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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830729
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830729
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-29
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.07.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ued«rti«n »n- Lrprdttion JohanneSgasic 33. Lprechkun-rn drr Ur»ar1i«n: Vormittag« 10—13 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. «Ir »N NVL»»« M«»»iee,»i« »cht sich dU N«d»cn»» »ich« »crilxdU», der für die nichfts«>»ende N«»«er hefti««te» Ankerate an W»chent««r» «iS S Uhr Nachmittags, an Sonn- «nd Kesttagen früh dt» '/,* Uhr. 3» tr» Filiilen für Ins.-Annahmr. vtto Klemm, Uniorrsttitsstratze 31. L«»t« Lüsche, Satharinenstrah« 18,». nur üi« '/,8 Uhr 210. MiWM.TMblatt Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage I8,L0v. Abonnrmriitspreis viertelj. 4'/, Mk- incl. Bringerlodn 5 Mk., durch dir Post bezog?» 6 Mk. Jede einzelne Rümmer SO Pf. Belegexemplar 10 Pf. Sebübre» für Extrabeilage» olinr Postbeiördcrnng 39 Mk. nnl Postbcjorscrung 48 Mk. Inserate «gespaltene Petitzcile 20 Pf. Gröbere Schriften laut »njerem Preis- Verzeichnis;. Tabellarischer u.sjijferusax nach HSHerm Tarif. Nerlamrn unter dem Uedartionsllrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung i>ra<muia«rim<Io oder durch Post. Nachnahme. Sonntag den 29. Juli 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Die Pflasterung der Ringftrafle zwischen den» LnSgange -er Universität-strafle und dem (Srtmmatschen Steinwege macht es erforderlich, daß diese Straße von Montag, den »0. diese« Monat« ad streckenweise für allen ««befugten Fährverkehr gesperrt wird. Wer sich erlaubt, die abgesperrten Strecken unbefugt zu befahren, wird nach tz. 366,10 deS Strafgesetzbuches unnack- sichtlich «« Geld bi« z« «O Mark oder mit Haft hi« j« 11 Tage» bestraft werben. Leipzig» am 35. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Trvndtin. ClcdoriuS Bekanntmachung. Die R«phaitirnng«arbeiten, sowie die Lieferung der beim Erweiterungsbau deS Museum- erforderlichen Malz- und Gvfleife« und Schmiedeeisen sollen vergeben werden. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Arbeit und Lieferungen liegen in unserer Hochbau - Verwaltung, Ratb- hauS, Zimmer Nr. 5, auS und können daselbst euigeschen resp. entnommen werden. Bezügliche Offerten sind versiegelt und mit der Aufschrift: „MusenmSerweiterunqSban" verseben ebendaselbst und zwar bi« zum tt. August «?>». Nachmittag« S Uhr einzureichen. Leipzig, am 27. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Cichoriu». Gesucht wird die au« Kahla gebürtige HandarbeiterSebefrau Anna Lange verw. gewesene Franke geborene Fritsch, welche zur Fürsorge für ihr hier in hilfsbedürftiger Lage zurück- gelasieneS Kind Emil Alfred Franke anzuhallen ist. Leipzig, den 20. Zull 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. (Ärmen-Amt ) Ludwig-Wolf. Wendt. Gemeinde Plagwitz. Am 1. vetoder d. I. soll in hiesiger Gemeinde eine Gchutzmann- ftele mit 855 Sehalt einschl. Bekleidungsgeld, sowie außerdem bei Bewährung 50 Gratifikation, neu besetzt werden. Eelhftsicfchriebene Gesuche mit kurzem Lebenslause nebst Zeugnissen stad bis 1b. August d. I. bei Unterzeichneter Behörde emzureichen. Plagwitz, am 28. Juli 1883. Der Gemetnderath. Uhlig, G.-B. Nichtamtlicher Thetl. viSIe». An Stelle de- verstorbenen Abgeordneten Schulze- Delitzsch ist, wie unseren Lesern bekannt, für da« Amt de» Anwalts der Genossenschaften und auch aiS Mitglied de» Reichstag» der Rechtsanwalt Schenk in Wiesbaden als Eondidal ausgestellt worden. Dieser hat jüngst ein Pro gramm veröffentlicht, in welchem die Forderung der Diäten für die Rcichslagsabgeordncten, welche Jahre hindurch regel mäßig. und immer vergeblich, von Schulze-Delitzsch erhoben worden war, von Neuem mit Nachdruck geltend gemacht wird. Wir dürfen also, so wenig wir da» bei der bekannten Auffassung de« Reichskanzler» über diese Frage und bei der gegenwärtigen Zusammensetzung de» Reichstag« für anqezeigt Hallen, einem Anträge in dieser Richtung in der bevorstehenden Parlamentssession mit ziemlicher Sicherheit entgegensehen. Die Frage, ob den Mitgliedern gesetzgebender Körper schaften für Reise- und Tageskosten eine Entschädigung gewährt werden solle und wie dieselbe zu normiren ist, ist von der Gesetzgebung und Literatur in sehr verschiedener Weise beant wortet worben. Zn England wurden zwar im Mittelalter den Mitgliedern de» Unterhauses seitens der Wahlkvrperschasten gesetzlich bestimmte Entschädigungen gezahlt. Seit dem sechzehnten Zahxhundert haben jedoch Aristokratie und Gentry allmälig daraus verzichtet, und seit der zweiten Revolution sind Diäten in England unbekannt; ein Parlamentssitz, weit entfernt Ein künfte zu gewähren, nöthigt vielmehr bei der Bewerbung und während der Dauer zu umsasicnden Ausgaben für Wahl- bcsicchungen und gemeinnützige Veranstaltungen de« Wahlbezirk«. Zn Frankreich bat man mehrfach versucht, die englische Einrichtung nachzuahmen. so in den Vcrsasiungen von 1814 und 1852, jedoch ohne dauernden Erfolg. Bei Gelegenheit der Gründung de« Norddeutschen Bunde» ist dann da» englische System gegen die bisherige deutsche Gewohnheit auch aus deutschen Boten verpflanzt worden. Art. 29 deS Entwürfe» „die Mitglieder de- Reichs tage» dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen" wurde zwar bei der ersten Lesung durch die mit wenigen Stimmen bewirkte Annahme eine» gegentheiligen Amendement» (Weber und v. Thünacn) verworfen. AIS aber bei der Schlußberathung die verkündeten Regierungen von der Wiederherstellung dieser Bestimmung de» Entwurf» da« Zustandekommen der ganzen Verfassung abhängig mach ten. so erfolgte die Annahme der ursprünglichen Bestimmung (jetzt Art. 32) mit großer Majorität. Die in den Zähren 1868 und 1869 von dem Abq. Waldeck gestellten Anträge auf Verfassungsänderung im Sinne von Diätenzahlung sind zwar beide Male in der Schlußabstimmung mit sehr geringer Majorität verworfen worden (im Zabre 1869 war bei der erste» Abstimmung sogar eine Majorität für die BersasiunaSLnderung — 10» gegen 94 — vorhanden); der gleiche Antrag de« Abg. Schulze-Delitzsch in der Session 1870 wurde wenigsten« durch Nebergang zur Tagesordnung erledigt; auch bei der Berathung über die Versailler Verträge wurden Reisekosten und Diäten abgelrhnt, ebenso bei der Berathung über die neueste Redaktion der ReichSversaflung im Zabre 1871; dagegen ertbeilte der Reichstag in derseltc» Session am 20. April >871 dem vom Rbg. Schulze-Delitzsch eingebrachten Gesetzentwurf, wonach von der nächsten Legislaturperiode ab Diäten und Reisekosten gezab^t werden sollten, seine Zustimmung mit 186 gegen 128 stimmen, während der BundeSralh die seinige »ach der Erklärung de« Präs,deute» de» Reichskanzleramt» (Delbrück) vom 20. Oktober 1871 einstimmig verweigert hat. Die in den Sessionen 1873, 1874, 1874/75, 1875,76 und 1876 vom Abg. «chulze wiederum eingebrachten Anträge haben dasselbe Schicksal gehabt. DaS Princip der Diätcnlosigkrit ist jedoch insofern durchbrochen worden, als einerseits sämmtlichen ReichSlagSabgeordneten während der Dauer der Session, sowie acht Tage vor dem Beginn und acbt Tage nach dem Schluß derselben aus sämmtlichen deutschen Eisenbahnen freie Fahrt, und andererseits durch die ReichSzesetze vom 23. December 1874 und l. Februar 1876 den Mitgliedern der sogenannten ReichS- Zustizcommis>lon neben freier Eiscnbahnsabrl je ein Betrag von 2400 ^ bewilligt worden ist. — klebrigen» bietet auch Artikel 32 keine Handhabe dar, um die Annahme von Unter stützungen seitens der Wählerschaft zu verbieten. Unter den Theoretikern ist e« Stuart Mill, der sich, in neuerer Zeit am entschiedensten gegen Diäten ausgesprochen bat, indem er sie unter Andern, ein immcrwährendes^ug- Pflaster nennt, auf die übelsten Seiten der menschlichen Natur -elegt. und in der Steigerung zwischen Klcon und dem Wurst- Händler bei AristophaneS ein treffendes Spottbild dessen erblickt, waS die Einführung der Diäten zur Folge haben würde. Aehnlich sagt Rößler: „Die Diäten reichen hin, die Concurrenz der Bewerber für jeden Abgeordnetensitz mit einer Menge Personen zu vergrößern, die viel bester dem Ab- geordnetenhause fern geblieben." Aehnlich äußert sich Tocqucville. In vielen Ländern worden wenigstens den Mitgliedern der ersten Kammer keine Diäten gezahlt. So insbesondere in Preußen, so auch in Bayern. Zn anderen Ländern bezieht sich die Diätcnlossgkeit der ersten Kammcx nur aus gewisse Kategorien von Mitgliedern, im Königreich Sachsen nur aus diejenigen, welche vermöge erblichen Recht«, oder als Abgeordnete der Capitel und der Universität erscheinen. Zn noch anderen Ländern endlich erhalten alle Mitglieder der ersten Kammer Diäten und Reisekosten, so in Württem berg, der Nordam erikanischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dagegen werden regelmäßig den Mitgliedern der zweiten Kammer, oder in Kleinstaaten den Mitgliedern deS LanbtqgS überhaupt, Diäten gewährt, doch wird in manchen Ländern die Zahlung von dem Umstande abhängig gemacht, daß die Mitglieder nicht an dem Orte der Versammlung selbst wohnen; so in Sachsen, Belgien, Bayern und Württemberg; ein derartiger Antrag wurde auch bei der Revision der preußi schen Verfassung von dem Plenum der ersten Kammer Wider hall angenommen, von der zweiten jedock verworfen, die eS aicht für angemessen hielt, in das Staatsarundgesctz eine so ehr in da» Detail gehende, nur wenige Personen treffende Bestimmung auszunehmen, und auch materiell mit der Zn- tcnlion der ersten Kammer nicht einverstanden war, weil sie annahm, daß die Gleichstellung der Kammermitglicder unter sich wlckliger sei, alS die durch jene Ausnahme zu erzielende geringe Ersparmß. — Zn Altenburg und in Oldenburg erhallen die am VersammlungSorlc wohnhaften Abgeordneten die Halste der Tagegelder. Während in den meisten Ländern die Entschädigung in Tagegeldern gezahlt wird, die meist sehr mäßig bemessen find, ein System, welches in Deutschland da» ausschließliche ist, so ist dagegen neuerdings in Nordamerika und in Frankreich die Entschädigung in einer Pauschalsumme festgesetzt. Dieselbe beläuft sich in Nordamerika seit 1866 aus 5000 Dollar»; e» werden zwar für die Versäumnisse Abzüge gemacht, eS ist aber deiinoch Vorkommen, daß Zemandem, der sich erst am letzten Tage der Session einstcllte, 2000 Dollars anSgczahlt wurden; daneben werden Reise-Entschädigungen gewährt, die zwar neuerdings herabgesetzt, aber noch inliiier unverhällniß mäßig hoch sind. In Frankreich betrug seit 1852 die Ent> schädlgung für die Deputieren de» Gesetzgebenden Körper» monatlich 2500 Francs während der Session; die Senatoren hatten ihr Anit lebenslänglich und erhielten jährliche Dota tionen von 30,000 Francs, welche jedoch durch die neueste Verfassungsänderung für die künftig zu ernennenden Sena toren aus die Hälfte ermäßigt wurden Unter den Verlhcidigern der Diäten mag Dahlmann hervorgehoben werden, welcher sagt: „Die Diäten verbürgen dem Volke, daß seine Waklkammcr dem bürgerlichen Ver dienst auch ohne das Geleit des ReichthumS offen steht. Mögen die Diäten diesen oder jenen Untüchtigen anlocken, viel schlimmer doch, wenn in Ermangelung derselben am Ende der Mindestfordernde zum Abgeordneten gewählt würde." Dahlmann trifft hier wohl VaS Richtige, wenn man auch nicht die Diälenzahlung überschätzen bars, wie eS bisher viel fach geschehen ist. Jedenfalls hat sich die Diätenlosiafteit nicht als ein wirksame« Correcliv gegen da» allgemeine Wahlrecht gezeigt. Die deutsch-böhmische Lauernbewegung. Durch einen Theil der deutsch-böhmischen Bauernschaft geht seit einiger Zeit eine eigenthümliche Bewegung, die für die endliche Austragung teS nationalen ConfliclS in Böhmen nicht zu unterschätzen ist. Ein großer Theil der deutschen Landleute, von praktischen Anschauungen «»»gehend, denen in der Regel die meisten Bewohner de» FlacklandeS zuneigen, hält nicht mehr mit dem Geständnisse zurück, daß er de- nationalen Hader» müde ist. Da« ist in den deutschen Bauern- versammlungrn Bödmen» schon wiederholt betont worden, ja man bat auch daraus hingewiesen, daß die extreme nationale Agitation, wie sie von gewissen Seiten im Lande betrieden werde, nur den Zweck verfolge, dasselbe nicht zur Ruhe kommen zu lassen, wa» wohl im Interesse mancher Führer und Kreise, aber nimmermehr in dem der gesammten Bevölkerung beider Nationalitäten liegen könne. Namentlich beklagt sich die deutsche Bauernschaft in den national gemischten Gegenden Böhmen», daß die über da« mögliche Ziel hinauSschießende Agitation die Lankwirthschaft und den gesammten Verkehr in so bedenklicher Weise schädige, die schließlich für den in numerischer Minderheit befindlichen deutschen Bauernstand ernste Gefahren herbeiführen müsse. ES wird auch weiter auSgesührt. daß der Bauer natur gemäß sich an politischen oder nationalen Agitationen, die für idn höchst selten von praktischen Ergebnissen, wenig oder gar nicht betheiligen könne, weil er dadurch nur feine wirth- schastlichcn Znleressen vernachlässigen müßte, welche doch sür ibn oberster Zweck seien. Leider haben aber bisher diese gewiß nickt ganz unrich tigen Meinungsäußerungen die Sachlage noch wenig ver ändert. Die Bauern mußten sich vielmehr von manchem unüberlegten Heißsporn den Borwurf gefallen lasten, sie seien von den Ezechen gewonnen oder ständen geradezu im Solde der Regierung. Wer aber mit den Anschauungen, dem prak tischen Sinne und den wirthschaftlicben Verhältnissen der ländlichen Bevölkerung nur einigermaßen vertraut iss, der wird sich jenem Vorwurfe jedenfalls nicht anschließen könne». Zn den nationalgemischten Gegenden Böhmen» ist natür lich der Landmann bezüglich de» Absätze« seiner Productc »nd seine» Verkehr« auf beide Nationalitäten angewiesen, weshalb er schon von vornherein eine mehr persönliche Stimmung ol der Städter besitzt, der unter ganz anderen Bedingungen und Verhältnissen als der Bauer leot. So kam eS auch, daß »» längst, gelegentlich der böhmischen Landtagswablen, die 'Rede deS ReicbSrathSabgeordneten Plener in Eger wegen der darin enthaltenen Erklärung, man muffe den Kampf gegen die Czecben bis zum Aeußersten fortsctzen, von den denlschen Bauern wenig günstig ausgenommen wurde. Viele lasen die als Druckschrift verbreitete Rede mit Kopsschültcln und be merkten: „DaS gebt bei un» nickt." Inzwischen versuchte man in mehreren deutschen Gegen den Böhmen», zumal um Komolau, entschieden oppositionelle Bauernvereine zu gründen. Der Landkagsadgeordnete A»Io» Schneider hielt in mehrere» Dörfern Ansprachen, welche die Laodleute von der Unfehlbarkeit deS Programm- der äußersten Linken de« böhmischen Landtages überzeugen sollten. Ader auch diese Agitation hatte nickt den gewünschten Erfolg. Die conservativen Bauern traten vielmehr in verschiedenen Dörfern zusammen und richteten gemeinschaftlich an den Vorstand des Deutsch-Böhmischen Bauernbundes in Posselberg die Aus- sorderung. zur Klärung der gegenwärtigen Lage der Land bevölkerung eine allgemeine Bauernvcrsammlung cinbernscn zu wollen. Der Vorstand de» Bauernbünde», in dem selbst da» konservative Element stark vertreten ist, ging aus dieses Verlangen ein und so kam die Versammlung trotz mancherlei Gegenbestrebimgen der Opposition in Postelberg zu Stande. Daß die Regierung die ganze Bewegung mit Alisinerksamkeit vezAlgt und der auS dieser hervorgegangenc Bauer»versc»nn>- ln8a eine besondere Beachtung schenkte, geht schon au» dem Ulifftande hervor, daß zur Ucbcrwachung der Versammlung in Postelberg nicht ein untergeordneter Polizeibeamter, sondern der Statthältereirath Spulak entsendet wurde. Die Versammlung erkffnete Obmann Watzka auS Auschine mit einer längeren Rede, weiche von der Lage de» deulsck- Whri^jchen Bauernstandes kein erfreuliche» Bild lieferte. Er führte unter Andcrm aus. daß nickt allein die Skcucr- belastung aus den Landmann schwer, ja in vielen Fällen ganz unerträglich drücke, sondern auch noch viele andere wirtkschastlichc und sociale Uebelständc Zusammenwirken, ui» den Bauern daS Leben sauer zu machen. Der Nährssand könne sich nur unter geordneten, Vertrauen erweckenden Verhältnissen entwickeln, die in Böhmen leider schon lange nicht mehr vorhanden seien. An ihre Stelle sei ein Geist fortwährender Beunruhigung und eine leidenschasllicke Agitation getreten, welche daS Vertrauen erschüttert und Handel und Verkehr tief geschädigt haben. Daß diese bedauerlichen Zustände thalsächlich vorhanden, be weise auch die in erschreckendem Maße begriffene Zn nähme des ländlichen Proletariat-. Man möge doch in die Dörfer geben, fahrt Redner fort, um sich von der Ver armung und Verwilderung ihrer Bewohner zu überzeugen. Unter solchen Umständen lasten auch die SicherheitSverbäll nisic auf dem flachen Lande Alles zu wünschen übrig, ja cS giebt bereits Gegenden, wo es