Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307055
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830705
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830705
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-05
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1883
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. ldrtaction nn- Lrpkditisn JohanneSgaste 33. Sprechkunden der Urdnelioiu Bormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. kür dt« Manuicr^>te «ocht sich «nnatz», »er f»r dir «ichftf«l,ea»e Nummer drftimmteu Inserate a« Wochentage» litt« S Uhr Nachmittag«» an s««u. uu« Festtagen früh di«'/,» Uhr 3» den Filialen für 3ns.-Annah«r: Ott« Klemm» UniverlttätSstraße 21, Laut« Lösche, Kathariueustraße IS, V. nur dt» '/,3 Uhr. 'cipMcr.TaMaü Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auslage L»^AA» Daumnentsprei» Viertels. 4'/, M. inet. Bnngertoh» 5 ML, > durch die Post bezöge, S IN. t Jede e^elne Nummer 2» Pf/ Belegexemplar 10 PH Ouchührea für Extrabeilage« Ohne Postdeslrderung SV ML Mit PostbesSederua» 48 Ml. Inserate «gespaltene Petttzeür KV Pf. Größer« Gchrtsten laut unserem PretG verzeichnst. Tabellarischer Sa» »ach sicherem TaM. Lerltnnrn »nker de» iUtnrtimaßkich die Sv-ilt'eilr 50 Ps. Juseratr si,d stet« »» die GrtzedM»» M sende». — Rabatt »ird »icht gegeben. Zahlung praenamerauch« »der durch " Nachnahme. 188. Donnerstag den 5. Juli 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Thetl. vom 1. October find in dem Grandstacke Kl. Fleischergassc 5 (Beller'« Hos) von den bisherigen Räumen de- rkaiieruchni Telegraphrnamtö noch die in dem 1. und 2. Stockwerk des Vorder, gebäudcs belegenen, zu Büreaux, Geschäftsräumen, Wohnrüumen geeigneten Lokalitäten» bestehend aus je einem dreifenstrigen und zwei zweifenstrigen Zimmern, geräumigen Lorsaal und Neben- räumen zu vermiethen. Die Besichtigung der Räume ist von Bor- mittag« 9 Uhr ab gestattet. Mieth-vrei>e je 1000 Nähere Auskunft erlheilt Herr Telegrapbendirector Fach». Der Kaiserliche Vberpaft-Dirertar. Walter. Nichtamtlicher Thetl. Graf Chambord. Der lebende Graf Chambord ist für die französische Republik eine fortwährende Drohung, der tobte eine Gefahr, das haben die Verhandlungen deS Parlament« über die Maß regeln gegen die Prinzen von Orleans gezeigt, und daS wird aufs Neue heute klar, da der Graf schwer erkrankt ist. Aus die Kunde von diesem Ereigniß sind drei der Prinzen von Orleans, welche gegenwärtig in Frankreich sind, nämlich der Gras von Paris und die Herzöge von Nemours und von Alenhon, nach Frohsdors abgereist; der Herzog von Auniale hat sich an diesem Schritt nickt bethciligt, weil er dem Vertrag des IahreS 1875, durch welchen der Graf Chambord alS daö Haupt teS französischen Königshauses anerkannt worden ist, nicht beigetreten ist. Der Tod des Grasen Chambord würde den Prinzen von Orleans die Handlungs freiheit zurückgeben und der Graf von Paris würde alsdann als der direkte Nachkomme Loni» Pkilippe's der einzige Prätendent sein Ob er als solcher austreten würde, ohne daß sich eine besondere Gelegenheit dazu karbvte, darf nach der bisher von ihm beobachteten Zurückhaltung bezweifelt werden, aber daß die Partei, welche hinter den Prinzen steht, sich zu Thaten rüstet, ist nach dem bisherigen Gang der Entwicklung sehr wahrscheinlich. Der Bankerott der Republik war an dem Tage erklärt, an welchem da- Gesetz gegen die Prinzen von Orleans die Zustimmung deS Senat« erhielt; an diesem Tage gaben, die Republikaner zu