Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188310054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18831005
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18831005
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1883
- Monat1883-10
- Tag1883-10-05
- Monat1883-10
- Jahr1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1883
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint tätlich früh 6'/, Uhr. ltktartion und Lrprditir« JohanneSgafle 33. Sprechstunden der Nrdariioa: vormittags 10—13 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. g» »t« »fta,-»« em»«t»»d»«r «»»I ft» »>« ««»,«>», aiwr «erduidtn». «uu«tz»e »er für »tr uSchMolftkiide N«««er »efttmmte« Inserat« an «tochrntaien bis » Nhr Nachmittags an »»>»- nn» Kesttagrn frühbis '/,VUhr In den FUialrn skr Ins.-^nnahm? Ott« klemm. UniversitSt-stratze 2t. Louts Lüsche, Katharinenstrabe 18, p. nur »iS '/,S vbr Anzeiger, Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Mefi-Auflage L8,S«Q. Thbonnrmentaprns vierlelj. 4'/, Mtu iocl. Bnnaerlohu b Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 30 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren tür Lxtrabcliaaea «bnr Poslbeiörderung 39 Mk. Mit Postdesördernag 48 Mk. Inserate figespaltene Petitzeile 20 Pf. Großer« Sck! ritten laut unserem PretS- verzeichn'b- i -ibellartscher ».tziffernsap nach HSHrr« Pakts. irclame, anter dem kedartion«strich die Svoltzei'.e SO Ps. Inserate sind stet- an die Oppedttt»« z» senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»st»>o»<>r«.i»l» oder durch Post» Nachnahme. 278. Freitag dm 5. Oktober 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Di« am 17. August dss. Jbs. verstorbene unvrrehel. Amalie Bertha Otto hat der hiesigen Blindenanstalt letzt- willig die Summe von Eintausend Mark ansgesetzt. Nachdem diese- für die hiesige Biener'scke Blindenstiftung von un« angenommene Vermächtnis, von der Universalcrbin nuSgezahlt worden ist, bringen wir dasselbe zur öffentlichen Kenntnis und rvfrn der wohlthätigen Gcberin unfern herz lichsten Dank nach. Leipzig, den 28. September 1883. D«r Nat» der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Zm Lause der letztvrraangrnen drei Monate sind die nach. verzeichnet«,, Gegeustünde bei drm Unterzeichneten Amte als gesunden de«, als herrenlo« abgegeben resp. angemeldet worden: Ein Pelzschmnck. ein Kistchen Ligarren, eine Straußenfeder, ei» goldener Klemmer, drei goldene Ringe, zwei ebensolche Medaillon», zwei HandsSgen, zwei HavelocS, eine Pferdedecke, drei leinene rischdecken, ein Opernglas, ein goldene- Kreuzchen, «ine Rciscdecke, ein Reisenecessaire, zwei Thaler, zwölf Gabeln, eine Doppelkronr, drei neue Shaw'.lücher, zwei Dutzend Paar Filzschuhe, ein Schubkarren, ein Canarienvogel, mehrere PortemoauaicS bez. Geldtäschchen mit Geldinhalt und einige Schirme. Die unbekannten Eigentümer der vorgedachten Gegenstände werdeu hierdurch ausgesorbert, sich zur Empfangnahme derselben in uuserrm Lommifsariat zu melden, anderniall- in Gemäßheit von ß. 239 d«S Bürgerlichen Gesetzbuch» über die Fundsachen verfügt werden wird. Leipzig, am S. Oktober 1883. Las Polizei-Amt der Stadl Leipzig. Bretichneider. Gras. Bekanntmachung! Dle8t««er». Klempner» und Daiüdeckerarüetlen sowie dle vlttzadleitnngaanlage am Neubau der Prtri- ktrch« zu Leipzig sollen im Wege der Sssentlichrn Submission vergeben werden. Zeichnungen und Bedingungen könne» im vanbnrean Lchietterplatz etngesehen resp. von don bezogen werden. Offenen find versiegelt bis z»m Sonnabend, den SO. Oktober ». I-, Mittags IS Uhr in der Expedition der Prtrtkirckie am PctcrSkirchhof cinzureichcn. Leipzig, d. 1. Oktober 1883. Der Mrchenvorstand. Consistortalrath Prof, vr. Fricke. Sttikbrief. Gegn» die unverehelichte Anna Smilie Fehrmann aus Dresden, geboren daselbst am 24. September 1840, welchr flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Unterschlagung, Diebstahls und Betruges verhängt. ES wird ersucht, dieselbe zu verhaften, in das nächste Gericht». Gesüngniß abzuliesern und zu den hiesigen Allen ck. L92Ü/83 Nach richt zu geben. Magdeburg, den I. October 1883. Der Erste Staatsanwalt. Nichtamtlicher Theil. Vie Lrifis in Frankreich. Durch die Pariser Ereignisse vom 29. und 30. September ist der Bestand alle- Testen. waS die französische Republik im Lande selbst wie nach außen repräsentirt, in Frage gestellt. Die Stellung de» Ministeriums ist nicht minder erschüttert wie die de- Präsidenten der Republik, und die Ersatzmänner stehen schon bereit, um die erledigten Posten zu besetzen. DaS Beschämendste für da- Oberhaupt eine« Grvßstaate» ist VaS Äeständniß Grevh'S, daß die französischen Gesetze ihm nicht die Macht verliehen, einen König, welcher die Gastfreundschaft Frankreich« in Anspruch nimmt, vor Beschimpfungen zu schützen- denn damit ist zugestanden, daß in Frankreich anarchische Zustände herrschen. Diese Empfindung hat sich auch bereit» eine- großen Theil» der französischen Presse be mächtigt und de-halb wird schon öffentlich von dem Ersatz Grevh'S durch eine energischere Person gesprochen, durch den Kammerpräsidenten Brlsson, den bekannten Chauvinisten, welcher seinen Rachegelüsten gegen Deutschland bei Ge legenheit der Bestattung Gambetta'S so lauten Ausdruck gab. Brisson bat schon seit längerer Zeit die nächste Anwartschaft aus den Präsiventcnstuhl der französischen Republik, und er ist der Mann dazu, um fest und sicher aus diese« Ziel loSzusteuern und keine Gelegenheit zu verabsäumen, welche ihm zur Erlangung desselben dienen kann. Günstiger war der Augenblick noch nicht für diesen Zweck als der gegen wärtige. denn die Stimmen, welche Grevy für die schmachvolle Entwürdigung Frankreich- in den letzten Scptcmbcrtagen verantwortlich machen, wachsen täglich und stündlich an Zahl und Einfluß, und die Feinde Grevh'S haben den Hebel zu seinem Sturz an der richtigen Stelle angesetzt. Da» Ber- hältniß, in welchem sein Schwiegersohn Wilson zu ihm un» zum Ministerium steht, diese Art von geheimer Nebenregierung, welch« er betreibt, bieten zahlreiche AngnffSpmwte, welche von den Gegnern eifrig benutzt werden. Außerdem ist der Zwie spalt. welcher zwischen Grevy und dem Ministerium Ferry besteht, durch die Ränke Wilson'» zur öffentlichen Kenntniß gelangt, und da» zu einer Zeit, tn welcher Ferrh entschieden vem Präsidenten gegenüber im Borlheil ist, denn nur seiner Dazwischenknnst ist eS zuzuschreiben, daß dem König Alson» wenigsten» die allernothwendigste Genugthnung gegeben worden ist. Die LobeSerbebungen, mit welchen die dem Präsidenten ergebene Presse den entgegenkommenden Schritt desselben vom 30. September begleitet hat, entbehren nicht de« Stachels, denn sie bestätigen nur, daß die Beleidigung de» König» statt- gesunden bat, welche bei einiger Vorsicht und Klugheit vermieden worden märe. ES wäre ein großer Irrthum, wenn man glauben wollte, daß die Sache jetzt abgethan sei. im Gegen- theil. die Folgen de- Geschehenen «erden erst zu Tage treten, wenn die Kammern versammelt sind. Die Abgeordneten der Rechten werden die Gunst der Umstände zu ihrem Borthcil auSbeuten und LaS Ministerium Uber die Vorgänge während der Anwesenheit de« Köing» von Spauien interpelliren. Da ist der geeignete Moment, um aste« D«» zur Sprache zu bringen, wi»S jetzt noch in Form von Klatsch und von Ge rüchten in den Zeitungen circulirt. Die ministerielle Presse, an der Spitze „Pari»", läßt Vorchblicken, daß zwischen Grevy «nd Ferry ernste Auseinandersetzungen wegen de» Herrn Wilson staltgcsunden haben, und e» ist kaum zu umgehen, daß diese Tinge auch in der Kammer erörtert werde». E» ballt sich da in aller Stille ein Gewölk zusammen, daS sich nicht so wohl gegen ta» Ministerium als gegen die republikanische StaatSsorm entladen wird. Tie Royalisten sind in der Lage, da» Sündenregister der Republikaner in einer Vollständigkeit zu entrollen, welche aus da« Land schwerlich ohne Eindruck bleiben wird. Der Sturz de- Ministeriums Ferry, der wohl nicht zu vermeiden ist, erscheint jetzt nur »och als uiibedcutcnve Nebensache, da» Maß dieses CabinclS ist gestrichen voll, schon allein dicTvnkin-Angeiegcnheit mit dem auS ihr sich ergebenden Zerwürsniß mit China reicht hi», den Rücktritt hcrbeizu.siihre», ganz abgesehen von der Eigenmächtigkeit, mit welcher da- Ministerium über Geld und Soldaten der Republik verfügt hat. Daß die Dinge aus Madagaskar schlecht stehen, kann auch nicht dazu dienen, die Lage des Ministerium- zu ver bessern. Die Radikalen unter Führung Barodet'o werden sich mit den Royalisten verbinden, um einer Sippschaft den Lauf paß zu geben, welche die Verwirrung in Frankreich, statt sie zu beseitigen, aus den Höbepuiict gebracht bat. Nach Erledigung dieser Nebensache wird sich aber der Kamps gegen den Präsidenten der Republik richten. Vor läufig ist die Präsidentensrage noch eine häusliche Angelegen heit der Republikaner, bei welcher sich die Anhänger Grevy'ö mit denen Brisson'S messen werke», aber schnell und plötzlich wird sich daraus tcr Kampf zwischen Monarchisten und Nepnblikanern entwickeln und der Sturz Grcvy'S kan» leicht znm Sturz der Republik selbst auSschlagen. Die Zahl der Männer, über welche die Republik zu verfügen hat, ist erschöpft, aus ein Ministerium Ferry würde wieder ein Ministerium Freycinel sotgcn, ein M»iister, dessen energielose Hallung wäh rend der egyptischen Verwicklung noch in frischem Andenken ist. Aber angenommen, cS gelänge, Brisson an die Stelle Grevy's zu setzen, so wäre damit die Schwierigkeit, ein lebensfähiges Cabinet zu bilden, noch keineswegs gelöst; die Klippe, woran jede- neue Ministerium scheitern muß, ist da« KricgSministcrium. Die Armee bedarf eine« Oberhauptes und sie hat keinS, denn der KricgSminisicr ist »nr daS Organ dcS Präsidenten und der Präsident wird nicht als Oberhaupt der Armee anerkannt. Grevy befiehlt dem Cominandanlen deS Invalidcnhotcls, bei ber Ankunst dcS Königs von Spanien Salutschüsse abzngebcn, er weigert sich und in Folge dessen wird ein Anderer mit der AnSsührung beauftragt. AIS der Präsident aus dem Babnhose erscheint, präscnlircn die Truppen nicht einmal daS Gewehr. DaS klingt wie Kleinigkeiten nnd doch ist daraus das wahre Sackverhältniß zu erk »neu. Auch Thibaudrn'S Bemühungen scheitern an diesen Schwierigkeiten, und sie werde» stetö aus» Nene sich geltend machen, wenn nicht ent weder ein General Präsident der Republik wirb oder die Monarchie wieder hergcsleüt wird. Unter Mac Mihon exisiirte dieser Zwiespalt nicht und daß er die Armee hinter sich hatte, vcrhalf ihm ans den Präsidcnlcnstnhl. Jetzt ist der Moment für die Orleauistc» gekommen, zu zeigen, ob sic regierungsfähig sind oder nicht. Nie zuvor war die Sache der Republik so schwer cvmprvminirt, wie gegenwärtig. eS muß also bei diesem