sür den Landmann nickt mehr ratbsam ist, unbewaffnet aus daS Feld oder in den Wald zu gehen. Wenn also nickt bald eine Umkehr zuin Besseren er folgt,so habe die dcutsch-böhmischeLandbevölkernngdaSSchliinniste zu gewärtigen. Schließlich wendet sich der Redner gegen die nationale Agitation, wie sie im Lande von gewissen Seiten betrieben werde. Er glaubte aber im Interesse der gcsann» ten Landbevölkerung entschieden für die Herstellung deS nationalen Friedens eintretcn zu müssen, wenn das Land nicht der trübsten Zukunft entgegen gehen will. Er Halle mit seiner Meinung nicht zurück, daß bezüglich der nationale,, Agitation von beiden Parteien viel und schwer gesündigt werde. Da« Land werde einmal gemeinschaftlich von Denk fchen und Böhmen bewohnt und so müsse jeder Vernünftige ob Städter oder Landmann, nur wünschen, daß beide Nationalitäten sich friedlich vertragen, um mit vereinte» Kräften zum Wohle deS Landes wirren zu können. — Diese Worte wurden von einem großen Theile der Versammlung mit lebhaftem Beisalle ausgenommen. E« versuchten noch der LandtagSabgeordncte Schneider. Landwirth Tschochner und der GutShcsitzer Fischer da» Wort zu ergreifen, um für daS Programm der äußersten Linke,, de» böhmischen Landtage» einzutreten. Ihren Ausführungen wurde aber von den Bauern nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt» ja viele derselben verließen unter allgemeiner Unruh« die Versammlung. Landwirth Tschochner versuchte alsdann noch eine Resolution zu beantragen, welche die Zustimmung der Versammlung zu den Bestrebungen der äußersten Linken zum Ausdruck bringen sollte, waS von alle» Seiten lebhafte Proteste hcrvorries. UeberdieS erhob gegen die beantragte Resolution auch der RegierungSverlrcter Einsprache, weil jene in dem der Behörde vorgelegtci, Programme nicht verzeichnet sei. AuS dem ganzen Charakter der Verhandlungen ging jedenfalls hervor, daß im dcutsch-böhmischen Bauernstände da« conservativc Element keineswegs spärlich vertreten ist. Leipzig, 2S. Juli 1883. * Zn dem soeben erschienenen neuesten Hefte der „Grenz- boten" begegnen wir in einem Artikel „Zum Luther- jubiläum" einem Vorschläge, welcher c»,S mehrfachen Gründen eine Beleuchtung erfordert. Der Verfasser will aus dem Luthersubiläum vor allen Dingen eine „evangelische Nationalpartci" hervorgeben sehen, welche als Gegen stück der katholischen Partei de« Centrum» „uns durch geistiae Arbeit im Parlament und Presse von all den lähmenden Unklarheiten befreien soll, welche un» dem Ro- mani-mu» gebunden in dir Hände liefern", »nd zwar zuerst von „der Vorstellung de« paritätischen Staat» mit ihre» tie verderblichen Consequenzen." Zn dieser Partei soll dienati o> nal-liberale Partei ausgeben oder sich „zum Keime der selben macken." Wirgesseben. taßwir unser» Augen nickt trauten al» wir da- lasen. Der Verfasser ist ofsendar aus dem Ge biete theologischer Polemik inebr zu Hause, als ans dem poli tische». „nd darum wollen wir mit ibm wegen des Ansinnens, welches er an die nationalliberale Parkei st.Ill, nicht weiter rechte»; wir halten cS aber dock sür geboten, dieses Ansinnen an unserem Tbeilc ausdrücklich znrückznweise:!, weil wir uns nickt verhehlen können, daß der erwähnte Vorschlag einer in der evangelischen Bevölkerung immer inebr an Aus dehnung gewinnenden Strömung enlspricht und gewissermaßen st'mpteniarikch ist für die in den letzten