erkennen, daß sie die Prinzen von Orleans fürchten und daß sic die Wiederherstellung der Monarchie m Frankreich nur als eine Frage der Zeit betrachten. Die Ovationen, welche das Osficiercorp» deS in Rouen stehenden Chasseur-Regiment« ihrem scheidende» Oberst, dem Herzog von Chartreü, bereitete, bestätigten die Berechtigung der vorhandene» Besorgniß, die Republikaner wurden inne, daß ibncn die Zügel der Regierung mehr und mehr auS der Hand glitten. AlS dann endlich da« Ministerium Ferry nach langen Unterhandlungen zu Staude gekommen war, traten die Schwierigkeiten der Lage sofort mit größter Deutlichkeit hervor. Die neue Regierung erblickte das Heil der Zukunft allein in der Politik der Abenteuer, ein gewagtes Unternehmen nach dem anderen wurde mit größtem Leicht sinn in Scene gesetzt, und jetzt, wo der Krieg in drei überseeischen Ländern zu gleicher Zeit entbrannt ist nnd ein neuer großer Krieg mit Cbina unmittelbar bcvorsteht, zeigt zugleich der finanzielle Bankerott sein drohendes Antlitz in bedenklicher Nähe. Dazu kommen die Kund gebungen der Anarchisten und der Conslict mit der Curie wegen Beseitigung der HoSpitalgeistlichcn — wohin das Ministerium blickt, überall häufen sich die Schwierigkeiten und Verlegenheiten und mitten in diese Symptome deS beginnenden allgemeinen Zusammenbruchs der republikanischen Institutionen kommt die Nachricht von der scbiveren Erkrankung teS Grasen Chambord! Tritt der Tod wirklich ein, wie man allgemein zu erwarten scheint, dann sind die Tage des Mini steriums Ferry gezählt und eine neue Umwälzung wird nicht lange aus sich warten lasten. Die Aufregung in der Haupt stadt ist schon jetzt, wo daS Ereigniß noch nicht eingetrelen ist, so groß, daß von nicht- Anderem gesprochen wird als von der Krankheit des Grasen Chambord und den Be- rathungen der Prinzen von Orleans, selbst Louise Micbel und die Tonkinsrage sinken im Vergleich damit zu augenblicklicher Bedeutungslosigkeit herab, die Blicke Frankreichs sind gegen wärtig nach Krobskors gerichtet und mit Spannung sieht man der Todesnachricht entgegen. Als Ferry die Geschäfte übernahm, bezeichnet- er daS Jahr 1885 als dasjenige, in welchem die Republik durch die Reform des Senats befestigt werden müsse, er versprach eine in sich geeinte Regierung zu schassen, welche sich nicht bloS als die Vollstrecker!» des Willens der Nation, sondern auch als zur Initiative verpflichtet betrachte, er erklärte cS alS nothivendig, daß endlich einmal eine dauernde Regierung da« Ruder führe, und er vermaß sich, daS fran zösische Staatsschiff glücklich durch alle Stürme bis zu den nächsten Wablcn hindurch zu bugsiren. Der Wille war aut, aber ob die Kraft auöreicken wird, ist mindesten- sehr unsicher. Einen kleinen Vorgeschmack Dessen, wa« in Kürze bevorsteht, brachte die Senatssitziing vom 30. Juni, in welcher der Minister Waldcck-Nvusteau nur mit genauer Noth sein Porte feuille aus der Abstimmung rettete. Der Senator Börenger benutzte di« Verfügung des Äeinepräsecten, welche die HoSpital- geistlichen außer Dienst stellt, uni der Regierung Verlegen heiten zu bereiten, er trat für die Armen und Kranken rin, welchen durch diese Maßregel di« Tröstungen der Religion entzogen würden, und verlangte vom Minister, daß er die Verfügung wieder ausheben solle. Waldcck-Rousteau erklärte sich außer Staude, diesem Wunsche zu willfahren und man schritt zur Abstimmung über die einfache TageSsrdnuna, die der Minister erst nach »er ausdrücklichen Erklärung SchtÜcher'S annah», daß sie