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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830714
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-14
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Ned-rtiou und Lrprditiia IohaiineSgasse 83. Hprechstundkn der tirdarliou: vormittags 10—IS Uhr. Nachmittags ü—6 Uhr. tzilr Sl> «ln^I-ndler Manulercht« ««cht ßch die sredaclion nicht »erdmdUch, »«««-«, »er skr »ie «Schsts«l,ru»r Nu«««r bef»t««ten Inserat« a« W«<heuta>rn bl» S Uhr Nachmittags, a« S««n- uu» -esttagen früh »i»Utzr. 3n den Filialen für Zus.-^nnahme: Otta Klemm, UniverfltLt-strahe LI. Lauts Lüsche, Katharinenstrahe 18, v. nur »t» '/,S Utzr rimMr.TWtiM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage 18,100. Abonnementspreis Viertels. 4'/, Md. incl. Bringerloh» 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer LO Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren lür Extrabeilagen ohne Postbesörderung 39 Mk. Mit PostbcsSrderung 48 Mk. Inserate Kgespaltcne Petitzeile 20 Pf. LrSßere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Dabellarischer Say nach höherem Tarif. Keclamen unter dem ltrdartionsstrich di« Spaltzeile SO Pf. Inserate find stet« an die SrpeVlttan »a senden. — Siabatt wird nicht gegeben. Zahlung pnrevumerauäo oder durch Post- nachnahme. ^-195. Sonnabend den 14. Juli 1883. 77. Jahrgang. Jur gefälligen Veaihlung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den IS. JnU, Bormittags nur bis 1?» Uhr geöffnet. Lxpeältlon Los I^elprlxer ^axedlatte«. Amütcher Theil. Bekanntmachung, die staatliche Gtnkommensteuer betreffend. In Gemäßheit de« Finanzgesetzes vom l. März vorigen IahrcS »nd der Ausführungsverordnung dazu von demselben Tage ist der zweite Termin der diesjährigen Staats-Ein kommensteuer an» IS. Juli diese- Jahres »tt 20 »,o de- NorinalsteuersatzeS fällig. Die hierorts Steuerpflichtigen werden deshalb aus- gesortert, ibre Steuerbeträge ungesäumt »nd spätestens binnen drei Wochen, von dem Termine ab gerechnet, an unsere Sladtstcucreinnahme. Brühl 5t, 2. Stock, bei Ver meidung der nach Ablaus dieser Frist gegen die Säumigen eintretenden gesetzlichen Maßnahmen abzusiihren. Leipzig, den 6. Juli 1883. Der Rath der Gtadt Leipzig. Gö Vtkanntinachung. Wegen Pflasterung und Umlegung der Pferdebahn wird der Osrininiatsche Gtetnweg aus der Strecke zwischen " > Hauptpostgebäude und dem Flinsch'schen Hause einerseits der Kreuzung mit der Querstraße und Nürnberger Slraße andererseits in der nächsten Heit während mehrerer Woche» für den durchgehenden Fährverkehr sowohl, als aus de» jeweilig in der Ausführung begriffenen Strecken ür allen unbefugtest Fährverkehr gesperrt. Der Beginn der Arbeite» ist für Montag, de« 23. diese- Monat-, in Aussicht genommen, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß dieselben erst etwas später ange angen werden können. Die jeweilig noch nicht in Angriff genommenen beziehentlich ertiggesielltcn Strecken werden für den Fährverkehr nach und von den anliegenden Grundstücken, soweit thunlich, frei- gegeben werden. Während der Arbeiten an den Eingängen der Querstraße und Nürnberger Straße müssen auch diese Straßeneingänge aus kurze Zeit abgesperrt werden. Die abgesperrlcn Strecken werden in der üblichen Weise durch Placatlafcln bez. Laternen bezeichnet werden, und wir werden alle Diejenigen unnachfichtlich nach tz SS8" de« Strafgesetzbuches um Geld biS zu 00 Mark oder mit Haft hi- zu IE Tagen bestrafen, welche sich erlauben, die für allen unbesngten Fährverkehr gesperrten Strecken unbefugt zu befahren. Leipzig, am 9. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. vr. Georgi. Söhlitz. Vekailntmilchung, die Beiträge zur Handelskammer betreffend. Mit dem am IS. Juli diese- Jahre- fälligen zweiten Termine der staatlichen Einkommensteuer ist, wie znsolgc ergangener Verordnung deS Königlichen Finanr- ministeriumS vom 18. vorigen Monat» genehmigt worden ist, behnsö Dockung de- Aufwandes der bieogen Handelskammer von den bctbciligten Kauflcule» und Fabrikanten ein Beitrag in Höbe von Drei Pfennigen aus jede Mark desjenigen StcncrsatzeS. welcher nach der im Einkommensteuergesetze ent haltenen Scala auf daS in Spalte ck deS Einkommensteuer katasters cingcstellte Einkommen der Beitragspflichtigen ent fällt. zu erheben. Diese Bekanntmachung gilt als legale Benachrichtigung der BeitragSpfiichligen. Den bethciligten Steuerpflichtigen wird bei Abführung ihrer Einkommensteuer Eröffnung über den auf sie entfallenden Handelskammcrbcitrag gemacht werden, rS ist ihnen indeß auch unbenommen, sich von heute ab an Einnahmestclle die Höhe deS gedachten Beitrags bekannt geben zu lassen. Der Betrag ist binnen vret Wochen, vo» dem Termine ab gerechnet, an unserer Staktsteuercinnahme, bei Vermeidung der sonst eintretenden gesetzlichen Maßnahme», abzuführen. Leipzig, den 8. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Göblitz. Vekanntmachrmg, die katholische Rircheuanlage betreffend. Zur Deckung dos Bedarf« für die römisch-katholischen Kirchen derErblandc ist für daS lausende Jahr eine Parochial- anlage nach Maßgabe der Verordnung vom 4. April 187S in Höhe von Achtzehn Pfennigen vo« jeder Mark de- normalmästigen Tinkommenstenerfatze- am IS. Juli ». «. zu erheben. Die hierzu beitragspflichtigen katholischen Glauben» genossen werden andurch aufgefordert, ihre Zahlungspflicht vei unserer Stadtsteuercinnahme, Brühl 5t, btanen dre Wochen, von dem Termine ab gerechnet, zu erfüllen widrigenfalls nach Ablauf dieser Frist gegen die Restanten da- vorgeschrirbene Bcilreibungsversahren einzuleiten ist. Leipzig, den 6. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Göhlitz. Subhaitations-Palent. Da« lm Grundbuche de» Unterzeichneten Amtsgerichts von Aschackai«, Band 1, Blatt Nr. 12, als Eigeulhuin de» Friedrich Ernst Jähnigen verzeicknete, an der Eisenbahnstation Zschackau belegen« ZwrlhnfkNgnt mit einem GesammtflScheninhalt von 34.4900 liu ertragSsiihigen Boden und 0,l480 lia Hosraum nebst den daraus stehende» Gebäuden soll von den Erben des gedachten Elgenthümer- i» dem ans de» 3. Erptember 1883, vormittag» 10 Uhr, an Gcrichtöstellc Zimmer 22 anbcraumtcn Termine im Wege der frettttliigeu Subhastation versteigert werden. Mitverkaust werden eine Anzahl todter und lebender Jnventarienstücke, Erntcvorräthe und da« Recht aus die etwa noch stehenden Früchte. Das verzeichn ist der Jnventarienstücke — au« dem i» den Rach lahacten brsiiidlichen Nachlab-Berzeichniß ersichtlich — sowie die daS Gut betreffenden Auszüge aus der Grundsteuermutter, und Gebäude steuerrolle nebst GrundstückS-Taxe und die Hauptkaufbedingungen — alles in den Nacklastacten befindlich — find in unserer Gerichts« schreiberei Hl werktäglich ron 11—12 Uhr vormittags cinzuseheu. Snzuzaklen sind elwa 18000 oder mehr. Darin sind die Grundstücke auf 39618.68 Torgau, dc» b. Juli 1883. klaialiches ««tssertcht. Bekanntmachung. Eingetretener Umstände halber ist einem 7 Jahr allen Mädchen die sernerwcite elterliche Pflege und Erziehung entzogen worden und in Folge dessen in Ermangelung anderweiter Anverwandten der Fürsorge der Gemeinde anheim gefallen. Indem man dies hiermit zur öffentlichen Kenntnis bringt, ergeht an Alle diejenigen, welche vielleicht gesonnen sind, das obgedachte Kind, welche« bi- jetzt in guter Erziehung sich besunden. freiwillig in Pflege und Erziehung event. an KIndesstalt auszunehmen, hiermit da» Ersuchen, bchul« näherer AuSkunstserthrilung sich an die unter zeichnete Gemeindeverwaltung wenden zn wollen. «mtzung. den II. Juli IV83. Grmetiidrverwalrnn,. Günther «.