Jahren in wahrhaft erschreckendem Maße gewachsenen Verwirrung der Gem üib > und der Geister a»s religiösem, wie tirchenpelitischeni Gebiete Taß die schwankende Haltung der preußischen Regierung kein Roma iiisnitts gegenüber das evaiigelsscke Bewußtsein zur Selb wer- tbeikignng nnd zur inneren Kräftigung anisertern muß, daS werden wir am wenignen in Abrede stellen, aber >n:t Bedauern müsse» wir bciiierken, daß man das Heil i» einer Verschärfung des censessienclleii Gegensatzes zu finden meint. Wenn die Ratio» »ach den Coilscssionen auSeinandergerisse» wird, wenn man jetzt schon ve» beiden Seiten die Mischehe sür ein Unheil erklärt und damit den Weg betritt, der in den letzten Cvnsegiieiizen wieder zu dem Wahnsinn der Religionskriege znrücksübrt, hält man daS für christlich? Ist daS evangelisch? Oker iss cS national? Un» scheint eS eine gefährliche Ver irrung, ein Berratb an dem Princip, welches man ans seine Fahne schreibt. Darin besteht die befreiende GeisseStbat des Reformators, daß er un? befähigt hat, das Weie» der Religion im Innern zu suchen und über die äußerlichen Schranken deS TogmaS hinweg dem andersgläubigen Räch sie n als Bruder in christlicher Liebe die Hanv zu reichen, ihn als Milincnichen zu achten und im Staate als alcick- berechtiglen Bürger. So ist gerade in den, evangelischen Piliicip der inoderne paritätische Staat begründet, dessen „verderbliche Conseguciizen" wir nicht zu erkennen vermöge», der Staat, welcher seine Bürger nickt nach dem Glauben scheidet und dessen politische Angelegenheiten nicht von religiöse» Parteien besorgt werden dürfe». Wenn der Ver- sasser des Grenzbotcn-Artikels ruft: „Tborhcit, z» behaupten, daß die politischen Parteien von der Religion abseben müssen!" so bekennen wir unü voll und ganz zu dieser Thvrheit. Wir sind politische Gegner der EenlruinSpartei. deren politische Wirksamkeit daraus kiriauSgehk, die Herrschaft des Papstthums aiiszubreiteii. Wir weisen politisch die Ucbergriffc des Romanismus ab und schützen gegen sie die Reckte LcS Staats wie die Freiheiten des einzelne» Staats bürgers. Nun aber selbst sich auf den eonscssionellen Standpui,ct stellen, eine intolerante Feindschaft zwischen den Angehörigen veidcr Consessioncn nähren, daS hieße nickt niehr das Uebei «bwehren, sondern sich z»m Mitschuldigen mülÄLL- Z» liberalen Kreisen wird ein solcher Ralh nirgends Gehör finde». Wir würden cS sehr bedauern, wenn daS Lnlbersest Früchte dieser Art zeitigte. Wir boffen andere Wirklingen von ihm: daß daS evangelische Volk in Tentsch- land sich kräftigt in seiner Widerstandsfähigkeit gegen jede« die Gewissen knechtende intolerante Kircheiillmm »nd i» seiner Wachsamkeit gegenüber den Schlicke» einer herrschsückligen. der politischen Freiheit und der wissenschaftlichen Freiheit scindlich gesinnten und den Bestand unseres nationalen Staates nntergrabenkcn Hierarchie, das; cs sich aber gleick- zcilig z» jener edlen Geistesfieiheit erhebt, welche die Quelle wabrhast ovangclischcr Duldung ist. * Der tz. 34 dcS RcichslcigS-WablrcglemcntS, welcher verschreibt, daß Ersatzwahlen sofort zu veranlassen sind, enthält bekantlich nach der Auffassung des vrcußischcii Ministers v. Puttkamer nichts. waS die Behörde bindern könnte, die Anberaumung der Wahl beliebig lange hinaus zuschiebe». Es scheint nicht überflüssig, daraus binznweiseii, daß jene Bestimmung eine