Zustimmung zur Politik der Negwrn»^ bedeute. Da« Ergebniß war eme Melirbeit von 16 Stimmen siir den Minister, eine klägliche Mehrheit. Eine merkwürdige Illustration erhält diese Senatssitziing noch durch ein« Mittheilung der „Union", nach welcher Ferry an den Papst eine vertrauliche Note gerichtet hat, in welcher er die Schmierigkeiten der Lage auSciuandersetzt und die Wieder herstellung deS (HehaltS für die HoSpitalgeistlicben verheißt Wenn da« Ministerium Ferry schon dahin gekommen ist. daß e« dem Papst seine Noth klagt, dann ist der Augenblick seines Mcktntt» nicht mehr fern. Der Wahltag steht noch etwa zwei Jahre auS. so lange pflegen die ungeduldigen Franzosen .nicht zu warten, wenn ihnen die Gegenwart nicht aesällt, und da- Intereste, welche« Paris den Prinzen von Orleans zuwenbet, ist heute ein wesentlich gesteigerte« im Berhältniß zu jener Zeit, als über da« Prinzengesetz verhandelt wurde. Damals hatten die Republikaner »och Oberwasser und r« gelang ihrem Einfluß, den Widerstand des Senat- gegen da« Gesetz zu besiege«. Seitdem ist eS klar geworden,' daß auch das Ministerium Ferry nicht im Stande ist. der Lage Herr zu werden, im Gegentheit steht heute Frankreich im Innern wie nach Außen hin entschieden schlechter da alS vor drei Monaten. Unter olchcn Umständen werden sich die Prinzen von Orleans kaum dem Drängen ihrer Anhänger entziehen können, den verfah renen StaalSkarren wieder in Gang zu bringen. Der Herzog von Aumale wird sich kaum weigern, da« Präsidium der Re publik zu übernehmen, wenn eS ihm angetragen wird, und vom Präsidenten Aumale bis zu Louis Philippe U. ist nur ein Schritt. Leipzig, 5. Juli 1883. *Die jüngste RcichStaaSwahl in Hamburg hat de» Socialdemokraten ein Mandat in die Hände gespielt, welches sie nie zuvor besessen haben. ES ist gewiß eine be- acktenSwerthe Erscheinung, daß die« unter der Herrschaft de« Sociallstengesctzes nicht nur, sondern auch dc« kleine» Be lagerungszustandes möglich war. Aus die Vorgänge unter den gegnerischen Parteien, welche zu diesem Resultat bei- getragcn haben, wollen wir heute nicht zurückkommen. That- ache ist. daß eS sich bei dieser Wahl wieder einmal gezeigt hat, daß die Socialdemokratie nicht zurückgegangen ist, sondern im Gegentheil weitere Fortschritte gemacht hat. ES kann nicht scklen, daß derartige Proben auf den gegenwärtigen Stand der soeialistischen Bewegung gegen das Socialisteu- zesetz geltend gemacht werken. Wir glauben aber, nicht mit Recht Die Unterdrückung der socialdemokratischen Gesinnung und Neberzeugung konnte Niemand von diesem Repressivgcsetz erwarten und Hessen. WaS man damit erreichen wollte, war, daß die äußere Agitation auskörte oder wenigsten« einiger maßen beschwichtigt wurde, daß die Bewegung sich nicht in Formen äußerte, die für den Frieden der Gesellschaft und deS Staats bedrohlich waren, daß gegen die Verhetzung der unteren Elasten gewisse Schranken errichtet wurden. Und daß dies im Ganzen erreicht worden, lehrt jeder Vergleich der h-utigen Zustände in den großen Arbeiterstädtcu mit denen vor Erlaß deS SocialistengesetzeS. Die innere Per , söhnung kann nur durch positive sürsorgende' Maßregeln im Interesse der Arbeiter und wirk liche Besserung ihrer materiellen Lage erreicht werten, »nd wir erblicken in jedem Beweis von der fort- bcstchcuden Macht der socialdemokrarischen Partei eine neue Aufforderung, auf dem Wege socialer Nfformniaßregeln rüstig ortzuschreilen, getreu der bei Erlaß des SocialistengesetzeS über nommenen Verpflichtung und