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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188309129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830912
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830912
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-09
- Tag1883-09-12
- Monat1883-09
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1883
- Autor
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Erscheint täglich früh S'/, Uhr. Ketaction und Lrpcditioa JohanneSgasse 33. Sprechstunden der Urdaction: Vormittag- 10—13 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. »u »tii.eiandter vi»»ufcr>»t« »»cht sich die ked.cüoa «ich» »ertmdli«, An»«tz«e »er sür »te nichftf-lgenSc N»»«er »eftimmte« Inserate an Kochentageu dt« S Uhr Nachmittag: a» Sann- und Aefttagen früh dt» V.V Uh: Zn de« Filialen siir Zns.-Annahmc Ltto Klemm, UnlversitätSstraße 31, Louts Lösche, Katharinenstraße 18, v. m«, »t« Uhr ^ZL55. Anzeiger. Organ siir Politik, Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. Mittwoch den 12. September 1883. Auflage LS,LO». Abonnementspreis viertelj. 4'/, Mk. iacl. Bringerlobu 5 Mk.. durch die Pos» bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren sür Extrabeilage» ohne PostdesSrderung 3S Mk. «it Postbeförderung 4L Mk. Ziiserate Sgespaltene Petitzeile rv Pf. Größere Schriften laut nuferem Prell- verzeichniß. Lobellarischer n-Zissernfav nach höhrrm Laris. ileclamen unter dem kledartionsstrich die Spaltzeile SO Ps. Inserate sind stet- an die Sroeditlan zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prasvumeranäo oder durch Post- Nachnahme. 77. Zahrgang. Amtlicher Theil. Vekanntmachnng, die Wahl der Wahlmänner zur Gewerbekamnrer betreffend. Wegen der diesjährigen Ergänzung-Wahl filr die Te» Werberammer hat das Königliche Ministerium de- Innern in Gemäßheit von Z. 6 der Verordnung, die Handels- und Gewerbekammern betreffend, vom 16. Zuli 1868 beschlosten, die bei den letzten Wahlen im Jahre 1877 und 1880 zu Grunde gelegte Eintheilung der Wahlbezirke, sowie die Ge- sammtzahl der Wahlmänner beizubehalten, auch in der eine Wahlabtheilung für sich bildenden Stadt Leipzig im Ganzen wieder 52 Wahlmänner wählen, dabei jedoch so Verfahren zu lasten, daß jeder einzelne Stimmberechtigte in Leipzig nur 13 Wahlmänner zu wählen hat. Nachdem wir nun Herrn Stadtrath Becker als Wahlvorsteher und Herrn Schlostermcister Stadtverordneter Oehler hier, als stellvertretenden Wahlvorsteher zur Leitung der Wahl männerwahl berufen haben, so werden alle in Leipzig wohnhaften, sür die Gewerbekammer Stimmberechtigte», nämlich: ». Kauflrutr und Fabrikanten, die mit höchsten- 1906 aber mit Uber 660 ^4 Einkommen nach 8 t7 ä und ß. 21 de- Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 rm Ort-stcuerkataster eingeschätzt sind, d. alle nicht zu den Kauflcuten und Fabrikanten zählenden Gewerbtretbenden. die im OrtSsteucrkataster mit Über 600 Einkommen nach §. 17 cl und tz. 2l de- Ein kommensteuergesetze- eiugeschätzt sind, «. 25 Jahre alt und 6. nicht nach den bestehenden Gesetzen vom Stimmrechte in der Gemeinde oder in Folge der Verilbung eines Verbrechen« von den staatsbürgerlichen Rechten aus geschlossen sind. geladen, zur Ausübung ihres Wahlrecht» uud bei Verlust de« letzteren für die gegenwärtig vorzuncbmende Wahl Mittwoch den 12., oder DonnerStaa den 13. Geptewber 1883, Nach,mittags in den Munden von 3 biS 8 Uhr in dem Wahllokale, dem Saale der alten Waage, Katharinenffraffe 2», H. Mock, persönlich sich eui- zufinden und einen Stimmzettel, aus welchem 13 Name« wählbarer Personen angegeben sind, abzuaeben Zur Legitlmation hinsichtlich seine« Wahlrecht- hat