-«. Ztener-Zuschlag zur Veckung des Aufwandes der Handelskammer. Die Handelskammer hat beschlösse», zur Deckung ihre» Ber« Wallung» - Aufwandes, einschließlich deS Aufwandes der Börse, von ihren Wahlberechtigten, d. i. von denjenigen Kaufleutcn und Fabrikanten in Leipzig und i»l Bezirke der AmtShauptmannschaft Leipzig, welche in Spalte >l deS Einkommensteuer-KatasterS (Ein- kommen ans Handel, Gewerbe u. s. w.) mit mindesten- 1900 >l eingeschätzt sind, sllr da« lausende Jahr einen Eteuerznfchl«» »a« drei Pfennig auf jede Mark derjenigen Steuersatzes, welcher nach der in tz. 1L de« Einkommensteuergesetze« enthaltenen Skala aus da« in Spalte ä des Einkommensteuer-KatasterS eingestellte Einkommen jede« Beitragspflichtigen riNfaven würde; mit »un imf drn 1b. Juli tz. A. anstehenden Hebctermin erheben zu lasse», und er wird dieser Zuschlag hiermit ausgeschrieben. Leipzig, den 2l. Juni 1883. Der Barsitzentze her Handelskammer. Vr. Wachsmut h. vr. Aensel, S. Ltcikbriesscrneuerung. Der hinter dem Schr.cidergesellen Arietzrtch Afimn« au« Diepholz unterm 7. Juni d. I. erlassene Steckbrief wird hier« ch ern durch erneuert. Camburg, den 12. Juli 1833. Der Amtsanlvalt. Zeitz. Nichtamtlicher Theil. Der Staatsrath. Im Beginne dieses JahrcS tauchte in den ossicivsen Blät lern der Gedanke aus, den preußischen Staatsrath, welcher so lange der wohl verdienten Ruhe gepflegt hatte, daß Nie mand mehr von seiner Existenz etwa« wußte, wieder herzu- stellcn. DcrPlan war unbestimmt und im Drange der zahlreichen parlamentarischen Ausgaben, die das Interesse deS Politikers und LeS PubiicumS in gleicher Weise in Anspruch nahmen, bald vergessen; nur die Nachricht wurde schließlich verbreitet, daß Fürst ViSmarck die einzelnen preußischen Minister um ihre specicllen Gutachten über die Wiedereinsetzung eine- StaatSralhS ersucht habe. Neuerdings verlantel nunmehr, daß diese Gutachten cingegangcn seien. Ob zustimmend oder ablehnend, da- entzieht sich natürlich ebensowohl unserer Kcnntniß, wie der aller anderen Nicht-Minister; auch da» wissen wir nicht, ob das Project nur einen StaatSralh für Preußen oder für da« ganze Reich inS Auge gefaßt hat. Wir babcn bereits vor einigen Monaten unsere Bedenken gegen die Wiederherstellung diese-Organismus, welcher neben dem Ministerium und den parlamentarischen Körperschaften eine ziemlich unklare Competenz hätte, dargelegt. Heute wollen wir einmal die Entstehung deS StaatörathS und seine früheren Leistungen einer näheren Betrachtung unterziehen. Der StaatSrath erscheint ziemlich früh in den monarchischen Verfassungen Europas als die collegialischc Zusammensetzung deS höheren VerusSbeamtciilhuniS zur stetigen Berathung LeS Staatsoberhauptes in den höchsten Staatsangelegenheiten, be sonders zur Dorberatbung der Gesetzentwürfe und Verord nungen und zur rechtlichen Begutachtung der VerwallungS coiiflicte und Beschwerden Nachdem in den ersten Anfängen unserer staatliche» Entwickelung die Hierarchie der Kirche für alle humanen Ausgaben und Staat-Zwecke allein die Beamten geliefert hatte, bildete bei weiterer Entwickelung daS weltliche Beamtcnlhum einen Stand, kessen schließlicber, bedeutungsvoller, ja weltgeschichtlicher Berus die Ueberwindung der ständischen Gegensätze der europäischen Well geworden ist. In den größeren Staaten erscheint nun überall ein „Gcheimrath" welcher anfangs die Spitzen der geistlichen und weltlichen Stände mit den hohen Beamten auS persönlichem Vertrauen vereinigt, in welchem dann aber das reine Beamtenclement daS Uebergcwicht bebält. Wie die Bildung der stehenden Armee die phvsische Macht, so verleihen diese „Conseils" de» Landesherr« der answachsenden Monarchie die rechtliche und sittliche Macht, welche die geschiedenen Elemente deS Volks leben« zur höheren staatlichen Einheit führt. Auf dem Con tincnt geht mit Ucberwältigung der ständischen Verfassungen daran- die absolute Monarchie hervor, in England ist der endliche AuSgang ein entgegengesetzter. In allen Cultur- ländcrn Europa« aber bewegt sich der Versassungöstreil seit dem Ende de» Mittelalters in dem gegenseitigen Berbältniß zwischen diesem königlichen Nach und den ständischen Körper schäften wie in einem Brennpunkt. ES würde »n» zu weit führen, auseinander zu setzen, wie der StaatSrath in England schließlich mit der AuSbildun; des parlamentarischen Leben», obgleich er dem Nonien nac» noch immer besteht, zu eiiiri» nicht« mehr bedeutenden Col legium herabgesunken ist. AllerkingS besteht da» councll" heute sogar aus 200 Mitgliedern, die Versammlung wird aber nur sehr selten und auch dann nur zu Ccrmomal- acten geladen. Die früheren Hauptgeschäfte de« SlaatSratbL oben sich verthe>lt unter Ministerratb, Parlament »nd eichsgerichte. — In Frankreich erscheint daS „conseil äu rot" schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert aiS der tändige Hauptkörper der StaatSrcgierung, mit welchem daS Königlhnm Stände und Parlamente überwindet. Die Revolution hob dann zwar im Jahre t79l den Slaatöratb auf, doch wurde er bald wieder hergestellt und auch die neue Republik hat daS „coiweil ä'ötut" nicht rn entbehren ver mocht, aber die Stellung desselben alS BerwaltungS- x;ericht der ordentlichen Gerichtsverfassung cingesügt. In Deutschland hat die StaatSratySbildung ähnliche formen und Competcnzen, aber, wie daS Beamlentbum elbst, einen verschiedenen Charakter entwickelt. In Oester reich, Kurbrandenburg und in den übrigen größeren Staaten gewinnt der „Geheimratb" oder „Hosratb" und ähnliche ständige Körperschaften eine stetig wachsende Be deutung aus Kosten der verfallenden Landstände. DaS reine Bcamtenrlement verdrängt die anfangs noch darin aus genommenen ständischen Elemente. Am deutlichsten erkennbar wird die Bedeutung dieser Ein richtungen in dem kurbrandenburgischen „Geheimen StaatS- rath". ES kam hier darauf an, die dem neuen StaaiSmcsen notbwendigei» Gewalten, insbesondere die Militair-, Finanz-, Polizei- und Kirchengewalten mit dem hergebrachten RccbtS zustand dock in möglichster Schonung der Rechte und In teressen der herrschenden Classen dnrchzusübren. Unter dem Titel der „von Gott gesetzten Obrigkeit" schaffte sich die StaatSregieruna schrittweise zuerst die nothwendiacn Finanz- und Militairkräste, ordnete sich sodann durch daS„OoeraufsichtS- reckt" bi« ständischen, geistlichen und städtischen Corporationen als Organ« der Staatsgewalt nntcr »nd verband mit den auS- siihrcnden Organen zugleich die Entscheidung über die Collisionen zwischen dem neuen und alten Recht. Der StaatSralh bildete dafür eine böchstbegutachlende und tbatsächlich regelmäßig ent scheidend« Behörde, in unmittelbarer Correspondenz mir dom Landesherrn. — Mit dem Fortschritt dieser Regierung-weise bildeten sich feste Normativbestimmungen für die Ausübung der Staatsgewalten, und so wurde der StaatSrath durch eine Stellung zugleich bcrathende Behörde für Ge «tze und Verordnungen. Die Hauptschwierigkeit der damaligen Verhältnisse lag in her iängleichartigkeit der zusammrngesüatcn Landgebiete und ihrer hechte, und das Streben nach Stetigkeit und Gerechtig keit gab dem höchsten Regien»ngskörper «u wesenttichen Puncten die Gestalt der ständigen collegialischen Obergerichte. Allein so sehr auch diese Form der Staatsregierung den deutschen Rcchtsanschauungen entsprach, so schwerfällig wurde sie allmälig für die wachsenden Bedürfnisse einer neuen Zeit. Schon am Schluß der Regierung Friedrichs deS Großen erstarrte der Geheime StaatSralh mit seinen unförmlichen Ab- theilungen zu einem geistlosen Körper, der mit den Ideen und Bedürfnissen der Epoche der französischen Revolution nickt mehr Schritt zu halten vermochte. Die Stem-Hardcnbcrgsche Reform hat diesen monströsen Körper zerschlagen und ein einiackeS, durch greifendes. der neuen Reformgesetzgebung entsprechende- Ministeriatsystem an seine Stelle gesetzt. Daneben sollte aller dings auch ein „Staatsrath" gestellt werden, dieser trat aber erst später und nur als gesctzberathender Körper wieder in- Leben. Dieser vermochte trotz einzelner musterhafter Ge worden. Wenn sich diese Meldung bestätigt, so würde sie nicht wenig zur Befestigung de« Ministeriums Ferry bei tragen, denn Waddington gehört zu den Persönlichkeiten Le» republikanischen Frankreich, welche daS Vertrauen aus die Festigkeit ihrer Grundsätze und die Dauer eine- von ihr über nommenen Amte« erweckt. Waddington'S Ernennnng zum Botschafter in Wien würde aber noch eine ankere Auffassung zulassen, und das ist der Beginn eine- sich vollziehenden Um- IckwungeS, welcher den Rücktritt deS Ministerin,»- Ferry alS erste unausbleibliche Voraussetzung bat. Ferry ist schon zu oft genölbigt gewesen, die volle Uebereinstimmung aller Mit glieder seines Ministeriums zu betonen, als daß ker Glaube an die Dauerhaftigkeit seiner Regierung noch Boden haben könnte und seine Beflissenheit, persönliche Beziehungen nach allen Seiten hin in ostentativer Weise aufrecht zu halten, kann auch nicht dazu dienen, Vaö Vertrauen in vie Festig keit seiner Stellung zu erhöhen. Tie Vorgänge, welche sich am IO. Juli in der französi schen Dcputirtcnkammer bei Gelegenheit der Interpellation über die Tonkinsrage abspiclten, warfen bereit« die Schatten der kommenden Ereignisse voran-, Eassagnac hat zwar schon manchen Scandal in der Kammer provocirt, aber die Art, wie er gegen die beiden Minister Cballemel Lacour und Ferry an jenem Tage ausgetreten ist. läßt erkennen, daß er die Zeit zu einer Hauxtaclion für gekommen erachtet. Cassagnac gilt mit Recht als eine der Hauptstützen de» Kaiserreich-, aber sein Verhalten seit der Erkrankung de» Grasen Cbambord bat gezeigt, Latz er an der Wiederber- stollung deS Kaiserreich- unter einem Bonaparte zur Zeit verzweifelt und deshalb nicht abgeneigt ist, der Fahne kes Grafe» von Paris zu folgen. Diese Symptome dürfen nickt »»beachtet bleiben, denn sie beweisen, daß eine starke Strö mung zn Gunsten deS Orleani-mu» existirt, und daß eS nur auf geschickte Vcniitznng der Umstände ankommt, um die Ding« in Frankreich in» Rollen zu bringen. DaS Ministerium Ferry ist theil» durch eigene Schuld, thcilS durch die Fehler seiner Vorgänger in eure Lage ge kommen, daß c« nicht mehr weiß, wo aus und wo ein, aus allen Seiten erheben sich Schwierigkeiten, denen e» rathlo» gegenüber steht und, wenn auch die Mehrheit der Kammer noch an, 10. Juli daS Vertrauen auf die Klugbeit und die Festigkeit der Regierung auSgedrückt hat, so ist man doch darüber einig, daß diese- Zeugniß mehr au» Verlegenheit als aus Ueberzeugung ausgestellt worden ist. Der Präsident Grevy hat allmälig durch die Erfahrung gelernt, daß die Besetzung der Botschasterposte» für ihn me wichtigste und zugleich schwierigste RcgierungSbandlung ist, die Wahl muß auf Persönlichkeiten gelenkt wsrd«, welche