Anlaß sich entscheide», ob noch genligeiidc Elemente in der Bevölkerung sind, um die Sache der Orlcanisten zu der ihrigen zu machen. Die Interpellation wegen der Vorgänge am 29. und .30. September wird sich ganz von selbst zu einer Tebatte über die Cardinall frage der StaatSsorm gestalten. Tie Anklage der Monar chisten gegen die Republikaner lautet: Ihr habt euch unfähig gezeigt, die Würde Frankreichs zu wahren, eS ist deshalb in der Ordnung, daß ibr nuS Platz macht, die wir durch Tra dition und Anhänglichkeit au die alten Institutionen Frank reich» den Berns haben, die geschmälerte Ebre der Nation wieder herzustcllcn. Ihr babt eure RegiernngSunfähigkcit in unzähligen Ministerien seit drcirehn Iabrcn bewiesen, cS bleibt deshalb der französischen Nation nichts übrig. alS zu der Monarchie als ihrer letzten Rettung zurückzugreifen. So werden die Anhänger des Grafen von Pari» sprechen, und wer vermag zu sagen, ob sie damit durchdringen werden oder nicht? Leipzig, 5. Oktober 1883. * Welche Bedeutung die Stärkung oder Schwächling der nationalliberalen Partci für daS deutsche National- interesse hat, kommt nunmehr, freilich etwa« spät, aber wie wir hoffen wollen, nicht zu spät, auch den conservativen Kreisen mehr und mehr znm Bewußtsein und auch hier gelangt die Wahrheit zur Anerkennung, daß eine stetige und stchcre Entwickelung der Gesetzgebung sich nur auf dem Wege der Vereinbarung und Vcrinittelung erzielen läßt. Auch die „Provinzial-Correspondenz" kommt in einem Artikel auf die Stichwahl im IS. hannoverschen Wahlkreise zurück und betont, daß der dortige Vorgang unter dem Gesichts punkte der bleibenden Interessen de« Vaterlandes betrachtet werden muß. Die AnSfkbrungen dcS halbamtlichen Blatte» enthalten mancherlei richtige und bcherrigenSwcrthe An sichten, und wir wünschen besonders, baß sie ihren Ein> druck in den Kreisen gewisser reactionaircr Beamten nicht verfehlen. Wir constatiren mit Gcnugthuung, daß da» Blatt cS al» „iu hohem Grade besorglicb und betrüblich" bezeichnet, daß in einem Wahlkreise, der l6 Jahre lang zur nationalen Sache gestanden, der gesunde Sinn soweit zurück- gedrängt werden konnte, daß der politische Nadicallsmu» die Unterstützung von Parteien hat annchmen dürfen, deren Stellung zur nationalen Sache für Niemand ein Gehrimniß ist. Wenn aber die „Provinzial-Correspondenz" versucht, un» selbst, die wir doch gewiß jederzeit und mit aller Kraft und Treue für unsere nationalen und gemäßigt liberalen Grund sätze einaetreten sind, wobei wir jedoch immer die Mittel einer überhasteten Agitation verschmäht haben, welche der Radikalismus von recht» und link» so oft au- znwenden beliebt, für die Niederlage im Otterndorfer Wahlkreise verantwortlich zu macken, so weisen wir eine solche Beschnldignng mit Entschiedenheit zurück. Möge die „Provinzial-Correspondenz" doch lieber in ihren eigenen Busen greisen und sich erinnern, mit welcher maßlosen Heftigkeit sie un« oft bekämpft bat — DaS hat mehr als viele» Andere dem Fortschritt die Wege geebnet; möge dock die „Provinzial- Correspondenz" sich bewußt sei», wie von ihr nahe stehender Seile gegen die Nationalliberalen agitirt wurde, und sie wird Momente genug finden, welche die jetzigen ihr so schmerz lichen Erfahrungen im Wahlkreise Otterndors erklären. Wir behaupten geradezu, wenn die „Provinzial-Correspondenz' etwas früher sich ähnlich ausgesprochen hätte wie heut^ wenn man den Mühen und der Ansopfernng eine» so htn< gebenden und selbstlosen Staatsmannes, wie e« Rudolf von Bennigsen ist. nur ein klein wenig mehr Gerechtig keit, wir sagen nicht einmal Anerkennung, hätte wider fahren lassen wollen — der Wahlkampf im !9. hanno verschen Wahlkreise wäre überhaupt überflüssig gewesen. Nicht mit Theorien, nicht mit starrer Betonung der liberalen cder eonservativen Grundsätze laßt sich aus die Tauer da- taatSwohl fördern, sonder» nur in der jeweiligen Berück sichtigung bei gegenseitiger Achtung und Anerkennung der Principic», soweit sie nicht da» Bestehen der Staatsordnung überhaupt in Frage stellen, ist die Ruhe und Sicberbcit de» Staates zu suchen. Darum wird die nationallideralc Partei auch immer mit derselben Heftigkeit von den Anhängern der Reaction wie von der Temokratic angegriffen; aber würde diese oder jene jemals zur ausschließlichen Herrschaft gelange», sür daS deutsche Reich und die deutsche 'Nation wäre es gleich unheilvoll. Gerade diese junge Organisation bedarf der selbst bewußten Mäßigung. Wie wir niit Recht stolz sind daraus, daß unser großer Kanzler mit Erfolg und znm Heile von ganz Europa die Rolle dcS „ehrlichen Maklers" durchführt und di: Chauvinisten von rechts und links abhält, aus ein ander zu schlagen und sich zu zerfleische», so sucht auch die nalionalliberale Partei keine» anderen N»bm, alS den die Gegensätze zu vermitteln und auSznglcichcn, fick keinen Thron ;n errichten durch Vernichtung de« ÄegnerS. Alle politischen Richtungen wollen wir vielmehr »ach Möglichkeit gewinnen und versöhnen zur gemeinsamen Mitarbeiterschaft sür die Entwickelung dcS Reich«, weil wir bei asten voraussetzen die gleiche Liebe sür daS gemeinsame deutsche Vaterland. Ob inan daS mehr konservativ oder liberal nennt, daS soll unS gleich sein! — Der Artikel scheint nnS übrigen« wichtig genug z» sein, um ihn unseren Lesern dem Wortlaute nach mitzulheilen. Derselbe lautet: Innerhalb jeder politischen Partei machen sich zwei Richtungen geltend, eine, welche aus Verschärfung der Gegensätze hindrängt »nd die Grundfarbe der Partcitendenz in möglichst Helle- Licht zu stellen bestrebt ist und eine andere, welcher Mäßigung und Verständigung mit den zwischen den Extremen vermittelnden Parteien die sicherste Gewähr sür Dlirchsührmig der eigenen Grundsätze zu versprechen scheint. Von dem crslercn Standpimete aus wird jeder gegen die Männer der Venmttclnug gcsnhrle Schlug als Gewinn begrüßt, während die Anhänger de- letzteren ersahrmig-niäßlg wissen, daß Emseilig'citcn und Ucbcrtreibungc» weder dein Ganzen, noch den Theilen zum Heil gereichen. Je nachdem sie unter dem Einfluß einer dieser Richtungen stehen haben die Organe der politischen Parteien die zu Gunsten der Ford h*.: »»Partei anogesallsue Stichwahl im 19. hannoverschen Reich-, lagSwahtbezirke befriedigt oder bedauernd begrüßt. Darüber hat unter den nüchternen und ernsthaften Männer» der verschiedenen R chtiingcii allerdings eine gewisse liebe»einstimmung geherrscht, daß die von der Fvitschrilievirtei angewendeten Agitation-mittel „die Leidenschaste» der untersten Elassen ii» höchsten Grade ausgestachclt" und dabei ei» Bersahren beobachtet haben, dem „eine Partei, die de» sittlichen Boden gesetzlicher Staatsordnung nicht vertäfle» will, nicht- entgegenznsctzc» bat". Wer diese» Vorgang unter dem Gc- flcht-vunct der bleibenden Interessen de- Vaterlandes betrachtet und den sür dcnst'lbe» maßgebend gewesenen Verbältnsssen die gehörige A»smcrkiai»kc>t zuwendet, wird indessen die Nebcrzeugunq ge winnen, daß die herkömmlichen Gesichte>P,l»c1c sür die Bciirtheitung von Wahlergebnissen vorliegendensalls nicht aiisrcichc» und daß es sich i» demselben um mehr als eine Enlscheidung sür od^r w der de» Natioiinlüberasi-niuS gehkindelt hat. Länger als et» Jahrzehnt ist der l9. hannoversche Reich- »ag-wahlbezirk durch einen Politiker vertreten gewesen, der seit dem Beginn seiner össentlichen Lausbabn daS deutsche National- interessc in die erste Reihe gestell: und in der fiusammensassiing aller ans dem Boden derselben stehenden Elemente die Haupt- dedingniig sür eine ersprießliche Entwickelung der deutschen Sache gesehen hat. Daraus erklärte sich nicht nur, daß Herr von Bennigien di: gemäßigtste Schallirung de- Liberali-inus vertrat, sondern zugleich, daß er von zahlreichen Wühlern, die seine besonderen Anschauungen über die inneren politischen Fragen nicht tbeilten, unterstützt wurde. Danach halten die ovposttionellen Parteien sich eingerichtet. Als eine Neuwahl sür den bisher von Herrn von Bennigsen vkltretcnen Wahlkreis in Frage kam, wurde durch die Ausstellung einer fortschrittlichen Candidatur einerseits die Zusammenfassung aller der nationale» Sache ergebenen Kräfte verhindert, andcrerseitS sür die Anmeldung vaiticiisaristiicher »nd socialdcmokratischer Eandidaturen Raum ge- schaffen. Diese Zersplitterung hat ihre Früchte getragen. Nachdem die Stichwahl iiothwcndig geworden war, sind die bei dein ersten Wahlgange zn Gunsten particutaristischer und socialdemokratischer Eandidatur abgegebenen Stimme» der Fortschritt-Partei zur Verfügung gestellt worden, welche die Führung der Gcsamnit-Opposition über nommen und ihre Agitation so eilige ichtct batte, daß dieselbe den ne» gewonnenen Bundesgenossen die nöthige Rechnung trug. — Ver geblich hat man die Sache so darznstellen versucht, als ob der von Herrn von Bennigsr» empsohlene Bewerber conservativcn oder agrarischen Wünschen za weitgehende Zugeständnisse gemacht und als ob der Mangel an liberaler Entschiedenheit de» Miß erfolg des Herrn Holtendorf verschuldet hätte! Darum hat e§ sich weder für die welsischen Nnversöhnlichkeitcn, noch sür die Social demokraten gehandelt; die ersteren huldigen vielfach ausgesprochenen agrarische» Anschauungen, und die letzteren wisse» sehr wohl, daß sür socialpvlitische Resormen gerade von de» Vertretern des „vor, geschrittenen" Liberalismus nicht daS Geringste zu erwarten ist Den AuSichlag gab sür das Verhalten beider genannten Richtungen der Wuuich, die Reihen der systematischen Opposition verstürlt, der Sache des Reich-au-baue- Steine in den Weg geworfen zu sehen, und in dieser Rücksicht glaubte man sich aus die Fortschrittspartei »erlassen zu dürsen. Mag immerhin wahr sein, daß dieser Vorgang zu heilsamer Klärung der Gegensätze und Anschauungen beitragen wird, — eS erscheint in hohem Grade besorglich und betrüblich, daß in einem Wahlkreise, der 16 Jahre lang zur nationalen Sache gestanden, der gesunde Sin» so weit zurückgedrängt werden konnte, daß der poli tische RadicaliSmuS die Unterstützung von Parteien hat annehiiicn dürfen, deren Stellung zur nationalen Sache für Niemand ein Ge- heimiiiß ist. Die gemachte Ersahrung wird liberalen wie eonservativen Palitikern, die für den Ernst der Lage und für die der Reichs- sache tti Gegenwart und Zukunft drohenden Gefahren ein Ver- stäftdniß hoben, nachdrücklich zur Lehre zu dienen haben. Bor Allem werden die Nationalliberalen sich zu fragen haben, ob sie eine gewisse Mitschuld an der Ibeenveewirrung in Abrede stellen können, deren Früchte sie vor sich sehen. Daß die Fortichritttpartei in dem Wahlkreise Ollerndors offene Thüren und sür ihre Angriffe gegen da- Programm de» Herrn Holtendorf offene Ohren gesnnocn yat, wird wenigsten« zum Theil darauf zurückzusühren sein, daß die Nationalliberalen bei mehr wie einer Gelegenheit dem Glauben an daS „Gemeinsame" der liberalen Partei Vorschub geleistet und daß sie diese Formel noch vor IahrcSsrist zu der ihrige» gemacht haben * Ueber die Niederwaldfeier schreibt die „Provinzial Correspondenz": „Ter Verlaus der Feier am 28. Sep tember bat den freudigen Erwartungen entsprochen, die im ganzen Vaterlandc voii diesem Fest lange vorher gchcczt wurden. Die Berichte, die wir nur zum kleinen Theil in tsirsem Blatt folgen lassen können, geben da» erhebende Bild einer Reihe unvergleichlicher Momente. Deutschland hat einen Kaiser nie so gesehen, al» an diesem Tage, wo alle aroßcn Ennnernngen gleich hehren Geistern das'ehrwürdige Haupt umschwebten, al« in dem Augenblick, wo er, an der Brüstung de» Denkmals stehend, im ganzen Rheinlhal den versammelten Tausenden sichtbar wurdet in dem Glorienschein dieses Tage» und in der ganzen Ehrwürdigkeit seiner Erschei nung. Vor fünfzig Jahren sprach einer der edelsten Redner der evangelischen Kirche bei einer DenknialSwcihe daS Wort: „Nicht alle», große Begebenheiten braucht eS, den Menschen zu cr- -.ichk» für seine große Bestimmung. Auch große Malzeichen ihiin Noth, an welchen wir anSruhen von großen Geschicken und iiir größere Reisen." Möge eS mit dem Zeichen so sein, daS aus dem Niederwald am 28. September zur Freude von ganz Tcnlschland durch eine unvergeßliche Feier geweiht worden. Aber von dem Anblick eine- solchen Festes sollten wir unS nicht trennen, ohne in daS tägliche Leben seine Frucht mit- zubringcn. Von diesem Leben ist ja Kamps der Meinungen »nd de« Wirken- unzerlrciinlich. Aber dieser Kampf ist nur dann nicht zerrüttend, wenn die Kämpfenden nicht vergessen, welch große- Besihtbum sie gemeinsam z» Hilten nnd zu ent wickeln haben, dessen Lebensfähigkeit durch den Kampf nicht angetastct werken Vars. Wie groß der Besitz de« deutschen Volke» an kostbaren Werthen äußerer Art, an heiligen Gütern innerer Art geblieben und geworden ist, bat die Feier de» 28. September hoffentlich überall im Vaterland«: wieder zum lebendigen Bewußtsein gebracht. Möge dieses Bewußtsein nun auch seine versöhnende und erhebende Wirkung allent halben äußern." * Es ist vor Kurzem in Aussicht gestellt worden, daß der BnndeSrath sich in nächster Zeit mit einem Gesetz entwurf über die Entschädigung unschuldig Ber- urtheilter zu beschäftigen haben werde. Die Anregung soll von kayerischer Seite «„»gegangen sein und die» ist um so glaubhafter, alS an den Berathüngen, welche der Reichs tag brzw. die Commission desselben über diesem Gegenstand in der vorletzten Session abgehalten, die bayerische Regierung durch ihren Vertreter, den Ministerialrath von Kästner, mtt ganz besonderem Interesse theilnahm. Auch der Vertreter de» NcichsjustizamtS nahm damals durchaus keine principiell ablehnende Haltung ein, bestand aber mit Entschiedenheit daraus, daß die Entschädigung aus die unschuldig erlittene Strasbast brscbränkt werte, »nd wünschte ferner, daß sie auS der NeichScasse, nicht au« den Staatskassen, gewährt ward.', sowie daß daS Reichsgericht über da« Vorhandensein einer Entschädi zungSpsticht un" der Reichskanzler über die Höhe des Betrages zu bcsinveu habe. WaS die competeute -stelle für kie Entscheidung über da« Vorhandensein und die Höhe der Entschädigung-Pflicht betrifft, so ist darüber wohl das letzte Wort noch nickt gesprochen. DaS aber wird man von vornherein als feststehend betrachten müssen, daß der VundcSrath eine Gewährung der Forderung nur in der Be schränkung ans die Strafhaft, nicht in der Ausdehnung auf die Untersuchungshaft im Auge hat bezw. zugestehen wird. Nnd man wird sich damit auch bis auf Weitere« begnügen können. Auch die RcichStagScommission, welche in einem sehr gründlichen nnd wissenschaftlich werthvollen Bericht die Frage ansS Eingehendste nach allen Richtungen erörterte, war der Ansicht, eS sei zweckmäßig, die Entschädigung zunächst ans unschuldig erlittene Strasbast zn beschränken, weil hier die Verhältnisse viel einfacher liegen, fast allgemeine Ncbercinstimmung über die Gerechtigkeit de» Ent schädigungsanspruchs herrscht und di» Dnrchsiibrung de» PriiicipS hier nur geringen Schwierigkeiten nnd Bedenken unterliegt. Man kann darum doch die Berechtigung de« Entschädigungsanspruch» auch bei der Untersuchungshaft be reitwillig anerkennen. Dar ha! auch die Commission gethan und in einem von ibr beschlossenen selbstständigen Gesetzentwurf sowohl für die UntersnchungS- als für die Strafhaft die Bc- dingnngen sür die Entschädigung formnlirt. Gleichwohl aber glaubte die Commission bei der Neuheit dcS Gegenstände» nnd de» mangelnden Erfahrungen vorerst ein schrittweises Vor gehen empfehlen zu sollen. Man wird sich sonach damit ein verstanden erklären können, wenn die Angelegenheit zunächst mir in diesen« beschränkten Umfange in Angriff genommen wird. Hoffentlich bestätigen sich die Nachrichten von einer ernstlichen Initiative dcS BundeSratbcS in dieser Frage. Die zu Ende gehende LcgiSlatnrpericde ist an positiven Ergeb nissen erfreulicher Art nicht allzu reich; möchte wenigstens in der in Rede stehenden Frage ein günstige- Resultat zu verzeichnen sein. * DaS Bündniß zwischen dein Centruin und den Eonservativen scheint einen bedeutenden Riß bekommen zu haben, wenigstens deuten verschieden? Umstände daraus hin. Die „Germania" und die „Kreinzeitnug" bekämpfen sich seit einiger Zeit in ziemlich scharfem Tone, und unsere Ansicht, daß eS den Ultramontanen durchaus nicht angenehm ist, daß ein, wenn auch n»r tbeilweiser Friede über ihre Köpfe hinweg zwischen dem Vatican und der preußi' Regierung abgeschlossen worden ist, findet volle Bc>''" Interessant ist auch der heftige Ton, welchen der K .Lediger Stöcker, welcher in der letzten ordentlichen PariamcntS- saison so sehr eifrig sür die Verbrüderung zwischen dem Centn»» und der eonservativen Partei cintrat, neuerdings gegen daS crstere anzuschlagen sür aut findet. Nachdem er die» wiederholt in den christlich-socialen Versammlungen gethan, hat er wieder eine besondere Gelegcnbeit dazu benutzt, nämlich den DereinStag der Freunde der positiven Union, welcher seit Mittwoch in Berlin tagt. — Die Rosenkranz- Eiicvklika deS Papste», sagte Herr Stöcker, muthe den Katbc- liken Dinge zu, die sich »nt dem Anspruch d»r wahren Bil dung und Freiheit nickt vereinigen lassen. Run. schärfer kann sich auck, ein liberaler Mann nicht nuSdrücken. Wir freuen unS ausrichtig, daß auch Leute wie Herr Stöcker durch die Macht der Tbatiachen von der Unballbarkeit eine- Bünd nisse» mit den Klerikalen überzeugt werden. * In einer im katboliscken Verein zu Düssel dorf dieser Tage geballeiien Rede meinte Herr Windt- Horst, wir würbe» vielleicht eber an die Wahlurne ge rufen. als wir eS dächten, darum müsse man immer aus dem Posten sein. Ob Herr Windthorst bei diesen Worten wohl an die Eventualität eines ScheiternS des Socialistengesetze» und eine darau» entspringende NeicbStagSauslösung gedacht hat? DaS Centrnm hat bekanntlich wie viele andere, so auch diese Entscheidung in der Hand. * Die „Provinzial-Correspondenz" bringt über „die Ausführung de« kirchenpolitischen Gesetze«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite