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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307188
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-07
- Tag1883-07-18
- Monat1883-07
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1883
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(Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Kedarllon und Lrprditiou JohanncSgasse 33. Aprrchlllindkn drr Urdattion: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. >>« >t» «wo»»-« nu,«1»»di«r M»n»>cn»t« «acht sich d»e liedacnoa nicht verduiviutz, An««tz«e der sür die nichftfolgend« ßt»««er drstimmten Inserate an Wachentagen bis 3 Uhr Nachmittag», an Sonn- nnd -esttagen früh bis '/,t» Uhr. 3u den Filialen surIns.-^nnahme: Ott» Klemm, UniversttSt-straße 21, L«ui» Lösche, Katharinenstraße 18, v. nur dis '/,3 Uhr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage 48,100. ^«nnementsvreis viertelj. 4'/, incl. Bringerloha 5 ML. durch dir Post bezogen 6 ML Jede einzelne Nummer 30 Pf. Bclegeremplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilaai ohne Postbejürderung 39 ML Mlt Postbejördcrung 48 ML Inserate Sgespaltrne Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut uuserem PrrtS- verzeichuib- labeIlarischer Lay nach höherem Loris. e» lleklamen unter dem Kedactionsstrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stell an die Erheditio» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praemimerancko oder durch Post» Nachnahme. ^?1SS. Mittwoch den 18. Juli 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung, ärztliche Hülfeleistnngen während der Nacht betreffend. Da e< nach den Veränderungen, welche durch die Gewerbe ordnung in den ärztlichen Bcrujsverhältniffen eingetreten sind, nicht mehr erwartet werden kann, daß jeder Arzt auch zur Nachtzeit solchen Personen, die ihm bisher unbekannt gewesen sind, auf Wunsch zu Hilfe eilt, so haben wir mit Zu stimmung der Herren Stadtverordneten beschlossen, den jenigen Acrzten, welche ihre Hilfe bei Nacht der gestalt zur Verfügung stellen, daß deren Namen und Adressen in der »ächstgelegenen PolizeibczirkSwache jeder zeit für Hilfsbedürftige auSgehängl werken können, für einen Nachtbesuch mit Einschluß der erforderlichen ärztlichen Ver richtung ein Honorar von 6 auS unserer Stadlcasse in der Weise zu garantiren, daß bei Inanspruchnahme dieses Garantiebetrages die Nothwcnvigkeit des Eintreten- der Stadlcasse nach den Verhältnissen dcS Behandelten durch unsere Gesundheit-Polizei - Abtheilnng erörtert und fest gestellt wird. Auf die Vermittelung unsere- Gesundheit-au-schusse- hin haben sich bereit- elf in den verschiedensten Gegenden de- Stadtbezirk- wohnende Acrzte ganz allgemein zu nächtlichen Hilfsleistungen bereit erklärt und es wird daher alsbald mit der AuShänguna der Namen und Adressen derselben in den verschiedenen PolizcibezirkSwachen verfahren und obigem RalhSbeschlusse eintretendeu Fall- nachgegangen werden. Wir machen also nicht nur da- Publicum darauf auf merksam. daß bei verkommendem Bedarf sofortiger ärztlicher Hilfe während der Nacht die Namen und Adressen der Acrzte, welche zu dergleichen Hilfsleistung sich bereit erklärt haben, ans den PvlizeibezirkSwachen zu erfahren sind, sonder» geben auch denjenigen Herren Acrzten, welche etwa noch ihre Namen und Adressen zu dem bezcichneten Zwecke zur