jeder Wählende den Meuerzettel über die in diesem Jahre von ihm zu zahlende Staats-Ein kommensteuer vorzuweisen, auch soweit »ölhig, das Vorhandensein der unter v und ck aufgesührten Bedingungen darzuthun. Diejenigen Wählenden, welche al» Vertreter eine» Ge schäft», besten im OrtSkataster eingetragene- Einkommen nach H. 17 ck und tz. 2l des Einkommensteuergesetzes nicht auSreicht, um sämmtliche Theilhaber als wahlberechtigt zu betrachten, da» Wahlrecht auSüben wollen, haben sich durch ein Zeugniß der Geschäftsinhaber zu legitimiren. Wählbar ist jeder Stimmberechtigte. Ltipzig, den 25. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Lohse. Bekanntmachung. Im Anschluß an da- Vorgehen anderer Behörden müssen auch wir im Interesse unsere- AckenwesenS darauf aufmerksam machen, daß die an unsere Expeditionen,», richtenden Eingaben auf einen ganzen Bogen, sogenannte« Actensormat, mit Tinte zu schreiben sind, wobei au> der ersten Seite zu beginnen ist, und behalten unS ausdrücklich vor, Eingaben, weiche diesen Erfordernissen nicht entsprechen, als Postkarten. Zettel aller Art, Briefbogen, Bogen, auf welchen die Seiten nicht nach obiger Vorschrift beschrieben sind, bektographiscke Abzüge u. dergl.» zur Abänderung zurückzugcben. welchenfall- die Absender solcher Eingaben alle hieraus entstehenden Nachtheile und Weiterungen lediglich sich selbst zuzuschrriben haben. Leipzig, am 16. August 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwkh. Nachdem in letzter Zeit wiederholt bei unS Beschwerden und Anzeigen über die »ntcnsive Luftverpestung, welche hier und da durch Ansammlung von Knochen in Rohproduclen- geschästen, namentlich aber beim Ausladen der in solchen Geschäften angesammelten Knochen und bei deren Transport aus Wagen vor sich geht, eingegangen sind und diese Klagen auch begründet befunden worden sink, so wird zur Beseitigung diese» gesundheit-polizeilich unzulässigen UebelstandeS hier durch allen Inhabern von solchen Geschäften bei Vermeidung einer Geldstrafe von 1 bi- 150 -4k oder entsprechender Hast strafe ausgegebrn, die angesammelten Knochen durch Kohlen pulver, Aetzkalk oder Carbolsäurepulver derartig zu deS- mficiren, daß sowohl beim Lagern, wie beim Ausladen und Transport die Verbreitung von Fäulnißgeruch ausgeschlossen ist. Ueber vie Befolgung dieser Anordnung werden wir genaue Controle führen lassen. Leipzig, den 5. September 1883. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Lohs«. vermielhung »VN Abheilungen der Fietschhalle an her HoSpttalstraße. In obengenannter Fleischhalle sind die miethfreien Mdthetlnagen Rr. 2, 8, 18, 13, 22, 31 anderweit gegen einmonatliche Kündigung sofort oder später zu vermtethea und werden Miethgesuche aus dem Rath- vause. l. Etage. Zimmer Nr. 17, entgegengenommen, auch können ebendaselbst die VermiethungSbekingungen eingesehen werden. Leipzig, den «. September 1883. Der Rath der Stadt Leipzig vr. Georgi. Stög. Der Inhaber de» abhanden gekommenen Sparkassen-> Quittungsbuche» Serie II Nr. 72587 wird hierdurch auf« I gefordert, sich damit binnen drei Monate» und längsten- am 15. Dccember d. I. zur Nachweisung seine« Rechte« bez. zum Zwecke der Rückgabe gegen Belohnung bei Unterzeichneter Anstalt zu melden, widrigenfalls der Sparcassen-Ordnung gemäß dem angemcldetcn Verlustträger, nach erfolgter Beeidigung seiner Anzeige, der Inhalt dieses Buche- auS- gezahlt werden wird. Leipzig, den 11. September 1883. Die Verwaltung deS Leihhauses und der Sparcaffe. Wegen Reinigung der Geschäftsräume bleiben die Stadt- casse und die StistungSbuchhaiterei sür Mittwoch, den 12. dieses MonatS geschlossen. Leipzig, den 8. September 1883. DeS RathS Finanz-Deputation. Königliche Akademie der bildenden Muße und Rnnkgewerbtschnle zu Leipzig. Frequenz im letzte» Jahre 307 Tchiilcr. Tie 8t»Sie» ii» Wintersemester 1883/84 beginnen Montaq. de» 1. Lctober ». o. Tie TaqcScursc srüh 8 Uhr, dir Abenvcurse »m 5 Nur. Ter Lehrplan »msakzt aUe ttnterrichtSgchictr »er bilden den Künste und dc» üiiustqriverbrS nud lirrncksichtigt sprcirll die AiiSliildniiq in de» graphischen Knuste». Anmeldungen zur Ausnahme sind in der Zeit vom iv. biS mit 22. dieses MonatS in der Eivcditton der Kuiiswtade»lic, ivest- ltcher Flügel der Plcistcnbnrg 2. Etage, Nachmittags zwischen 4 n»d 5 Uhr zu bewirken. Leipzig, den 1. September 1883. Der Direktor: vr. Ludwig Nieper. Nichtamtlicher Theil. Die Lefreiung Wiens von den Türken. Heute feiert Wien den Tag, an welchem vor 200 Jahren die Türken, nachdem sie die österreichische Hauptstadt zwei Monate lang belagert und ihre BefestignngSwerke bis aus einen geringen Nest in Trümmer geschossen hatten, von dem langersehnten Entsatzheere befreit wurden. Es war die aller höchste Zeit, denn dir beldeninüthigcn Vertheibiger waren durch die Geschosse der Türke» und durch Krankheit bereits aus die Halste zusammcngeschmolzcn; allein von der Bürgcr- miliz, 5000 an der Zahl, waren 1700 kampfunfähig geworden und von den 11,000 Mann Besatzung waren »nr noch kaum 6000 Mann vorhanden, die klebrigen halten de» Tod im Kamps gefunden oder waren der Ruhr erlegen. Fünfzig Stürme hatten sie siegreich abgeschlagen, bevor die Bcfreinn.zS- stunde kam. Endlich am Morgen deS 11. September ver kündete den Belagerten ein mächtiges Banner, welches aus weißem Felde ein rothcs Kreuz trug, von der Spitze des KaklenbergeS, daß die Rettung nahe. Aber weiche Leibe» batte die Stakt seit dem 15. Juli, dem Beginn der Ein schließung, ertrage». Es ist ein trauriger Ruhm sür Frankreich, daß auch dieser Einfall der Türken nur dazu diente, damit Ludwig XIV. den an Deutschland begangenen Raub ungesühnt in Sicherheit bringen konnte. Kaiser Leopold war gerade im Begriff, mit seiner ganzen Macht gegen Frankreich zu marschiren uud ihm die gegen alle- Völkerrecht Deutschland entrissenen GebietS- thcile wieder nözunehmen. als Kara Mustapha, der Günstling Mohninmeb'S IV., de» erst im Jahre 1684 adlausenden Waffen stillstand brach und mit einem Heer von 300,000 Mann gegen Oesterreich zu Felde zog, um diese« Land der Türkei cinzuverleibcn und dann auch Deutschland der türkische» Herrschaft zu unterwerfen. Als kein Zweifel mehr obwaltete, daß die Rüstungen der Türken Oesterreich galten, verzichtete Kaiser Leopold aus die gegen Frankreich geplanle Unternehmung und zog eine Streitmacht von 50,000 Mann unter dem Oberbefehl seines Schwagers, des Herzog« Kart's V. von Lothringen, zusammen. Außerdem stellten HilsStruppcn der König SobieSki von Polen, die Kurfürsten von Bayern und Sachsen und der schwäöisch-fränkische Kreis. Am 30. März 1683, dein Tage, an welchem Kaiser Leopold daS Bündniß mit dem Polenkönig SobieSki Unterzeichnete, brach daS türkische Heer von Avrianopel auf. Sultan Mohammed hatte eS von Konstantinopel auS bis dahin begleitet und noch einmal Heerschau gehalten über daS zahllose Kriegsvolk, welche« Kara Mustapha befehligte. Um den Sieg sür alle Fälle zu verbürgen, hatte er diesem die heilige grüne Fahne deS Propbete» übergeben, damit er sich derselben in der Stunde der Gefahr al« des letzten unfehlbaren Rettungs- mittel» bedienen könne. Er hat allerdings von diesem Schibolet Gebrauch gemacht, aber obne den gehofften Erfolg Am 30. Juni hielt Kara Mustapha vor Naab noch einmal KricgS- rath. Eine Anzahl Paschas war der Ansicht, daß man erst daS ganze Land unterwerfen solle, dann müsse Wien im nächsten Frühjahr von selbst fallen- aber der Großvezier hatte die Belagerung Wien« beschlossen und so zogen denn die Türkenhorden unter Sengen und Brennen vor die öster reichische Hauptstadt. An, 13. Juli erschien bereit« die türkische Vorbut in der Vorstadt St. Marx, auS welcher sie aber durch einen Eavallerieangriff bald wieder vertrieben wurde. Bei der Verfolgung fand man eine Aufforderung an den Stadtkommandanten von Wien, Grasen Starhcmberg. Wien zu übergeben. Für diesen Fall wurde den Einwohnern freier Abzug versprochen. andernsnllS angedrobt. daß Wien erstürmt werden und dann Alle Uber hie Klinge springen sollten. Am 7. Juli war der zum Stadtcommandanl er nannte Feldzeugmeister Gras Starhemberg erst in Wien angelangt. An diesem Tage verließen etwa 60.000 Menschen mit ihrer Habe und den Kirchenlchätzen Wien, während viele Landbewobner dort Schutz suchten. Für die Vertbeidignng war sehr wenig gethan. Tie Festungs werke waren vernachlässigt, der Stadtgraben nicht vollständig auSaehoben, Faschinen, Schanzkörbe. Pallisadcn waren nicht vorhanden, da» Zeughaus war von Waffen und Munition entblößt, aus den Wällen seblten die Kanonen und die ganze Besatzung bestand au» 5 Eompagnien de« Kaiserstein jchcn FußregimentS. Kaiser Leopold, dem c» unter solchen Um ständen in seiner Hauptstadt auch nicht gebeuer schien, verließ mit seiner Familie und dem gesammten Hofstaate seine Residenz und begab sich nach Linz, um dort m Sicherheit daS Schick- sal Wien» abzumarten. Tag» daraus traf di- Reiterei de- Herzog» von Lothringen in der Stärke von 10.000 Mann vor der Stadt ein. Starhcmberg bielt eine Ansprache an die Bürgerschaft. ,n welcher er am Schluß sagte: „So stehet venmach Ac - w - ein Mann und schaffet durch eure gesnmmte Herzhaftigkeit, daß wir in unfern Mauern den Sitz und Wohnung sicher behalten mögen und ehe die Nachwelt erfahren solle, daß wir durch langwierige Belagerung cingcsperrt, Hungers sterben oder u»S schändlich ergeben müßlen. so lasset unS lieber eine» rühmlichen Tode, in dem Bette der Ehren da« ist in »»seren Mauern, welche der Feind ningeben hat. sterben. Nun. ihr lieben Bürger und treuen Spießgesellen folget mir demnach als euren, Anführer herzhaft und getrost nach, als der icb entweder rühmlich zu siegen oder ritterlich zu fterden Gras Starhemöerg qestattete auch allen Denen, welche sich an der Beul,--idig»»g nickt kctheiligen wollten. Wien zu verlasse», die aber bleiben wollte», mußten den Eid der ^reue schwören, den sie auch mit Begeisterung leisteten. Am Abend de« 14, Juli, nachdem eS gelungen war, Wien nothdürstig zu verproviantiren und in BertheidigungSzustand zu setze», be gänne» bereits die Belagernngsarbcite» der Türken. Fast wäre der erste Tag der Belagerung auch der letzte geworden, denn ein surcbtbarcö Feuer, welche« am 14. Juli am Scbolten- kioster aukbracli, batte beinahe die Pulverkammer ergriffen und dadurch Wie» wehrlos gemacht, wenn nicht Gras Guido Starhemberg, der Neffe de« Cominandanten. die Arbcitsleute mit dem Degen in der Faust gezwungen hätte, die bereits vom Feuer ergriffenen Fenster de« zur Pulverkammer führenden hölzerne» Ganges zuzumauern. Erst nach drei Tagen gelang die Bewältigung de« BrandeS. dessen schädliche Wirkungen Zeughaus abwandte. Am 16. Juli verließ Herzog von Lothringen mit der gc- sainmten Eavalleric die Lcopoldsladt, die Tavorane und die Praterinsel, welche man anfangs zu Hallen beschlossen hatte, und zog sich über die Donaubrückcn, die er adbrennen ließ, aus daS linke Donauufer zurück. Die Türken benutzten sogleich die Gelegenheit, um Wien vollständig einzuschlicßen. Nachdem die Belagerten bis zum 17. August alle Angriffe der Türken vereitelt und glücklich zurückgeschlagen hatten, traf endlich durch den am 13. August zum Herzog von Lothringen abgesandten Kundschafter Kolschitzky die Meldung in Wien ei», daß eine Entsatzarmee von 70,000 Mann hcranriicke und daß bereit« die Vorbut der polnischen Armee eingetrossen sei. Ferner brachte Kolschitzky die Nachricht, daß Gras Emcricb Tökeiy, daS Haupt der ansständischcn Ungarn, bei Preßburg geschlagen worden und sein Gepäck und viele Faknen ver loren habe. Am folgenden Tage wurde ein von 3000 Janit- schare» unternommener Sturm auf den Burgravelin glück lich znrückgcwiesen, nachdem die Bastion schon mit den Fahnen der Türken besetzt worden war. BiS zu diesem Tage sollen die Türken durch Kamps und Krankheit 47,000 Mann verloren haben. Erst am 3. September stet der Burgravelin in die Hände der Türken, welche ihn in bewundernder An erkennung der Tapferkeit der Vertheidiger den Zauberhausen nannte». Jetzt hoffte Kara Mustapha Wien durch einen Sturm bald in seine Gewalt zu bekommen, denn wenn dicS nicht geschah, so war die Ungnade de« Sultan« zweifellos. Ein am 4. September von 4000 Türken unternommener Sturm wurde unter Aufbietung der letzten Kräfte zurück- geschlagen und 500 Türlenleichen bczeichneten die Stätte deS glücklich abgewehrten Angriffs. Am 6. September erlitten sie, nachdem sie in die Mauer an der Löwclbastci Bresche geschossen hatten und hier den Sturm erneuerten, sogar einen Verlust von 1500 Todten. Unbeschreiblich war der Jubel, al« in der darauf folgen den Nackt fünf vom Kahlcnberge ausstcigende Raketen den Belagerten im Augenblick der höchsten Gefahr die nabende Rettung durch da« Entsatzbeer verkündeten. Am 7. Sep tember feuerten die Türke» schon seit dem frühesten Morgen aus ihren schwersten Geschützen aus die Stadt, bock dauerte ihr Feuer nickt lange, da Kara Mustapha an diesem Tage Heerschau hielt, um seine Slrcilkräfte gegen da« Entsatzhcer entsprechend vertheilen zu können. Nach einem später im Zelt de« GroßvezierS Vorgefundenen AuSwciS halte daS türkische Heer an diesem Tage die Stärke von 168,000 Mann und der Verlust belief sich auf 48,344 Mann. Am 8. September wurde die Gefahr de» Eindringens der Türken in die Stadt, nachdem ihnen eine Mine an der Lbwcl- bastei den Weg gebahnt hatte, nur dadurch abgewandt, daß die Stürmenden die Nachricht vom Uebcrgang der Entsaharmcc über di- Donau erhielten, welche Verwirrung in ibre Reihen brachte und sie zum Rückzug veranlaßte. In der Nacht vom 9. zum 10. September, also kurz vor der Erlösung Wien», starb der verdiente Bürgermeister von Wien v. Liebenberg, welcher beim Beginn der Belagerung selbst bei den Schanz arbeiten Hand angelegt hatte, um durch sein Beispiel die Bürger zu kräftiger Arbeit anzuscuer». In einem am 10. Seplember abgehaltencn KriegSrath, m welchem eine Anzahl Pascha« rietb, die Belagerung Wiens auszuheben und die Belagerer nur durch Zurücklassung einiger 1000 Mann in Schach zu halten, erwiderte Kara Mustapha dem Wortführer Ibrahim Pascha von Ösen: der Stadt- commandant habe durch seine bisherige Vertheidigung wohl verdient, ihm den tapsern Entschluß zuzumutben, er werde, sobald die Belagerung aufgehoben sei, sofort den Türken in den Rücken fallen. Demgemäß blieben die Türken in ihren Stellungen. Am 12. September endlich schlug die langersehnte Stunde der Errettung au« Noth und Jammer. Der König von Polen, der Oberbefehlshaber de« Entsahheerc«, Hütte am 30. August den Boden Niederösterreichs betreten und sein Laaer m Hollabrunn aufgeschlagen. Karl von Lothringen sah an dlrsem Tage seinen ehemaligen Nebenbuhler und Mit bewerber um die Krone Polen« zum ersten Mal. Johann SobieSki war 45 Jahre alt, mittelgroß, stark und fettleibig, mit halbgeschornem Haupthaar, Augen. Bart und Haupthaar schwarz, von herrischem Auftreten. Er wa, lebhaft in Rede und Gebcrde. voll Zuversicht, aber ein einfacher KricqSmann und in seiner Kleidung da« Lagerlcben vcrrathcnv Seine Vergangenheit war ruhmvoll; er hatte wider den Sieger von Febkbellin, den großen Kurfürsten von Brandenburg, die Schweden, Kosaken und Türke» glorreich gekämpft. Sein Sieg bei Sbozym am 11. November 1673 hatte ihn zum Erwählten seine« Volk» und zu einem Helden seine« Zeit alter« erhoben. Znm Herzog von Lothringen sagte er: Den König habe ich in Warschau gelassen, ich bin nur Bruder und Waffengcfährte und nur hier, um Rathschläge anzu- nchmen, nicht, um Befehle zu erthcilen. . In der Nacht vom 8. auf den 9. September kam Kur fürst Mar Eiuanuel von Bayern zur Armee, am 9. der vom Kaiser gesandte HofknegsrathSpräsident Markgras Hermann von Baden. Die Armee wurde nun so geordnet, daß der Prinz von Lothringen den linken auS kaiserlichen und sächsischen Truppen sormirten Flügel, SobieSki den rechten commandirte. Dieser bestand auö den Polen und je einem Regiment der kaiserlichen Truppen, der Bayern, Sachsen und Franken. Die Gesaiiiiiitslärkc betrug 127 Divisionen oder 46,100 Mann Eavalleric und 57 Bataillone oder 38,700 Mann Infanterie, zusammen 84,800 Mann. Als der König SobieSki vom Kahlenberg an« die Stellung deS FeinkeS überblickte, sagte er zum Herzog von Lothringen: „6et koianw ost mal camp«, c'est uu ignorant, oous Is batterona" (dieser Mensch hat eine schlechte Stellung, er ist ein Dumnikops, wir werden ihn schlagen). Und SobieSki hatte Recht, denn als Kara Mustapha die Höhen de« Kablen- bergS und LecpvldSbergs von Truppen besetzt sah, warf er sich zur Erde, zerraufte sein Haar und fluchte der Mutter, die ihn geboren. Trotz strengen Gegenbefehls betraten die PaichaS von Ofen und Diarbckir fein Zelt und zwangen ihn, Anordnungen zu treffe» und sich an die Spitze seiner Ianitscharcn zu stellen. Er gab nach und ertheitte den Befehl über den linken Flügel Ibrahim Pascha, über den rechten Kara Mehcmed von Diarbckir, er selbst befehligte daS Een- trum. Der l2. September siel auf einen Sonntag und die katholische Kirche feierte an diesem daS Fest der göttlichen Vorsehung. Der Kapuziner MarcuS Avianu» reichte den Fürsten daö Abendmahl an dem Altar der LeopoldS-Eavelle und ries den Feldherren und ihren Truppen zu: „81 dndsoiti» eontickentinm in Deo, obtinebitis victoriam" (Wenn Ihr Gott vertraut, ist der Sieg Euer). Nack einer kurzen Anrede SobieSki'« an die Seinen gab er daS Zeichen znr Schlacht. Bis 4 Uhr Nachmittag« lobte der Kamps, sein Preis war die berühmte Türkenschanze, welche mit 10 Geschützen besetzt, daS Zelt dcö GroßvezierS schützte. Mit dieser fiel der Schlüssel der feindlichen Stellung, die Türken wandten sich znr Flucht und die polnischen Reiter brachten ihnen eine furchtbare Nieverlage bei, nachdem die Sieger selbst durch Karl von Lothringen« kluge» Eingreifen in daS Gefecht vor der Vernichtung bewahrt worden waren. Ueber 5000 Türken wurden niedergehauen, daS ganze Lager fiel in die Hände der Verkündeten, Wien und mit ihm da« Abendland waren Vor der drohenden Unterdrückung durch die Türken gerettet. Leipzig, 12. September 1883. * An« Berlin wird uns vom Montag geschrieben: „Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" und ihren Auftraggebern ist c« nicht gerade angenehm, daß jetzt schon Alles darauf hindeutet, daß dieAuslösung de« Berliner Stadtverordncten-CollegiumS den Zweck, welcher mit dieser Maßregel verbunden wurde, augenscheinlich ver fehlen dürste. Tenn wenn auch da« ossiciöse Blatt in der letzte» Zeit wiederholt betont bat, daß diese Anordnung jede« politischen Charakters entbehre, daß lediglich Gründe der Zweckmäßigkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit den Minister de» Innern bewogen hätten, diese Maßregel im Staatsministerium und demnächst bei Sr. Majestät in Vorschlag zu bringen, so ist dock die Tbatsacke nicht sortzuleugncn. daß der Gedanke vom conservativen Central-Comitö angeregt, von den Libe ralen aller Sckatlirungen in gleicher Weise als dem Wort laut der Städteordnung widersprechend und in seiner Wirkung schädlich bekämpft worden, von Herrn v. Puttkamer nichtsdesto weniger mit Freuden ausgenommen worden ist. Es ist richtig, daß der größere Theil der Stadtverordneten in politischer Hinsicht zur Fortschrittspartei zählt, aber so sehr vie Fortschrittler sonst nörgeln und in der Bekrittelung groß sind, hier, auf com munal ein Gebiete, sind sie ihrem Charakter fast untre» geworden und haben sich mit musterhaster Hin gebung de» Interessen ihrer Mitbürger gewidmet. Lehrreich mag eS ja immerhin sein sür die Herren, auch einmal au sich selbst zu erfahren, wie eS thut, wenn die besten Ver- waltungSmaßrcgcln mit Uebelwollcn kritisirt und bemängelt werden, auch ist nickt zu leugnen, daß ihr jahrzehntelange« Gebühren in den Parlamenten Schule gemacht und ihren jetzigen Gegnern gewissermaßen die schlimmen Wege gewiesen bat — ob cö aber helfen wird, da« ist die Frage. Im klebrigen ist auch anzuerkennen, daß in der Stadtverordneten- Versammlung sich niemals eine politische Scheidung gezeigt hat, niemals irgendwie politische Differenzen zu Tage getreten sind oder gar den Ausschlag gegeben haben. Neben den Fortschrittlern arbeiteten init gleicher Freude und Tüchtig keit eine größere Zahl nationalliberaler Bürger und mit diesen eine Reihe hochachtbarer konservativer Männer, welche alle in gleicher Weise daS jetzige Vorgehen der „Bürgerpartei" und der Socialdcmokratcn verurlheitc» Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bemäkelt nun heute den von de», Cenlral-Wahlcomitü der liberalen Partei für die Stadtverordnelenwahlen Berlins erlassenen Wahlaufruf. DaS Blatt erkennt ausdrücklich den Ton de« Aktenstückes als gemäßigt an. das Blatt sagt selbst von dem Inhalt, daß er ein solcher ist. „wie man ihn von jedem vernünftigen Bürger bei dieser Gelegenheit erwarten dürfte", gleichwohl aber glaubt daS Organ der Regierung die Unterzeichner des Ausrufs denuncircn zu sollen. In vci» Programm ist von de» Verdiensten der früheren Verwaltung die Rede und aufgczähtt, wie bei dem ausnahmsweise» WachSthum und der außerorventlichen Vermehrung der Einwohnerzahl die Stadtverwaltung, immer sich ihrer Ausgaben bewußt bleibend, die Schulen, die Straßcn- pflasterung, die Beleuchtung, die Canalisation ic. entsprechend verbessert und ausgedehnt habe. Da kommt nun die „Nord deutsche" und klagt die ComitSmitglicder an. daß sie in dem Ausrufe nickt davon gesprochen haben, daß die Stadt Berlin durch daö Hvhenzollernhaus zur Hauptstadt des Staate« und in weiterer Folge zur Hauptstadt des Reiche- geworden sei. Wahrlich, eS gicbt kaum einen parlamentarischen Ausdruck, um dieses Gebühren deS osficiöscn Blatte« richtig zu be zeichnen. DaS, wak fick von selbst versteht, waS Jedermann weiß, soll besonder« bcrvorgehoben werden, und noch dazu in eine», Ausruf für commpnale Wahlen. Der Name des Kaiser« soll in den Partcikampf gezogen werden, weil eS die „Norddeutsche" so will. Freilich, eS ist leider die Art gewisser Parteien, sich mit dem Namen Hvchststchender zu decken, um ihren Zielen Relief zu vrr leihen; wir wollen aber diese Mittel und Wege immer
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