entsprechend der kaiserlichen Botschaft. Ein große« Resvrmgesetz auS diesem Gebiet hat der so viel geschmähte Reichstag bereits zu Stande gebracht: die Aussichten sind auch für ein weiteres Fortsckrcikcn aus der eingeschlagcnen Balm günstig. Wir geben zu, daß bisher von einer tiefgehenden Wirkung Vcrsocialcn Resormbestrebungen aus die Arbcitcrwclt noch nickt viel zu bemerken gewesen. Aber wir sind eben auch noch ganz iin Anfang positiven Schassen« und haben Ziele vor uns, die sich der Natur der Sacke nach nur durch jabre-, vielleicht generationenlange Anstrengungen erreichen lasten. Langsamer Erfolg, vielleicht sogar scheinbarer anfänglicher Mißerfolg darf uns dabei nicht absckrecken. In der nächsten Reichelagssession werden voraus sichtlich aus der einen Seite weitere socialpolittscke Resorm- maßregeln, auf der andern Seite eine Erneuerung des im Herbst 1884 ablauscnden SocialistengesctzeS die Gesetzgebung beschäftigen. Die Erwägungen, zu denen der Sieg der Social demokraten in Han,bürg hcrauSforvert, werden alsdann in sehr dringlicher Gestalt wieder auflretcn. * Wie sehr sich da« Cent rum bereit- als Regierungs partei füblt, geht aus mancherlei Anzeichen bereit« deutlich hervor. Nicht nur, daß Herr Winvthorst dem preußischen Cultusminister zuzuruscn wagte, daß in Bezug aus den Schul zwang. wenn auch gegen de« Minister« Willen, eine Aende- rung eintreten werde, nickt nur, daß bereit- auf verschiedenen Wegen an der Wiederherstellung einer katholischen Abtbeilung im Cultusministerium bearbeitet wird, so will daS Centrum auch directen und unmittelbaren Einfluß aus die Anstellung von Staatsbeamten gewinnen. Herr Brüel hat sich iu der letzten Zeit der StaatSregicrnng wieder genähert und sich besonder« bei Herrn v. Puttkamer und de» Conscrvativen durch sein« scharfe Bekämpfung der liberalen Vorschläge bei der Berathunq der VerwaltungScesetze beliebt gemacht. Nach dem nun der Präsident deS hannoverschen LandeSconsistoriums. der srübere Minister Lichtenberg, gestorben ist, wirk von, Eentrum gefordert, daß Herrn Brüel diese Stelle zu Theil werde und soll sich u.A, Fürst Nadziwill, der Gcneraladiutant de- Kaisers, sehr in diesem Sinne verwenden. -Herr Brüel ist nicht nur starr orthodoxer Lutheraner, sondern vor Allem als Welfe Hospitant de« Centrum«. Obgleich bereit« 65 Jahre alt, ist der Herr noch außerordentlich rege und auch im Interesse seiner Politischen Neigungen thätig. Er war früher Unter» staatSsecretair im hannoverschen Eultu-ministerium und nahm im Jahre 1868 seinen Abschied au« preußischen Diensten. Wir glauben, daß die Ernennung de« Herrn Brüel, welcher gegenwärtig Vorsitzender de- hannoverschen Lande«-Svnodal- AuSschuffe« ist, zum Präsidenten de« hannoverschen Landes- ConsiftoriumS ein entschiedener Mißgriff wäre, da diese Be förderung den Welsen neuen Muth machen, den liberalen Deutschgesinnten ihre Lage aber noch erschweren würde. * Nicht ein einziges Wort de« Tadel« hat bisher die RegierimgSpreste über die Ablehnung der Canalvor- sage durch da« preußische Herrenhaus gesunden. Wenn man bedenkt, wie die Volksvertretung regelmäßig mit Vorwürfen überschüttet wird, wenn Vorlagen auch von >oeit geringerer Wichtigkeit an ihrem Widerspruch scheitern, so fällt die Schweigsamkeit, mit welcher die officiöse Presse den be- bäuerlichen Beschluß de« Herrenhauses ausnimmt, um so mcbr aus. Es kann dadurch die Annahme nur verstärkt werde», daß die preußische Negierung einen so großen Werth, wie sie sonst aus ihre Vorlagen, namentlich die wirthschastlxdcn. legt? und wie man ihn bei Einbringen eine« so bedeutsamen und kostspieligen Vorschlag« eigentlich voraussetzcn müßte, kocb/^uf daS Eanalprojcct nickt gelegt hat. Um so mehr aber wirveck dadurch die Aussichten getrübt, daß sie demnächst mitjdtm uinfastcndrn Canalplan für die ganze Monarchie hervortreten werde. Wir fürchten» die Gunst de« Augenblick- ist einmal verscherzt worden, um nie wicderznkehren. * Der Obcrpräsident von Posen, perr vonGünther. bat nunmehr sein Abschiedsgesuch destmtiv zurückgezogen. Derselbe ist einige Tage in Berlin gewesen und bat mit de» Ministern von Puttkamer und von Goßler conserirt, ebeuso ist er vom Fürsten BiSmarck empfangen worden. Herr von Günther hat völlige Gcnugtbuuug bekommen, und seine Austastung der Verhältnisse der Provinz Posen hat durchaus die Billigung deS Herrn Reichskanzler« gesunden. Am Dienstag ist Herr von Günther wieder nach Posen zurückgckehrt. * Durch den Tod de- ReichstagSabg. Professor Arnold wird der Wahlkreis Marburg erledigt. Arnold gehörte der konservativen Partei an und war mit 5740 Stimmen gegen 3639 nationalliberale Stimmen gewählt worden. « » » * AuS Prag wird un« noch über den AnSsall der dorti- aen Lan dkagswahlen geschrieben: „Die Thatsache, daß i» Prag nicht ein einziger deutscher Candidat durchzudringen vermochte, hat selbstverständlich aus die deutschen Bewohner ber böhmischen Hauptstadt überaus verstimmend gewirkt. Die Klcinseite war woht nicht zu retten, denn wenn selbst alle Beamte», unter denen eS ja auch eine sehr große Zahl Czcchen giebt, für die VcrfastungSpartei gestimmt hätten, so wäre diese dennoch mit etwa 100 Stimmen in der Minder heit geblieben. WaS aber die Deutschen Prag« für ibre nationale Zukunft zumeist besorgt macht, da« ist daS über raschende Wahlergebnis in der Iosefstadt. Zwar hat man schon seit iängerer Zeit die Wahrnehmung gemacht, daß die Israeliten, zumal ihre Jugend, zu dem Czechen- tbüm zu neigen beginnen, aber ans einen besonderen Einfluß dieser czcchentreuudlichen Richtung gelegentlich der gegenwärtigen Wahlen war man keineswegs gefaßt. DaS Wahlergebnis in der Icsefstavt bat ein angesehener Prager Bürger, mosaischer Confessioii, in folgender Weise erklärt: „Wir Juden in Böhmen waren stet« ver fassungstreu und liberal gesinnt, so lange eS wirklich eine Bersastungspcirlei gab. Diese besteht aber nickt mehr und so haben wir Jude», nicht du.ch unsere Schuld, unseren Anschlnß- pnnct verloren. Statt der BersastungSpartci agitirt jetzt in Böbmcn unv Oesterreich eine extremere deutsch-nationale Minderheit, mit der wir au« vielerlei Gründen unmöglich gemeinsame Sache machen können. In der deutsch-nationalen Partei führen erklärte Jiident'erfolger, wie v. Schönerer und Andere, da« gieße Wort. WaS natürlich schon ein Her» pt- gruud ist, der unseren Anschluß an diese Partei unmöglich inacht. UebcrdicS wollen wir unter allen Bedingungen Oesterreich und unser böhmisches Vaterland erhalte», wa« man bekanntlich den Dculschnationalen nicht nachsagen kann." * Ein Wiener Artikel deS „Posier Lloyd" schildert, ge stützt aus an maßgebender Stelle eingeholtc Informationen die Stimmungen, welche gegenwärtig im Schcoße der unga risch en Negierung herrschen. Die Negierung könne die Existenz der sogenannten Eisenbalm-CentralisirungSsrage nicht zugcbeu, die Eiscubalnipolitik der Negierung beruhe blos auf den wirth schasttiche» Bedürfnissen und habe mit nationalen oder partei politischen Erwägungen nicht- zu schaffen. Wien müsse der Sitz aller