Verfügung stellen wollen, anheim, dies schriftlich unserer VIH. Ablhcilung (im Stadthaus«) gegenüber bewirken zu wollen. Leipzig, am 10. Juli 1883. Der Nalh der Dtadt Leipzig. vr. Georg». Harrwitz Bekanntmachung. Bei dem hiesigen, den Dienst in Kirche, GcwandhauS- concert und Theater versehenden Sladtvrchcster kommt die letzte Hornisten-Ttellc demnächst zur Erledigung und soll spätestens zum l. October diese- Jahre- mit einem soaenannten Aspiranten besetzt werden, welcher eine» Jahre- gehalt von 1200 erhalte» und gegen beiderseitige cinyalb jährliche Kündigung angestcllt werden würde, zuvor aber einem Probcspicl sich zu unterziehen hat. Geeignete Bewerber wollen ihre Gesuche, eventuell mit Zeugnissen, bis spätestens rum 1. September dieses Jahre» bei un- einreichcn. Leipzig, den 14 Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. De. Gcvrgi.Wilifch, Ast. Bekanntmachung. Der Abputz des Stadthauses am Obstwarkte soll erneuert werden. Bewerber um diese Arbeit werden aus gefordert, ihre Offerten versiegelt und mit der Aufschrift „Abputz de- Stadthauses" bi- zum 2. August er. bei unserem Bauamte, bei welchem auch die Bedingungen und Blanquetö zu entnehmen sind, einzureichen. Leipzig, am 13. Juli 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. CickoriuS. Königliche Bangewrrkenschnle zu Leipzig. Der Unlcrricht in dem bevorstehenden Wintersemester beginnt Mittwoch, den 8. October früh 8 Uhr. Die Prüfung Neuciittrctcnder, welche unmittelbar einen höher» Tnrsu» besuchen wollen, sowie Derjenigen, bei welche» diese- von einer Nachprüfung abhängig ist, ist auf Sonnabend. den L». Lcpteniber kräh 8 Uhr, die Prüfung der für den 1. LurluS sich Meldenden aus Montag, den 1. Vctvber früh 8 Uhr festgesetzt. Anmeldungen Neueintretender sind schriftlich oder mündlich be)m Direktor (Lrtdnizftratze 2S) bi» zum SS. Eeptemder zu bewirten. Der Eintreten»« hat durch Zeugniß den Nachweis zu führe», daß er 1) da- 16. Leben-jahr vollendet hat, 3) daß er mindesten» zwei Halbjahre im Baugewerbe praktisch thätig war, 3) daß er sich bi-her gut führte, 4) daß er eine Borbildung besitzt, wie sie al» Ziel der Volk« schule festgesetzt wurde, b) daß er geimpft ist. Bei höherer Vorbildung, wenn sie durch ein Berechtlgung-zeugnih »um Ginjährig-ftreiwilligcndienst. oder durch ei» Zeugniß mit guten stortschritttcensuren über den Besuch einer Realschule 1. Ordnung, oder ein die gleiche An-bildung bekundende» Zeugniß einer anderen öffentlichen BildungSanstalt nachgewiesen wird- fällt die Aufnahme- Prüfung weg und können bezüglich der Aufnahme»Bedingungen »ater 1 und 2 Erleichterungen gewährt werden. Frühere Schüler der Anstalt, welche in einen höheren Tursu- eintreten wolle» und berechtigt sind, dies ohne Nachprüfung zu thun, haben sich mit einem Zeugniß über ihre praktische Thätigkeit im letzten Halbjahr Lten-tag, de« 3. vet-der, »wischen 8 «nd 1i» VH« t« Lchulloeal« . vorzustellen. Leipzig, im Juli 1883. Pt« Pireetisn. Wilh.Hey. Nichtamtlicher Theil. Zur Miethssteuerfrage. „Meine Herren I Die Steuern müssen aushvrenl" Also haranguirte vor mehreren Jahren in einer Berliner „Volk-versammlung" ein tüchtiger Redner die „verehrten Anwesenden", und der Erfolg — da« heißt der augenblick liche — blieb nicht au», brausende- Bravo lohnte die Worte V«S Menschenfreunde-, ei« Beifall-sturm erschallt« von solche Dauer, daß der brave Mann nackbcr vergaß, die Wege an- ugeben, wie dieser fromme Wunsch zu verwirklichen fei. Er hat »un seinen Beifall weg. und wir zahlen noch immer weiter Steuern und werden sic wobt auch ferner zahlen müssen bi- an unser Lebensende, so ungern wir c- auch tbu». Ja. wir haben noch niemals einen Menschen gefunden, dein cS Freude macht, Steuer» zu zahle», und wir glauben, wir würden vergebens den höchsten Preis auSsetzc», um den zu luden, der mit wirklicher Liebe oder gar mit einem gewisse» Grad von Begeisterung seine Steuern entrichtet. Aus dieses Ideal eines Staatsbürgers muß man eben für imnicr ver zichten, man muß die unvollkommene Welt nehmen, wie sic ist, und so lange der Staat erhalten werken muß — weiter Steuern zahlen. Zu den bestbksebdeten Steuern gehört in der neuesten Zeit die MiethSsleuer, eine Steuer, welche wir allerdings in Leipzig nicht kennen, die aber in Preußen und auch in einige» sächsische» Städten einen große» Theil der Mittel ur Eemciudczwccke ausbringt. Die MiethSsleuer ist aller dings heute mchl mehr so gerechtfertigt, wie sie früher war nnd cS ist deshalb, da wo sie cxistirt, eine lebhafte Agitation gegen sie im Gange, allein cS fehlt dabei die Angabe de» Mittels, wie denn der Ausfall — denn von der MiethS- steuer werden beispielsweise in Berlin ungefähr die Hälfte aller städtischen Ausgaben bestritten — gedeckt werden soll. Wenn wir auf die Entstehung der Miethsstcucr zurück» gehen, so erscheint sie in Deutschland, Frankreich und Eng land in sehr verschiedener Weise. In England hatte die Macht de- KönigthumS früh zeitig den Großgrundbesitz derselben Steuerpflicht unterworfen wie die Städte, und die von den Parlamenten bewilligten Gelder wurden dort nicht wie auf dein Continent auf den Bürger- und Bauernstand abgeivälzt, sondern von den grund- besitzenden Elasten selbst getragen. Die direclc Staat-fleuer heftet sich damit an den Grundbesitz niit der natürlichen Tendenz der Fixirung auf bestimmte Beträge, woraus Venn im achtzehnten Jahrhundert schließlich die Idee einer ab lösbaren Grundrente hcrvorging. Nachdem diese Ablösungen zu einem erheblichen Betrage erfolgt sind, besteht die SlaatS- grundsteucr in einer verfallenen Gestalt noch heute mit einem Iahre-bctrag von etwa einer Million Pfund Sterling fort. — Völlig unabhängig von dieser StaatSgrnndstcner entstand in der Periode der TudorS die heutigen Tage» viel wichtig Realbesteucrung de- Grundbesitzes für Gemcindezwcckc. Al» daS Bcdürfniß vo» Geldbeiträgen und Leistunacn sürArmen- zwecke hervorlral und—ebenso wie zur seiden Zeit in Deutsch land — alS eine Last derOUSgemeindc behandelt wurde, legte die Gesetzgebung der NesorinationSzeit unter Heinrich VIII. die Aiinenlast den Kirchspielen ans, und zwar alS eine Pflicht eines jeden christliche» HauSslaiideS, die von den Bischöfe» eiiigefchärst und ansangS durch die Geistlichkeit erbeben werde» sollte. Schließlich wurde die Arniciipftege dem Friedensrichter iiiltcrstcllt und jedem Eluwohucr für seine Liegenschaften eine Nealsteuer auscrleat. Bei der überaus weilen Ausdehnung der MiethS- und Pachtverhältnisse in England erscheint »un als der Abgabcnpflichtige an erster Stelle der Micthcr vo» Gebäuden, der Pächter von Ländereien: der Grundcigen- tbümcr nur, wenn er daS Grundstück selbst in Besitz und Nutzung hat. Heute bildet dieses Steuersystem die normale Eommunalbesteuerung für Stadt nnd Land, und die „Licgen- schastSstcucr", auS welcher die Gemcindcbedürsniste bestritten werden, bringt mehr alS 14 Millionen Pfund. In Frankreich sollte zunächst der ganze Bedarf dcS Staat- an directcn Steuern aus den Grundbesitz gelegt werden, bei städtischen und durch Bermiclhung benutzten Gebäuden soll der MicthSwcrth nach Abrechnung von 25'/« sür Abnutzung. Reparaturen und Unterhaltungskosten maß gebend sein. Diese Steuer ist allerdings bis heute die Hauptsteuer Frankreichs geblieben, doch sind alS ergänzende Steuern hinzngctrc'cn: die Personal- und Mobiliarstcuer, die Tbür- (und Fcustcrsteuer und die Gewerbesteuer. Die erste dieser Steuern wurde als eine Kopfsteuer im Werth von drei Arbeitstagen und als eine MicthSsteuer erhoben. Die letztere ist eine Mobiliarstcuer, die nach einem Procent satz von dem MiethSwerth aller in der Gemeinde befindlichen mit Möbeln versehenen Wohnräume zu entrichten ist, als Personalstener dcS zeitigen Inhabers der Wohnung. Der Gcsammtbctrag der „Personal- und Mobiliarsteucr" beläuft sich jetzt auf mehr al» 60 Millionen Francs. Tie Zusciiniiie»- wcrsung der MiethS- mit der Kopfsteuer beruht auf dem Grundgedanken, daß sie eine Einkommensteuer darstellcn soll, bei deren Abmessung man lieber da- objective Merk mal des Werthc- der Wohnung al- eine Abschätzung deS Gesammteinkommen- zu Grnnde legen wollte. Als eine weitere Ergänzung der Mobiliarstcuer wurde die Thür- und Fenstcrsteuer cingeführt, die sehr künstlich nach der Zahl der Tbürcn und Fenster in den verschiedenen Stock werken dcS Gebäudes berechnet wird und jährlich mehr als 40 Millionen Francs aujbringt. — Mittelbar dient jene MicthSsteuer auch al» Gemeindesteuer, da die Gesetz gebung den Gemeinden gestattet hat. die directcn StaalS- steuern mit ordentlichen und außerordentlichen „Zuschlag-- Centime-" zu belasten, d. h. 3, 4. 5 bis 8 Proc. Zuschläge sür bestimmt bezeichnet« Grmeintezwccke zu erheben. In Deutschland hat sich eine größere Selbstständigkeit der Gemeinden banptsächlich dadurch erhalten, daß in Stadt und Land der Gemeindeverband a» dem Boden scsthielt, und die Gcmcindeangehöriakeit einerseits in der Theilnahme an den Nutzungen de» Gemeindevcrmögen», andererseits in der Theilnahme an den Ge mein belasten nach dem Maßstab dcS Grundbesitze- sich darstclltc. Auch in den Städten dauerte bis in da- neunzehnte Jahrhundert da- Herkommen fort, welche- die bürgerlichen Lasten, soweit sie nicht durch da» siäbtische Vermögen oder Gebühren gedeckt waren, aus die Wohnhäuser und bürgerlichen Nutzungen legle. Die starke Inanspruchnahme der Städte durch die StaatSbcsteuerung nvthigle indessen die Stadtverwaltung zu vielfachen Ergän zungen ihre- Steuersystem», durch Gewerbesteuern, Verbrauchs steuern. Luxu»stcuern re., unter denen jedoch die Hau-steuer, der .Giebelschoß-, al» Hauptpostcn stehen blieben. Diese Hau-steuern werden nach Herkcmnien nicht vom Miether, sondern vom Hau»eigenthümcr entrichtet, da da- Hau-eigen- tbum normale Grundlage de» activen Bürgerrecht» bildete, Vas Mieth-vrrhältniß dagegen in der Regel nur bei Schutz- verwandten einerseits, bei eximirten Personen (landesherr lichen Beamten, Müitair- rc^) andererseits vorkam, welche außerhalb de» Verbände» der Bürgerschaft standen. — Diese Steuerverbältuisse mußten nothwenvigerweisr eine andere Ge stalt annehmrn, gl» neunzehnte» Jahrhundert allmälig der au- der Freizügigkeit folgende Gnmdsatz zur Geltung kam, da- aclive Bürgerrecht in den Städten nicht mehr vo» einem Bürgerbrief oder einer besonderen Erwerbung deS Bürger rechts gegen Gebühr abhängig zu mache», sondern jeden ansässigen Bürger al« activeS Mitglied der Stadtgemcinde in Beziehung auf die städtischen Rechte und Lasten zu behandeln. Dieser Uebergang au» der älteren „Bürgeraemeinde" in die neuere „Eiuwohuergcineinde" bedingte eine Acudcrung de- städtischen Steuersystem-. Der Miether einer selbstständigen Wohnung, eine? Laden-, eine« EomploirS rc., der nunmehr einen eigenen Hausstand begründet, mußte zu den städtischen LiegcnschastS- steuern hcrangezogcn werden. In Berlin ist dieS bereits durch eine Verordnung vom 26. Januar 1515 geschehen, welche die städtische Hauptsteuer dem Micthcr zu zwei Drittel, dem Hau-cigc»thüiiicr zu einem Drittel auscrleat, wie sie »och heute als HauS- und Miethsstcucr den Grundstock der städti schen Besteuerung bildet. Dieser Vorgang hat jedoch »ur in sehr wenigen Städten Deutschlands eine Nachfolge gesunden. Man bedielt vielmehr so lange wie möglich die herkömmliche Stcuervcrtheilung bei. Wo cS dagegen fiir die vermehrten städtischen Bedürfnisse neuer Steuerarten dcdurftc, ließ man der Autonomie der Städte einen sehr weiten Spiclranm. In Preußen hals man sich seit dem Jahre 182l durch ansangS bescheidene Zuschläge der StaatSelassenstcuer. Der Betrag derselben erhöhte sich, als diese SlaalSsteucr 185l zur „Einkommensteuer" erweitert und damit da- Großkapital entsprechend herangezogen wurde. In den letzten zwei Jahr zehnten sind mit den wachsenden Bedürfnissen diese städtischen, nach dem System der StaatSeinkoiiimensteuer erhobenen Abgaben in dem Maße gewachsen, daß sie oft der drei- bi- sechsfachen StaatSciiikommensteuer gleichkommen und in ihrem Gesammtbetrage sämmtlicbe direkte Staat-stener» übersteigen. In zahlreichen Städten ist bereit- der ganze direkte Sleucr- bedarf aus Einkommensteuern gestellt und der Natur de» KemcindeverbandeS widersprechend die ganze Geuicintesteuer- last vom Grundbesitz aus die Personalsicuern abgewälzt. Tie Unnatur diese« Verhältnisse- drängt zu einer durchgreifenden Gemeindesteucrresorm hin, deren richtige» Ziel, wie Gneist anniinmt, wieder die dirccte städtische Besteuerung aus die Liegenschaften sein wird. Unzmciselhait wird die rechtliche Natur de- Gemeinde verbände- der Hau»- und MietbSsteuer in den Städten noch eine sehr bedeutungsvolle Stellung geben; die MiethS- steuer läßt sich, da wo sie einen wesentlichen Theil der städtischen Bedürfnisse deckt, vorläufig noch nicht entbehren, wenigsten- müßte vorher rin Ersatz für den Anssall beschafft sein:' eine Ausgabe, die nicht so leicht zu lösen ist, wie cS vielleicht den Anschein hat. Bulgarische Zustände. Die russische Politik verfolgt in Bulgarien augenscheinlich den Zweck, daS Land nicht zur Nuhe kommen zu lassen, um, je nach Bedürfniß, an- seinen unfertigen Zuständen und der inneren Verwirrung Borlhcil zu ziehen. Diese Rolle spielt Rußland, seitdem cS sich in Bulgarien festgesetzt und die politische Führung des jungen Staates, freilich nicht im Interesse desselben, übernommen hat. Taö Register der russi schen Einmischungen und Ränke i» Bulgarien ist schon ein sehr lange- und dennoch ist wenig Aussicht aus seinen bal digen Äbschluß vorhanden. Im Gegenlhcil, die jüngsten Nachrichten aus Sofia melden abermals von einem bezeich nenden Schachzuge Rußland-, der aus die politische Bevor mundung Bulgariens Bezug hat. Es heißt nämlich, daß General Ernroth, derselbe, der vor zwei Jahren den bulga rischen Staatsstreich in Scene gesetzt, abermals bulgarischer Ministerpräsident werden soll. Selten« der russischen Blätter wird dieser Nachricht nicht widersprochen, ja sie fügen viel mehr hinzu, Ernrolh habe erklärt, die Ministcrpräsidcntschast in Sofia nur dann übernehmen zu wollen, wenn ihm seine bisherige Stellung als Vertreter deS Gciicral-GouverncurS von Finnland offen bliebe. Sollte die Ernennung Ernroth's zum bulgarischen Minister- Präsidenten wirklich vollzogen werden, so müßte selbst verständlich die Abberufung der Generale Sobolcw und Kaul- bar- von Sofia erfolgen. Daraus zu schließen, daß beide in Petersburg in Ungnade gefalle», wäre indeß sehr voreilig. Rußland hält eS vielmehr bezüglich seiner im Au-lanbe thätigen StaatSpoliliker und Agenten ganz eigenartig. Man erlhetlt diesen bestimmte Instructionen und überläßt ihnen die Wahl der Mittel und Wege, um die von der russischen Politik voiaesteckten Ziele zu erreichen. Machen sich nun. im Laufe der Zeit, die russischen Agenten durch die Wahl ihrer Mittel in dem betreffenden Lande ihrer Thätigkeit unbeliebt oder gerade zu unmöglich, so werden sie abveruse». Sie wissen aber jehr wohl, daß sie dadurch noch keineswegs in Ungnade fallen, der sie sich nur dann aussetzen würden, wenn sie nicht pünktlich an den ihnen erlheilte» geheimen Instructionen sestgehalke» hätte», wa- aber nur äußerst scllcn, ja fast niemals geschieht. Diese eigenartige Haltung der leitenden russischen Kreise kann man sehr häufig wahrncymcn, zumal in der Orienlpolitik Rußland- und der mit dieser engverflochtcncn Thätigkeit der russischen Eonsulate. Aehnlich Verkält eS sich auch gegenüber den russischen Generalen und Beamten, welche in Bulgarien seit dem Ber liner Vertrag im Interesse Rußland- thälig sind. Jeder von diesen hatte sich nach einer gewissen Zeit vollend- ab genützt. aber jeder hatte auch während seiner Dienstzeit die russische Orienlpolitik ihre» Zielen um ein bestimmte- Maß genäbert. Darin besteht die eigentliche Ausgabe, welche die Rüsten seit vier Jahren in Bulgarien verfolge», unbekümmert, ob die bulgarische Bevölkerung damit einverstanden ist oder nicht. Für Rußland handelt eS sich auch gar nicht um die Entwickelung Bulgarien-, sondern e» dient ihm nur al- politisch-militairischc OperationSbasi» zur Verfolgung weilerer Pläne und Absichten aus der Balkanhalbinsel. Die einsichtigen Bulgaren, welche c« mit der Entwickelung ihre» Lande- ausrichtig 'meinen, haben die russischen Absichten schon lange erkannt und dagegen nachdrücklich protestirt. Vorerst fruchtete da- wenig oter gar nicht-, aber schließlich bat e- die Regierung-wirthscbast der Generale Sobolew und Kaulbars, sowie die Einmischung de- diplomatischen Agenten Hitrowo doch so writ gebracht, daß man die Stellung der Erstgenannten schon vor Monaten al- erschüttert betrachten kounte. Allerdings war nicht vorherzusehen, daß General lieutenant Ernroth abermal» zur Ucbernahme der Minister. Präsidentschaft in Bulgarien au-ersehen fei. Wenn sein« Ernennung wirklich erfolgt, wir e- allen Unschein hat, dann ist sic jedenfalls al- ein Ereigniß zu bezeichnen, wclche» bcdeiiklichc Schalten vorau-wirst. Oder ist es vielleicht nicht sonderbar, daß ein Mann wie Ernrolh, welcher der Urbebcr oder mindesten- Vollstrecker der Vernicklung der bulgarischen Verfassung von Tirnowo ist und gerade an- diesem Grunde da- Fürslenlhum Verlusten »nd nach Rußland zuriickkehrcn mußte, abermals in bulgarische StaalSdienste treten soll? Man muß doch in Petersburg wissen, daß die Mehrzahl der Bulgaren General Ernrolh nur mit Unwillen empfangen können, ja seine Wiederkehr geradezu al- eine neue Bedrohung der letzten freiheitlichen Neste deS Lande- aussassen muß, deren Zahl ohnedies nurmehr eine sehr spärliche ist. Und wenn nian die- Alle» in Petersburg weiß und trotzdem die Rücksichtslosigkeit hat, diesen Mann abermals nach Sofia zu senden, so müssen eben die leitenden Kreise der russischen Politik aus alle Folgen eine- solchen Schritte» gefaßt sein. So gewagt auch die Ernennung Ernroth'- zum bulgarischen Ministerpräsidenten au-sehcn mag, so wird diese, aller Wahr scheinlichkeit nach, dennoch erfolgen, weit die Rüsten einerseits sich an den Unmutb der bulgarischen Politiker und Patrioten nicht kebren und üocrdie- der Ueberzeugung sind, daß noch kein russischer General so gewandt »nd rücksichtslos sür da- Interesse Rußland- zwischen der Donau und dem Balkan eingetrelen ist, wie drr der panslavistiscken Politik völlig er gebene Finnländer Ernroth. Seine neuerliche Sendung nach Sofia wäre nur abermal» ein Beweis, wa- man von der Abberufung russischer Staat-Politiker und diplomatischer Agenten zu halten hat. Sie erscheinen sofort wieder auf der Oberfläche, sobald von ihrer Thätigkeit die russische Politik Vorlheile erwartet. Von diesem Standpuncle wird auch die abermalige Er nennung Ernroth's auszufasten sein. Die russische Negierung wird nichts versäumen, um die Stellung diese- General» in Sofia zu befestigen und den Bulgaren begreiflich zu machen, daß sie vorläufig keinerlei Aussicht haben, ihre inneren An gelegenheiten selbst zu ordnen. Die Rückkehr Ernroth'» nach Sofia soll vielmehr den Bulgaren die Ueberzeugung beibringe», daß sie nur bestimmt sind, in einem nach der Meinung de» Petersburger Cabinet- vielleicht ziemlich nahegelegenen Augen blicke jener Politik zu dienen, welche Rußland zur weiteren Entwickelung der Dinge aus der Balkanhatbinsel für die zweckmäßigste hält. Rußland hat seiner Zeit genau so ae- bandelt, al« c« in Bukarest. Athen und Belgrad die Politik der betreffenden Staaten vorschreiben konnte; berücksichtigt man die Ereignisse, die sich seit Jahr nnd Tag aus Rußland- Anregung hin in Ostrumelien und Montenegro vollziehen, so kann man kaum zweifeln, daß man in Petersburg nachdrück lich damit beschäftigt ist, die Balkanhalbinsel zu ganz be stimmten Zwecken im Zustande fortwährender Aufregung und kriegslustiger Bereitschaft zu erhalten. Da« scheint, wie gesagt, sür die russische Politik Hauptsache, wie die- auch ein jüngst über die Balkanfrage handelnder Artikel in Katkow'» „MoS- kow-kija Wjedomosti" angebeutet hat. Wie e» dabei den Bulgaren ergeht, ist natürlich den Rüsten völlig gleickgiltig. we-halb sich jene jedenfalls vor» bereite,> müssen, sich der Dictatur de» General- Ernroth »cuerdiiigs zu unterwerfen. Ob damit auch Fürst Alexander einverstanden ist, wird nirgend- gesagt; überkiaupt ist von diesem in den russischen Organen sehr wenig die Rede, wa» die Lage der Verhältnisse in Bulgarien natürlich hinreichend kennzeichnet. Leipzig, 18. Juli 1883. * Die Hauptaufgabe der nächsten NeichStagSsession wird da« Gesetz über die Unfallversicherung der Ar beiter sein müssen. Ucber die unausweichliche Nothwendia» keit, diese Materie zu regeln, kann kein Zweifel sein. Mil Sicherheit ist anzunehmen, daß die Negierung den Reichstag im Winter um eine abermalige Verlängerung de- Socia- listen-Gesetze- angchen wird. Wir scheuen nicht vor dem Bekenntniß zurück, daß wir diese Ver längerung für erforderlich halten. Ebenso fest aber steht un- die Ueberzeugung, daß. wenn die Repression gegen die Aliüschreltungcn der Socialbemokratie nicht mebr Schaden al- Nutzen bringen soll, auf dem Wege der positiven Maß regeln zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Elasten endlich, und zwar zuin Mindesten gleichzeitig mit der Ver längerung de- Socialistengcsetze-, ein wirklich bedeutender Schritt aetha» werden muß. DaS KrankenversichcrungSgesetz ist mit Neckt als besonders beachtcnSwcrtbcr Ausang einer neuen Aera der Socialpolitik begrüßt worden. Aber man bars nicht vergessen, daß in den Arbcitcrkreisen, insbesondere den industriellen, weit dringender da- Bedürfniß einer Sicherstellung gegen die wirthschasllichen Folgen vo» Betriebsunfällen emptunden wirb und daß in der That der Gedanke de» Krankenversickerungs- zwangeS nur oder hauptsächlich nur deswegen so rasch ver wirklicht wurde, weil man seiner zur TurckHihrung der Unfallversicherung bedurfte. Unter diesen Umständen sieht man der NeuauSarbeitmm de- UnfallversichcrungSgesetzeS niit Spannung entgegen. Die letzte auf diese Angelegenheit bezügliche Regierungsvorlage hat ei» seltsame- Schicksal gehabt. Lange bevor sie von der Commission de- Reichs tags in Beralhung genommen wurde, galt eS al- öffentliche- Gehcimniß, daß die Regierung die von ihr vorgeschlagene „korporative" Organisation der Versicherung al- unaiiS- sübcbar betrachtete. Was Wunder, daß »un den Eom- missioiiSbcrathungen, noch dazu angesichts de- heraiinahen« den SkssioiiöschlusieS, von vornherein der rechte Ernst febltel Wenn schließlich am letzken Tage doch »ock> eine Resolution dieser Commisston an den Reichstag gelangt ist, so nimmt sich dies gänzlich übereilte Elaborat allerdings wunder lich genug au-, und die konservativ-klerikale Autoren- gesells'chast mag sich Glück dazu wünschen, daß e« nicht niehr der Kritik de- Plenum- au-gesetzt gewesen ist. Nickt- desto weniger sollte die Negierung au- dieser Resolution wenigsten» drei Puncte berücksichtige», wenn sie ihrem neuen Entwürfe eine günstigere Ausnahme seiten» de- Reich-tagS sichern will, al- den beiden voraugeganaenen; wir meinen d»e Ausnahme de« land- und sorstwirtbschafUichen, sowie de- Flößereibetriebe» in die Unfallversicherung, den Fortfall de- Reich-Zuschüsse- und die Zuiassilna freier Genostenschast-- bildung auf Grund von Norinativbestimmungen. Nament lich von dem Reich-zuschuß ist bekannt» dag er von der Commission einstimmig a^gelehnt worden ist. Um so be« sremttichcr ist die Nachricht einzelner Blätter, daß die Reaierung ihn auch in dem neuen Entwürfe aufrecht erhalten wolle. Bis aus Weitere« schenken wir dieser Nachricht keinen I Glauben; sollt« sie sich aber bestätigen, so würde dadnrch
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