gewisse Ergänzung durch die Geschäftsordnung des Reichstags crbäll, der zufolge der Präsident deii Reichskanzler, wenn eine Wahl sür ungiltig erklärt worden ist. davon zu benachrichtigen hat, dain t — wie e» ausdrücklich heißt — die Neuwahl in „kürzester Zeit" bcrbcigcsührt werde. Wir sollten meinen, diese ., Fristbeslimmung" wäre deutlich genug, um Herrn von Pultkamcr als Anhalt dafür zu diene», was der Aösieot der gesetzgebende» Faekvrcn des Reiches entspricht. Erwähnt sei übrigens noch, daß nach der Auffassung de» Staalsrcck'ts- lehrcrs von Rönne cs dem Präsidenten deS Reichstags ob liegt, im Falle einer Verzögerung dem Reichstage Miklbeiln»g z» rncichcn; damit dieser Beschluß fasse. Hieraus erhellt erstens, daß das Wort „sofort" in der betreffenden Stelle dcS Wablreglcinents als Fristbestimmiliig präcis genug ist. »in untcr Ilmstänken ten Tbalbostand einer „Verzögerung" z» involvire», zweitens, daß die Behörde nickt beiugl iss, die Anbcraumliiig der Wahl aus eigenen Erwägungen hinaus- ziisckiebcn. * lieber die ärztliche Behandlung, der Fürst Bismarck gegenwärtig sich iiiilcrzicbt, läßt sich die „Wcscr-Ztg." aus München schreiben: Leit mehr als zwei Wochen stehen in Ksssingen die wälw'wd deS Ausciübaltes des Fürste» Bismarck a»s dein küingliche» Marsiill zur Beifügung acfiellie» Equipagen mit saninit ihrer Bedienung paral und noch vcrlauiel »ichls BeslimmieS über die Ankunss des Reichskanzlers; im Olegenlheil widersprechen sich die Mililieüungen hierüber ebenso wie die Nachrichten über den Geiuiidhcüs.ufiand des Fürsten, der sich bekannilich ieü einiger Zeit den .vanven dcs I»r. Schweniiinger aus München übergebe» bat. TRbr Letziere hat hier vor Jahren die Stelle eines Aisistcnzai-'es in einem der städlische» Krankenhäuser innegehabl und >>:e ziemlich ausgebreiieie Privalpiaxis genossen; naineiillich war er ei» Mann von einnehmendem Aeußcren, geistvollem Kovk. als Tan, aai zt sehr heliebt. Eine,unangenehme Eleschichle durchkreuzie seine E irr» i . Er wurde nämlich wegen einer seiner Zell vielbesprochenen und von den Ultranioiitanen mit Jubel ansgebeulete» Scene aui cinem Münchener Friedhose, in welche die Frau eines Freundes glc ch ihm selber verwickelt war, zu einer Aefängnißstrase verurtbeilt. Schwenninger saß seine Sirene ab und nahm dann wieder seine Praxis am. Durch seine Freundschasl mit Paul Lindau wurde er mit dem Grase» Wilhelm Bismarck bekannt und es soll ihm ge lungen sei», durch eine eigene Eurnieihode denselben von de« Beschwerde» eines wachsenden Embonpoinls zu besreien. Graf W. BiSmarck empfahl Schwenninger dann seinem Vater, der bs- kannllich von jeher eine starke Neigung zum Wechsel in der medi- cinischen Behandlung gehabt hat. Wir wolle» wünschen, das; er bei l>r. Schwennmger - ine die gewünschte» Erfolge finde: Schwenninger ist jedenfalls ein geschickter Arzt, und wenn neuerdings behanviei wird, seine Heilmethode, die insbesondere auch eine gesteigerte Tbäilgkeit de» Herzen» bezwecken soll, sei im Wesentlichen ans Prin- cipien gegründet, welche geistiges Eigenihuin des hiesigen Proiessoi s Iw. Oeriel seien, so thut die« ja dem inneren Derthe seiner Melyooe keinen Abbruch. * Die Erwartung, daß namentlich in Preußen endlich die schon 1878 entworfenen Organisatioilspläne der Me teorologie zur Durchführung gelange», damit auf der
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