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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.08.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188308166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830816
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830816
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-08
- Tag1883-08-16
- Monat1883-08
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.08.1883
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' - """"" WWWWWW Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Letarti»« uni Lrpe-itUm Johan»«»g«sse 33. Lprechkandkn -er Xe-ariion: vormütag» 10—13 Uhr. Nachmittags b—S Uhr. tzi» »«, «XI»«»« kt»«r<.>a«ri «»mUcript, »a»« »4 »„ ««»«»«> »»« »«»»»ich, ««nah»« »er fir »tr »ichftf«l,e»d« Nu««er »eftt««ten Inserate an Wachentage« »t» S Uhr Nachmittags, a» Sann- an» Festtagen frSH hi» V.» Uhr. In den Filialen für Zns.-^nnahme-. vtt« Klemm, Uuiversitätsstrahe 2t, Lani» Äsche. Katharineuftr-ße 18.». mir »iS '/.3 »hr UcipMtr TngMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. — Auflage IS,IV«. Abonnementsprris vierielj. 4'/, Mt. incl. Briaaerloha 5 Mt., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer SO Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen ohne PostdcjSrdernug 30 Mi. mit Postdesörderuag 48 Mk. Inserate 6gespaltcne Petitzeile 20 Pf. Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer u. Zifsernsatz nach Höhen» Tarif. Lerilnuev unter dem Uedactionsstrich die Epaltzeile 50 Ps. Inserate stad stets an die krpevittan z, senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prnmnuuenmäo oder durch Poft- »achuahmc. 228. Donnerstag den 16. August 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. AMsns-Vekanntmachnns. Im AuctionSlocale dcS Unterzeichneten NatheS, Gerber straße Nr. lO. Hof, l Treppe, sollen Mittwoch, den 22. diese» Monat», Dorm. S Uhr 1 Schrcibsccretair, 8 Kteiderschränke, 4 SvphaS, 2 Pulte, 8 Spiegel, 1 Waschtisch, 3 Commodcn, 1 Regulator, 12 Taschen». 2 Wand» und 2 Stntzuhren, 1 Stempel- presie, golduc Ringe, 1 Partie Kleidungsstücke :c. rc. an den Meistbietenden gegen sofortige Baarzahlung öfsentlich versteigert werden. Leipzig, den IS. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Renker. Bekanntmachung. Im Monat Juli dss. ZrS. gingen beim Armenamte ein: 1500 Vcrmächtniß von dem am 8. Juni n. o. ver storbenen Privatmann Herrn Carl Wilhelm Heinrich Grünler, 300 » — « deSgl. für die ArmenhauSbewohner von dem selben, 1500 - — - deSgl. von dem am 2l. Juni ». <r. zu Paris verstorbenen Herrn Simon Emden, 51 - 40 « Uebersckuß von den freiwilligen Beiträgen zu den Kosten der Ncumarkl-Petition, durch die Herren Aumann L Co.» 3 « 30 « „Herrn Heinrich'- Partiegeld", 30 « — » Wegen Unterlassung der Zusendung den Ver- lobungSkarten von Frl. Marie Oehlker, Lehrerin der Tanzkunst, und Herrn Hofballet meister Bernardelli, 20 - — « „Sühne von O. R", durch die Post, 2 « 55 - Ucberschuß der Gebühren und Vcrläge für einen für Herrn Friedcmann in Wien aus gestellten Reisepaß durch da» hiesige Polizeiamt, 20 « — - ai» Sühne in Klagsachen K. '/. I. durch Herrn Rechtsanwalt Erter, 2 - — »als Sühne in Sachen B.'/. L. i ^ » — « » » , - H. V- F. Idurch Herrn 3 » — » » » » » K. '/. F. l Frieden»- 5 - — « » « » « W. /. U . s richtcr 5 - — - . « - » P. /. B. I Conrad, K»— »» » » » Th. St.l 3»— »» » - « W. '/- ist. idurch Herrn 2» — »» -- « M. '/. P. l. FriedenS- 2 » — « « « - » I. /. D. s richter - Th. '/. K. 1 Jauck aen. 3466 25 Summa. Leipzig, den 7. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armenamt.) Winter. L. Bei der hiesigen Ober-Postdirertion lagern die nachbezeichneten »nbcftelldare» Postsendungen: L1o»vur«1I»I»rt«1<e. Au» Leipz»»: an S. Marx L Co. in Löthen v. IS.,1. 83, an Thomas E. Bray in Neapel vom S2./12. 82, an Otto Gras, Privatier in Rabenhansen v. 18./3. 83, an Marie Seifert bei Wetzstein in Zwickau v. 11./3. 83, an Polster, Gutsbesitzer in Neutzsch b. Leipzig v. 10./2. 83, an Agst. Müller, postl. Seida bei Wittenberg v. 26./S. 83, an R. Löhr in Menton ». 18./12. 82, an Frau verw. Letter in MarSdorf b. Dresden v. 7./4. 83; aus Ztvicka« (Sachsen): an Lehmann Kohlberg. Kaiserstr. 13 t» Berlin v. S./3.83; aus Döbeln: an Rosalie Mahr, im Krankenhause in Hof v. 21./4. 83. Lti»- Idraoln»»«!»«. Aus Leipzig: an Zyla Wajmann in Opatow, Rußland, v. 8./4. 83. AuS Leipzig: an Gerichtsvollzieher Ahrend in Quedlinburg v. 2l./2. 83 über ^l 20.00; aus Taucha (Bz. Leipzig): au Frau Dittrich in Lübben (Lausitz) v. 1./12. 83 über ^ 20.00. «ns St. Johann (Saar): an Bellinger in Leipzig v. 4./1. 83 über 2.40. Die unbekannten Eigenthüiner beziehunaSweise Absender der vor- bezeichnete» Gegenstände werden hiennit ausgefordert, ihre Ansprüche au dieselben binnen 4 Wochen, vom Tage des Erscheinens dieser Bekanntmachung an gerechnet, bei einer Postanstalt des Ober-Post- directionS-BezirkS Leipzig geltend zu machen. Haben sich nach Ablau der vorgedachten Frist zur Rückforderung Berechtigte nicht gemeldet, so wrrdra die Geldbetrüge der PostunterstützungScasse überwiesen. Leipzig, de» 13. August 1883. . Der Kaiserliche L der-Post»irrctsr. In Vertretung: Lalame. Submission auf Grd- und Pflaster- re. Arbeiten. Die zur Verlegung von Telegraphenkabeln zwischen dem Post» gebäud« am Augustusplatze und dem Dresdner dezw. Magdeburger Bahnhöfe hierseldst, sowie zur Herausnahme der zwischen dem jetzigen Telegravhenamte in der Kleinen Fleischergasse und dem Dresdner Bahnhöfe liegenden Kabel auf einer Strecke von zusammen etwa 2880 w erforderlichen Erd«, Pflaster- und Bekicsungsarbriten sind zu »ergeben. Die näheren vedinaungen können bei der Ober-Postdtrection. Büreall der Ablhcilung IV, während der GeschSftSstnnden eingrsehen werden. Unternehmer wollen ihre Angebote unter der Aufschrift „Kabel Verlegung" verschlossen und srankirt bis zum 21. d. M. vormittag- 11 Uhr an die Kaiserliche Ober.Postdrrection Hierselbst gelangen lasten. Die Eröffnung der Angebote erfolgt im vorbezeichneten Büreau zu dem angegebenen Zeitpunkte in Gegenwart der etwa erschienenen Anbieter. Der Kaiserliche Vder-Pofthtreetor. In Vertretung: Ealame. Sr. Die zur Pflasterung der Weberstraffe Hierselbst erforderlichen Arbeiten und Aeserungen, veranschlagt excl. der Iusgemeinkosten au 11,865 », solle» am Freitag, de« 24. h. Mt»., vormittag» 10 Ahr im Weoe der Submission vergeben werden. verschlossene und mit der Aufschrift ..Pflaster»«» her Geher Kratze" versehene Offerten sind ans dem Rathhonfe — Zimmer Nr. 10 — hstrselbst, woselbst auch Anschlag und Bedingungen während der Dienststnnden ausliegen, abzugeden. Zeitz, den 13. «ngust 1863. Der Magistrat. Bekanntmachung. Wegen Herstellung der Korhstrafle wird dieselbe auf der Strecke von der Kronprinz- bis zur FichteAraße von Donnerstag, den 1«. dsS. MtS. av sür allen unbefugten Kahrverkehr gesperrt. Leipzig» am 11. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. Iw. Tröndlin. Hennig. Nichtamtlicher Theil. Die Gewerbesreiheit. Freizügigkeit und Gewerbesreiheit, diese werthvollsten Er rungenschaften des Liberalismus, werden von unseren rück- 'chrilttichen Heißspornen immer wieder und wieder bekämpft und verantwortlich gemacht für alle Schattenseiten in Handel und Verkehr. Wenn cs nach Herrn von Kleist-Netzow ginge, müßte unsere ganze Entwickelung um mindestens hundert Jahre ziiriickgcscbraubt werden, und so bedauerlich die That- ache ist. cS darf nicht übersehen werben, daß eine große Zahl von Zünftlern den Vorschlägen der schlimmsten Rückschrittler Bci- äll zollen und ihre Unterstützung leihen. Der Presse bleibt in Erfüllung ihres heiligen Berufe» nur das eine Mittel, immer wieder und wieder Wahrheit und Klarheit über die Fragen zu verbreite», weiche eigentlich längst nicht mehr streitig sein ollten. Aber so lange sie eS noch sind, wird man unS wenigsten» immer auf dem Plane finden. Jede Gcwerdthäligkeit und jede Arbeit, welche Wertbe Lasst und keinem unsittlichen, gemeinscbädiichen Zwecke dienk, bat Anspruch auf den Rechtsschutz dcS Staats und freie Entfaltung. Staat und Gesellschaft werden durch die ge werbliche Arbeit gegründet» erhalten und zum Forschreiten befähigt. Die gewerblichen Arbeiten der einzelnen Indivi duen greisen in wunderbarer Weise in einander, bedingen und ergänzen sich gegenseitig; sie bewirke» die fortgesetzte Verbindung durch wechselseitige Leistungen, welchewir „Verkehr" nennen — ein lebendige» Netz von Beziehungen, da» Be dürsniß und Leistung ununterbrochen knüpfen und lösen Frelheit der Arbeit und sreie Concurrenz sind daher als die HaupIförderungSmittel dcS Wohlstände» ganzer Staaten, wie einzelner Staatsangehörigen zu betrachte». Jeder Staat, der da» Glück seiner Bürger befördern will, sollte c» daher zu seinen wichtigsten Verpflichtungen zählen, jedem Bürger Schuh zu gewähren in dem Neckt und der Freiheit zu arveiten, sich zu entwickeln, seine Kräfte zu gebrauchen und die Frucht seiner Arbeit zu genießen. Diese Freiheit und dieses Recht ist älter als der Staat, eS ist jedem Menschen angeboren und als da» ursprünglichste aller Menschenrechte zu betrachten, denn der Mensch wird mit Bedürfnissen geboren, deren Befriedigung zum Leben unerläßlich ist und mit Organen und Kräften, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Tic Anwendung der Kräfte zur Arbeit kann aber dem Menschen offenbar nickt» nützen, wenn er nicht gewiß ist, die Frucht seiner Arbeit auch lür seine Bedürfnisse verwenden zu können. Diese Gewißheit und die Sicherheit der verarbeiteten und ersparten Güter ist daher auch einer der ersten Zwecke dcS Staats. In dem Schutze dcS Eigenthum» und derSlckerheit allerBürgcr iin Innern und nach außen, sowie in der Rechtspflege und der Förderung aller höheren Staat-Zwecke, welche weder Privatpersonen, noch reie Associationen, noch Gemeinden durch eigene Kraft er reichen können, liegt daher die Hauptaufgabe der Regierung. Jeder Versuch dcS Staat» dagegen, sich als eine Art zweiter Vorsehung de» Erwerbs- und VerkchrSIebenS mit seiner bevor mundenden Allgewalt hervorzudrängcn, kann den gesunden frischen Weltkamps der Arbeitskräfte nur beeinträchtigen, und durch einseitige» Eingreifen in die Ecwerbthätiqkeit und durch Zwangsverordnungen laust man immer Gesahr» mehr zu schaden als zu nützen. Von diesem Standvuncte auS beharren wir aus der For derung der vollen, unbedingten Gewerbesreiheit, waS keines wegs identisch ist mit Gesetzlosigkeit oder schrankenloser Willkür. DaS Wesen der Gewerbesreiheit äußert sich nickt darin, daß die Ausübung de» Gewerbebetrieb» außerhalb der Gesetze de» Staat» gestellt wird, sondern besteht darin, daß die Berechtigung zum selbstständigen Erwerbe nur die allgemeinen bürgerlichen Gesetze, nicht aber obrigkeit liche» Ermessen oder au-schließende und beschränkende Be fugnisse Einzelner oder bestimmter Corporationen entscheiden. ES ist auch unter der Gewerbesreiheit selbstverständlich, daß jeder Gcwcrbtreibeud« den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten Genüge zu leisten habe. Neben den allgemeinen Gesetzen bestehen noch zum Schutze der Gesellschaft und deS staatlichen Zusammenlebens für einzelne Gewerbe gewcrbS- polizeilichc Vorschriften. ES ist selbstverständlich, daß die Re gierung keine Pulvermiihlen mitten in der Stadt errichten läßt; eS ist gerechtfertigt, daß der Staat beim Bau von Häusern die Beobachtung gewisser feuerpolizeilicher Vorschriften verlangt, daß er Verordnungen bezüglich gesundhcitSgesährlichcr und die Nachbarschaft störender GcwerbSanstalten unterläßt rc, Man kann daher einräumen, daß eine völlig unbedingte, schrankenlose Gewerbesreiheit nirgend- vorhanden ist, und daß gewisse Gewerbe laut bestimmter Gesetze nur unter gewissen Bedingungen betrieben werden dürfen. Wenn man aber gegen die volle Gewerbesreiheit von reactionairer Seite ein» wendet, daß die Vielheit der frei neben einander frcilhätigen Einzelwirthschaslen unter allen Umständen eine „Ordnung" verlange, so ist darauf zu erwidern, daß die freie Concurrenz mit ihren segensreichen Wirkungen der zuverlässigste Regulator de» Erwerbsleben» und der zwar unsichtbare, aber dock immer gegenwärtige Gesetzgeber ist, der Ordnung und Regel in die so ausgedehnten, verwickelten und tausendfach ver zweigten industriellen Beziehungen zu bringen vermag. Kein Verständiger, der ernstlich bemüht war, sich in da» große Geheimnis der ArbeitStheilung zu vertiefen, wagt zu be haupten, daß menschlicher Scharfsinn jemal- im Stande wäre, seine Vorstellungen von Ordnung. Regel, Zweckmäßig keit diesem in Millionen von Adern auSlausenden OlganiSmu- de» Erwerbsleben» auszuzwingen. Die „Ordnung", wie sie dem Ideal der Communislen und Socialisten entspricht, würde weder aus Gerechtigkeit beruhen, noch zur Förderung de» Nationalwohlftantc» beitragen, vielmehr jede Bewegung und jede- Fortschreitcn der arbeitenden Menschbrit hemmen. Im KricgSheer ist diese Ordnung unerläßlich, weil ohne DiSciplin kein Erfolg errungen werden kann, weil hier nur der Gedanke eine- Einzigen und die Mit Wirkung Aller zu einem einzigen gemeinsamen Zweck den Sieg herbeisührt. In der Industriewelt findet da» Gegenthcil statt, da sind die Gedanke» und Bestrebungen ebenso mannigfaltig wie die Erfolge. Ebenso verschiedenartig wie die Erfolge ind die Mittel, um zu Wohlstand zu gelangen. Diese Mittel lassen sich nicht anbeschlen und militairisch an- ordncn, sie wechseln je nach dem ProductionSzweige, der Einsicht, den Fähigkeiten, dem Fleiße, den Verbindungen, den Capitalien und der Lage eine» jeden Geschäftsmannes und Arbeiter». Die Anstrengungen, welche jeder in seinem Kreise nach selbstersonnenem Plane und selbsterwählter Arbeits methode ausbietct, sind eS. woran- die Gcsammtordnung ent springt. Je besser und energischer ein GcwcrbSmann unter der Herrschaft der freien Concurrenz seinem Privatvorlheil nachrinat, desto stärker fördert er den Nativnalrcichthum. Jede Einmischung einer obrigkeitlichen Gewalt schadet dem Zwecke, d. h. der Production, weil keine Obrigkeit sich ebenso gut daraus versiebt, wie der Privatmann und den Verstand und die Sclbstthätigkcit de» Produeenten nie ersetzen kann. Roscher macht mit Recht daraus aufmerksam, „daß man die pädagogisch wohllhätigen Folgen der Freiheit eben nur von der ganzen Freiheit erwarten könne". Ter freie Verkehr und Erwerb ist jedenfalls am besten geeignet, in daS Zn- ammenwirken der Mcnsckcnkräste die nöthige Harmonie zu bringen. Schutz gegen Concurrenz ist nach Stnart Mill gleichbedeutend mit Enthebung von der Nothwcndigkcit, ebenso leißig und geschickt zu sein wie andere Leute. Die Gcwerbc- reihcit ist natürlich nur einer der Factoren, um Wohlstand zu schassen, sie ist kein Universalmiltel gegen sociale Schäden und keine Garantie gegen Mißbrauch. Allein so wenig man die Sonne zu verlheidigen braucht, obgleich sie zuweilen die Erde verbrennt, die sie nur erlencbten und erwärmen sollte, wenig braucht die ErwcrbLsreihcit und freie Concurrenz vertheidigt zu werden, welche für die arbeitende Welt dasselbe ist, WaS die Sonne sür die physische Welt. Der neue Generalgouverneur von Nusfisch-Polen. General Gurko, der kürzlich zum Generalgouverneur von Polen ernannte Held auS dem letzten Türkcnkriege, hat kürzlich bei einem vom Warschauer OsficiercorpS veranstatteten Banket die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Zukunst den Slaven gehör« und seine volle Uebereinstimmung mit dem „unvergeß lichen und unersetzlichen" Skobeleff, wie er ihn nannte, betont. ES wäre daS an sich nicht» Außerordentliche-, denn Achn- licheS geschieht in Rußland bei jeder passend erscheinenden Gelegenheit, aber im Königreich Polen haben derartige Worte ihre besondere Bedeutung im Munde eines berühmten russi schen Heerführer», welcher gewürdigt wurde, den wichtigsten militairischen Posten in der gcsammtcn russischen Monarchie auözusüllen. Denn darüber ist kein Zweifel, daß der nächste große Krieg, welchen Rußland führt, an der Wcstgrenze de» Reichs oder in Polen selbst entschieden werden wird. Die Beziehungen zwiscbcn den Herrscherhäusern in Rußland einer citS, in Oesterreich und Deutschland andererseits mögen noch o intimer Natur sein, die Thatsachc ist nicht wegzulcugncn, daß die militairischen Maßregeln, welche Rußland in der wlnischen Grcnzprovinz für nölhig hält, nur durch die Ab- icht ihre Erklärung erhalten, für einen in nicht zu ferner Zeit bevorstehenden großen Krieg, die umfassendsten Rüstungen in» Werk zu setzen. Die rmsischcu Rüstungen in Polen werden hauptsächlich »ach drei Richtungen hin betrieben: ES wird mit fieberhafter Eile ein lediglich nach strategischen ÄesichtSpuncten entworfenes Eisenbahnnetz fertig gestellt, welche» die Festungen Polen» mit dem Centruin de» Reich- verbindet und gestattet, in möglichst kurzer Zeit große Trupmnmaffen an die deutsch-österreichische Grenze zu befördern. Diesem Zweck dient neben der Linie Brcst-LitewSki vorzugsweise die Linie Dombrowa-Dcmbtin- Iwangrod, deren Bau gegenwärtig mit aussallenvcr Energie betrieben wird. Mit Fertigstellung dieser Linie ist dann daS große polnische Eisenbahnnetz in der Hauptsache vollendet. In Verbindung damit steht die Anlage neuer Befestigungen in den Festungen Warschau, Modlin, Iwangrod und Brest LitewSki. Modlin und Brest-LitcwSki erhalten je 8 neue iort-, Iwangrod deren 6 und Warschau sogar 16. denn diese ötadt ist der Mittelpunct der gesammten militairischen Vc wegungen. welche seit Beendigung de» TürkcnkriegS mit stet- wachsendem Umfang in Polen vorgenommcn werden Von Kowno bis nach Kamieniec-PodolSki sind 8 Cavallcrie- Divisionen und 16 reitende Batterien als Grenzcordon ge zogen und die Cavallerie ist so organisirt, daß sie zugleich als Fußtruppe zur Verwendung kommen kann. Dazu werden große Distanceritte unaufhörlich geübt und dadurch Eil märsche improvisirt, welche im Fall eines Kriege» sich als sehr nützliche Vorübung erweisen werden. Welchen Werth die russische Heeresleitung aus die Cavallerie legt, bat sich auch bei den KrönungSselcrlichkeitcn in Moskau gezeigt, bei welchen die Gardckosaken durch ihre Ncitcrkunsistiicke die zrößte Bewunderung erregten. ES erscheint nicht überflüssig >>ch diesen Sachverhalt vor Augen zu führen, weil der Zweck aller dieser Anstalten zu offenkundig ist, als daß er nicht ver standen werden sollte. E» ist klar, daß man auf deutscher Seite alle diese Be wegungen mit Aufmerksamkeit beobachtet und die entsprechen den Gegcnmaßrcgeln trifft, um jeder etwaigen Uebcrraschung energisch gegenüber treten zu können. Auch in den deutschen Grenzprovinzen ist da» strategische Eisenbahnnetz vervollstän digt worden, und zwar wurden am 15. August eröffnet die 45.3 Kilometer lange Reststrccke Mohrungcn-Allcnstein der Linie Güldenboden-Allenstcin, ferner die 70 Kilometer lange Strecke Konitz-Laskowitz. die 76.8 Kilometer lange Reslstreckc Graudenz-Marienburg der Linie Thorn-Graudenz^Marienburg und endlich die 17 Kilometer lange Zweigbahn Kurnatowo- Kulm. In Verbindung mit diesen neuen Eisenbahnen er halten die TruppendiSIocationen nach Lvck, Allenstein und Deutsch-Eylau. welche bisher keine Garnison hatten, und die sonstigen Truppenvcrschicbungen im Weichselgcdiet erst ihre Erklärung, sie bilden die notbgedrungene Antwort aus die alle« Maß überschreitenden Truppeuanhäusungen, welche Rußland in Polen für nöthig hält. Rußland« Berhättniß zu Polen hat sich seit den letzten 20 Jahren sehr geändert. Die Polen werden nicht mehr al» Rebellen betrachtet, welche mit unnachsicbtticber Strenge und mit der Schärfe de» Schwerte» niedcrgrbaltcn werden müssen, um ihren Sendergelüstcn die Spitze abznbrechcn, sondern man bemüht sich, ihnen Rußland als das slavischc Bruder land anzupreisen, mit welchem Polen innig verwachsen, jedem Gegner überlegen sei. General Gurko hat sich in seiner Warschauer Banketrede nicht darüber ausgesprochen, daß er die deutschen Gegner meint, aber zufällig ist kein anderer Feind da, welchem Rußland die slavischc Ueberlcgenhcit zeige» könnte. Ueberdies würde schon die so eindriiigtich hcrvor- gebobene Uebereinstimmung der Ansichten und Empfindungen Gurko'S mit denen Skobciefs'S jeden Zweifel bannen. Graf Taafse, welcher seit dem Jahre 1879 die slavischc Politik mit bewunderungswürdiger Cvnscguenz verfolgt, cheint sich nicht vollständig klar darüber gewesen zu sein, daß er damit in da» russische Fahrwasser gelangt war und baß eine» Tages die Frage an ihn hcrantreten würde, ob eS nickt ganz naturgemäß sei, daß die österreickiscken Slaven den russischen die Hand zun, Bunde reichten. Dieser praktische PanslavisinuS dürfte allerdings nicht dem ursprünglichen Pro gramm des Grafen Taafse entsprechen, aber wer A gesagt >at, wird auch oft wider seinen Willen genölhigt, B zu sagen, und DaS scheint eS. WaS die Hand dcS Bcriiner Corrcspon- benteu der „Bobemia" führte, ais er ihr schrieb, die Audienz des Grasen Kainoky bei Kaiser Wilhelm in Gastein habe nickt nur dazu dienen sollen, etwaige Bedenken wegen der inncrn Politik Oesterreichs bei dem boben Verbündeten dieser Macht zu zerstreuen, sondern ihm auch die Versicherung zu geben, daß fortan in der auswärtigen Politik die slavischc Richtung nicht mehr die ausschlaggebende sein solle. Mag immerhin der Wiener Corrcspondcnt der „Kreuz-Zeitung" die Miene annehmen, aiS sei er vom Auswärtigen Amt in Wien ermächtigt, die Mitthcilungcn des „Bohcmia"-Correspondcnten als willkürliche Combinationen zu bezeichnen, so kann dadurch doch die That- ache nicht auS der Welt geschasst werden, daß diese an geblichen Combinationen fast überall vollen Glauben gesunden haben. Auck in Oesterreich sind die Worte, welche Gurko in Warschau gesprochen hat, nickt überhört worden, und auch in Wien widmet inan den russischen Rüstungen in Polen die Aufmerksamkeit, welche sie verdienen. Gras Kalnoky scheint sich dessen vollkommen bewußt zu sein, auf wessen Seite Oesterreich im Falle eine» russischen Kriege» stehen muß in einem eigenen wohlverstandenen Interesse, von Gras Taafse cheint uns daS nicht so sicher. In diesem Puncte liegt aber die Entscheidung im Auswärtigen Amte, und dessen Politik stimmt mit den Anforderungen deö deutschen Bündnisses überein. Darüber hegen wir nicht den mindesten Zweisel. Die Coosequenzen ergeben sich von selbst. Leipzig, 16. August 1883. * Bei den Reichstagswahlen in Kiel und Wies baden ist besonders das verstärkte Hervortreten der Socialdemokratie ausgefallen, wie c» überhaupt nicht an sehr beachtenSwerthcn Anzeichen dafür fehlt, daß diese Umsturzpartei trotz der auf sie geübten äußeren Re pression in de» letzten Jahren erheblich an Boden gewonnen hat. Indem man die Ursachen dieser wenig erfreulichen T hatsacke sestzuslellen sucht, verfällt man aus die wider- prechcndstcil Vcrmuthungen. Bald ist daö Socialistengesetz noch nicht scharf genug, bald soll gerade dieses Gesetz die heimliche Ausbreitung der socialistischcn Agitation befördern, hier ruft man nach energischer Anwendung'staatSsocialistischcr Mittel zur Besserung der socialen Schäden, damit, um ein zeitzemägeS mcvicinischeS Bild zu gebrauchen, der social- demokratischen VoUökrankhcit der Nährboden entzogen werde, dort macht man gerade die staatssocialistischen Äntäufe der Gesetzgebung für die Zunahme der socialistisckcn Um- sturztcndcnzcn in der Bevölkerung verantwortlich. Wir glauben, weder nach der einen, noch nach der anderen Rich tung dürste man die volle Erklärung der erwähnten Er scheinung und somit den Weg der Abwehr und der Heilung finden. Man meine doch nicht, daß die Hinncigniig der wählenden Bevölkerung zu dieser und zu jener Partei voll kommen durch die Billigung oder Mißbilligung gewisser sach licher Ziele bestimmt werde. Hier spricht die allgemeine Stimmung entscheidend mit, und cs ist nur zu erklärlich, wie sich in Deutschland gegenwärtig eine politische Stimmung entwickelt hat, bei welcher die Socialdcmokratic gedeiht. Viel weniger die sachlichen Streitfragen, welche zur Zeit unser bssent- lichc» Leben bewegen, tragen da an die Sckulv, als vielmehr die politische Methode, welche Platz acgrifscn hat. In den Partcikämpsen der letzten drei, vier Jabre ist mit der poli tischen Moral dcS Volkes in einer Weife ningesprnngcn worden, daß die Früchte solchen Treibens nicht ansbleiben konnten. Indem man systematisch daS politische Lebe» der Nation in die Extreme auseinander zu reißen trachtete, ent fesselte man einen Kampf der politischen Lcidcnsckastcii, in welchem jede» Mittel für erlaubt galt, sofern c- nur dcui Parlciintcrcsse diente. Nie ist der Appell an den niedrigste:! materiellen Eigennutz in so schamloser Weise von be.le» Seiten her laut geworden, nie bat parteiische Entstell».: z und bewußte Verlcnmdung widerlichere Triumphe feiert. Es gereicht unserem Volke zur Ehre, das; Die jenigen, welche ihm um die Wette „panom et oii-oon^" boten, doch nicht allzu viel erreicht haben. Aber wirtung - war diese bedauerliche Periode, deren hervorragendste all: gcberische Frucht der Steuererlaß war. leider nickt. W un cS auch nicht gelang, die politische Moral in Dciitschiaiid ernstlich zu erschüttern und daS Volk in den gehässigen Partei- Hader in der gewünschte» Weise hincinzuzerrcn, so bat ü>!> dock ein Gesübt deS Widerwillens gegen da» politische Treiben in weiten Kreisen entwickctt, welches von verhängnißvollcu Folgen sein mußte. Wenn viele der besten Kräfte dadurch von der thätigcn Förderung der nationalen Interessen abgc- stoßcn wurden, so ist eS andererseits wohl erklärlich, daß ein Theil der unteren Volksclasscn (und nickt »othwendig dcc schlechteste) mehr und mehr der Partei der politischen und gosellschastlickenDesperation anheimfallcn konnte. Diese Seite der Sacke sollte inan mehr beachte», statt über die Zunahme de» ElassenhasseS und deS CtasscnegoiümuS in der arbeitenden Bevölkerung zu klagen. Muß nickt daS Ver trauen der unteren BotkSctassen in unsere staatlichen und ge sellschaftlichen Zustände ausS Schwerste erschüttert werden, wenn die führenden Geister der Nation ihre Ausgabe in selbst süchtigen! und unsittlichem Parteigezänk zu finken scheinen ? Da» oberste Gebot für jeden politischen Mann sei cS, die Würde und Sittlichkeit unsere» öffentlichen Leben» zu bc- wabren, dann wird den, Volke Vertrauen, Zuversicht und Lust an unseren staatlichen Verhältnissen wicdcrkchren, und die socialdemokratischen Wablstnnmen werden wieder ab» ncbmcn. Im andern Falle aber nicht, sei eS nun mit oder ohne Socialistengesetz, mit oder ohne Socialrcsorin. * In der Presse waren kürzlich Stimmen laut geworden,
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