Ccntralbehörden bleiben; allein mit Rücksicht auf de» commorziellcn und technischen Dienst sei die Schaffung von Uitterbahuämtern nothivendig. gegen deren Errichtung bei dem westliche» Tdeile deS Staalsbahiinctzeö selb« die Opposition nicht« einzuwende» hätte. ES sei auch keineswegs aus gemacht. daß derlei Aemter in den Lande«-Hauptstädten creirt werde», sondern dieselben sollen dort errichtet werden, wo e« die Interessen VeS Verkehrs und die strategischen Ver hältnisse erheischen. In dieser Beziehung werde die Regie rung die Ziele und Absichten der leitenden militairischeu Kreise fördern, nach dieser Seite hin kenne sie keine Trans aktionen, Conccssionen und Compromisie. Betreffs der Behauptung, die innere österreichische Politik widerstrebe den Bedingungen de« deutsch.österreichischen Bündnisses giebt der Artikel dem Grafen Taaste das Verdienst, gerade die Gedanken dieser Allianz befestigt, popularisirt unv die panslavistischePartei in Böhmen verschwinden gemacht zu haben; sowie das bei einem großen Tbeil der Berölkerung herrschende Mißtraue» gegen die Absichten Deutschlands beseitigt und alle Parteien überzeugt zu haben, daß Deutschland den Frieden wünsche und im deutsch-österreichischen Bündnisse ein Unterpfand desselben erblicke. Bon der Slavisirung Oesterreichs könne keine Rebe sein, aber auch die Gcrmanisirung sei zum dentsch- vsterreichischen Bündnisse nicht nothivendig. Ein freie« Oester reich, welches seinen Nationalitäten zur Entwickelung ihrer Individualität den weitesten Spielraum gewährt, enisprecke auch besser den Intentionen Deutschlands, als ein Oesterreich, welches nationale Märtyrer schaffen wolle. Officiöscr Pbrasen- schwall I darf man dieser Meldung de« „Wolfj'schen Bureaus" hinzusügen. * Alk« Petersburg wird gemeldet, daß der gemnßregette .GoloS" demnächst wieder erscheinen soll. Herr Kra jewski. der bisherige Herausgeber und Chefredakteur deS Blatte?, Kal nämlich seine Reckle an eine Pariser Gesellschaft abgetreten, an deren Spitze Herr Zicn, gegenwärtig Herausgeber deS „GauloiS" steht. Herr Zion ist ein langjähriger Freund Katkow'S, der. wie eS heißt, da« AblrclungSgeschasl ver mittelt haben soll. Nach dem Gesetze müßte der wieder erscheinende „Goto«" der Präventivrcnsur unterworfen werdeu, allein man behauptet bereit«, daß daS nicht der Fall seiu werde, weil Herr Katkow für die politische Richtung de« Blatte« Bürgschaft geleistet habe. Dasselbe wird in ent schiedener Weise für ein russisch.französische« Bündniß eintreten, die österreichisch« Politik aus der Balkanhalbinsel bekämpfe» und überhaupt die großslawischc Idee unter der Führung Rußland« vertreten. * Tic russischen Zeitungen beschäftigen sich noch immer mit der Tischrede de- Moskauer Bürgermeisters Tsckitscherin zur Zeit der KrönungSseste. ' Der „Ruß" veröffentlichte vor einigen Tagen einen sehr verwässerten und akgcschwächten Text. Dazu bemerkt jetzt di« russische „Peters burger Zeitung" iu einem Nebcrmaß loyalen Eifers da« Folgende: >Dffje Nedactioa der Rede gehört jedenfalls einer späteren Zeit am Bei'Tstche wurde sie einfacher, herzlicher gesprochen. Mehrere Ttadthänptar iahten den schlich derselben in praktischem Sinne aui, einer von ihien iprach die Ansicht au«, es sei unmöglich einiach aus einander zu gehrn, die Beriammlung wüste «in bleibende« Zeichen hinterlvssen. „Weder die Zeit »och der Ort gestattet un- dies", be- merkte hierzu da» Stadtbaupt von Minsk. Er wurde vo» dor Ma jorität unterstützt und alle Acußerungrn »» Gunsten einrr wettere» Fortsetzung der Rede Herrn Tschitschcrin'S wurde» durch dies«» richtigen und entschieden vorgedrachten Protest zum Schweigen gebracht. Tin Theil der Anwesenden, darunter auch Herr Tschilscherin, bestanden aber daraus, diese Versammlung nicht vurlo« verlausen zu lasten und beschloss, den Fürsten von Mon- icnegro und Bulgarien eine Collecriv-Brsit« «bzastatteu. Und in der Thal ungefähr zehn Stadihäiiplrr begaben sich iw de, ge nannten slarischen Fürsten. Diese Handlung der Stadthänpter und Herrn Tichitscherin't beweist jedenfalls ihr» politisch« Takt losigkeit und Unreife. Denn wenn wirklich den Stndihäupter» ganz Rußlands in ihrer kollektiven Vertretung irgend eine Ve- drmuiig beiziim-stcn ist, so durften sie doch nicht, ohne die Macht und Stellung Rußlands zu »ergeben, die auswärtigen Prinzen besuchen, sondern hatten alle insgesammt und jeder einzelne den Besuch derselben erst zu erwarten. — Jeder Kreis in Rußland ist größer als Montenegro, jedes Gouvernement gr-ßer als Bul garien. Das Unpassende in diesem Schritt der 6tadtd-»ptrr trat auch zugleich zu Tage. Der Fürst von Montenegro antwortet« ihnen anfangs gar nicht« und erging sich hierauf i» allgemei»«» Phrase», der Fürst von Bulgarien begann da- Gespräch sofort mit der „schönen Resonanz im großen Moskauer Theater". Mit dieser Resonanz verließen dann auch die Stadihäupler den Fürsten. Der Führer, welcher seine Schaaren in eine solche „Refonanzftellnng" bringt, ist ziiin Mindesten ungeschickt zu nennen. Na« die Rede Tschitfcherin's selbst anlangt, so enthalt diese nicht« Schlechte». Sie war einfach taktlos und unpassend; dem Haupt« de« Staate«, dem Kaiser allein stand das Siecht zu, in diesen Tage« z« reden." * Wie wir der .Morning-Post" entnehmen, sollen be züglich ber Donaufrage die Eabinete von Berlin. Wien und Petersburg auf die Vorstellungen Lord Granville'S bin den festen Entschluß gefaßt baden, auf der vollständigen Turchsiibrung aller seilen« der Londoner Konferenz gefaßten Beschlüsse zu bestehen. Dem genannten Londoner Blatte wird noch überdies au« Berlin gemeldct, daß Deutschland an die rumänische Regierung ernste Vorstellung gerichtet und die Annahme der Londoner Beschlüsse gefordert habe. Wohl im Zusammenbange nnt diesen Nachrichten unterhält der rumä nische Gesandle in London mit seiner Regierung einen leb haften Tepeichcnwcchsel und hatte auch mit Lord Granville mehrfache Eonfcrenzcn. * lieber den jüngsten Aufenthalt de« belgischen General« Brialmvnt in Rumänien melden noch die Bukarester Blätter, daß der General säiumtliche HeereSanstalten und die wichtigsten strategischen Puncte de« Lande« inspicirt Hab«. Er begab sich auch in Begleitung de« rumänischen General« AugcleSco, Commanvenr de« 3. ArmeecorpS, nach Galah, >vo er die Hascnbautcn, die kort stalicnirtc Flottille, d«Ä Arsenal und de» Donauarm besichtigte, der nach Macin führt. In Fwgr auch von uns gemeloeten österreichisch« rumänische» GrriAcouflictS in Itzkaui ist Hm Olanceeo, Generak<Direct«r de« Departement« der iu» directen Stenern im Finanzministerium, von der Negierung mit der ttiilersnchiiiig der Vorgänge in Iykani beauftragt worden und bereits dahin abgegangen. — Ter im rnmäm- schcn KncgSministerium angestellle Oberst BengeSco hat im Aufträge desselben eine Reise nach Deutschland und Frankreich angctrcteii. um mit dortigen Tuchfabriken Liese- rungSverträgc jür die rumänische Armee abzuschließen. * DaS seil etwa vierzehn Tagen in Sofia verbreitet« Gerückt, daß der Urheber der bulgarischen Verfassungs änderung, General Ernroth, in der Eigenschaft eine- Ralhe» de« Fürsten Alexander wieder nach Bulgarien kommen soll, bestätigt sich. General Ernroth bekleidete im liberalen Ministerium Karawelow-Zankow, welches daS Fürstenthum vom April l880 bis Mai l88l regierte, daS Portefeuille de« Krieges. Er war eS, der, deS demagogischen Treiben« sein-r Ministereollegen überdrüssig, dein Fürsten den Rath gab, die Constitution nuszubeben und die bekannten Vollmachten zu bcgebren. Selbstverständlich hätte der General, nachdem die Sanktion der VersastnngSänderung durch die große Sabranje m Sistowo erfolgt war. da« Reorganisation«, werk weitersübreu sollen. Da er aber in der Action des diplomatischen Agenten Rußlands Herrn Hit-rowo ein unüberwindliches Hindcrniß für die Durchführung seiner Ausgabe erblickte, kehrle er, obgleich die große Sabranje ihn durch eine Deputation bitten ließ, Bulgarien in einem so kritischen Augenblicke nicht zu verlassen, nach Rußland zurück. WaS den General Ernroth von allen anderen russischen Generalen, welche im bulgarischen Staatsdienste stanken, die Generale Sobolew und Kaulbarö inbegriffen, unlerscheidct, ist. neben seinen höheren imlitawijchen Ewnn- schaslen, seine ausgedehnte Bildung und seiu scharfer Ver stand. Von seiner Loyalität, seinem re Stichen Charakter lege» alle seine Acle während seiner Wirksamkeit in Bulgarien ein sprechendes Zeugnip ab. Ec duldete niemals die von'Anderen oft nachsichtsvoll zugelassenen Verschleuderungen öffentlicher Gelder, er schasste alle Sniecuren ab und sendete deren Inhaber nach Rußland zwriick; er setzte die unmäßig hohen Gehalte herab und begann hiebei mit seinem eigenen; mit einem Worte, er lhat so ziemlich da« Gegentbeil von Dem, was die anderen russischen Generale zu them für gut fanden. Seine Lcyalität gewann ihm allgemeine Sympathien und auch die des diplomatischen Corps in Sofia, mit dem er die besten Bestellungen unterhalten hat. E« läßt sich nur wünsche», daß c« dem General Ernroth gelingen möge, in daS durch die bisherigen Minister nur zerrüttete VerwÄtungSwescn de« Fürsteitthum« wieder Ordnung zu bringen. Uni der Berechtigung der Behanptimg, daß die gegenwärtigen Minister die Verwaltung des Lande« geradezu desorganistrrn, zu erweisen, dürsten folgende, keineSioegS vereuizeUr Thatfach« genügen. Der Iustizniiiiister hat in der letzten Zeit 60 gerichtliche Beamte ibreS Amte? enthoben und 70 Deaurte versetzt. Bon dem Minister deS Innern ist die sehr bemcrkenSwerlhe Lei stung zu verzeichnen, daß er in mehreren Städten und Dör fern Candivate», welche bei den letzten Communalwahten in der Minorität geblieben waren und deren airarchistifch« Ge sinnung notorisch ist. zu Bürgermeistern ernomit hat. Denn man erwägt, daß auch die anderen Munster bemüht si,d, sich in die Annalen de» FnrstentdiiipeS mit ähnlichen Thal« einznzeictincn, »nd sich die an dieser Slslle geliefert« Wider der Situation in Bulgarien in Ermncrlmg ruft, so wird man begreifen, daß die Bevölkerung nach einer Nenderrm- der Laae tieie Sehnsucht empfindet. * Eine Petitwii der sranzösischen Waessrnjabri» kanten ist seiten« deS Ministeriums günstig ansgenemmen worden. Zufolge der Aeußernngen de» Ministerpräsidenten und deS KrieqSministcrS ist zu vermuthen. daß binnen Kurzem an die Kammern eine GcsetzeSvorlage, betreffend Aushebung der die Privalwassensabrikalion in Frankreich belastende Pro» hibitivbcsiimmungcn, geleitet werdrn wird. Eompetent»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite