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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188308077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830807
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830807
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-08
- Tag1883-08-07
- Monat1883-08
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1883
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Erscheint täglich früh 6'/. Uhr. Lt-arNo« nnL LrpMioa IohanneSgasse 33. SPrrchliundrn -er Nkdarlion: Bormiltag« 10—12 Uhr. Nachmittag« 5—6 Uhr. stir dt» NItS,adk e>n»ctanttrr M«nulcr»pt» mich« sich »>« «ed-cn,» nicht »crdncdlni. «»nat»e »er sür »te aSchfts«!,ratze Nummer tzestimmten Inserat« aa «-chrntaqen bts 3 Utzr Nachmittag«, au Sann- uatz Festtagen früh tzi» '/.S Utzr. 3» Len Filialen sür Ins.-Ännahme: Otto Klemm, Nniversitätsstraße 21, Leut« Lösche, Kathariuenstraße 18, v. »ur »t« '/,S vtzr 'twngcr.Äagclilalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, HandeiS- «nd Geschäftsverkehr. Auflage IS,L0«. ^doiinementspreis viertelj. 4'/, ML. incl. Lringerlohn 5 Ml., durch die Post bezogen 6 Ml. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren tür Eztrabeilaaea ahne Poslvesördcruag 39 Mi. mit Poslbesörderuag «8 Ml. Inserate Lgespaltme Petitzeile SO Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeicimiß. Labeklartschern.Z>ffcrnsatz nach HSHerm Tarif. tleelamen unter dem Nedaction,strich die Spaltzeile 50 Pj. Inserate sind stet- an die Nxprtziti«« za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuuwernnito oder durch Post- Nachnahme. 218. DienStag den 7. August 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekannlinluhuilg. Km 4. ds«. MtS. Nachmittags von 4 bis '/,7 Uhr sind an« einer Wohnung im Hause an der Alten Elster Nr. 13 die uachvcrzeichueten Gegenstände entwendet worden: 1) eit» galtzencr Schmuck, runde Faoon. bestehend in Broch« »nd Ohrringen, mit Türkisen und Brillanten besetzt, in roth- sammtenem Etui, 2) ei« goldener mi«g» breiter Reif, mit Brillanten in Form eine« Sternes, 3) eine goldene Damen Lylintzerndr mit elselirter Rückseite, nebst kurzer goldner Kette, daran eine kleine Goldmünze (Nach- bildung eines G-orgsthalers) und ein vergoldetes GlückS- schweinche»: in einem schwnrzlcdernen Etui mit lilaem Futter, darin die Firma: Joseph Rauher in Kissingen, 4) ei» Paar goldene Ohrringe mit Lorallen; in einem brann- sammicuen Elm, 5) zmct silberne Armbänder In Keltenform; au dem eine» ein silberner GeorgSihaler, an dem andern kleine Nachbildungen von 9 verschiedenen Thieren, eine fremde Silbermünze und ein kleine« goldnes Kettchen, 6) eine silberne tsyliuderutzr mit eiselirter Rückseite und ab genutzter Gravirung, 7) eine tombackcnr Remontoir - Utzr mit Secunde und Glas- decke! aus der Rückseite, in weicher eine herzogliche Krone und die verschlungenen Buchstaben 0. 9. eingeschnitten sind — unter diesem Deckel ist das Werk sichtbar — nebst daran befindlicher kurzer, starkgliedriger, goldncr Kette mit 5 Stück eingefaßten Opalen. 8) eine Slgarrenpfeife von schwarz, und gelbem Bernstein und 9) ein Paar kalblederne Stiefelette« mit Gummieinfatz. Doppel- sohlen und breiten Absätzen. Wer eine auf diesen Diebstahl Bezug habende Wahrnehmung gemacht haben beziehentlich noch machen tollte, wird gebeten, sich schleunigst in unserer Criminal-Abtheilung zu melden. Aus Ermittelung de« ThäterS und Wiebcrerlangung der gestohlenen Gegenständ« ist »om Geschädigten eine Belohnung von Einhundert Mark ansarsetzt worden. Leipzig, den 6. August 1883. Das Polizei-Amt der Stadt Lettzzig. I. B.: Junck, Pol.-Rath. Hohlfeld. SieWrtzts -Vrkünutmachung. Gestohlen wurden allhier erstatteter Anzeige zufolge: 1) Eine silberne Tylinderuhr mit Secunde, Goldrand, geriefter Rückseite mit wappenjörmigem Schildchen in der Mitte, darin „H. H. 1882" eingekritzelt, während tm Innern de« Gehäuse- die Fabriknilmmer 16084 eingcschlagen ist, aus einer Baubude des New baue« der Peterskirche, am 30. vor. Mt«. Mittags; 2) ein Topf mit einer Quantität Oelfarbe, circa b Kilo an Gewicht, aus einer Bodenkammer in Nr. 16 der Kleinen Flcischer- gassc, am nämlichen Tage Nachm.: 3) ein schwarzledernes Geldtäschchen mit gelbem Schlößchen, enthaltend 0 „L 50-00 in zwei Thalern, drei Markstücken und kleiner Münze, sowie ein Rcccpt, au« einem GeschästSlocal in Nr. 17 der Uiiiversilätsstroße, am 31. vor. Mt«., Nachmittag-; 4) ein Paar riiidslcdernc Halbstikfeln mir Absatzeisen und ein einzelner dcSgleichrn mit langem Schaft, aus einer Wohnung in Nr. 34 der Ritterstraße. am gleichen Tage; 5) ein Muff von SknnkSpelz mit braunseidenem Futter und ein schwarzseidcner Regenschirm mit schwarzem Holzstab, au- einer Wohnung in Nr. 9 de- Allen AmtShosS, in der Zeit dom IS. vor. bis 1. dsS. MtS.; 6) ein schwarzlederne» Portemonnaie mit Klavve und gelbem Schlößchen, enthal end 30 >!, in einer Doppelkinne und einer Krone, sowie einen goldenen Ring mit blauem Steinchen, inwendig die Buchstaben P. 8. eingravirt, a»S einem Restauration-locale in Nr. 19 der Burgstraße, am 2. dsS. MtS. Nachmittag«: 7) eine silberne bhlinderuhr mit Goldrand, desectem Ziffer- blatte, geriester Rückseite mit wappenähnli dem Schildchen und im Innern de- Gehäuse« die Fabriknummer 5343 tingeschlagen, nebst langgliedriger Rickclkette, au« einer Piece in Nr. 30 der Tanchacr Straße, am 3. ds. Mts. Nachmittag-; 8) «in Anzug, säst neu, bestehend in Iaqnet. Hose und Weste von duiikelbiauem rolhmelirten Stoff, ein Lommeriitzerztrher von olivensarbigcm kleincarrirtcn Stoff, mit einer Reihe braunen Stein- uußknöpsen und schwarzem Futter, ein Iaqnet von dunkelgrauem, grün- und rothmclirke» Stoff, ein Iaqnet und ein Paar Hosen von hellgrauem Sommerstoff, ein Paar Hosen von blauem geriesten Stoff und ein Keiner Hanvkoffrr von grauer Leinwand mit gelbe» Nägeln beschlagen, au« einer Wohnung in Nr. 6 der Keilstraßc, in der Zeit vom 2. bis 4. dsS. Mi«.; 9) ein Soinincrübcrzicher von schwarzem Kammgarnstoff, mit einer Reihe Knöpfen, schwarz- und weißgestreiftem Aermel- und schwarzem Schoßfutter, aus dem Tanzsaale im Pantheon, am 5. ds«. Mi«.; 10) eine goldene Damen-Cylintzeruhr mit Sprungdcckel und geriefter Rückseite mit Schildchen in der Mitte, ferner rin Geld täschchen von schwarzem Leder, mit einem Inhalte von ca. 17 in einem Fünfmarkstücke, drei Thalern, einem Zweimarkstücke und kleiner Münze, einem Schlafenden aus einer Bank an der Bismarck siraße, om 6. dss. Mts. in den frühen Morgenstunden. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Sachen oder den Thäter sind ungesäumt bei unserer Lriminal- Abtbeilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 6. August 1883. Das Polizei-Amt der Stützt Leipzig. I. V: Junck, Pol.-Rath. Hohlfeld. Nichtamtlicher Thetl. Unsere Parteien. ui. Den Kern der Deutschen Reichgpartei bilden di« preußische» Freiconservativen. welche nach den Ereignissen de- JahrcS 1866 mit voller Absichtlichkeit von den streng Eonser> valivcn mit einer Schwenkung nach links als besondere selbst ständige Partei sich trennlcn, wie später anläßlich der kirch lichen Streitigkeiten eine ultraconservative Gruppe in der entgegengesetzten Richtung ei» besonderes Lager innerhalb der Partei ohne förmliche Ausscheidung au« derselben bildete. Die Bezeichnung „sreiconscrvaliv" war völlig zutreffend gewählt. Die Partei steht nach ihren Grundanschaunngen und Neigungen durchaus aus conservakivem Boden; sie nimmt ihren Au-gangS- pnnct nicht von der wesentlich theoretisch gefundenen, wenn auch durch praktische Rücksichten modisicirten Forderung dessen, waS sein sostle, sondern rein realistisch von den gegebenen Berhälliiiffcn, und stimmt auch darin mit den „Deulschconsrr- vativen" überein, daß sie da« Bestehende gern schonend zu erhalte» sucht und einen sehr lebendigen Sinn sür die Be dürfnisse der Staatsgewalt hat. Auch personell bängt sie mit jenen, au« dcrcnMitte sie hervorgegangcn ist. eng zusammen, obgleich eS zu beachten ist, daß unter den Freiconservativen namentlich der hohe schlesische Adel von Anfang an eine sehr hervorragende Rolle spielte, und in der Partei überhaupt da- prödc Wesen der preußischen Ritterschaft weniger scharf als bei den Deutscbconservativen hervorlrilt. Ter Unterschied beider Parteien liegt aber doch viel tiefer. Die Frei conservativen stehen zu dem materiellen Inhalt de« Liberalis mus sehr viel freundlicher al« die Deutschconservativen; sie erkennen im Gegensatz zu der wesentlich abwehrenken Haltung der letzteren rückhaltlos an, daß die Resultate der modern nationalen Bildung auch im Staatsleben Berücksichtigung be anspruchen können, wenn sie auch bei der Prüfung de- prak tischen Bedürfnisse« und der praktischen Ausführbarkeit einen irengercn Maßstab anzulegen geneigt sind, als die Liberalen; >c theilen nicht die Vorliebe der Deutschconservativen für das lediglich historische Werden und Wachsen de« Staate- und gestatten sehr viel liberaler al« diese dem lebenden Geschleckt nach seinem Bedürsniß und seiner freien Einsicht die über lieferten Einricklungen de« Staate- umzugeslalten und fort» znbilden. Die Freiconservativen legen aus da« constitulionclle System mit allen seinen Consequenzcn größeren Werth, sie würdigen den Rechtsschutz gegenüber der diScretionären Ge walt der Regierung höher. als ihre ehemaligen Parteigenossen, sic haben die Neformgcsetzgebung de- letzten Jahrzehnts nicht nur al- etwa- Unvermeidliches hingenommen, sondern mit freudiger Theilnahme begleitet. Sie sind warme Anhänger der Reichs- idee auch in ihrer formalen Bedeutung im Gegensatz zur bloßen „Führung" der verbündeten deutschen Staaten durch Preußen; ja sie sind vielleicht unter allen Parteien diejenige, welche sich gegebenen Falle- am leichtesten entschließen würde, alle principiellen Bedenken von reckt« oder von links zur Seite zu schieben, nur um die volle Wirksamkeit der NeichS- gewalt zu sichern, und e- entspricht durchaus diesem ihrem Grundzug, wenn sie bisher in allen Fällen als die sichersten Anhänger de- Reichskanzler- sich bewährten. Sie sind dabei grundsätzlich einer Vermittelung mit den Forderungen de« Liberalismus geneigt. Man kann da- Vcrhältniß zwischen Frei- und Deutschconservativen in mancher Beziehung mit dem zwischen Nationallibcralen und Fortschrittspartei ver gleichen, und eS erklärt sich, daß ein Theil der Frcwonser. vativen den gemäßigten Deutschconservativen sehr nahe rücken kann, wie der Weg von dem linken Flügel der National- liberale« zu dem rechten, dem HLnel'schen, der Fortschritts partei nicht sehr weit ist, und daß auf der anderen Seite zwischen einem anderen Theil der Freiconservativen und den gemäßigten Nationalliberalen e« an nahen BerührungSpuncten nicht fehlt. Neben die Freiconservativen stellte sich dann aus dem ersten Reichstag unter dem Namen der Reich-Partei eine andere Gruppe, die, ihren AuSgangSpunct mehr von den liberalen Anschauungen nehmend, dock bei den liberale» Parteien den Charakter der Schule statt desjenigen einer rein politischen Partei, sei eS mit Recht, sei eS mit Unrecht, zu stark ausgeprägt fand und sich deshalb als besondere Fraktion absonderte mit der Absicht und zu dem Zweck, zwar im Allgemeinen im Sinn de« Liberalismus, aber ohne sich