dem wechseln den Strom der Meinungen möglichst wenig unterworfen sind und welche durch ihren Charakter und ihren Ruf die Bürg schaft der Dauer ihrer Stellung leisten. Wenn die «eignete« Persönlichkeiten die Vertretung Frankreich» im AuSlande be sorgen, dann bleiben die auswärtigen Beziehungen wenigsten» von dem unaufhörlichen Regierungswechsel «n Frankreich unberührt. Grevy sucht nach und nach da» Gleichgewicht zwischen den Vertretern Frankreichs im AuSlande und den Personen, au» welchen die Regierung zusammengesetzt ist. herzustellen, denn nur dadurch ist die Stabilität zu erreichen, ohne welche ein größerer Staat auf die Dauer nicht existiren kann; schon wenn Ministerwechsel nicht mehr Botschasterwecksel mit ins reoen. b,cr ocrmowic rroy einzeiner n,u,lcrya,icr , schon wenn Mmisterwechsel nicht mehr Botschafterwechsel mit setzeSarbcitcn keine feste Stellung mehr gegen die Minister-1 Notl,Wendigkeit nach sich ziehen, dann leidet die Achtung, gemalten zu gewinnen, wurde selbst bei PrivatrecktSgesetzcn I welche Frankreich beim Auslande genießt, nicht so sehr nl« R- umgangcn und von Friedrich Wilhelm IV. als ein Hauptsitz I drunter. Der größte Fehler, welchen da« gegenwärtige der ihm mißliebigen „Bnreaukratie" angesehen. Er» in I Ministerium Frankreich« begangen hat, war die Desavouirung später Stunde wurde eine Rechtsprechung deS StaatSrath» I peS Gesandten in China, Bouräe, ohne diesen Fehler existirte über die „Competenzconflicte" hergestellt, welche äußerlich dem s --- -- --- französischen Muster felgte, der Sache nach aber durch den 1 definitiven Charakter seiner Entscheidungen und durch Aner kennung der Gesetze als absolute Norm doch mehr den 1 Charaltcr der deutschen Gerichtsbarkeit annahm. An dieses System der Staatsverwaltung schloß sich nun seit 1848 eine Verfassung nach belgischem, französischem und englischem Muster a», ohne Rücksicht darauf, daß diese fremden Verfassungen eine von der Ministervcrwattung unabhängige VerwaltnogSrechtsprechung haben. Man lanbte, daß die „Minislcrvcrantwortlichkcit" die Stelle der echtsprcchung über das öffentliche Recht ersetzen könne, hatte aber weder den Mnth noch den ernsten Willen, eine solche zu rcalistren. Die völlige Unsicherheit und Schutzlosigkeit der Verfassung-- und BcrwaltnngSzesetze hat lange Zeit die öffentliche Meinung zu keinem ernsten Entschluß einer Be sckränkung deS, wie sich Gneist auSdrückt, „departementalcn" Absolutismus zu bewegen vermocht. Unter den heutigen Verhältnissen qiebt eS kaum noch einen Platz für den StaatSrath, heute dürfte die Herstellung eine« gesetzberathenden StaatSratheS daS größte Hinder niß darin finden, daß Competenz und Zusammensetzung für eine solche Körperschaft schwer zu finden ist. so lange daS Berhältniß zwischen Reicks- und Landes Verfassungen sich im Fluß befindet. Nothwendiger als je war dagegen die Herstellung einer von der Ministcr- verwaltungunabhängigen Rechtsprechung über die streitigen Fragen der Verfassung und der Anwendung deS Verwaltung- rechts, und diese ließ sich nur in einem sachverständigen collegialischen Beamtenkörper finden, während eine Recht sprechung durch Behörden der Selbstverwaltung erst von unten herauf neu zu schaffen war. Seit dem Jahre 1875 hat man nunmehr in Preußen ein „Oberverwaltun, gericht", welche» dem Wesen der deutschen Gericht« Verfassung entspricht; leider reicht aber dieser Gerichtshof noch nicht an die Centralverwaltung heran. Immerhin erscheint un« bei der jetzigen Entwickelung unserer staatlichen Organisation in Deutschland die Wieder herstellung de- StaatSralhS nicht möglich. Wir glauben also, daß eine Beschränkung deS neuerdings so gehaßten keine