persönlich und flugS greift er in die Debatte ein, »in eine wichtige Abstimmung zu seinen Gunsten zu wenden. Bei unS gesckicot und geschah seit Jahren in, Parlament Alles durch Commistare deS leitenden Ministe»«, die theilS zu wenig, thcil- zu viel sagten, häufig nicht DaS. waS dem Minister in den Sinn gekommen wäre, wenn er unter den Parteien ge sessen hätte. DaS Fernbleiben von bestimmten Dingen bewirkt Entfremdung. Gleichgiltigkeit. Abneigung, und so kommt eine Verschiebung der Vcrhällnisse zum Vorschein, die aus völlig abnorme Zustände sichere Schlüsse zulüßt. . * . * lieber die Vorgänge in Belgien schreibt die „Nat.- Zksi " Folgendes: Alle Versuche der belgischen Ultramontanen. das liberale Labinet FrSre-Orban zu stürmen, sind bisher gescheiter»
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