von dem principiellen Standpunkt allzu sehr beengen zu lasse», frei nach politischer Würdigung der jeweils gegebenen Lage zu handeln. Die beiden Gruppen der Reichspartei und der Freiconservativen begegneten sich in der Ansicht, die Grundlage unserer Parteigliedrrüng sei ungenügend und fanden ihren Bcrührungspunct in dem Grundsatz, daß da« liberale bczw. conscrvative Postulat erst in zweiter Linie zu berücksichtigen sei hinter der concrcten Würdigung der augenblicklichen Sachlage. Auch in der Reichspartei fanden sich ähnlich wie bei den Freiconservativen von Anfang an sehr entschlossene Anhänger einer starken Lentralgewalt; waren jene als Conservatlve frei genug, den unermeßlichen Fortschritt unsere- StaatS- wescnS, wie er seit dem Jahre 1866 gemacht war, mit vor behaltloser Genugthuung anznerkennen, so waren diese als Liberale realistisch genug, um selbst mit einem ganz bruck- stückwrisen Borschreitcn sich zufrieden zu geben und an der Herstellung und Erhaltung einer starken Reichsgewalt nöthigen Fall« selbst mit Hintansetzung liberaler Interessen mit zuarbeiten. Die Freiconservativen und die Reichspartei, ursprünglich getrennt, haben sich im Reichstag — in Preußen besteht die alte freiconservative Partei unter diesem Namen fort — zu einer einzigen Partei unter dem Namen „Deutsche Reichs partei" verschmolzen. Die Partei ist au- sehr verschieden artigen Elementen zusammengesetzt, welche ihre Einigung zu nächst in einem negativen Moment, nämlich darin finden, daß sie den allüberlieferten Parteigrundsätzen ein sehr viel geringere« Gewicht als deren strenge Anhänger beilegen. Positiv huldigen sie einem gewisienEklckticismuS. Wie sie in ihrer eigenen Milte principicll ziemlich weit auSeinandergebende Ansichten er tragen, da sie die Entscheidung eben nicht durch vaSPrinciv, sondern durch concretere Erwägungen suchen, so wird eS ihnen auch relativ am leichtesten, sich nach recht« oder link« mit rein konservativen ober rein liberalen Anschauungen zu befreunden und unter denselben zu vermitteln. Sie sind zugänglicher al« die Liberalen sür die Bedürfnisse der Staatsgewalt, und als die Conscrvative» für die Forderungen der individuellen Freiheit; legen sie ein größeres Gewicht als die letzteren aus die ReicbSidee auch in ihrer formellen Bedeutung, so nehmen sie dock, wie sie seiner Zeit durch Annahme de» Krankenstein'schen Antrages gezeigt haben, an der bloßen, dem ParticulariSmuS schmeichelnden Form keinen Anstoß wenn sachlich da- Jnteresie de« Reich- gewahrt ist. So ist die Reick-Partei bei käst allen wichtigeren und umfassenderen Verhandlungen de- Reich-lagS in der Rolle de« Vermittler- ausgetreten und hat den immer mit dieser Rolle verbundenen Einfluß reichlich geübt. So könnte die Deutsche Reichspartei al« die so viel ge suchte und so oft vermißte eigentlich realpolitische Partei erscheinen, und man geht vielleicht nickt fehl, wenn man an- nimmt, daß manchem der Gründer und Führer daS englische Vorbild mit seinen principicll lange nickt so scharf geschie> denen Parteien vorschwebte. Mag die Nachahmung beab sichtigt gewesen sein oder nicht, jedenfalls ist sie nicht ge lungen. Der principielle Gegensatz zwischen konservativ und liberal beherrscht heute noch wie seit lange die Malle unsere- Volke-, ja er ist, merkwürdig genug, in dem Bewußtsein de- selben beute noch mindesten» ebenso lebendig nnd wirksam wie der andere zwischen ParticulariSmuS und Centralisalion, von dem man hätte erwarte« sollen, daß er aus Jahre hinaus da« polltische Jnteresie der Nation erschöpfen werde. Vermochten die gewaltigen, unser Vaterland völlig um- «estaltenden Ereignisse, deren Zeugen wir waren, daS politische senken und Empfinden unsere« Volke« nicht au« den gewohnten Bahnen zr verdrängen, so wird man noch für geraume Zeit mit —w alten Factorcn rechnen und den Gegensatz zwischen liR.«L und konservativ al« den politisch dominirenden anerkennen müssen. Er hat fick so tief in da« Bewußtsein unsere« Volke« eingelebt, daß jede Partei, wie sie auch an und für sich Zu denselben stehen mag, fortwährend genölhigt ist, auf ihn Rücksicht zu nehmen. ES kann eine Anzahl von Personen sich zusammenfinden, welche ihrerseits diesem Gegen- atz eine relativ untergeordnete Bedeutung beilegen, aber eine eigentliche in der Bevölkerung selbst lebende Partei kann sich auf so künstlicher Grundlage nicht entwickeln. Und in der Thal hat die Neichspartei eine Epistenz wesentlich nur im Reichstag; sie ist nickt, wie die» bei den Conservatrven und Liberale» der Fall ist, der bandelnde An-schnß einer auch außerhalb VeS Parlament« vorhandenen Partei^ sondern sie wird, soweit sie im Volk überhaupt vorhanden ist, durch ihre parlamentarische» Bertreter nicht sowohl repräsentirt als geschaffen. Die Deutsche Reich-Partei ist nur eine parlamentarische Hraction, welche ihre Kraft und Bedeutung nur au« sich selbst zieht, sie ist mehr ein Kind der politischen Reflexion, als aus einem volkSthümlichen Bewußtsein entsprungen und entbehrt der Kraft, welche nur au- diesem Boden gewonnen werden kann. Leipzig, 7. August 1883. ' Der „Hamburger Correspondent" bringt einen längeren Artikel über die Demission der beiden Admirale Bätsch und Berger, dem wir einige interessante Angaben über Ansang und Ende der MinisterlhStigkcit dcS Herrn v. Slosch entnehmen: Herr v. Gtosch wurde zuerst in weiteren Kreisen bekannt, als er im Kriege von 1866 dem Kronprinzen bcig'geben ward und sich in dieser Srolluag so auszeichnete, daß er bald daraus zum Gcneral- Quartiermeistcr ernannt wurde. Im französische» Kriege leiieie er die Intendantur vorzüglich und griff auch stralegisch so bedeutsam bei dem Feldzüge an der Loire ein, daß er nach dem Frieden mit einer Dotation bedacht wurde. Dennoch erregte es ein gewisse- Erstaunen, als er zum Ehes der kaiscrllchen-Admiralität ernannt ward, da man im Publicum die Vorgänge nicht kannte, die ihn in diese Stellung sührten. General v. «losch hatte den Kronprinzen im Herl?: 1868 aus seiner Reise im Orient begleitet und aus den Sersabrten desselben, sür welch« dem hohen Reisenden Schiffe der Marine zur Verfügung gestellt waren, Gelegenheit genommen, sich näber mit dem Stande unserer jungen Flotte zu beschäftigen. Die« gab ihm nach seiner Rückkehr Anlaß, eine Denklchrist über die Aus gabe der Marine, die Bedingungen ihrer Entwickelung und die in ihr bestehenden Mängel auSzuarbciten, welche der Prinz Adalbert, der schon länger au- Gesundheitsrücksichten wünschte, sich zurückzu- ziehen, so bedeutend fand, daß er dem Kaiser dringend empfahl, den General au die Spitze der Marine zu stellen. So ward derselbe, da der Reichskanzler keinen Reich-minister wollte, zum Ehes der Admiralität ernannt. Ter „Hamb. Corr." schildert nunmehr die verdienstvolle Thäkigkeil de« Marine-Chef- und kommt dann aus die be kannte Scene im Reichstage zu spreche», in der Fürst Bis marck seinen Tadel Uber die Nachgiebigkeit de« Herrn von Stosch gegenüber den auf Ersparnisse abzielenden Forde rungen de» Abg. Engen Richter auSsprach. Da« Blatt fährt dann fort: In Folge dieleS AuSsalls, der noch an Schärfe dadurch gewann, daß Stosch gerade wenige Minute» zuvor den Saal verlassen, reichte dieser sofort seine Entlassung ein. Der Kaiser forderte den Kanzler aus, seinen Tadel schriftlich zu begründen und sandte die daraus elngesandte Denkschrist desselben an den Ehes der Admiralität mit der Ausiorderung, sich über dieselbe seinerseits au-zulassen. Nachdem dies geschehen, rrsolgte eine EabinctS-Ordre, welche in den gnädigsten Ausdrücken die Verdienste de< General- anerkannte und erklärte, daß bei dem vollen Vertrauen, welches Se. Majestät zu der Leitung seine- Ressort« hege, kein Grund vorliegc, die erbetene Entlassung zu bewilligen. Der Kanzler aber, dem somit der Kaiser Unrecht gegeben, war nicht geneigt, die« ruhig hinzunehmen. Tr ersuchte am 1. April, seinem 62. Geburtstag, Se. Majestät, ihn von allen seinen Aemtern «nd Würdeiüzu entbinden, da er der Last der Geschäfte nicht mehr gewachsen sei. «er Kaiser, der noch an demselben Tage dem Fürsten leinen persönstGrn Glückwunsch abgestattet, war, al« er die- Gesuch bei der Rückkehr in« Palais vorsand, ebenso überrascht wie verstimmt; mehrere Tage vergingen, ohne daß eine Antwort erfolgte. Der Grobherzog von Baden, der damals in Berlin weilte, befragt« einige Führer der nationalliberalen Partei, ob sie den Kanzler in der gegenwärtigen Lage sür entbehrlich hielten, waS dieselben ver neinten: daraus erfolgte die Ablehnung dcS Gesuchs, wobei auch der Kaiser die nachträglich vom Fürsten vorgeschlagenc Vertretung in den Inneren Rcichsangelegenheiten durch Tamphausen nicht genehmigte. Seit dieser Krisis gingen die Antagonisten neben einander her. Da der offene Angriff mißlungen war, hört« man nicht mehr von Frictionen, aber da- Berhältniß war begreiflicher Weile mehr als kühl. Im März des gegenwärtigen Iabres kam es dann bei Ge legenheit de- Pensionsgesetzc» zu dem bekannten lloiiflict über die Besteuerung der Osficicrc. Der Kaiser beries einen Generals- rath, dem er die Frage vorlcgte. In demselben stimmten Molike, Kameke und Stosch sür die Annahme de- llompromiffe-, die wer anderen Mitglieder dagegen. Noch ehe der Kaiser entschieden, lies eine Darlegung desKanzlers ein, welche aussührte, daß der staat-seindlicden Fortschrittspartei nicht da- geringste Zugeständnis; gemacht werben bürlte. und dabei durchblicken ließ, daß der Krieg-minister die Interessen der Armee nicht mit hinreichendem Nachdruck lm Reichstag ver- Iheidigt Hobe. General von Kameke reichte sofort seinen Abschied ein; ihm folgte Stosch. der fühlen mochte, daß nach dem Rück- tritt de- Krieg-minister- er zu sehr isolirt strhen würde. Die« war wahrscheinlich richtig und vom Kanzler vorau-gesehcn. indeß der Kaiser lehnt« da- Gesuch ab und bewilligte c- erst, al- der Admiral in einer wiederholten Eingabe, die einen etwa» erregte» Lharakter getragen haben soll, darauf bestand; privatim äußerte derselbe, er sei der Reibungen müde und sehne sich nach Ruhe. - - ^ * Zur Reorganisation der Kaiser-Wilhelm» Spende schreibt man der „National-Zeitung": Bekanntlich wurde bald nach den beide» ruchlosen Attentaten de- IahreS 1878 durch eine über das ganze Reichsgebiet verbreitete Sammlung ein Lapitalsond- von rund 1,780,000 ausgebracht, welche- dem Kronprinzen mit der Bitte, denselben zu einem wohl- tbärigen Zweck- zu verwenden, übergeben wurde. Der Kronprinz bestimmte diesen Fond- zur Grundlage einer Stiftung .^kaiscr Wilhelm-Spende", weiche ». eine Alter-renten- und ELpitalverstcherung-.Anstalt sür die aering bemittelte» Elasten de- deutschen Boike-, tu-besondere für di« arbeitend« Bevölkerung und d. eine Einrichtung zur Gewährung von Auskunft und Beirath an genossenschasllich« Aitertversorgung-anstaitea für einzelne Berus-kreisr bilden sollt«. Am 31. März 1879 wurde da» Statut dom Kronprinzen voll zogen, am 22. erfolgte die lande-berrliche Genebniigung und somit die sormelle Aufnahme des Geschäftsbetriebe-. Der von dem hohen Proteclor vorgczeichnete Grundgedanke war in gleich hohem Grade entivickeiungssSbig zeitgemäß und populär Die Frage einer weiteren Ausdehnung der staatlichen Fürsorge für die arbeitenden Elasten war damals schon in Fluß gekommen. Der Gedanke, mit Hilse der patriotischen Gaben der ganzen Nationen eine Musteranstalt zu gründen, welche in Bezug aus die praktische Einrichtung sowohl als auch in Bezug aus die Durck^ arbeitung der Rechnungsgrundlagen allen späteren Organisationen aus diesem Gebiete als Anlehnungspunct dienen konnte, ist eia in jeder Beziehung glücklicher zu nennen. Sehen wir uns nun die Organisation und die Erfolge dieses Muster-Institute- einmal etwa näher an. In Bezug aus die Erfüllung de- zweiten Zwecke- der Anstalt, die Beschaffung der nothwendigen statistischen Grundlagen, des Rech- nungSmaterialS und eines Musterstatute» sür genossenschaftliche AtterS- versorgungsanstaltcn ist uns von einer Tkätigkeit der Austal» bisher nichts brkannt gewordrn, wenn man nicht die eigenen Tarife der selben dahin rechnen will. Man begnügte sich damit, die Ber- sicheruiigsanstalt ins Leben »u ruscn. Als ein entschiedener Miß griff ist es zu bezeichnen, daß man hierbei Alle-, was den Namen der „Versicherung" eigentlich verdient, d. h. die Versicherung von Sterbegeldern. KrankheitS- und JnvaliditäiSrcnten aus das Sorg- sältigste vermied. Und doch hätte die Anstalt in Anbetracht de- erheblichen SicherheiisiondS, »n dessen Besitze sie sich von Ansang an ohne jede gegenüberstehende Verbindlichkeit sah, gerade aus diesem Gebiete Außerordentliche- leiste» können. Dies wurde jedoch nicht beliebt, man beschränkte sich aus die Versicherung ausgcschobener Cnpitcilien und Renten aut de» Lebenssall, eine Gruppe von Ber- sicherungsartcn, die denen, welche sic benutzen, keine wesentlichen Bortheile vor einer guten Sparkasse gewähren. Ein Betrieb«- und SicherheitScapltal von über 1'/, Millionen Mark ist dazu nicht erforderlich. In einem übertriebenen Streben nach Solidität legte man den Tarifen eine Sterblichkeitstasel zu Grunde, welche mit der wahren Mortalität in den Kreisen, welchen die Anstalt vor Allem zu Gute kommen sollte, auch nicht die entfernteste Aehnlichkeit hat. Die Organisation wurde bureaukratisch. nach dem Muster der veralteten Preußischen Rentenanstalt, durchgesührt und dann da- Hinzntreten von Einlegern abgewartct. Dü Resultate entsprochen natürlich dieser Methode. Bi- zum 31. März 1882, dem Ende de- 3. Geschäftsjahres, waren im Ganzen 2820 Mitglieder eingetreten, welche inSgrsammt 357,940Einlagen geleistet hatten, und dieses Resultat hatte einen Berwaltung-kosten-Aiiswand von 112.907 ^»90-4 erfordert. Der Abschluß de- 4. Geschäftsjahre- liegt un- noch nicht vor, nur ein Bericht über die Geichäjtsergebniffc bi- zum 1. Oktober v. I. Hier nach war die Zahl der Mitglieder auf 3987 gestiegen, unter denen sich 1458 Arbeiter, im klebrigen, neben anderen Angehörigen der minder bemittelten Elasten, auch Baumeister, Pfarrer, Prosessvreu ic. besandrn. Die Mitglieder sollten sich dabei beruhigen, daß die obigen, ca. V, der Einlage betragenden BerwaltnngSkosten nicht au- ihren Beiträgen, sondern au« den Zinsen de- Garanttefonds gedeckt wurden. Da- ganz« Institut soll ober gerade dem Wodlc der minder bemittelten Llaffen, insbesondere der Arbeiterbevölkerung, dienen; jede Berwnltnngskostenau-gabe schmälert die Dividenden der Mitglieder und die hier nachgewiescae, übertrieben hohe Sumine verdient ganz dieselbe Beurtheilung, als wenn sie au- den Einlagen der Mitglieder entnommen worden wäre. Die Nation hat ein Recht, zu fordern, daß die in patriotischer Begeisterung ausgebrachte und einem rdelen Zwecke gewidmete Summe diesem Zwecke in wirklich fruchtbringender Weise Dienstbar gemacht werde. Hierzu ist erforderlich: 1) Umgestaltung dkr Verwaltung im Sinne der fachmännischen Leitung eine- wirklichen Versicherung-- Institut-. 2) Ausdehnung de- Geschätt-belriebeS aus die Tode-sall-, KrankheitS- und Invalidität-Versicherung sür die geringer bemittelten Elasten. 3) Errichtung eine- technisch-statiftischen Lentralbnreau- sür alle mit der Anstalt gleiche Richtung verfolgenden Organisationen de- deutschen Reiche- in Verbindung mit der Anstalt. Dieser letztere Punct erscheint uns sogar als der weitaus wichtigste der georderten Reorganisation. Da- nunmehr fertig gewordene Krankencasteiigesetz, die der gesetzlichen Regelung ent,egengehen de Unfallversicherung der Arbeiter lasse» die Schastiiug einer solchen Lentralstelle, welch« di« Ersahrungen aller einzelnen Organisationen aus dem betreMnden Gebiete zu sammeln, wissenschaftlich zu de- arbeiten und rn'meser Form wieder lenen mitzuthcilen hätte, al- eine dringende Nolhwcndigteit erscheinen. Die Kaiser-Wilhelms- Spende ist durch ihre Entstehung und ihre Bestimmung naturgemäß berufen, diese Eentralstelle »u bilden. Hoffen wir, daß die Ver waltung sich der Erkenntnlß milk'Erfüllung dieser Pflicht nicht länger entziehen wird. * Die Nachricht von dem Ableben deS ehemaligen Admiral« Grasen Versano frischt die Erinnerung an einen Mann aus, der seiner Zeit sine hervorragende Rolle in dem jungen Königreich Italien gespielt hat, um dann schließlich idurcb richterlichen Spruch seiner Aemter und Würden entkleidet zu werden. Der „Proceß Persano" erregte unmittelbar nach dem Kriege 1866 große- Aussehen. Er sollte dazu dienen, die über die militairischen Mißerfolge de- Kriege«, namentlich aber wegen der Seeschlacht von Liffa in hohem Grade erregte öffentliche Meinung Italiens zu beruhi gen. indem man dem Admiral Persano da- Hauplvcrschulden an dem Verlust jener Schlackt beimaß. Solches Vorgehen erinnert zu sehr an bekannte französische Beispiele, um von einem sachlichen Urtbeil gebilligt werden zu können, zumal man auS ganz ähnlichen Gründen auch den General La Marmors wegen der Niederlage von Custozza batte zur Verantwortung ziehen können. Vielleicht wäre sogar ein soickc« Vorgehen noch gerechtfertigter gewesen als der Proceß Persano, weil bei Custozza von der italienischen Oberleitung wirkliche und grobe Fehler gemacht worden sind, während Persano'« Schuld dauvlsächlich darin bestand, daß er bei Lisia Unglück hatte. Tie zifsermäßige Uebrrlegenheit der Italiener war sogar bei Custozza noch größer als ibre Ueberlegenbeit bei Lisia, waS Zahl und Ausrüstung der Schiffe betrifft, aber bei Custozza führte Victor Emanual formell den Oberbefehl und deshalb wurden die militairischen Sünden La Marmors'- mit dem Mantel christlicher Liebe zugevcckt. Andererseits soll nickt geleugnet werden, daß die spätere über Persano ver hängte Untersuchung Blößen und Schäden in der italienischen Marine aufdeckte, welche eine erstaunliche Lüderlichkeit fest stellten, aber diese Dinge hatten unmittelbar nicht- mit dem Verlust der Schlackt von Lisia zu tbu». Gras Persano war am 11. März >806 in Vercclli geboren, trat 1824 al« Caket in die sardinische Marine, zu deren Befehlshaber er im Herbst 1859 ernannt wurde. Die sardinische Flotte kreuzte unter seinem Befehl im Jahr« 1860 im Miltelmecr» um eine Uebcrrascbung der von Genua nach Sicilien übersetzenden Garibaldi'schen Freilchaaren festen der neapolitanischen Flotte zu verhindern. Im folgenden Jahre betheiligte sich Persano an der Belagerung GaetaS, um dann später »m Cabinet Ralazzi da« Amt de« Marinemimster- zu übernehmen. Beim Kriege gegen Oesterreich zum Besebl«- baber der Flotte ernannt, sockt er unglücklich bei Lisia, welche Schlacht der italienischen Marine zwei ihrer größten Schiffe, „Palestro" und „Re d'Jlalia", kostete. Durch SenatSbeschluß de«balb in Anllagezustand versetzt, wurde Persano am lb.April 1867 wegen Fahrlässigkeit, Ungehorsam und Ua«
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