französisch-chinesische Differenz und damit fiel die Hauvt- sorge fort, welche jetzt da« Ministerium Ferry drückt. Em« solche Behandlung darf Waddington als Botschafter Frank reichs in Wien schon auS dem Grunde nicht befürchten, weil er nicht so leicht in die Lage kommen wird, vollkommen selbstständig zu handeln, er wird sich vor jeder Hauptartioa dc» Einverständnisses der Regierung versichern können. Der Botschafterposten in Wien ist für Frankreich von be sonderer Wichtigkeit, weil Frankreich sich mit der Hoffnung schmeichelt, eö werde ihm eine- Tage« gelingen, mit Oester reich ein Bündniß abzuschließen. Es hat nicht an Kund gebungen gefehlt, welche daS Vorhandensein dieser Hoffnung unzweifelhaft darthun. Die Behauptung deS Professor- Martin, daß ein slavisckcS Oesterreich aus die Dauer nicht bündniß- fähig für Deulschlcmd sei, hat nicht nur in Frankreich selbst, sondern auch in Oesterreich große- Aufsehen erregt „nd die deutsch-liberalen Organe, voran die „Neue Freie Presse", haben da« Ihrige gethan. um die Wichtigkeit dieser fran zösischen Meinungsäußerung in da« reckte Licht zu setzen. Auch in österreichischen NegicrnngSkrcisen ist diese Kund gebung nicht ohne Eindruck geblieben j wie a»S den mannig- sackcn Bemühungen hcrvorgcht, die Festigkeit de« kentsch- vsterrcichischcn Bündnisse« alS über jeden Zweifel erhaben darzustcllcn. In einen, Artikel deS „Poster Lloyd", welcher seinen Ursprung deutlich an der Stirn trägt, wird im Gegcn- theil für taS Ministerium Taaffe daS Verdienst in Anspruch genommen, den Gedanke» diese- Bündnisses in der ciSlei- tbaniscben Reich-Hälfte befestigt zu babcn, denn die pcmsla- vistische Partei in Böhmen sei verschwunden, und daS bei einem großen Theil der Bevölkerung diese« Lande» vorhanden gewesene Mißtrauen gegen die Absichten deS Fürsten BiSmarck seigleicksallS einer vertrauensvollen und vcrsöhnlichenStimmnng gegen denselben gewichen. Graf Taaffe tritt der Auffassung entgegen, als beabsichtige er Oesterreich zu slavisiren, er will nur der Bethätigniig der Individualität der Nationen Oester reich» den weitcston Spielraum gewähren. Selbstverständlich schenken die Franzosen diesen Auseinander setzungen keinen Glaube», sondern erblicken in der Festigkeit, mit welcher Gras Taaffe sein Programm dnrchzusühren be- „Parlamentari-muS" durch 'einen preußischen oder deutschen I ^bt ist, die Bürgschaft dafür, daß eine« TageS da- dcutsch- StacitSrath nicht cintreten wird. Ein gewichtige-Wort hätte I ^^^icklschc Bündniß zerfällt, und diese» Zcrsetzungsproccß übrigen» die LandeSvertretnng dabei auch zu sprechen, und Ibeschleunigen, ballen sie auch für die Hauptaufgabe deS diese dürste die Idee de« „StaatSratbS" kaum wohlwollender I französische» Botschafters in Oesterreich. Waddington er- aufnehmen als den Gedanken de- „Volkswirthschaftsratb»". I für diese Ausgabe »a, so geeigneter, alS er ja noch ^ ' vor Kurzem Gelegenheit gehabt hat. d,e Svmpatbrm der russischen Slaven für Frankreich an Ort und Stelle kennen zu lernen, er war Zeuge der Aufmerksamkeiten, welche sich die Vertreter der sranzösischen Presse in Moskau zu erfreuen batten. E« ist ja bekannt, welche Hoffnungen Frankreich fort dauernd auf Rußland- Frenndsckast setzt, rin russisch-französische» Bündniß ist nach französischer Auffassung ebenso unausbleiblich, wie rin französisch-italienische- Bündniß. Wie groß die Chancra Wa--ington. Der ehemalig, französische Minister des Auswärtigen. Ver-! treter Frankreich« bei ver Berliner Conserrn» des Jahre« 1878, endlich KrönungSbolschaster Frankreich» in Moskau, ist dem vernehmen nach zum Botschafter in Wien ernannt
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